Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 17.09.2013, Az.: 6 A 453/12

Abstimmung; Attest; ärztliche Bescheinigung; Klassenkonferenz; Rücktritt; Prüfung; Sportnote; Unverzüglichkeit; Verfahrensfehler

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
17.09.2013
Aktenzeichen
6 A 453/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64411
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Auch Schülerinnen und Schüler haben grundsätzlich das Recht, von Prüfungen zurückzutreten, also geltend zu machen, dass die Leistung wegen einer Erkrankung oder sonstigen Beeinträchtigung nicht bewertet werden soll.

2. Ein wirksamer Rücktritt ist auch für Schülerinnen und Schüler jedenfalls grundsätzlich nur nach den im Prüfungsrecht entwickelten Maßstäben möglich. Insbesondere ist ein Rücktritt in der Regel nur dann wirksam, wenn er bis zur Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses erklärt wird.

3. Nimmt ein Schüler in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis einer gesundheitlich eingeschränkten Leistungsfähigkeit an einer schulsportlichen Prüfung teil, ohne die eingeschränkte Leistungsfähigkeit geltend zu machen, so können die Einschränkungen nachträglich grundsätzlich nicht mehr als Rücktrittsgrund anerkannt werden.

4. Verfahrensfehler in einer Klassenkonferenz wie die Beteiligung eines nur beratenden Mitglieds an der Abstimmung können nach § 46 VwVfG rechtlich unbeachtlich sein.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erteilung des Erweiterten Sekundarabschlusses I.

Der Kläger ist 1994 geboren und macht seit August 2011 eine Ausbildung zum Werkzeugmechaniker. In den Jahren 2004 bis 2011 besuchte er die Realschule G., die inzwischen zu der beklagten Oberschule G. umgewandelt wurde. Laut Beschluss der Klassenkonferenz vom 23.06.2011 wurde ihm mit dem Abschlusszeugnis vom 01.07.2011 der Sekundarabschluss I - Realschulabschluss - attestiert. In den Fächern Biologie und Physik wurde ihm jeweils die Note „ausreichend“, im Fach Sport die Note „gut“ erteilt. Die übrigen Pflicht- und Wahlpflichtfächer wurden mit „befriedigend“ bewertet. Im September 2011 erhob der Kläger, vertreten durch seine Eltern, Widerspruch gegen die Benotung im Fach Sport und die Nichterteilung des Erweiterten Sekundarabschlusses I. Zur Begründung trug er vor, trotz einer 2004 festgestellten Legasthenie habe er alle Hauptfächer mit der Note „befriedigend“ absolviert. Seine Sportzensur sei fast während der gesamten Schulzeit mit der Note „sehr gut“ bewertet worden, da er ein guter Sportler sei, Fußball spiele und sich auch gut einbringe. Trotz einer gesundheitlichen Einschränkung habe er unbedingt am Sportunterricht teilnehmen und somit auch sein Engagement zum Ausdruck bringen wollen. Leider sei er für diese Zeit nur mit einem „gut“ benotet worden. Daher habe die Sportzensur die Note „ausreichend“ im Fach Biologie nicht ausgleichen können und er habe dadurch keinen qualifizierten Realschulabschluss erhalten. Zusammen mit dem Widerspruch legte der Kläger folgendes Attest der Gemeinschaftspraxis H. vom 04.07.2011 vor: „Der oben genannte Patient wurde am 23.12.2010 operiert und konnte aufgrund des Eingriffs an dem Sportunterricht nur eingeschränkt teilnehmen. Ein weiterer Eingriff ist für Mai 2011 geplant“. In der Abhilfekonferenz der Beklagten am 23.01.2012 wurde die Vergabe der Sportnote „gut“ und des Sekundarabschlusses I auf der Grundlage schriftlicher und mündlicher Stellungnahmen der Sportlehrerin Frau I. bestätigt. Mit Bescheid vom 03.08.2012 wies die Niedersächsische Landesschulbehörde den Widerspruch zurück.

Am 29.08.2012 wurde der Widerspruchsbescheid zurückgenommen, da zu der Abhilfekonferenz weder Elternvertreter noch Schülervertreter eingeladen worden waren. Im Oktober 2012 legte der Kläger zwei ärztliche Atteste vom 02.10.2012 vor. Dort attestiert die Gemeinschaftspraxis H., der Kläger sei am 23.10.2010 operiert worden und habe daher am Sportunterricht nur eingeschränkt teilnehmen können. Der Eingriff habe sich besonders auf die Motorik der Beine ausgewirkt, so dass Schwierigkeiten in allen Laufdisziplinen zu erwarten gewesen seien. Aufgrund des absehbaren Prüfungsstresses hätten sie davon abgeraten, den geplanten weiteren Eingriff im Mai 2011 durchzuführen. In dem Attest des Dr. J. wird Folgendes ausgeführt:

„Og. befindet sich hier in ständiger hausärztlicher Behandlung. Bedingt durch körperliche Einschränkungen - u. a. Asthma-Bronchiale - manifestierte sich eine psychische Belastungsreaktion sowie eine dauerhafte Stressreaktion. K. ist sehr introvertiert und spricht sehr ungern über seine Probleme. Vom Kinderarzt Dr. L. wurde ebenfalls eine Störung des Sozialverhaltens und eine psychische Alteration diagnostiziert. Weitere Funktionseinbußen wurden im Zentrum für integrative Lerntherapie festgestellt.“

Am 08.10.2012 fand wiederum eine Abhilfekonferenz statt, in der die Vergabe der Sportnote und des Sekundarabschlusses I bestätig wurde. Wegen der Beteiligten und des Ablaufs wird auf das Protokoll der Abhilfekonferenz (Bl. 130 - 152 Beiakte A) Bezug genommen. Daraufhin wies die Niedersächsische Landesschulbehörde den Widerspruch mit Bescheid vom 14.11.2012 zurück. Zur Begründung trug sie vor, die Vergabe der Sportnote und des Sekundarabschlusses I sei nicht zu beanstanden. Laut Fachkonferenzbeschluss gingen die sportmotorischen Leistungen zu 60 % und die mündlich/fachspezifischen Leistungen zu 40 % in die Gesamtnote ein. Zu den fachspezifischen Leistungen zählten u. a. Mitarbeit im Allgemeinen, mündliche Beteiligung, Lernfortschritte, Arbeitsverhalten und Regelkunde. Nach Mitteilung der Fachlehrerin habe der Kläger im 1. Halbjahr des Schuljahres 2010/11 für die Spieleschulung im Oktober eine „1“, das Lauftraining (Halle) im Dezember eine „2“ und das Volleyballspiel im Dezember eine „1“ erhalten. Da er den Lauf in der Halle am 16.12.2010 über zehn Runden in 4,03 Minuten absolviert habe, sei eine Bewertung mit einer „2“ erfolgt. Hinweise auf gesundheitliche Einschränkungen für diesen Tag hätten nicht vorgelegen und seien der Beklagten nicht bekannt geworden. Daneben seien die mündlich/fachspezifischen Leistungen bis Oktober 2010 mit einer „2“ und für den Zeitraum bis Dezember mit einer „1“ bewertet worden. Zusammengefasst habe sich daraus für das Halbjahreszeugnis eine knappe „1“ ergeben. Im 2. Halbjahr habe er für das Geräteturnen im März 2011 eine „1“, für das Lauftraining (Waldlauf) im Mai eine „2“ und für die Großen Spiele im Juni eine „1“ erhalten. Bei der Laufnote seien neben den vorbereitenden Übungsläufen auch die Waldläufe am 02. und 26.05. sowie am 01.06.2011 berücksichtigt worden. Dabei habe die Fachlehrerin deutlich gemacht, dass eine „1“ nur erreicht werden könne, wenn ein Schüler drei Runden laufe. Dennoch habe der Kläger sich am 12. und 26.05. nur für zwei bzw. nur für eine Runde entschieden. Auch bei dem Wettkampf am 01.06.2011 sei der Kläger nur zwei Runden gelaufen, da ihm nach eigener Aussage eine „2“ reichen würde. Mit der dort erzielten Zeit von 13:03 Minuten habe die Leistung sogar nur einer „4“ entsprochen, d. h., die zusammenfassende Leistungsnote für diesen Themenbereich sei äußerst großzügig und wohlwollend gewesen. Daher scheide eine bessere Bewertung jedenfalls aus. Die mündlichen/fachspezifischen Leistungen seien für den Zeitraum bis März 2011 mit einer „2“ und bis Juni 2011 mit einer „3“ bewertet worden. Diese schlechter werdenden Noten hätten insbesondere auf der nachlassenden und schwächer werdenden Beteiligung am Unterricht und der gezeigten Lustlosigkeit beruht. Trotz Hinweises der Fachlehrerin, sich wieder aktiver in den Unterricht einzubringen, habe der Kläger mehrfach geäußert, keine Lust oder gefeiert zu haben oder zu spät ins Bett gegangen zu sein. Auch bei Gruppenarbeiten habe dieser sich nicht gut eingebracht und während eines Volleyballturniers unsachliche Kritik an Mitschülern geäußert. Danach sei die Mitarbeit insgesamt verweigert worden, indem sich der Kläger auf die Bank gesetzt habe. Der Kläger habe die Gefährdung der Sportnote „sehr gut“ akzeptiert und vielmehr erklärt, dass er das eigentliche Ziel, den Ausbildungsplatz, sowieso erreichen werde. Auch die übersandten Atteste vom 04.07.2011 und 02.10.2012 führten zu keiner anderen Beurteilung. Diese seien zu pauschal und deutlich zu spät eingereicht worden. Sie hätten konkret in der jeweiligen Sportstunde vorgelegt werden müssen. In den Zeiten der nur mit „2“ benoteten sportmotorischen Leistungen seien weder gesundheitliche Einschränkungen angezeigt worden, noch seien solche bemerkt worden.

Mit der am 14.12.2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung trägt er vor, er sei am 07.01., 23.10. und 23.12.2010 wegen Fascienlücken (Muskelfaserrissen) jeweils an einem Bein operiert worden. Deshalb habe seine Mutter in einer (undatierten) Entschuldigung geschrieben, dass er am Bein operiert werde und somit keinen Sport mitmachen könne. Dies habe für den ganzen Monat Dezember gegolten. Er habe daher nur eingeschränkt am Sportunterricht teilnehmen können, was sich aus den Attesten vom 04.07.2011 und 02.10.2012 ergebe. Dass der Beklagten ein Attest über die am 23.12.2010 durchgeführte Operation möglicherweise nicht zeitnah zugestellt worden sei, möge daran liegen, dass die Schulferien bereits am 22.12.2010 begonnen hätten. Letztlich sei dies der Beklagten aber von seiner Mutter handschriftlich mitgeteilt worden. Die körperlichen Einschränkungen seien der Beklagten bekannt gewesen und hätten bei der Bewertung der sportmotorischen
(Lauf-)Leistungen berücksichtigt werden müssen. Aus dem nunmehr vorliegenden Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin Frau Dr. M. vom 08.01.2013 ergebe sich, dass er aufgrund seines Anstrengungsasthmas insbesondere bei Leichtathletik ober Übungen wie Waldlauf und Sprints trotz entsprechender Medikation wiederholt Leistungsschwächen habe. Außerdem verweist der Kläger auf eine im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Kopie einer undatierten „Bescheinigung für die Schule“ der Praxis Dr. J., wonach er aus gesundheitlichen Gründen voraussichtlich vom 01.12. bis 31.12.2010 nicht am Sportunterricht teilnehmen kann.

Im Weiteren macht der Kläger geltend, die Bewertung der mündlichen/fachspezifischen Leistungen sei ebenfalls fehlerhaft erfolgt. Bei der Abhilfekonferenz sei auch über die im Jahr 2004 ärztlich bescheinigte Legasthenie mit erhöhter Prüfungsangst und sozialer Unerwünschtheit sowie die fachärztliche Bescheinigung über die Diagnose einer ADHS und psychisch-schulischen Überforderung vom 15.02.2008 gesprochen worden. In der fachärztlichen Bescheinigung werde auch ausgeführt, dass der ADHS-Anteil aufgrund der pubertären Einflüsse sicherlich zu seiner Verweigerungs- und Abwehrhaltung beitrage. Demgegenüber habe die Fachlehrerin lediglich auf sein Sozialverhalten abgestellt und ihn als arrogant, vor allem gegenüber anderen Mitschülern, dargestellt. Danach habe er keine Lust gehabt, lieber gefeiert und sich auch bei Gruppenarbeiten nicht gut eingebracht. Da jedoch gerade das Sozialverhalten Ausfluss der bei ihm diagnostizierten und attestierten psychischen Erkrankung sei, hätte dies Eingang in die Bewertung finden müssen. Aus dem Attest der Frau Dr. M. vom 08.01.2013 ergebe sich, dass er im 2. Schulhalbjahr 2010/2011 unter großen psychischen Problemen aufgrund eines frustranen Engagements als Klassensprecherstellvertreter gelitten habe. Dies habe zu Antriebslosigkeit und Stimmungsschwankungen geführt, weshalb er deutlich hinter seinen Leistungsmöglichkeiten zurückgeblieben sei. Selbst wenn er geäußert haben sollte, keine Lust zu haben, sei dies auf seine psychischen Beeinträchtigungen zurückzuführen. Schließlich habe festgestanden, dass er introvertiert sei und seine Probleme nur ungerne anspreche. Daher sei insgesamt die Note „sehr gut“ und damit auch der Erweiterte Sekundarabschluss I zu vergeben.

Im Übrigen lägen auch formelle Fehler vor. Die von der Beklagten abgehaltenen Abhilfekonferenzen seien nicht ordnungsgemäß einberufen und abgehalten worden. Frau N. sei zu der Abhilfekonferenz am 08.10.2012 als Elternvertreterin geladen worden, jedoch nicht erschienen. Eine Vertreterin sei nicht geladen worden. Außerdem habe die Lehrerin Frau O. an der Abhilfekonferenz teilgenommen, obwohl diese in der 10. Klasse überhaupt nicht unterrichtet habe. Darüber hinaus habe Herr P. teilgenommen, der zu Beginn des Schuljahres 2010/2011 bereits pensioniert worden sei. In der Abhilfekonferenz sei keine offene Aussprache über die ihm erteilte Sportnote erfolgt, obwohl dort Personen, wie die Schülervertreterin, erstmalig mit dem Thema befasst waren. Aus dem Protokoll der Abhilfekonferenz ergebe sich, dass dort im Wesentlichen nur das Protokoll der ersten Konferenz vorgelesen worden sei, um die Teilnehmer auf das von der Schulleiterin intendierte Ergebnis der Abhilfekonferenz „einzuschwören“.

Der Kläger beantragt,

1. den Widerspruchsbescheid der Niedersächsischen Landesschulbehörde vom 14.11.2012 aufzuheben und

2. die Entscheidung der Beklagten vom 23.06.2011, bekanntgegeben mit Zeugnis vom 01.07.2011, nach der er den Erweiterten Sekundarabschluss I nicht erhalten hat, aufzuheben und ihm den Erweiterten Sekundarabschluss I zuzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie ergänzend vor, mit dem Hinweis auf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen mache der Kläger einen Nachteilsausgleich geltend. Ein solcher komme hinsichtlich der sportmotorischen Leistungen nicht in Betracht, da die körperlichen Beeinträchtigungen nicht zu den Sportstunden und den abgeforderten Leistungen, sondern erst nach dem Schulabschluss durch ärztliches Attest geltend gemacht worden seien. Solche seien für die Fachlehrerin auch nicht erkennbar gewesen. Eine Beeinträchtigung könne nicht rückwirkend über nachträglich vorgelegte Atteste Berücksichtigung finden. Vielmehr seien die Regelungen über den Prüfungsrücktritt entsprechend anzuwenden, denn dem Kläger sei bekannt gewesen, dass es sich bei den Laufeinheiten im Mai und Juni 2011 um Bewertungen handelte, die in die Endbewertung eingehen würden. Das Attest der Frau Dr. M. vom 08.01.2013 bescheinige dem Kläger erstmalig im 2. Schulhalbjahr 2010/2011 psychische Probleme, die zu Antriebsproblemen geführt haben sollen. Das nunmehr ebenfalls attestierte Anstrengungsasthma habe der Kläger weder in den fraglichen Sportstunden noch zeitnah danach vorgetragen. Die mündliche Bewertung beruhe nicht allein auf dem sozialen Verhalten des Klägers, sondern auf den Vorgaben des Kerncurriculums für die Sekundarstufe I des Landes Niedersachsen. Auch insoweit könne eine psychische Beeinträchtigung nicht berücksichtigt werden, da diese deutlich verspätet geltend gemacht worden sei.

Darüber hinaus sei die Abhilfekonferenz ordnungsgemäß durchgeführt worden. Frau N. sei als gewählte Vertreterin für die Klassenkonferenz ordnungsgemäß geladen worden. Die tatsächliche Teilnahme einer Elternvertretung in der Klassenkonferenz sei zur Rechtmäßigkeit der Abhilfekonferenz nicht erforderlich. Eine Vertretung von Frau N. sei seinerzeit nicht gewählt worden, weshalb auch kein Vertreter habe eingeladen werden können. Insoweit könnten Erziehungsberechtigte nicht verpflichtet werden, von ihren Beteiligungsrechten aus dem niedersächsischen Schulgesetz Gebrauch zu machen. Frau O. habe zu Recht an der Konferenz teilgenommen, da sie die Klasse 10 c im Wahlpflichtkurs Englisch unterrichtet habe. Herr P. habe der Klassenkonferenz als seinerzeit unterrichtende Lehrkraft im Wahlpflichtkurs Biologie angehört. Seine Pensionierung am Ende des Schuljahres 2010/2011 sei unerheblich, da er zwar aus dem aktiven Dienst, jedoch nicht aus dem Landesdienst ausgeschieden sei. Auch habe sich die Abhilfekonferenz ordnungsgemäß mit dem Widerspruch auseinandergesetzt.

Das Gericht hat Beweis durch Vernehmung der Fachlehrerin Frau I. als Zeugin erhoben. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 203 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Verpflichtungsklage hat keinen Erfolg. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erteilung des Erweiterten Sekundarabschlusses I zu. Ihm ist mit der im Zeugnis der Beklagten vom 01.07.2011 dokumentierten Entscheidung, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid der Niedersächsischen Landesschulbehörde vom 14.11.2012, rechtsfehlerfrei (lediglich) der Sekundarabschluss I zuerkannt worden.

Gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 NSchG entscheidet die für jede Klasse zu bildende Klassenkonferenz im Rahmen der Beschlüsse der Gesamtkonferenz über die Angelegenheiten, die ausschließlich die Klasse oder einzelne ihrer Schülerinnen und Schüler betreffen, insbesondere über Zeugnisse und Abschlüsse. Dabei erteilt die Klassenkonferenz nicht einzelne Zensuren für einzelne Fächer. Sie hat vielmehr auf der Grundlage der durch den jeweiligen Fachlehrer selbstverantwortlich vorzunehmenden Einzelbeurteilungen eine zusammenfassende Entscheidung über den Abschluss zu treffen (vgl. Brockmann in: Brockmann/Littmann/Schippmann, NSchG, Stand: Juni 2013, § 35 Anm. 3.1.5). Die Entscheidungen der Fachlehrer über einzelne Noten werden von der Klassenkonferenz lediglich darauf überprüft, ob ein Konferenzbeschluss über Grundsätze für die Leistungsbewertung verletzt, gegen allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe verstoßen oder von unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen wurde. Stellt die Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder der Klassenkonferenz dies fest und kann mit der Lehrkraft kein Einvernehmen erzielt werden, hat der Schulleiter die Schulbehörde um Überprüfung zu bitten (vgl. Nr. 3.3 des Runderlass des MK in der Fassung vom 05.12.2011, SVBl. 2012, S.6 - Zeugnisse in den allgemeinbildenden Schulen -, im Folgenden: Zeugniserlass).

Die Entscheidung der Klassenkonferenz, dass die Voraussetzungen für den Erwerb des Erweiterten Sekundarabschlusses I nicht vorliegen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Gemäß § 7 der Verordnung über die Abschlüsse im Sekundarbereich I der allgemeinbildenden Schulen einschließlich der Freien Waldorfschulen (im Folgenden:
AVO-Sek I vom 07.04.1994, Nds. GVBl. 1994, S. 197 in der hier anzuwendenden Fassung vom 17.05.2010, Nds. GVBl. 2010, S. 226) erwirbt den Erweiterten Sekundarabschluss I an der Realschule, wer über die Voraussetzungen für den Erwerb des Sekundarabschlusses I - Realschulabschluss nach § 6 hinaus im Durchschnitt befriedigende Leistungen sowohl in allen Pflichtfächern und Wahlpflichtkursen als auch in den Pflichtfächern Deutsch, erste Fremdsprache und Mathematik erbracht hat. Im Durchschnitt befriedigende Leistungen liegen vor, wenn der Durchschnittswert 3,0 oder weniger beträgt (§ 22 Abs. 1 AVO-Sek I).

Der Kläger hat nicht in allen Pflichtfächern und Wahlpflichtkursen im Durchschnitt befriedigende Leistungen erbracht. Denn aufgrund der Vergabe der Note „ausreichend“ in den Fächern Biologie und Physik, der Note „gut“ im Fach Sport und der Note „befriedigend“ in den übrigen Fächern liegt der Durchschnittswert von 3,06 über dem für den Erwerb des Erweiterten Sekundarabschlusses I höchst möglichen Wert von 3,0. Da ein Ausgleich fehlender Mindestanforderungen im Fall von § 7 AVO-Sek I nicht möglich ist (vgl. § 23 Abs. 2 Satz 2 AVO-Sek I), hat die Klassenkonferenz bei ihrer zusammenfassenden Entscheidung daher rechtsfehlerfrei lediglich den Erwerb des Sekundarabschlusses I beschlossen.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Vergabe der Note „gut“ im Fach Sport durch die in der mündlichen Verhandlung als Zeugin vernommene Fachlehrerin Frau I., statt der gewünschten Bewertung mit „sehr gut“, nicht zu beanstanden. Die Zeugin I. hat die vom Kläger im Schuljahr 2010/2011 erbrachten Leistungen auf der Grundlage der rechtlichen Vorgaben fehlerfrei ermittelt und bewertet. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass schulische Leistungsbewertungen vom Gericht - ebenso wie von der Klassenkonferenz - lediglich beschränkt überprüfbar sind. Den Lehrkräften steht nämlich bei der Leistungsbewertung ein pädagogisch-fachlicher Beurteilungsspielraum zu. Eine unabhängig vom Bezugs- und Vergleichsrahmen der Lehrkräfte erfolgende Leistungsbewertung durch das Gericht würde die Maßstäbe verzerren, einzelnen Schülern die Bewertung nach besonderen Kriterien eröffnen und damit letztlich den Grundsatz der Chancengleichheit verletzen. Soweit der Beurteilungsspielraum reicht, darf das Gericht die Leistungsbewertungen daher lediglich darauf überprüfen, ob sie auf der Grundlage eines fehlerfreien Bewertungsverfahrens zustande gekommen und ob die Grenzen des Bewertungsspielraums überschritten worden sind, weil die Lehrkräfte von falschen Tatsachen ausgegangen sind, allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze missachtet oder sachfremde und damit willkürliche Erwägungen angestellt haben (vgl. Nds. OVG, B. v. 20.03.2008 - 2 ME 83/08 -; VG Braunschweig, B. v. 10.08.2010 - 6 B 149/10 - und B. v. 27.08.2004 - 6 B 339/04 -, jew. www.rechtsprechung.niedersachsen.de).

Grundsätzlich hat sich die Beurteilung schulsportlicher Leistungen (wie auch anderer schulischer Leistungen) allein an den im Unterricht gezeigten Leistungen und den für den Schüler geltenden Beurteilungskriterien zu orientieren hat. Ob bekannt ist, dass der Schüler ein sehr guter Sportler ist, grundsätzlich im Stande wäre Außerordentliches zu leisten und in früheren Jahren immer ein „sehr gut“ bekommen hat, ist nicht von Belang. Für die schulische Bewertung entscheidend ist allein, welche Leistungen er in dem zu bewertenden Zeitraum tatsächlich erbracht hat (vgl. VG Braunschweig, U. v. 17.06.2002 - 6 A 252/01 - und B. v. 19.08.2003 - 6 B 315/03 -, bestätigt durch Nds. OVG, B. v. 18.09.2003 - 13 ME 336/03 -).

Die Ermittlung der zu bewertenden Leistungen des Klägers ist nicht zu beanstanden.  Die Zeugin I. hat dabei rechtsfehlerfrei auf einen Beschluss der Fachkonferenz Sport über die „Kriterien zur Leistungsmessung im Fach Sport“ abgestellt (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 2 NSchG). Dementsprechend hat sie in jedem Halbjahr jeweils drei sportmotorische Leistungen und zwei mündliche/fachspezifische Leistungen des Klägers ermittelt und bewertet. Die so ermittelten (Teil-)Noten hat sie zur Grundlage der rechnerisch ermittelten Halbjahresnoten und im Weiteren zur Errechnung der Note für das gesamte Schuljahr gemacht.

Entgegen der Ansicht des Klägers begegnet die Vergabe der (Teil-)Note von jeweils „2“ für seine sportmotorischen Leistungen im Dezember 2010 (Lauftraining: Halle) und Mai 2011 (Lauftraining: Waldlauf) neben den im Übrigen mit der (Teil-)Note „1“ bewerteten sonstigen sportmotorischen Leistungen keinen rechtlichen Bedenken. Der Kläger hat den 1.000 m-Lauf in der Halle am 16.12.2010 unwidersprochen in einer Zeit von 4:03 Minuten absolviert. Damit war nach den Vorgaben der Zeugin I., die den Schülern bekannt waren, eine Bewertung mit „2“ gerechtfertigt. Im 2. Halbjahr hat der Kläger neben den vorbereitenden Übungsläufen am 12.05., 26.05 und 01.06.2011 Waldläufe absolviert. Obwohl die Zeugin I. deutlich gemacht hatte, dass eine „1“ nur erreicht werden könne, wenn drei Runden gelaufen werden, ist der Kläger zweimal nur zwei, einmal nur eine Runde gelaufen. Einmal erhielt er für die gelaufene Zeit lediglich eine „4“. Auf dieser Grundlage ist die Vergabe der (Teil-)Note „2“ keinesfalls zu beanstanden.

Der Bewertung dieser Laufleistungen steht nicht entgegen, dass der Kläger nach Erteilung des Abschlusszeugnisses am 04.07.2011 im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat, am 07.01., 23.10. und 23.12.2010 wegen Muskelfaserrissverletzungen an den Beinen operiert worden zu sein, was seine körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt habe. Ein wirksamer Rücktritt liegt nicht vor.

Auch Schülerinnen und Schüler haben grundsätzlich das Recht, von Prüfungen zurückzutreten, also geltend zu machen, dass die Leistung wegen einer Erkrankung oder sonstigen Beeinträchtigung nicht bewertet werden soll. Denn auch hier ist dem im allgemeinen Prüfungsrecht geltenden Gebot der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Dieses Gebot verbietet es, Prüflinge vor unterschiedliche Prüfungsbedingungen zu stellen, soweit diese Unterschiede nicht durch die Sache selbst geboten sind.  Denn nur dann gewährleistet das erzielte Prüfungsergebnis eine hinreichend sichere Aussage über die individuellen Leistungen und Fähigkeiten des Prüflings. Wird dagegen für einen Prüfling der Leistungsnachweis durch irreguläre Umstände erschwert, so ist es grundsätzlich nicht auszuschließen, dass wegen dieser ungleichen Bedingungen die erbrachten Leistungen hinter den wahren Fähigkeiten des Prüflings zurückgeblieben sind. Als solche besonderen Umstände, die zur Prüfungsunfähigkeit führen und die Chancengleichheit aufheben können, gelten insbesondere erhebliche gesundheitliche Mängel, sofern sie nachweisbar bestanden haben (vgl. VG Braunschweig, U. v. 08.09.2004 - 6 A 303/03 -, juris). Da auch die durch einen erkrankten Schüler oder eine erkrankte Schülerin erbrachte Leistung kein reales Bild seines Leistungsvermögens vermittelt, besteht daher auch im Bereich des Schulrechts die Möglichkeit eines Rücktritts.

Ein wirksamer Rücktritt ist aber auch für Schülerinnen und Schüler jedenfalls grundsätzlich nur nach den im Prüfungsrecht entwickelten Maßstäben möglich (vgl. im Ergebnis ebenso Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1 Schulrecht, 4. Aufl., Rn. 429 ff; Avenarius, Schulrecht, 8. Aufl., Nr. 20.53; a. A. Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 3. Aufl., Rn. 1327 f.). Dies bedeutet insbesondere: Der Rücktritt muss vom Schüler (ggf. von seinen Eltern) grundsätzlich unverzüglich und eindeutig erklärt werden. Ebenso unverzüglich müssen die Gründe für den Rücktritt dargelegt und nachgewiesen werden. Dabei bedeutet unverzüglich: zum frühestmöglichen Zeitpunkt, der dem Schüler zumutbar ist. Danach ist ein wirksamer Rücktritt in der Regel nur bis zur Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses möglich. Wenn ein Schüler eine Leistungseinschränkung kennt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt und sich trotzdem der Prüfung aussetzt, dann hat er grundsätzlich das Risiko zu tragen, dass die Prüfung für ihn ungünstig ausgehen kann. Auf diese Weise wird die Chancengleichheit gewahrt und insbesondere verhindert, dass sich einzelne Prüflinge den unberechtigten Vorteil zusätzlicher Prüfungsversuche verschaffen (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 265). In diesem Fall liegt ein anzuerkennender Rücktrittsgrund nicht vor.

Der Anwendung der prüfungsrechtlichen Maßstäbe steht jedenfalls grundsätzlich nicht entgegen, dass Schülerinnen und Schüler in der Regel minderjährig sind. Diesem Gesichtspunkt kann bei der Anwendung der prüfungsrechtlichen Regeln, für die in weitem Umfang vor allem auch Zumutbarkeitserwägungen anzustellen sind, unter Berücksichtigung der individuellen Entwicklung, Kenntnisse und Fähigkeiten hinreichend Rechnung getragen werden.

Auf dieser Grundlage ist der Kläger schon deshalb nicht wirksam von den im Dezember 2010 und Mai 2011 erbrachten Prüfungsleistungen zurückgetreten, weil er an den Laufprüfungen teilgenommen hat, ohne eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit geltend zu machen. Nach Überzeugung des Gerichts war sich der Kläger seiner Erkrankungen bewusst, hat sich gegenüber der Zeugin I. beim Erbringen der Laufleistungen jedoch nicht darauf berufen, sondern die geforderten Leistungen ohne entsprechenden Hinweis erbracht. Er hat dazu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, von dem behandelnden Arzt wegen seiner Muskelfaserrissverletzungen beraten worden zu sein. Dieser habe ihm geraten, die Beine möglichst gar nicht zu belasten. Ihm sei gesagt worden, er könne es probieren, solle jedoch aufhören, wenn es ihm wehtue. Er habe daher bis zur Schmerzgrenze am Sportunterricht teilnehmen können. Die Zeugin I. hat in der mündlichen Verhandlung in Übereinstimmung mit ihren schriftlichen Ausführungen während des Verwaltungsverfahrens glaubhaft dargelegt, dass der Kläger weder bei dem vollständig absolvierten 1.000 m-Lauf in der Halle am 16.12.2010 noch bei den im Mai und Juni 2011 bewerteten Waldläufen auf gesundheitliche Beschwerden hingewiesen hat. Bei den Waldläufen am 12. und 26.05.2010 sei der Kläger zwar lediglich zwei statt der für eine „1“ erforderlichen drei Runden gelaufen. Begründung sei jedoch gewesen, dass ihm eine „2“ reiche. Auch im Übrigen habe es keine Hinweise auf körperliche Beeinträchtigungen gegeben. Dem hat der Kläger nicht widersprochen. Damit hat er es - falls bei den konkreten Laufleistungen körperliche Beeinträchtigungen bestanden - darauf ankommen lassen, eine schlechtere Bewertung zu erhalten. Erst als ihm die Relevanz der Sportnote für den Erwerb des Erweiterten Sekundarabschlusses I bewusst wurde, hat er auf seine körperlichen Beeinträchtigungen verwiesen. Bei dieser Sachlage begegnet die Berücksichtigung der Laufleistungen keinen rechtlichen Bedenken.

Unabhängig davon lagen der Beklagten bzw. der Zeugin I. im Zeitpunkt der bewerteten Laufleistungen auch keine Entschuldigungen oder ärztlichen Atteste vor, die eine Bewertung wegen Prüfungsunfähigkeit ausgeschlossen hätten. Unstreitig war vom Kläger zwar eine Entschuldigung seiner Mutter vorgelegt worden, wonach er am Bein operiert werde und somit keinen Sport mitmachen könne. Wegen des fehlenden Ausstellungs- und Operationsdatums kann diese jedoch nicht zeitlich genau eingeordnet werden. Auch der Kläger vermochte nicht darzulegen, zu welchem exakten Zeitpunkt diese Entschuldigung vorgelegt wurde. Er behauptet, diese habe für den ganzen Monat Dezember 2010 gegolten. Die Zeugin I. hat dazu im Verwaltungsverfahren lediglich erklärt, dass die Entschuldigung im ersten Halbjahr vorgelegt wurde. Insoweit ist jedoch maßgeblich, dass der Kläger bei dem Lauf am 16.12.2010, dessen Bewertungsrelevanz ihm bekannt war, gerade nicht auf körperliche Beeinträchtigungen hingewiesen hat. Zwar hat er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er habe wegen seiner Probleme mit Muskelfaserrissen beim Laufen oft Schmerzen in den Beinen gehabt und diese auch bei dem Lauf am 16.12.2010 gespürt. Demgegenüber hat er nicht behauptet, dies der Zeugin I. während oder nach dem Lauf mitgeteilt zu haben. Dass ein Rücktritt von erbrachten Prüfungsleistungen möglich ist, aber eine unverzügliche Geltendmachung voraussetzt, musste dem seinerzeit fast 16 Jahre alten Kläger auch bewusst sein. Insoweit hat die Zeugin unwidersprochen dargelegt, den Schülern sei bekannt gewesen, dass eine sportliche Leistung abgebrochen und zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden kann. Dementsprechend hatte der Kläger in anderen Fällen auch unter Berufung auf vorgelegte Entschuldigungen und Atteste nicht am Sportunterricht teilgenommen. Soweit der Kläger auf seine Teilnahme am Sportunterricht verweist, um sein Engagement zu zeigen, kann dies allein nicht dazu führen, dass tatsächlich erbrachte Leistungen nicht in die Bewertung einfließen oder besser bewertet werden als vergleichbare Leistungen anderer Schüler.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die erst im gerichtlichen Verfahren vorgelegte undatierte Kopie einer „Bescheinigung für die Schule“ des Hausarztes des Klägers Dr. J., wonach der Kläger aus gesundheitlichen Gründen voraussichtlich vom 01.12. bis 31.12.2010 nicht am Sport teilnehmen kann. Nach den glaubhaften Ausführungen der Zeugin ist diese Bescheinigung ihr bzw. der Beklagten nicht vorgelegt worden. Auch in der vor der Abhilfekonferenz im Januar 2012 erstellten Auflistung der vorgelegten Entschuldigungen wird diese nicht aufgeführt. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht vorgetragen hat, diese Bescheinigung der Beklagten oder der Zeugin I. vorgelegt zu haben, ist hier ebenfalls die tatsächliche kommentarlose Teilnahme an dem Lauf im Dezember 2010 maßgeblich. Die Zeugin I. musste auch nicht allein aufgrund der Tatsache, dass der Kläger im Schuljahr 2010/2011 mehrere Entschuldigungen für einzelne Tage vorgelegt hatte (20 Fehltage insgesamt), die nicht ausnahmslos aus gesundheitlichen Gründen ausgestellt wurden, von einer dauerhaften krankhaften Beeinträchtigung ausgehen oder dazu selbst Ermittlungen anstellen.

Der Kläger kann sich auch nicht auf die weiteren vorgelegten ärztlichen Atteste berufen, die erst nach Erteilung des Abschlusszeugnisses am 01.07.2011 ausgestellt worden sind. Insoweit bestätigt die sportmedizinische Gemeinschaftspraxis Dres. H. unter dem 04.07.2011 und 02.10.2012, dass der Kläger nur eingeschränkt am Sportunterricht teilnehmen konnte und dass sich der Eingriff am 23.10.2010 insbesondere auf die Motorik der Beine mit zu erwartenden Schwierigkeiten in allen Laufdisziplinen ausgewirkt hat. Abgesehen davon, dass darin keinerlei zeitliche Eingrenzung der zu erwartenden Schwierigkeiten vorgenommen wird, können nachträgliche Krankmeldungen nicht berücksichtigt werden (vgl. VG Braunschweig,
B. v. 30.09.1997 - 6 B 61246/97 -). Wie bereits ausgeführt muss eine Prüfungsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen unverzüglich angezeigt werden und kann nicht mittels Monate oder Jahre später erstellter ärztlicher Atteste geltend gemacht werden. Der besondere Fall der sog. unerkannten Prüfungsunfähigkeit, bei der die Prüfungsunfähigkeit aufgrund der besonderen Ausprägung der (meistens psychischen) Erkrankung erst später zutage tritt und erst dann ärztlich bescheinigt werden kann (vgl. VG Braunschweig, U. v. 20.08.2013 - 6 A 12/13 -), liegt hier nicht vor.

Soweit der Kläger auf das erst im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Attest der Hausärztin Frau Dr. M. vom 08.01.2013 verweist, kann dies ebenfalls einen wirksamen Rücktritt nicht begründen. Danach hat er im 2. Schulhalbjahr 2010/2011 unter großen psychischen Problemen gelitten und aufgrund seines Anstrengungsasthmas insbesondere bei Leichtathletik oder Übungen wie Waldlauf und Sprints trotz entsprechender Medikation wiederholt Leistungsschwächen gezeigt. Hatte der Kläger aufgrund dieser erstmalig geltend gemachten Erkrankungen bei den bewerteten Läufen im Dezember 2010 und Mai/Juni 2011 Probleme, die Prüfungsleistung zu erbringen, hätte er auch dies seinerzeit gegenüber der Zeugin I. geltend machen müssen.

Die Ermittlung und Bewertung der mündlichen/fachspezifischen Leistungen im 2. Halbjahr des Schuljahres 2010/2011 mit (Teil-)Noten von „2“ und „3“ begegnen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Die Zeugin I. hat dabei die Vorgaben des oben genannten Zeugniserlasses berücksichtigt. Danach sind die in den Zeugnissen festzuhaltenden Bewertungen nicht nur auf der Grundlage der mündlichen, schriftlichen und anderer fachspezifischer Lernkontrollen vorzunehmen. Ihnen sollen vielmehr auch die Beobachtungen im Unterricht zugrunde gelegt werden. Die Bewertung soll sich außerdem nicht nur auf die Leistungen, sondern auch auf die Lernentwicklung der Schüler beziehen (vgl. Ziffer 3.1 Sätze 1 und 2). Dementsprechend hat die Zeugin I. eine Bewertung jeweils für einen Beobachtungszeitraum, hier bis März 2011 mit „2“ und bis Juni 2011 mit „3“ vorgenommen. Entgegen der Ansicht des Klägers hat sie dabei nicht nur auf das von ihm gezeigte Sozialverhalten abgestellt. Aus dem Beschluss der Fachkonferenz Sport (s. o.) ergibt sich, dass für den Leistungsbereich der mündlichen/fachspezifischen Leistungen mehrere Faktoren zu berücksichtigen sind (Lernfortschritt, soziales Verhalten, Beiträge zum Unterrichtsgespräch, Anwenden sportspezifischer Methoden und Arbeitsformen, Ergebnisse offizieller Schulwettkämpfe, Unterrichtsdokumentationen, mündliche Überprüfungen ggf. auch in schriftlicher Form, Präsentationen und Arbeitsergebnisse von Partner- und Gruppenarbeiten). Die Zeugin I. hat sowohl in ihren schriftlichen Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren als auch in den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, welche Faktoren sie unter Berücksichtigung der Anforderungen in den durchgeführten Sportstunden in die Bewertung einbezogen hat. Sie hat erläutert, dass die gegenüber dem 1. Halbjahr schlechtere Benotung des Klägers insbesondere auf seiner nachlassenden Leistungsbereitschaft und seinem Verhalten insgesamt beruhte. Danach hat der Kläger oft keine Lust gehabt, dies teilweise mit privaten Feiern am Wochenende begründet, sich schlecht beteiligt, mit Mitschülern gestritten, sich geweigert, Gruppenarbeit oder bestimmte Übungen mitzumachen, und keine Bereitschaft gezeigt, zusätzliche Aufgaben im Unterricht zu übernehmen. Damit wird deutlich, dass die Zeugin neben dem Sozialverhalten auch andere Faktoren wie z. B. das Arbeitsverhalten, die Beiträge zum Unterrichtsgespräch und die Arbeitsergebnisse (nicht durchgeführter) Gruppenarbeiten in ihre Bewertung miteinbezogen hat. Die Feststellungen der Zeugin I. im letzten Schulhalbjahr vor dem Schulabschluss, insbesondere die fehlende Motivation und Leistungsbereitschaft des Klägers, werden durch die Erfahrungen der anderen Lehrkräfte bestätigt und vom Kläger letztlich nicht bestritten. Im Protokoll der Abhilfekonferenz vom 23.01.2012 wird das Verhalten des Klägers dahingehend zusammengefasst, dass man den Eindruck gehabt habe, ihm sei alles egal gewesen. Da die Gewichtung der genannten einzelnen Beurteilungsfaktoren bei der Vergabe der einzelnen (Teil-)Noten dem Beurteilungsspielraum der Zeugin I. unterfällt, kommt eine gerichtliche Prüfung insoweit nicht in Betracht. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Zeugin I. bei der Ermittlung der (Teil-)Noten ihren Beurteilungsspielraum überschritten hat, weil sie von falschen Tatsachen ausgegangen ist, allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze missachtet oder sachfremde und damit willkürliche Erwägungen angestellt hat (s. o.).

Die gezeigte mangelnde Leistungsbereitschaft des Klägers und sein Sozialverhalten durften auch in die Leistungsbeurteilung einbezogen werden (vgl. VG Braunschweig, U. v. 17.06.2002, a. a. O.). Insbesondere kann der Kläger sich nicht unter Verweis auf die erst nach Erlass des Abschlusszeugnisses erstellten Atteste des Hausarztes Dr. J. vom 02.10.2012 und der Hausärztin Frau Dr. M. vom 08.01.2013 auf eine psychische Erkrankung berufen, die zu seinem im 2. Halbjahr gezeigten Verhalten geführt haben sollen. Insoweit bescheinigt Dr. J., beim Kläger habe sich bedingt durch körperliche Einschränkungen (u. a. Asthma bronchiale) eine psychische Belastungsreaktion und dauerhafte Stressreaktion manifestiert. Ausweislich des Attestes der Frau Dr. M. hat der Kläger unter großen psychischen Problemen aufgrund eines frustranen Engagements als Klassensprecherstellvertreter gelitten. Dies soll zu Antriebslosigkeit und Stimmungsschwankungen und im Weiteren dazu geführt haben, dass er deutlich hinter seinen Leistungsmöglichkeiten zurückgeblieben sei. Abgesehen davon, dass keine fachärztliche Beurteilung vorliegt, kann auch hier die Vorlage ärztlichen Attestes mehr als ein Jahr nach dem zu bewertenden Zeitraum die Annahme einer Erkrankung und eine nachträgliche Änderung der Leistungsbewertung unter Berufung darauf nicht rechtfertigen. In Anbetracht der psychischen Probleme des Klägers in der Vergangenheit und der kontinuierlichen hausärztlichen Behandlung durch die bescheinigenden Ärzte war dem Kläger auch zuzumuten, die behaupteten Änderungen in seinem Verhalten zeitnah ärztlich abklären und bescheinigen zu lassen.

Entgegen der Ansicht des Klägers war die behauptete psychische Beeinträchtigung und eine darauf beruhende Prüfungsunfähigkeit auch nicht „allgegenwärtig“, so dass der Zeugin I. - auch ohne Vorlage seinerzeit erstellter ärztlicher oder therapeutischer Atteste - hätte bewusst sein müssen, dass das gezeigte (Sozial-)Verhalten nicht auf „Schulunlust“, sondern auf einer psychischen Erkrankung beruhte. Insbesondere ergab sich dies nicht aus der Tatsache, dass der Beklagten die beim Kläger im Jahr 2004 diagnostizierte Legasthenie und die im Februar 2008 diagnostizierte ADHS mit zum damaligen Zeitpunkt absoluter psychisch-schulischer Überforderung aufgrund in diesen Jahren vorgelegter Bescheinigungen bekannt war. Auch wenn in der Bescheinigung der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Frau Dr. Q. vom 15.02.2008 ausgeführt wurde, dass die ADHS-Anteile und die puberalen Einflüsse sicherlich auch zur Verweigerungs- und Abwehrhaltung des Kläger beitragen, lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das drei Jahre später im 2. Halbjahr des Schuljahres 2010/2011 gezeigte Verhalten wiederum oder immer noch auf einer psychischen Erkrankung beruhte. Denn seinerzeit war Folge des Attestes der Fachärztin, dass der Kläger im 2. Halbjahr der 8. Klasse (Schuljahr 2007/2008) in die 7. Klasse zurücktrat und sich seine Schulnoten seitdem kontinuierlich erheblich verbessert hatten. Beeinträchtigungen des Klägers aufgrund einer psychischen Erkrankung wurden in den folgenden Schuljahren nicht geltend gemacht.

Nach alledem ist die Ermittlung der Sportnote für das Schuljahr 2010/11 auf der Grundlage der von der Zeugin I. ermittelten (Teil-)Noten unter Berücksichtigung der Vorgabe der Fachkonferenz, dass die sportmotorischen Leistungen mit 60 %, die mündlich/fachspezifischen Leistungen mit 40 % bewertet werden sollen, nicht zu beanstanden.

Entgegen der Ansicht des Klägers liegen auch im Übrigen keine formellen Fehler im Bewertungsverfahren vor. Insbesondere ist die hier maßgebliche Abhilfekonferenz am 08.10.2012 rechtsfehlerfrei durchgeführt worden. Es ist nicht zu beanstanden, dass kein Elternvertreter teilgenommen hat. Zwar gehört gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 NSchG mindestens ein Vertreter oder eine Vertreterin der Erziehungsberechtigten der Klassenkonferenz mit Stimmrecht an. Für Vertreter dieser Gruppe besteht jedoch keine Teilnahmepflicht. Diese können daher auch unentschuldigt fehlen (vgl. Brockmann in: Brockmann/Littmann/Schippmann, a. a. O., § 36 Anm. 8). Die Beklagte weist insoweit zu Recht darauf hin, dass Erziehungsberechtigte nicht dazu verpflichtet werden können, von ihren schulrechtlichen Beteiligungsrechten Gebrauch zu machen (vgl. Littmann in: Brockmann/Littmann/Schippmann, a. a. O., vor § 88 Anm. 4.). Da laut Beschluss der Klassenelternschaft vom 13.09.2010 neben Frau N. als Vertreterin in der Klassenkonferenz kein Vertreter gewählt worden war, reichte es aus, dass diese ordnungsgemäß zu der Abhilfekonferenz geladen worden war.

Darüber hinaus war Frau O. als Lehrerin im Wahlpflichtkurs Englisch Mitglied der Klassenkonferenz und durfte damit an der Abhilfekonferenz teilnehmen (vgl. § 36
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 NSchG). Es kann dahinstehen, ob Frau O. an der Abstimmung teilgenommen hat, was sich nach Ansicht der Kammer aus dem Protokoll der Abhilfekonferenz nicht eindeutig ergibt. Zwar haben in den Teilkonferenzen bei Entscheidungen über die in § 35 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 genannten Angelegenheiten, zu denen Entscheidungen über Zeugnisse und Abschlüsse gehören, nur diejenigen Mitglieder ein Stimmrecht, die die Schülerin oder den Schüler planmäßig unterrichtet haben (vgl. § 36 Abs. 7 Satz 1 NSchG). Da der Kläger den Wahlpflichtkurs Englisch nicht belegt hatte, durfte Frau O. in der Abhilfekonferenz daher nicht mitentscheiden, sondern war nur beratendes Mitglied (vgl. § 36 Abs. 7 Satz 2 NSchG). Hätte Frau O. jedoch ohne Stimmberechtigung mitgestimmt, wäre dieser Verfahrensfehler gemäß § 46 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG unbeachtlich. Eine solche Unbeachtlichkeit liegt immer dann vor, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Diese Voraussetzung liegt hier vor. Denn aus der Auflistung der anwesenden Personen ergibt sich, dass an der Konferenz am 08.10.2012 eine Schülervertreterin, 13 Lehrkräfte und die Schulleiterin teilgenommen haben. Der Beschluss der Konferenz ist nach dem Protokoll einstimmig gefasst worden. Es ist somit davon auszugehen, dass alle Lehrkräfte für die Beibehaltung der Sportnote und des Sekundarabschlusses I gestimmt haben. Diese Entscheidungen wäre also, auch wenn Frau O. nicht mitabgestimmt hätte, mit der nach § 36 Abs. 5 Satz 1 NSchG erforderlichen Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschlossen worden (vgl. VG Braunschweig, B. v. 15.06.2011 - 6 A 80/10 -). Für eine Unbeachtlichkeit spricht zudem, dass schon in der Abhilfekonferenz vom 23.01.2012 ein entsprechender einstimmiger Beschluss ergangen war.

Mit derselben Begründung muss auch nicht entschieden werden, ob Herr P. als Lehrkraft im vom Kläger besuchten Wahlpflichtkurs Biologie rechtmäßig an der Abhilfekonferenz am 08.10.2012 teilgenommen und mitgestimmt hat, obwohl er bereits am Ende des Schuljahres 2011/2012 pensioniert worden war.

Der Ablauf der Abhilfekonferenz im Übrigen ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach dem Inhalt des Protokolls ist die Konferenz in einer Art und Weise durchgeführt worden, die es den Anwesenden, die nicht bereits an der Abhilfekonferenz im Januar 2012 teilgenommen hatten, erlaubte, sich ein Bild über die Situation zu machen und eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen. Zwar ist auch das umfangreiche Protokoll der ersten Abhilfekonferenz wörtlich verlesen worden. Es ist jedoch zunächst eine Einführung gegeben worden und die Protokollverlesung ist für zum Verständnis erforderliche mündliche sowie schriftliche Informationen an die bisher nicht Anwesenden unterbrochen worden. Darüber hinaus sind die Anwesenden nach dem Verlesen des Protokolls der ersten Abhilfekonferenz über die Entwicklungen im nachfolgenden Zeitraum und neu vorgelegte Unterlagen informiert worden. Daraus hat sich eine Diskussion ergeben und die Beteiligten wurden ausdrücklich gefragt, ob weitere Nachfragen bestehen. Aus den Unterlagen ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine Entscheidung der Klassenkonferenz aus vom Kläger angedeuteten sachfremden Erwägungen.