Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 11.09.2013, Az.: 2 A 1311/12

Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
11.09.2013
Aktenzeichen
2 A 1311/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 55154
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2013:0911.2A1311.12.0A

Fundstellen

  • GewArch 2014, 464
  • NdsVBl 2013, 5

Amtlicher Leitsatz

Eine Ausnahme von der Veränderungssperre ist zulässig, wenn das Vorhaben seiner Art nach zwar Gegenstand der Planung ist, den in der Planbegründung genannten Zielen im Einzelfall aber nicht widerspricht.

Tenor:

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärten haben wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 28.11.2012 verpflichtet, über den Bauantrag der Klägerin nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Gebäudes zur Durchführung von Messung, Konditionierung und sicherer Verpackung schwach radioaktiver Abfälle aus Medizin, Wissenschaft und Industrie.

2

Die Klägerin ist ein weltweit tätiges Unternehmen, das radioaktive Komponenten für medizinische, wissenschaftliche und messtechnische Zwecke herstellt. Ihre Geschäftsfelder umfassen Strahlentherapie, Isotopenprodukte, Radiopharmaprodukte und Umweltdienste. Zu letzterem gehört die Messung, Konditionierung und Verpackung schwach radioaktiver Abfälle zur Einlagerung im Endlager Konrad. Die Klägerin besitzt Betriebsstätten der Tochterunternehmen F., der G., die schwach radioaktive Quellen für Industrie und Messtechnik herstellt, und der H., die radiopharmazeutische Produkte herstellt, am südwestlichen Rand des Braunschweiger Ortsteils I. Sie liegen in einem Industriegebiet, das in den aneinander grenzenden Bebauungsplänen TH 18 "Gewerbegebiet J." vom 09.09.1969 und WE 18 "Industriefläche am Kanal" vom 31.01.1978 festgesetzt ist. Das Plangebiet, in dessen Nordosten ein Teilbereich als Gewerbegebiet festgesetzt ist, umfasst eine Fläche von ca. 20,8 ha, die zunächst auch im Flächennutzungsplan als Gewerbefläche ausgewiesen war. Mit der 49. Änderung des Flächennutzungsplans im Jahr 1997 wurde die Gewerbefläche auf eine Größe von ca. 9,4 ha reduziert, die südlich des G.-wegs liegt und von der ca. 4,6 ha bebaut sind. Der Geltungsbereich der Bebauungspläne TH 18 und WE 18 grenzt im Osten - getrennt durch die K. und den L. - an die Wohnbebauung des Ortsteiles I. Im bebauten Teil des Industriegebiets befinden sich neben den Tochterunternehmen der Klägerin die Gebäude der Fa. M., die ebenfalls radiopharmazeutische Produkte herstellt, und der N., die Arzneimittel und Chinin produziert.

3

Die Klägerin besitzt eine strahlenschutzrechtliche Genehmigung zum Umgang mit schwach radioaktiven Stoffen, die sie nach ihren Angaben im Umfang von durchschnittlich 5 bis 10% der genehmigten Freigrenzen nach Anlage III der Strahlenschutzverordnung in Anspruch nimmt. Im Rahmen des Betriebs der drei Tochterunternehmen entfallen davon ca. 95% auf die nicht streitgegenständliche Herstellung schwach radioaktiver Produkte und ca. 5% auf die Konditionierung schwach radioaktiver Abfälle, die teilweise angeliefert werden, zum anderen Teil aber auch bei der Produktion anfallen.

4

Am 22.11.2011 beantragte die Klägerin eine Baugenehmigung für ein neues ca. 1.800 m2 großes und knapp 13 m hohes Gebäude zur Messung, Konditionierung und Verpackung schwach radioaktiver Abfälle auf dem Flurstück O. in der Gemarkung I. Das Baugrundstück liegt westlich der vorhandenen Bebauung des Plangebiets in einer Entfernung von ca. 250 m zum nächsten Wohnhaus. Nach der dem Bauantrag beigefügten Betriebsbeschreibung sollen in der Halle schwach radioaktive Abfälle (z.B. Metalle, Beton und Betriebsabfälle aus der Medizin) in Beton eingeschlossen und so zu gesicherten Gebinden weiterverarbeitet werden. In der Betriebszeit von 06:00 bis 20:00 Uhr soll dies mit einem Lieferverkehr von ca. 5 Kleintransporter oder LKWs bis max. 7,5 t je Woche verbunden sein.

5

Nachdem sich eine Bürgerinitiative gegen das Vorhaben gebildet hatte, beschloss der Rat der Beklagten am 13.12.2011 die Aufstellung des Bebauungsplans TH 22 "P. /K." u.a. mit dem Ziel, die Zulässigkeit von Nutzungen für Anlagen zur Behandlung von Abfällen neu zu regeln. Der Beschluss wurde am 20.12.2011 bekannt gemacht. Nach dem derzeitigen Planungsstand unterscheiden sich die künftigen Festsetzungen von den bereits bestehenden im Wesentlichen dadurch, dass Folgendes nicht zugelassen werden soll:

6
  • Einzelhandel (der als großflächiger Einzelhandel bereits nach den geltenden Bebauungsplänen unzulässig ist)

7
  • Vergnügungsstätten, Bordelle

8
  • bauliche oder sonstige Anlagen, die der Lagerung, Verwertung oder Weiterverarbeitung von Abfällen dienen,

9
  • Speditionen, Logistikbetriebe und Autohöfe

10
  • Tankstellen.

11

Durch Bescheid vom 05.01.2012 stellte die Beklagte das Baugesuch der Klägerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung bis zum 09.01.2013 mit der Begründung zurück, nach dem derzeitigen Planungsstand sei zu erwarten, dass das Vorhaben nicht den Festsetzungen des künftigen Bebauungsplans TH 22 entsprechen werde und seine Genehmigung deshalb die Durchführung der Bauleitplanung wesentlich erschweren würde. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

12

Am 14.03.2012 erließ der Rat der Beklagten eine bis zum 13.03.2014 geltende Veränderungssperre. Daraufhin beantragte die Klägerin, den Zurückstellungsbescheid aufzuheben und unter Erteilung einer Ausnahme das Vorhaben baurechtlich zu genehmigen.

13

Wegen des Ausbleibens einer zeitnahen Entscheidung der Beklagten hat die Klägerin am 22.11.2012 den Verwaltungsrechtsweg beschritten und beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Zurückstellungsbescheides zur Erteilung der begehrten Baugenehmigung zu verpflichten.

14

Mit zwei Bescheiden vom 28.11.2012 hat die Beklagte sodann die Zulassung einer Ausnahme von der Veränderungssperre und die Erteilung einer Baugenehmigung abgelehnt und dazu ausgeführt: Einer positiven Entscheidung über die Baugenehmigung stehe die beschlossene Veränderungssperre entgegen, von der eine Ausnahme nicht zugelassen werden könne, weil überwiegende öffentliche Belange entgegenstünden. Das geplante Vorhaben solle der Weiterverarbeitung von Abfällen dienen und sei damit von den Zielen der Bauleitplanung erfasst, zu deren Sicherung die Veränderungssperre erlassen worden sei. Den Zurückstellungsbescheid vom 05.01.2012 hat die Beklagte durch Verfügung vom 03.09.2013 aufgehoben. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

15

Die Klägerin hat die ablehnenden Bescheide vom 28.11.2012 in ihre Klage einbezogen und begehrt deren Aufhebung. Zur Begründung ihrer Klage trägt sie vor: Die Veränderungssperre stehe der Erteilung der Baugenehmigung nicht entgegen, da sie nichtig sei, weil sie der Sicherung einer unzulässigen Verhinderungsplanung diene. Zwar sei beim Streit über eine Veränderungssperre grundsätzlich keine antizipierte Prüfung der mit ihr gesicherten Bauleitplanung vorzunehmen; etwas anderes gelte aber dann, wenn die Rechtswidrigkeit der Planung offensichtlich sei und dem Mangel auch im weiteren Verfahren erkennbar nicht abgeholfen werden könne. Das sei hier der Fall. Die im öffentlichen Raum geführte Diskussion belege, dass es dem Rat der Beklagten allein darum gehe, das geplante Vorhaben aus politischer Opportunität zu verhindern. Soweit die Beklagte angebe, mit der Bauleitplanung weitere Ziele zu verfolgen, seien diese lediglich vorgeschoben. So sollten nach dem derzeitigen Stand der Planung neben abfallverarbeitenden Betrieben vor allem verkehrsintensive Betriebe ausgeschlossen werden, obwohl nichts dafür ersichtlich sei, dass solche Betriebe ein Interesse bekundet hätten, sich in dem Industriegebiet anzusiedeln. Großflächiger Einzelhandel sei bereits nach den Festsetzungen der geltenden Bebauungspläne nicht zugelassen und begründe kein Planungsbedürfnis für den Ausschluss von Einzelhandel. Würde das Plangebiet entsprechend dem geltenden Flächennutzungsplan verkleinert, lägen die verbleibenden bebaubaren Flächen im Süden der Grundstücke der Klägerin und der beiden weiteren im Baugebiet ansässigen Unternehmen. Da sie keinen Zugang zur öffentlichen Straße hätten, könnten Betriebe der mit dem Planentwurf TH 22 ausgeschlossenen Art dort ohnehin nicht verwirklicht werden. Der geplante Ausschluss von Abfallentsorgungsbetrieben sei sachlich nicht gerechtfertigt, weil andere, gleichermaßen störende Betriebe weiterhin zugelassen werden sollen. Es sei widersprüchlich, einerseits stark emittierende Betriebe zuzulassen und andererseits den Betrieb der Klägerin, der nicht mit Emissionen wie Gerüchen, Geräuschen oder Erschütterungen verbunden sei, zu untersagen. Soweit es radioaktive Strahlung betreffe, handele es sich nicht um Emissionen, die Regelungsgegenstand des Baurechts seien. Hierfür würden die Bestimmungen der Strahlenschutzverordnung gelten, deren Anwendung und Überwachung in die Zuständigkeit des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts falle. Sie beabsichtige auch nicht, die ihr erteilte strahlenschutzrechtliche Genehmigung zu erweitern.

16

Dem in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan fehle die Planrechtfertigung, wenn er einerseits Betriebe zur Herstellung schwach radioaktiver Medizinprodukte, für welche dieselben Grenzwerte gelten, zulasse, gleichzeitig aber die Konditionierung schwach radioaktiver Abfälle verbiete. Ein sachlicher Grund für eine solche Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich. Der Bebauungsplan werde zudem offensichtlich abwägungsfehlerhaft sein. Wäre es allein Ziel der Beklagten, stark emittierende Abfallentsorgungsanlagen zu verhindern, sei es möglich, diese als solche im Plan zu benennen und den nicht emittierenden Betrieb der Klägerin weiterhin zuzulassen. Hierfür sprächen gewichtige Belange der Klägerin, u.a. das Interesse auf Beibehaltung der vorhandenen planungsrechtlichen Situation. Auch der vor Aufnahme der Planung bereits vorgelegte Bauantrag sei ein gewichtiger Belang. Zudem könne das Unternehmen durch die Verwirklichung der Planung in seinem Bestand bedroht werden, wenn z.B. notwendige bauliche Änderungen, die das Atomrecht gebiete, wegen baurechtlicher Unzulässigkeit nicht durchgeführt werden könnten. Dem stünden keine relevanten Belange der benachbarten Anwohner gegenüber. Denn diese würden weder durch Staub noch durch Lärm, Erschütterungen oder Gerüche belästigt. Die durch den Lieferverkehr zu erwartenden Geräusche seien angesichts der geringen Zahl von Transportvorgängen zu vernachlässigen. Immissionen schwach radioaktiver Stoffe seien nicht Gegenstand der Baugenehmigung, sondern der daneben erforderlichen Genehmigung nach der Strahlenschutzverordnung. Diffuse Ängste der Nachbarschaft seien nicht abwägungsrelevant. Der immissionsschutzrechtliche Trennungsgrundsatz gelte hier nicht, weil das Bundes-Immissionsschutzgesetz erst nach Inkrafttreten der geltenden Bebauungspläne geschaffen worden sei. Zudem sei ein Industriegebiet neben einem Wohngebiet nicht zwingend unverträglich. Die geplante Halle diene dazu, die Abfallkonditionierung von der bisher zu diesem Zweck genutzten alten Halle nach dort zu verlagern. In der freiwerdenden Halle sollten sodann Abfallcontainer untergebracht werden, die bisher im Freien stünden. Die neue, in strahlenschutzrechtlicher Hinsicht sicherere Halle würde eine - nicht geplante - Kapazitätserweiterung um 50% gegenüber dem bisherigen Umfang zulassen. Würde man hiervon Gebrauch machen wäre künftig mit 8 Lieferfahrten pro Woche zu rechnen, was hinsichtlich der von den Fahrzeugen ausgehenden Lärm- und Abgasemissionen baurechtlich zu vernachlässigen sei. Strahlenschutzrechtlich wären diese Transporte von der bestehenden Umgangsgenehmigung erfasst.

17

Die Klägerin beantragt,

18

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 28.11.2012 zu verpflichten, ihr die am 22.11.2011 beantragte Baugenehmigung zu erteilen.

19

Die Beklagte beantragt,

20

die Klage abzuweisen.

21

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung entgegen und erwidert ergänzend: Die bestehende Veränderungssperre schließe die Erteilung einer Baugenehmigung aus. Eine umfassende antizipierte Rechtmäßigkeitskontrolle des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre sei unzulässig. Da die Planung noch nicht abgeschlossen und eine Abwägung der widerstreitenden Belange noch nicht vorgenommen worden sei, könne nicht unterstellt werden, dass die zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmende Abwägung fehlerhaft sein werde. Der Bebauungsplan sei im gegenwärtigen Stadium nicht offensichtlich rechtswidrig und leide auch nicht an einem nicht behebbaren Mangel. Die Belange der Klägerin würden mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die spätere Abwägung einbezogen. Es treffe zwar zu, dass die im geltenden Flächennutzungsplan ausgewiesene Gewerbefläche wesentlich kleiner sei, als das bisher von den Bebauungsplänen TH 18 und WE 18 umfasste Gebiet, doch bleibe die Ansiedlung neuer Betriebe auch weiterhin möglich. Zudem sei heute auch noch nicht abzusehen, ob es tatsächlich zu einer Verkleinerung des Plangebiets komme. Ziel der Planung sei es, Nutzungen, die Immissionen befürchten lassen und mit einer Wohnbebauung deshalb unverträglich seien, auszuschließen. Da die Klägerin mit radioaktiven Abfällen umgehe und eine bauliche Erweiterung beabsichtige, habe dies Anlass zur Aufnahme der Bauleitplanung gegeben. Der Trennungsgrundsatz sei bei der Aufstellung des neuen Bebauungsplans zu beachten. Die Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre stehe in ihrem Ermessen, das sie nicht zugunsten der Klägerin ausüben wolle, weil heute noch nicht feststehe, ob das Vorhaben der Klägerin nach Abschluss der Planung verwirklicht werden könne. Grund für einen Ausschluss des Vorhabens könne z.B. eine Verkleinerung des Plangebiets sein, die das Baugrundstück nicht mehr mit einbeziehe.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

23

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

24

Im Übrigen ist die nach Ablauf der in § 75 S. 2 VwGO genannten Frist erhobene Verpflichtungsklage, auch nachdem die Beklagte über das Begehren der Klägerin während des anhängigen Klageverfahrens abschlägig entschieden hat, ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig (vgl. BVerwG, Urt. vom 13.01.1983 - 5 C 114.81 -, NJW 1983, 2276).

25

Die Klage ist in dem tenorierten Umfang auch begründet. Soweit die Klägerin einen Verpflichtungsantrag gestellt hat, konnte die Kammer dem nicht stattgeben, weil die Beklagte den Bauantrag bisher ausschließlich in planungsrechtlicher Hinsicht geprüft hat. Da die Sache deshalb noch nicht spruchreif war, war die Beklagte gemäß § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

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Die Bauleitplanung der Beklagten enthält positive Planungsansätze und ist daher keine ausschließliche Verhinderungsplanung. Aus diesem Grund ist auch der Erlass der Veränderungssperre rechtlich nicht zu beanstanden. Für das Vorhaben der Klägerin liegen die Voraussetzungen zur Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre vor. Das der Beklagten hierbei zustehende Ermessen kann rechtmäßig nur in der Weise ausgeübt werden, dass die begehrte Baugenehmigung erteilt wird, wenn nicht andere als planungsrechtliche Gründe dem entgegenstehen. Im Einzelnen:

27

Das Vorhaben der Klägerin bedarf einer baurechtlichen Genehmigung. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass das Landesrecht ohne Verstoß gegen Bundesrecht vorsehen kann, eine Anlage, deren Betrieb von einer atomrechtlichen Genehmigung abhängt, hinsichtlich der baulichen Anlage, in welcher der Betrieb beabsichtigt ist, einer baurechtlichen Genehmigung zu unterwerfen. In diesem Fall steht die Baugenehmigung neben der atomrechtlichen Genehmigung, die dann ihrerseits aus baurechtlichen Gründen nicht mehr versagt werden darf (vgl. BVerwG, Urt. vom 11.05.1989 - 4 C 1.88 -, BVerwGE 82, 61).

28

Gemäß § 70 Abs.1 NBauO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn die Baumaßnahme, soweit sie genehmigungsbedürftig ist und soweit eine Prüfung erforderlich ist, dem öffentlichen Baurecht entspricht. Zum öffentlichen Baurecht gehört das Bauplanungsrecht (§ 2 Abs. 16 NBauO) und damit auch die auf der Grundlage von § 14 BauGB am 28.02.2012 vom Rat der Beklagten erlassene Satzung über die Anordnung einer zweijährigen Veränderungssperre für den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan "P. /K." TH 22. Nach den §§ 1 und 3 Nr. 1 der Satzung und § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dürfen in dem von der Veränderungssperre betroffenen Gebiet Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB - also auch der von der Klägerin geplante Hallenneubau - grundsätzlich nicht durchgeführt werden.

29

Soweit die Klägerin meint, die Satzung über die Anordnung einer Veränderungssperre sei unwirksam, weil sie der Sicherung eines künftigen Bebauungsplans diene, der seinerseits als reine Verhinderungsplanung nichtig sein werde, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass im Verfahren über die Veränderungssperre eine antizipierte Normenkontrolle des künftigen Bebauungsplanes nicht stattzufinden hat. Wegen ihres Sicherungszweckes (§ 14 Abs. 1 BauGB) ist lediglich nachzuprüfen, ob sich die abzeichnende Planung schon jetzt als offensichtlich nichtig, und dementsprechend die Veränderungssperre sich als zur Sicherung der Planung nicht als erforderlich im Sinne des § 14 Abs. 1 BauGB erweist (vgl. BVerwG, Beschl. vom 25.11.2003 - 4 BN 60/03 -, BRS 66 Nr. 115; NdsOVG, Urt. vom 17.12.1998 - 1 K 1103/98 -, BRS 60 Nr. 59). An die Feststellung der offensichtlichen Rechtswidrigkeit einer Planung sind hohe Anforderungen zu stellen, die hier nicht erfüllt werden. Als Sicherungsmittel ungeeignet ist eine Veränderungssperre nur dann, wenn sich das aus dem Aufstellungsbeschluss ersichtliche Planungsziel im Wege planerischer Festsetzung nicht erreichen lässt, wenn der beabsichtigte Bauleitplan einer positiven Planungskonzeption entbehrt und der Förderung von Zielen dient, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind, oder wenn rechtliche Mängel schlechterdings nicht behebbar sind (vgl. BVerwG, Beschl. vom 21.12.1993 - 4 NB 40/93 -, NVwZ 1994, 698 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Die Überarbeitung der Bebauungspläne TH 18 und WE 18 stellt sich nicht als reine Verhinderungsplanung dar. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 18.12.1990 (Az. 4 NB 8.90, BRS 50 Nr. 9) ausgeführt:

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"Zur Beantwortung der Frage, wann eine unzulässige Verhinderungsplanung vorliegt, ist der Gegensatz von positiven und negativen Planungszielen letztlich wenig hilfreich. Gerade in kritischen Fällen wird es oft nur schwer möglich sein, das wahre Motiv und den wirklichen Zweck der Planung zu ermitteln. Nicht selten wird eine konkrete Planung erst dadurch ausgelöst, dass Bauanträge für Grundflächen gestellt werden, die die Gemeinde nicht in der beantragten Weise nutzen lassen möchte. Der Gemeinde ist es aber keineswegs verwehrt, auf derartige Bauanträge mit der Aufstellung eines Bebauungsplans zu reagieren, der ihnen die materielle Rechtsgrundlage entzieht. ... Vielmehr kommt es darauf an, ob eine bestimmte Planung - auch wenn sie durch den Wunsch, ein konkretes Vorhaben zu verhindern, ausgelöst worden ist - für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB ist."

31

Erforderlich i. S. von § 1 Abs. 3 BauGB ist ein Bebauungsplan dann, wenn ihm eine planerische Konzeption der Gemeinde zugrunde liegt. Die getroffenen (bzw. beabsichtigten) Festsetzungen müssen in ihrer eigentlichen Zielsetzung heute und hier gewollt und erforderlich sein. Sie dürfen nicht nur das vorgeschobene Mittel sein, um einen Bauwunsch zu durchkreuzen. Letzteres kann nicht schon dann angenommen werden, wenn die negative Zielrichtung im Vordergrund steht. Auch eine zunächst nur auf die Verhinderung einer - aus der Sicht der Gemeinde - Fehlentwicklung gerichtete Planung kann einen Inhalt haben, der rechtlich nicht zu beanstanden ist (NdsOVG, Urteil vom 17.12.1998 a.a.O.).

32

Soweit es die mit der Bauleitplanung der Beklagten verfolgten Ziele betrifft, ergibt sich aus dem Vorentwurf des Bebauungsplans TH 22 in der dem Gericht vorliegenden Fassung, dass sich die Planung nicht darin erschöpft, lediglich eine Betriebserweiterung der Klägerin verhindern zu wollen. In Nr. 3 Absatz 1 der Begründung zum Vorentwurf in der Fassung vom 07.09.2012 heißt es:

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"Planerisches Ziel ist unter anderem die Neuregelung der Zulässigkeit von Nutzungen für Anlagen zur Behandlung von Abfällen.

34

Diesem Planungsziel liegt die Überlegung zugrunde, die Belastungen für die angrenzenden schutzwürdigen Wohnstandorte und die südlich des Mittellandkanals befindliche Schule bei einem Ausbau des gewerblich-industriellen Standort in Thune nicht weiter zu erhöhen."

35

Auch wenn in der öffentlichen Diskussion im politischen Raum das Bestreben der Eigentümer von benachbarten Grundstücken deutlich wurde, eine Ausweitung des Betriebs der Klägerin zur Konditionierung schwach radioaktiver Abfälle zu verhindern, hat die Beklagte dies nicht zum ausschließlichen Gegenstand und Ziel der Planung erhoben. Stattdessen heißt es im Hinblick auf die insoweit eingeschränkte Zuständigkeit der Beklagten unter Nr. 3 des Vorentwurfs: "Die insbesondere von der Seite der Anwohner vorgebrachten Bedenken gegen die strahlenschutzrechtlichen Genehmigungen sind nicht Regelungsgegenstand des Bebauungsplans." Gleichwohl besteht derzeit die Absicht, mit Mitteln des Planungsrechts im Rahmen des Zulässigen eine Betriebserweiterung der Klägerin im Unternehmensbereich Umweltdienste zu unterbinden. Hierin erschöpft sich die Planung jedoch nicht. Vielmehr wird zu den weiteren Zielen der Planung unter Nr. 4 des Vorentwurfs hervorgehoben, dass mit ihr beabsichtigt sei, die in den Bebauungsplänen TH 18 und WE 18 festgesetzten Industriegebietsflächen in Gewerbegebietsflächen umzuwandeln und zum Schutz der benachbarten Wohnflächen auf der Grundlage eines schalltechnischen Gutachtens immissionswirksame flächenbezogene Schalleistungspegel festzusetzen.

36

Ein weiterer Planungsschwerpunkt liegt darin, bauliche oder sonstige Anlagen, die der Lagerung, Verwertung oder Weiterverarbeitung von Abfällen dienen, auszuschließen, um so eine Erhöhung von "Belastungen" für die Nachbarschaft zu vermeiden. Davon sind vor allem solche ansiedlungswilligen Abfallunternehmen betroffen, deren Betrieb Immissionen wie Lärm, Staub, Gerüche oder Erschütterungen verursacht, die als "Belastungen" auf die Nachbarschaft einwirken. Das ist bezogen auf die Konditionierung schwach radioaktiver Abfälle im Betriebsteil Umweltdienste der Klägerin gegenwärtig jedoch nicht der Fall. Mögliche Emissionen gehen dort nur von schwach radioaktiver Strahlung aus, deren Regelung nicht in das Regime des Baurechts fällt, sondern im Rahmen der zusätzlich erforderlichen Genehmigung nach der Strahlenschutzverordnung zu beurteilen ist. Für den Ausschluss anderer, stark emittierender Abfallbetriebe kann jedoch im Hinblick auf den in § 50 BImSchG verankerten Trennungsgrundsatz, der im Regelfall gebietet, Industriegebiete nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zu Wohngebieten auszuweisen, ein Planungsbedürfnis nicht verneint werden. Der Trennungsgrundsatz gilt auch für die Änderung von Bauleitplänen, die vor Inkrafttreten des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verabschiedet wurden, weil durch den ersetzenden neuen Bebauungsplan die frühere Rechtslage ihre Verbindlichkeit verliert (vgl. OVG Münster, Beschl. vom 02.06.2010 - 7 A 295/09 -, [...]). Zu berücksichtigen ist im hier zu entscheidenden Fall, dass derzeit auf großen Flächen des in den Bebauungsplänen THG 18 und WE 18 festgesetzten Industriegebiets, die noch nicht bebaut sind, erheblich emittierende Betriebe zulässig sind, andererseits aber die angrenzende Wohnbebauung eines Schutzes vor übermäßiger Belastung durch Immissionen bedarf. Auch wenn gegenwärtig ansiedlungswillige Betriebe dieser Art (noch) nicht mit Bauanträgen an die Beklagte herangetreten sind, ist es ihr nicht verwehrt, möglichen Fehlentwicklungen in der Zukunft schon heute planerisch entgegenzuwirken. Dem Einwand der Klägerin, in einem verkleinerten Plangebiet sei die Ansiedlung weiterer Betriebe kaum möglich, da ihnen der Zugang zu öffentlichen Verkehrswegen fehle, ist entgegenzuhalten, dass noch nicht feststeht, ob das Plangebiet tatsächlich räumlich dem Flächennutzungsplans angepasst werden soll. Der dem Gericht vorliegende Planentwurf geht vielmehr von einer Beibehaltung des Plangebiets in unveränderter Größe aus.

37

Bezogen auf die Unternehmen der Klägerin ist ein städtebauliches Planungsbedürfnis ebenfalls nicht von vornherein zu verneinen. Auch wenn sie angibt, eine Ausweitung ihrer strahlenschutzrechtlichen Genehmigung nicht zu beabsichtigen, zeigt der bisher geringe Ausnutzungsgrad bestehender Freigrenzen, dass sie im Rahmen der vorhandenen strahlenschutzrechtlichen Genehmigung ein Vielfaches der derzeit behandelten Abfallmengen konditionieren könnte, wenn sie dazu Eigentum an weiteren Flächen im Plangebiet erwerben und darauf entsprechende Anlagen errichten würde. Eine erhebliche Ausweitung des Umgangs mit schwach-radioaktiven Stoffen im Rahmen der vorhandenen strahlenschutzrechtlichen Genehmigung wiederum kann ein Planungsbedürfnis nicht nur im Hinblick auf die damit möglicherweise verbundenen Verkehrsimmissionen auslösen. Vielmehr gehört es auch zu den Aufgaben der Gemeinde, im Rahmen der Bauleitplanung u.a. zu prüfen, ob ein Standort von Anlagen, in denen mit radioaktiven Stoffen umgegangen wird, für den vorgesehenen Zweck geeignet ist und ob die in Aussicht genommene Nutzung mit der Nutzung der Umgebung verträglich ist (vgl. BVerwG, Beschl. vom 12.12.1990 - 4 NB 14/88 -, BRS 50 Nr. 44). Standortfragen sind damit Teil der planerischen Abwägung.

38

Soweit die Klägerin meint, die Planungsziele der Beklagten seien lediglich vorgeschoben und es bestehe kein Planungsbedürfnis, weil ansiedlungswillige Betriebe der künftig auszuschließenden Art nicht vorhanden seien, macht sie damit geltend, die Bauleitplanung der Beklagten verstoße gegen § 1 Abs. 3 BauGB, wonach die Gemeinden dann Bauleitpläne aufzustellen haben, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Dabei verkennt sie jedoch, dass das Merkmal der Erforderlichkeit nicht dahin zu verstehen ist, dass für die konkrete Planung ein akutes Bedürfnis bestehen oder gar zwingende Gründe vorliegen müssten, um eine neue Planungsinitiative zu entwickeln. Vielmehr ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, dass die Entscheidung, ob und in welcher Form und welchem Umfang eine Planung betrieben wird, grundsätzlich dem gerichtlich nicht überprüfbaren Planungsermessen der Gemeinde obliegt und das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit praktisch nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen eine Schranke der Planungsbefugnis darstellt (vgl. OVG Koblenz, Urt. vom 16.01.1985 - 10 C 13/84 -, NVwZ 1985, 766). Das kann im Hinblick auf eine Planung, welche die Ausnutzung des planerisch zulässigen Störpotenzials eines großflächigen Industriegebiets in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Wohngebiet durch Einschränkungen der städtebaulichen Möglichkeiten zu reduzieren sucht, nicht festgestellt werden.

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Der weitere Einwand der Klägerin, die künftige Planung werde dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB widersprechen, weil erhebliche Belange, die für eine Beibehaltung ihrer Entwicklungsmöglichkeiten sprechen, während baurechtlich nicht relevante "diffuse Ängste" der Nachbarn kaum Gewicht haben, nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht bei der Planung berücksichtigt würden, vermag schon deshalb nicht die Unwirksamkeit der Veränderungssperre zu begründen, weil die Rechtmäßigkeit einer erst in der Zukunft vorzunehmenden Abwägung völlig offen ist. Es erscheint aus heutiger Sicht nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Planung der Beklagten ohne Abwägungsfehler auch unter Berücksichtigung des Entwicklungsinteresses der Klägerin eine erhebliche Ausweitung des Umgangs mit schwach radioaktiven Stoffen im Plangebiet aus städtebaulichen Gründen künftig ausschließt.

40

Stellt sich der Planentwurf somit nicht als unzulässige Verhinderungsplanung dar, ermächtigt der Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplans auch zum Erlass der Satzung über die Anordnung einer Veränderungssperre, die vom Rat der Beklagten am 28.02.2012 beschlossen und im Amtsblatt der Stadt Braunschweig vom 14.03.2012 bekanntgemacht wurde. Die Veränderungssperre steht dem konkreten Vorhaben der Klägerin jedoch nicht entgegen. Zwar dürfen nach § 3 Nr. 1 der Satzung und § 14 Abs. 1 BauGB Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB während der Dauer der Veränderungssperre nicht durchgeführt werden, doch liegen im Falle der Klägerin für das konkret geplante Vorhaben die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme nach § 4 der Satzung und § 14 Abs. 2 BauGB vor. Die Vorschrift regelt solche Einzelfälle, in denen der Sicherungszweck das Verbot nicht rechtfertigt (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielen-berg, Kommentar zum BauGB § § 14 Rn 90). Nach ihr kann eine Ausnahme zugelassen werden, wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Öffentliche Belange stehen einer Ausnahme dann entgegen, wenn das Vorhaben den Zielen der Planung widerspricht. Die Ziele wiederum ergeben sich aus den planerischen Vorstellungen der Gemeinde über den Inhalt des Bebauungsplans, die bei Erlass der Veränderungssperre vorliegen (vgl. BVerwG, Beschl. vom 15.08.2000 - B. 4 BN 35.00 -, BRS 64 Nr. 109). Dem Vorentwurf zum Bebauungsplan TH 22 ist als einziges Ziel, das für die zu treffende Ausnahmeentscheidung von Bedeutung sein kann, zu entnehmen,

41

"die Neuregelung der Zulässigkeit von Nutzungen für Anlagen zur Behandlung von Abfällen."

42

Diesem Ziel liegt nach der Planbegründung die Absicht zugrunde, die

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"Belastungen für die angrenzenden schutzwürdigen Wohnstandorte und die südlich des Mittellandkanals befindliche Schule bei einem Ausbau des gewerblich-industriellen Standorts in Thune nicht weiter zu erhöhen."

44

Das Vorhaben der Klägerin steht nicht in Widerspruch zu diesem Ziel, weil von ihm höhere Belastungen nicht zu erwarten sind. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Konditionierung schwach radioaktiver Abfälle auch bisher nicht mit Gerüchen, Geräuschen oder Erschütterungen verbunden war, welche die Nachbarschaft belasten. Soweit es Geräusche und Abgase betrifft, die dem Lieferverkehr von 5 Kleintransportern oder LKWs bis 7,5 t pro Woche zuzurechnen sind, unterschreiten diese Immissionen die planungsrechtliche Relevanzschwelle offensichtlich bei Weitem. Hinsichtlich der Immissionen in Gestalt schwach radioaktiver Strahlung, die von den zu konditionierenden Abfällen ausgeht, hat der Plangeber ausgeführt: "Die von Seiten der Anwohner vorgebrachten Bedenken gegen die strahlenschutzrechtlichen Genehmigungen sind nicht Regelungsgegenstand des Bebauungsplans." Unabhängig davon sollen in die neue Halle lediglich solche Arbeiten verlagert werden, die bereits bisher in einer alten, technisch überholten Halle durchgeführt werden. Zugleich ist beabsichtigt, die strahlenschutzrechtliche Umgangsgenehmigung für die bisherige Halle in der Kapazität in Absprache mit der Aufsichtsbehörde entsprechend zu reduzieren. Schließlich sollen die heute noch im Freien aufgestellten Container mit schwach radioaktivem Material in der alten Halle untergebracht werden, was eine zusätzlich Entlastung für die angrenzende Wohnbebauung darstellen würde. All dies zeigt, dass mit der Errichtung und Nutzung der neuen Halle eine Erhöhung von Belastungen baurechtlich oder strahlenschutzrechtlich relevanter Immissionen zunächst nicht verbunden sein wird. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung allerdings eingeräumt, dass die neue Halle gegenüber der alten eine Kapazitätsausweitung um 50% ermöglichen würde. Würde sie davon Gebrauch machen - was sie nach ihren Angaben nicht plant - hätte das unter Berücksichtigung des geringen Ausgangswerts (von den zulässigen Freigrenzen werden max. 10% ausgenutzt, wovon 5%, in absoluter Größe also 0,5%, auf die Konditionierung schwach radioaktiver Abfälle entfallen) zur Folge, dass künftig statt 10% nun 10,25% der Freigrenzen ausgenützt würden, bzw. bezogen auf die Abfallkonditionierung statt 0,5% nun 0,75%. Hinsichtlich des auf die Konditionierung entfallenden Verkehrsaufkommens wären statt bisher 5 nun 8 Transporte pro Woche zu erwarten. Diese Zahlen zeigen, dass eine baurechtliche relevante "Erhöhung von Belastungen" mit der Errichtung und Inbetriebnahme der neuen Halle nicht verbunden ist.

45

Zu den Zielen der Planung enthält Nr. 4.1.3 des Vorentwurfs den Hinweis, es sollen bauliche oder sonstige Anlagen, die der Lagerung und Verwertung von Abfällen dienen, ausgeschlossen werden,

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"weil der Plangeber davon ausgeht, dass derartige Nutzungen ein erhebliches vielfältiges Störpotential für die angrenzende Wohnbebauung und ggf. für die nahegelegene Schule bergen."

47

Ein solches "Störpotenzial" mag bei normalen Abfallanlagen zu erwarten sein und deshalb auch ihren künftigen Ausschluss rechtfertigen. Für das konkrete Vorhaben der Klägerin trifft das aber aus den genannten Gründen nicht zu. Gleiches gilt für die Absicht, einen "weiteren Ausbau als Entsorgungsstandort" verhindern zu wollen, da die Klägerin einen Ausbau ihrer Umweltdienste nicht plant und selbst wenn sie dies täte, einen solchen Ausbau mit dem streitgegenständlichen Vorhaben allenfalls in einem zu vernachlässigend geringen Umfang realisieren könnte. Da das Vorhaben den bei Erlass der Veränderungssperre erkennbaren Zielen des Planentwurfs nicht widerspricht, stehen überwiegende öffentliche Belange der Zulassung einer Ausnahme von der Veränderungssperre nicht entgegen.

48

Obwohl die Zulassung einer solchen Ausnahme nach § 14 Abs. 2 BauGB und § 4 der Satzung im Ermessen der Beklagten steht, kann hier nur eine solche Entscheidung ermessensfehlerfrei sein, die dem Antrag auf Zulassung einer Ausnahme und Erteilung einer Baugenehmigung stattgibt, sofern nicht andere als planungsrechtliche Gründe dem entgegenstehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann bei der Anwendung einer Ermessensnorm im Einzelfall eine Schrumpfung des Ermessens auf ein einziges rechtmäßiges Ergebnis eintreten, wenn nach Lage der Dinge alle denkbaren Alternativen nur unter pflichtwidriger Vernachlässigung eines eindeutig vorrangigen Sachgesichtspunkts gewählt werden könnten. In einem solchen Fall ist die Entscheidung der Behörde - trotz des sonst bestehenden Ermessensspielraums - rechtlich zwingend vorgezeichnet, so dass für behördliche Ermessenserwägungen kein Anlass besteht (vgl. BVerwG, Beschl. vom 03.10.1988 - 1 B 114/88 -, [...]). So liegt es hier.

49

Die Beklagte hat in dem Bescheid vom 28.11.2012, mit dem sie die Zulassung einer Ausnahme abgelehnt hat, keine Ermessenserwägungen angestellt. Sie hat vielmehr angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nicht vorliegen würden, weil dem Vorhaben öffentliche Belange entgegenstehen. Da dies nach den vorstehenden Ausführungen jedoch nicht der Fall ist, hätte die Beklagte im Rahmen einer Ermessensentscheidung berücksichtigen müssen, dass es sich bei dem geplanten Vorhaben um einen "untypischen" Abfallbetrieb handelt, der mit "erhöhten Belastungen" oder "vielfältigem Störpotenzial" nicht verbunden ist.

50

In der mündlichen Verhandlung zu möglichen Ermessenserwägungen befragt, die einer Ausnahme auch dann entgegenstehen könnten, wenn das Vorhaben den Zielen der Planung nicht widerspricht, gab die Beklagte lediglich an, die Planung könne durch eine Genehmigung des Vorhabens deshalb erschwert werden, weil nicht auszuschließen sei, dass das Plangebiet soweit verkleinert werde, dass selbst die in Aussicht genommene Baufläche nicht mehr von ihm erfasst sei. Eine Planung, die dem Baugrundstück nachträglich die Baulandqualität nähme, erscheint jedoch schlechterdings ausgeschlossen. Denn ein solcher Bebauungsplan wäre offensichtlich rechtsfehlerhaft, weil er dem Bestands- und Vertrauensschutz der Betriebe, die sich dort mit hohen Kosten angesiedelt und Eigentum erworben haben, nicht hinreichend Rechnung trüge. Anhaltspunkte dafür, dass der Rat der Beklagten derartiges plant, sind indes auch nicht ersichtlich.

51

Für die Zulassung einer Ausnahme spricht, dass die Klägerin im Vertrauen auf den künftigen Bestand der Bebauungspläne TH 18 und WE 18 erhebliche Investitionen getätigt hat, um sich an diesem Standort niederzulassen. Zwar besteht einerseits kein Rechtsanspruch darauf, dass eine vorgefundene Planungssituation auf Dauer Bestand hat, andererseits kann eine Gemeinde aber im Fall einer teilweisen Planänderung ihr Planungsermessen nicht so frei ausüben, wie bei der Neuaufstellung eines Bebauungsplans, weil das Vertrauen eines Betroffenen in die bisherigen Festsetzungen grundsätzlich umso schutzwürdiger und stärker zu gewichten ist, je weiter sie realisiert worden sind. Deshalb muss die Gemeinde im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung den Interessen eines bereits im Plangebiet ansässigen Unternehmens am Fortbestand und der Entwicklung seines Betriebes ausreichend Rechnung tragen (vgl. NdsOVG, Urt. vom 18.09.2001 - 1 L 3779/00 -, BRS 64 Nr. 31). Denn das damit verbundene Eigentumsinteresse hat erhebliches Gewicht. Zudem verlangt die Beachtung der Belange der Wirtschaft (vgl. § 1 Abs. 5 und Abs. 6 Nr. 8 a BauGB) mehr als nur die Berücksichtigung des durch Art. 14 GG garantierten Bestandsschutzes; sie beinhaltet vielmehr auch die Abwägung von Kapazitätserweiterungen und Modernisierungen von Anlagen, die zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit notwendig sind (vgl. OVG Münster, Urt. vom 08.03.1993 - 11a NE 53/89 -, BRS 55 Nr. 12). Das gilt auch zugunsten der Klägerin.

52

Diesen Bestands- und Entwicklungsinteressen der Klägerin stehen angesichts fehlender zusätzlicher Belastungen und Störungen von Relevanz keine öffentlichen Belange von gleichem Gewicht gegenüber. Deshalb sind Ermessenserwägungen, die eine Ablehnung des Vorhabens stützen könnten, nicht ersichtlich. Hat die Klägerin - wenn andere als städtebauliche Gründe nicht entgegenstehen - letztendlich einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung, so erscheint es als ermessensfehlerhaft, ihr diese Genehmigung auf Jahre hinaus vorzuenthalten.

53

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und 161 Abs. 2 VwGO, wobei die Kosten des in der Hauptsache erledigten Teils des Rechtsstreits ebenfalls der Beklagten auferlegt werden, da aus den vorgenannten Gründen auch die Voraussetzungen für eine Zurückstellung des Baugesuchs nicht vorlagen.

54

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.