Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 17.09.2013, Az.: 6 A 258/12
Diplomarbeit; Zwei-Prüfer-Prinzip
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 17.09.2013
- Aktenzeichen
- 6 A 258/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 64403
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 12 Abs 1 GG
- Art 3 Abs 1 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Grundsatz der selbständigen Korrektur und damit das Zwei-Prüfer-Prinzip ist verletzt, wenn sich die Prüfer vor der endgültigen Erstellung ihrer jeweiligen Gutachten über die Bewertung ausgetauscht haben.
Erhebliche Zweifel bestehen insoweit auch, wenn beide Prüfer eines der beiden Gutachten gemeinsam unterschreiben.
Tatbestand:
Der Kläger möchte eine Neubewertung seiner Diplomarbeit erreichen.
Nachdem er im Februar 2011 erstmalig die Diplomprüfung zur Erlangung des Grades Diplomkaufmann im Studiengang Sportmanagement an der Karl-Scharfenberg-Fakultät der Beklagten aufgrund der Bewertung seiner Diplomarbeit mit 5,0 nicht bestanden hatte, wurde er von dem Prüfungsausschuss unter dem 31.05.2011 erneut zur Diplomarbeit zugelassen. Das Thema der Arbeit lautete „Merchandising als Marketing-Tool deutscher Fußballvereine der 1. Bundesliga“. Erstprüfer war Prof. Dr. F. und Zweitprüfer Dipl.-Kfm. G..
Der Kläger reichte die Arbeit am 17.08.2011 ein. Am 21.09.2011 erhielt er von dem Erstprüfer H. eine Mail mit folgendem Inhalt:
„Sehr geehrter Herr T.,
nach intensiver Rücksprache mit dem Zweitprüfer, Herrn I., muss ich Ihnen leider mitteilen, dass wir Sie nicht zum Kolloquium zulassen können, da Ihre Arbeit von uns beiden nicht mit mindestens „ausreichend“ bewertet werden konnte. Wir bedauern diese Tatsache, wir sehen allerdings keine Möglichkeit einer anderen Benotung. Für ein persönliches Gespräch stehen Herr I. und ich Ihnen gerne zur Verfügung. Bitte stimmen Sie mit uns einen Termin ab.
Mit freundlichen Grüßen
N. H.“
Mit Datum vom 28.09.2011 fertigte Erstprüfer H. ein „Gutachten zur Diplomarbeit“, das mit den Unterschriften von „Prof. Dr. F.“ und „Dipl.-Kfm. G.“ erst nach Semesterbeginn in die Prüfungsakte eingefügt wurde (Bl. 12 a und das nicht paginierte Blatt nach Bl. 13 der BA A). Das Gutachten enthält die Bewertung „mangelhaft“.
Ferner befindet sich in den Unterlagen - vor ein Exemplar der Arbeit geheftet - ein „Bewertungsraster“ des Zweitprüfers I., welches kein Datum enthält und zunächst nicht unterschrieben war (BA C). Die Unterschrift wurde nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens nachgeholt. Darin werden der Charakter der Arbeit, Struktur/Gliederung, Inhalt, Eigenständigkeit der Arbeit, Literatur-/Quellenarbeit und formale Kriterien durch die Vergabe von Kreuzen bei einzelnen Noten und stichwortartige Begründungen behandelt. Als Gesamtbeurteilung wird die Note 5,0 vergeben.
Unter dem 19.10.2011 erließ die Beklagten einen Bescheid über das Nichtbestehen der Diplomprüfung nach § 12 Abs. 6 Diplomprüfungsordnung (DPO, Diplomprüfungsordnung für die Studiengänge Sportmanagement und Tourismusmanagement an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel, Verkündungsblatt der damaligen FH BS/WF v. 04.12.2000, S. 1 a). Die Diplomprüfung wurde wegen der Bewertung der Diplomarbeit mit „nicht ausreichend“ in der Wiederholungsprüfung für endgültig nicht bestanden erklärt. Der Kläger legte Widerspruch ein.
In einer von beiden Prüfern unterschriebenen „Stellungnahme zum Widerspruch des Studierenden J.“ vom 03.11.2011 hielten diese an der Bewertung „nicht ausreichend“ fest, indem sie zur Begründung fünf Argumente hervorhoben.
Der Prozessbevollmächtigte nahm im März 2012 Einsicht in die Prüfungsakte und bemängelte anschließend, er habe die Prüfervoten nicht erhalten. Mit Schreiben vom 27.03.2012 an den Kläger persönlich bat die Beklagte um eine Begründung des Widerspruchs, die der Prozessbevollmächtigte am 27.04.2012 einreichte.
Mit Schreiben an den Prüfungsausschuss vom 11.05.2012 äußerte der Erstprüfer H., er bleibe bei seiner Bewertung mit „mangelhaft“. Eine Stellungnahme zu den Einwendungen des Klägers gab er mit Datum vom 20.06.2012 ab. Darin teilte er u. a. mit, er habe am 28.09.2011 ein eigenständiges Gutachten zur Arbeit des Klägers verfasst. Der Zweitprüfer habe ebenfalls ein eigenständiges Gutachten verfasst. Die Tatsache, dass Herr I. sein Gutachten mit unterzeichnet habe, dokumentiere lediglich, dass er mit seinen Bewertungen einverstanden sei.
Zuvor hatte Zweitprüfer I. am 07.06.2012 Stellung genommen und ausgeführt, das „Bewertungsraster“ sei von ihm unabhängig und selbständig erstellt worden. Die Bewertung sei auf dieser Grundlage erfolgt. Der Vorwurf der unzureichenden Zweitprüfung sei demnach unbegründet.
Auf der Grundlage der beiden Stellungnahmen wies der Prüfungsausschuss in der Sitzung vom 04.07.2012 den Widerspruch zurück.
Am 05.09.2012 hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage erhoben. Einen Tag zuvor war diesem der Widerspruchsbescheid durch Einwurf einer Mitteilung über dessen Niederlegung per Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 20.09.2012 hat er den auf den 28.08.2012 datierten Widerspruchsbescheid in das Verfahren einbezogen.
Zur Begründung verweist der Kläger auf seine Einwendungen im Widerspruchsverfahren. Ergänzend und vertiefend trägt er vor, er habe einen Anspruch auf eine Neubewertung, weil das in § 11 Abs. 1 DPO verankerte Zweiprüferprinzip nicht eingehalten worden sei. Beide Prüfer hätten die Prüfungsleistung nicht selbständig und unabhängig voneinander bewertet, sondern sich in einem Gespräch vom 21.09.2011 auf eine Note verständigt. Die gefundene Bewertung sei in einem gemeinsamen Gutachten vom 28.09.2011 festgehalten worden. Wegen dieses von beiden Prüfern unterschriebenen Gutachtens spreche der Beweis des ersten Anscheins gegen eine jeweils eigenständige Bewertung. Die Beklagte habe den Beweis nicht durch Schilderung eines möglichen anderweitigen Geschehensablaufs erschüttert.
Selbst wenn das undatierte und nachträglich unterschriebene „Bewertungsraster“ des Zweitprüfers vor dem Gespräch mit dem Erstprüfer am 21.09.2011 abgefasst worden sein sollte, so liege jedenfalls kein Gutachten des Erstprüfers vor. Sofern nun vorgetragen werde, das Gutachten vom 28.09.2011 sei das nachträglich digitalisierte Gutachten eines von dem Erstprüfer verfassten, aber vernichteten, wortgleichen handschriftlichen Gutachtens, so sei dies nicht plausibel, zumal, wenn in dem Gespräch vom 21.09.2011 in erster Linie die Konsequenzen des Nichtbestehens für den Kläger thematisiert worden sein sollen (s. Stellungnahme H. im Klageverfahren vom 30.01.2013, Bl. 50 GA). Darüber „intensiv“ zu sprechen, habe wegen der angeblich schon feststehenden einheitlichen Benotung mit „nicht ausreichend“ kein Anlass bestanden. Nach § 25 Abs. 2 DPO habe er nicht zum Kolloquium zugelassen werden dürfen. Tatsächlich sei daher am 21.09.2012 auf der Grundlage des Bewertungsrasters die Note besprochen worden. Diesen Inhalt habe auch die Mail vom selben Tag. In der Stellungnahme vom 20.06.2012 habe der Erstprüfer zudem zugegeben, sein Gutachten am 28.09.2011, also nach der Notenabsprache mit dem Zweitprüfer erstellt zu haben. Diese Äußerung sei auch widersprüchlich, weil es tatsächlich gar nicht das Gutachten des Erstprüfers, sondern nach den Unterschriften ein gemeinsames Gutachten beider Prüfer sei.
Auch habe das angebliche Erstgutachten nicht digitalisiert werden müssen. Dies sei nicht vorgeschrieben. Eine Unterschrift des Zweitprüfers auf dem Erstgutachten vom 28.09.2011 sei ferner überflüssig, da dieser ja behaupte, ein eigenes Gutachten schon zuvor erstellt zu haben. Er habe sich durch seine Unterschrift auch nicht nur mit dem Erstgutachten „einverstanden“ erklären wollen. Auch trage sein Gutachten die Bewertung „mangelhaft“ inhaltlich.
Der Kläger beantragt,
den Nichtbestehensbescheid vom 19.10.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28.08.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Diplomarbeit durch zwei andere Prüfer unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bewerten zu lassen sowie die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zunächst auf die Begründung des Widerspruchsbescheids. Darüber hinaus hat sie Stellungnahmen der Prüfer vorgelegt. Der Erstprüfer und Zeuge H. erklärt mit Datum vom 30.01.2013, beide Prüfer hätten unabhängig voneinander ein Gutachten mit dem gleichen Ergebnis verfasst. Er habe sein Gutachten am 20.09.2011 handschriftlich erstellt und es am 28.09.2011 mit exakt dem gleichen Wortlaut auf den Hochschulbogen übertragen. Am 21.09.2011 habe er mit dem Zweitprüfer telefoniert. Er habe die Benotung des Zweitprüfers einholen müssen, um dem Kläger eine Nachricht über seine Nichtzulassung zum Kolloquium zukommen lassen zu können. Die „intensive Rücksprache“ habe darin bestanden, dass sich beide versichert hätten, dass ihnen die Konsequenzen einer Ablehnung für den Kläger bekannt waren. Der Zweitprüfer und Zeuge I. hat unter dem 11.02.2013 mitgeteilt, sein Bewertungsraster habe der Arbeit von Anfang an beigelegen. Er habe es lediglich nachträglich unterschrieben. Inhaltlich spiegelten sich seine Kernargumente in dem von ihm mit unterschriebenen Gutachten vom 28.09.2011 wieder. Er habe aber zuvor eine eigenständige Bewertung vorgenommen (s. a. ergänzende Stellungnahme vom 02.09.2013). Die Beklage hat nach Aufforderung zur Vorlage des handschriftlichen Gutachtens mitgeteilt, dieses sei von dem Erstprüfer nach der Übertragung vernichtet worden.
Das Gericht hat Beweis erhoben zum Ablauf des Bewertungsverfahrens durch Vernehmung der Prüfer als Zeugen. Zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 17.09.2013 Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen haben dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf eine Neubewertung seiner Diplomarbeit im Studiengang Sportmanagement zu dem Thema „Merchandising als Marketing-Tool deutscher Fußballvereine der 1. Bundesliga“, wofür andere Prüfer heranzuziehen sind.
Der Bescheid der Beklagten vom 19.10.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 28.08.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Die Bewertung der Diplomarbeit mit „nicht ausreichend“ (5.0) ist aufgrund eines Verfahrensfehlers ungültig. Die Beklagte hat gegen das sogenannte Zweiprüferprinzip verstoßen.
§ 12 Abs. 2 Satz 2 DPO schreibt vor, dass die einzelnen Prüfungsleistungen unbeschadet der Regelung für mündliche Prüfungen in § 8 Abs. 8 Satz 1 DPO in der Regel, zumindest aber im Fall der letzten Wiederholungsprüfung von zwei Prüferinnen und/oder Prüfern bewertet werden. Der Kläger unterzog sich mit der Anfertigung der hier streitgegenständlichen Diplomarbeit einer Wiederholung der Prüfungsleistung im Sinne von § 12 Abs. 1 und 6 DPO, weshalb seine Arbeit zwingend von zwei Prüfern zu bewerten war.
Das Zweiprüferprinzip ist insbesondere bei - wie hier - berufsqualifizierenden Abschlüssen ein wesentlicher Bestandteil prüfungsrechtlicher Verfahrensregelungen. Es kompensiert typische Defizite an Prüfungsgerechtigkeit, die entstehen, weil auch einem sachlich-fairen, unabhängigen und qualifizierten Prüfer Fehler unterlaufen können. Die Beteiligung von zwei Prüfern sichert daher die Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Besondere Bedeutung kommt dem Zweiprüferprinzip naturgemäß bei Prüfungen zu, wenn der Misserfolg wie im Fall des Klägers eine weitere Wiederholung nicht zulässt (s. zum Vorstehenden Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 547, 551, m. w. N.). Jeder der beteiligten Prüfer muss die Leistung des Prüflings selbst, unmittelbar und vollständig zur Kenntnis nehmen und selbständig beurteilen. Das Zusammenwirken der Prüfer darf in keinem Fall dazu führen, dass die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Prüfer verlorengeht (Niehues/Fischer, a. a. O., Rn. 320 f., 558). Ein Verstoß gegen den Grundsatz der selbständigen Korrektur liegt bei schriftlichen Arbeiten vor, wenn sich die Prüfer vor der endgültigen Erstellung ihrer Gutachten über die Bewertung ausgetauscht haben (vgl. OVG NW, Beschl. v. 06.11.2007 – 19 E 788/07 –, juris Rn. 9, VG Ansbach, Urt. v. 05.02.1998 – AN 2 K 96.01887 –, juris Rn. 16). In diesem Fall besteht die Gefahr, dass letztlich die Überzeugungskraft eines Prüfers in dem mündlichen oder über Mails geführten Austausch maßgebend ist und ein Prüfer seine zuvor selbst gefundene Bewertung allein deshalb ändert, weil er sich den Argumenten des anderen Prüfers nicht verschließen will. In den Abstimmungsprozess können auch sachfremde Erwägungen wie ein womöglich höher bewerteter „Status“ des Erstprüfers einfließen, von dem sich der Zweitprüfer beeinflussen lässt. Möglich ist auch, dass ein Prüfer nur erste Überlegungen angestellt hat und nach dem Gespräch oder Mailaustausch mit dem anderen Prüfer im Vertrauen auf dessen gründliche Arbeit auf weitere eigenständige Korrekturanstrengungen verzichtet. Anders als bei einer von mehreren Prüfern abgenommenen mündlichen Prüfung ist für die im vorliegenden Verfahren zu betrachtende schriftliche Prüfung die vollständig unabhängige Bewertung durch zwei Prüfer konstituierend.
Die Beklagte ist im vorliegenden Verfahren für die Einhaltung des Zweiprüferprinzips materiell beweispflichtig. Zwar ist ein Prüfling für das Vorliegen der Voraussetzungen des allgemeinen Prüfungsanspruchs materiell beweispflichtig. Dieser Anspruch umfasst die Zulassung zur Prüfung und deren Durchführung einschließlich der Bewertung der Leistung und Bescheidung des Prüfungsergebnisses. Werden durch den Prüfling unverzüglich substanziierte Rügen erhoben, tritt eine Beweislastumkehr ein, die zur Folge hat, dass dann die Behörde ein insoweit ordnungsgemäßes Verfahren nachzuweisen hat (Niehues/Fischer, a. a. O., Rn. 869). Der Kläger hat mit dem Verweis auf die Mail vom 21.09.2011 und das von beiden Gutachtern unterschriebene Gutachten vom 28.09.2011 substanziiert Tatsachen vorgetragen, die für einen - für das Nichtbestehen der Prüfung ursächlichen - Verstoß gegen das Zweiprüferprinzip sprechen. Der Beklagten ist der Nachweis einer Beachtung dieses Verfahrensgrundsatzes nicht gelungen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist von einem unzulässigen Austausch zwischen Erst- und Zweitprüfer vor dem endgültigen Abschluss der Bewertungen auszugehen. Der Zeuge H. hat zwar bekundet, vor dem Telefongespräch mit dem Zweitprüfer I. am 21.09.2011 ein handschriftliches Gutachten erstellt zu haben. Damit war seine Korrekturtätigkeit jedoch noch nicht endgültig abgeschlossen. Denn er hat ausgesagt, telefonisch zusammen mit dem Zweitprüfer überlegt zu haben, ob es nicht noch irgendeinen Grund gebe, die Arbeit nicht mit mangelhaft zu bewerten. Nach kurzem Überlegen seien sie zu dem Ergebnis gekommen, dass dies nicht gehe. Die Aussage des Zeugen I. steht dem nicht entgegen, weil er angegeben hat, sich nicht erinnern zu können. Er könne ein Gespräch über Korrekturmöglichkeiten aber auch nicht ausschließen. Damit steht fest, dass sich die Prüfer vor der endgültigen Festlegung der jeweiligen Noten darüber ausgetauscht haben, ob eine Bewertung mit „mangelhaft“ oder „ausreichend“ erfolgen soll. Dass beide Prüfer vortragen, vor dem Telefongespräch selbst schon Gutachten erstellt zu haben – für den Zweitprüfer soll dies sein „Bewertungsraster“ sein – ist unerheblich, weil die Noten jederzeit hätten geändert werden können. Denn erst nach dem Telefongespräch erhielt der Kläger am 21.09.2011 die im Tatbestand zitierte Mail mit der Mitteilung, die Arbeit sei von beiden Prüfern mit „nicht ausreichend“ bewertet worden.
Diese Mail vom 21.09.2011 bringt im Übrigen deutlich zum Ausdruck, dass letztlich erst die dort so genannte „intensive Rücksprache“ des Erst- mit dem Zweitprüfer zu einer Bewertung der Arbeit mit „nicht ausreichend“ führte.
Abgesehen davon bestehen auch in anderer Hinsicht Zweifel, ob das Zweiprüferprinzip eingehalten wurde. Dem Gericht liegt ein von den Prüfern so bezeichnetes Erstgutachten des Zeugen H. vom 28.09.2011 vor, welches im Kopfteil Namen, Telefonnummern und Mailadressen von Erst- und Zweitprüfer enthält. Unterschrieben haben jeweils beide Prüfer in dafür vorgesehenen Namensfeldern. Für die Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob die Darstellung des Zeugen H. überzeugt, der Zweitprüfer habe zur Bekräftigung der Argumentation des Erstprüfers vor der geplanten Einsichtnahme in die Prüfungsakten durch den Kläger trotz eines eigenen Gutachtens auch das Erstgutachten unterschrieben. Dass der Zeuge I. nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung das Gutachten des Zeugen H. vor der Unterschrift zwei bis drei Stunden geprüft haben will, spricht für ein gemeinsames Gutachten.
Außerdem hat der Zeuge I. kein Zweitgutachten erstellt, das formal den hier zu erwartenden Anforderungen entsprach. Das undatierte und als „Bewertungsraster“ überschriebene Gutachten enthält ausschließlich Stichworte und eine Bewertung durch Kreuze in den Feldern für die Note 5. Auch hatte der Zeuge es zunächst nicht unterschrieben. Dies deutet ebenfalls darauf hin, dass der Zweitgutachter sich nach Anfertigen des Bewertungsrasters noch nicht festgelegt, das Telefongespräch mit dem Erstgutachter abgewartet und schließlich nur ein gemeinsames Gutachten vom 28.09.2011 unterzeichnet hat.
Die erste Stellungnahme vom 03.11.2011 im Verfahren des Überdenkens haben beide Prüfer ebenfalls gemeinsam verfasst, was im Übrigen einen weiteren Verfahrensfehler in diesem Verfahrensteil nahelegt.