Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 06.08.2013, Az.: 1 Ws 192/13

Umfang der Bindungswirkung einer Feststellung zur Unbeschränktheit der Berufung i.R. eines Kostenbeschwerdeverfahrens

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
06.08.2013
Aktenzeichen
1 Ws 192/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 43699
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0806.1WS192.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 09.03.2010 - AZ: 18 Ns 13 Js 5410/09

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Feststellung der Unbeschränktheit der Berufung im Urteil des Berufungsgerichts ist für das Beschwerdegericht im Verfahren über die Kostenbeschwerde gemäß § 464 Abs. 3 Satz 2 StPO bindend.

  2. 2.

    Ist das Revisionsgericht zugleich mit einer sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung befasst, so gilt die ausschließliche Beweiskraft des Protokolls nach § 274 Satz 1 StPO auch für das Beschwerdeverfahren.

  3. 3.

    Die Feststellung der Unbeschränktheit der Berufung in der Kostengrundentscheidung ist für das Kostenansatzverfahren bindend.

In der Strafsache
gegen E. A. xxxxxx,
xxxxxx,
xxxxxx,
geboren am xxxxxx 1954 in H.,
wohnhaft L. C. St. P., A. St. M., M.,
- Verteidiger: Rechtsanwalt E., F. a. M. -
wegen vorsätzlicher Körperverletzung
- hier: Erinnerung des Verurteilten gegen den Kostenansatz -
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hildesheim vom 10. Dezember 2012 durch die Richter am Oberlandesgericht xxxxxx, xxxxxx und xxxxxx - dieser zu 1. als Einzelrichter - am 6. August 2013
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Das Verfahren wird dem Senat übertragen.

  2. 2.

    Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

  3. 3.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Verurteilte wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Verwerfung seiner Erinnerung gegen den Kostenansatz der Staatsanwaltschaft.

1. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens hat die 7. kleine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim mit Urteil vom 9. März 2010 die Berufungen des Angeklagten und des Nebenklägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Springe vom 6. Dezember 2001 als unbegründet verworfen und auf die im Übrigen erfolglose Berufung der Staatsanwaltschaft die Tagessatzhöhe von 5.000,- DM auf 5.000,-Euro angehoben.

Das Amtsgericht Springe hatte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung und wegen Beleidung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Für die nach der Wiederaufnahme allein noch verfahrensgegenständliche vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers hatte es eine Einzelstrafe von 40 Tagessätzen zu je 5.000,- DM verhängt. Auf die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers hatte das Landgericht Hannover - nach Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der übrigen Taten - mit Urteil vom 25. November 2004 wegen der Tat zum Nachteil des Nebenklägers auf gefährliche Körperverletzung erkannt und eine Geldstrafe von 178 Tagessätzen zu je 2.500,- Euro verhängt; die als Berufung durchgeführte Revision des Angeklagten hatte das Landgericht Hannover verworfen. Seine Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hannover hatte der Angeklagte am 23. Juni 2005 zurückgenommen.

Auf Antrag des Verurteilten vom 16. Januar 2006 hat das Landgericht Hildesheim durch Beschluss vom 24. November 2008 die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet. Infolge der erneuten Hauptverhandlung in der Berufungsinstanz ist der Angeklagte durch Urteil vom 9. März 2010 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers verurteilt worden. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat der Senat durch Beschluss vom 28. April 2011 - 31 Ss 7/11 - gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Ebenfalls mit Beschluss vom 28. April 2011 - 1 Ws 105/11 und 1 Ws 149/11 - hat der Senat die Kostenentscheidung aus dem Urteil vom 9. März 2010 auf die sofortigen Beschwerden des Nebenklägers und der Staatsanwaltschaft u.a. dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte die Kosten seiner vor dem Landgericht Hannover und nach Wiederaufnahme vor dem Landgericht Hildesheim durchgeführten Berufung einschließlich der dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

2. Mit Kostenansatz vom 24. Januar 2012 hat die Staatsanwaltschaft Hildesheim dem Verurteilten einen - nach Anrechnung bereits gezahlter 210.554,32 Euro - noch zu zahlenden Betrag in Höhe von 66.216,37 Euro in Rechnung gestellt. Darin waren u.a. folgende Positionen enthalten:

- Auslagen für Zeugenentschädigung 52.028,00 Euro
- Auslagen für Dolmetscherentschädigung 15.385,99 Euro
-Auslagen für Sachverständigenentschädigung 8.605,29 Euro.

3. Gegen diesen Kostenansatz hat der Verurteilte am 14. Februar 2012 Erinnerung eingelegt mit der Begründung, dass er die Auslagen für Zeugen-, Dolmetscher- und Sachverständigenentschädigung nicht zu tragen habe, weil diese ausschließlich durch die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers verursacht worden seien, während er seine Berufung auf den Strafausspruch beschränkt habe.

4. Mit Beschluss vom 10. Dezember 2012 hat die 7. kleine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim die Erinnerung als unbegründet verworfen und dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Berufung nicht beschränkt worden sei. Der Verteidiger Rechtsanwalt E. habe zwar in der Hauptverhandlung am ersten Sitzungstag auf die Frage des Vorsitzenden nach dem Ziel der Berufung geantwortet: "Die Herabsetzung der Strafe". Die vom Vorsitzenden angeregte Erklärung einer Beschränkung der Berufung auf den Strafausspruch sei jedoch ausdrücklich abgelehnt worden, weil der Angeklagte eine umfassende Sachaufklärung gewünscht habe. Deshalb sei die Vernehmung sämtlicher Zeugen und des gerichtsmedizinischen Sachverständigen bereits auf die Berufung des Angeklagten hin erfolgt. Es gebe keine ausscheidbaren Kosten, die ausschließlich durch die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers verursacht worden seien.

5. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner Beschwerde vom 21. Dezember 2012. Er macht im Wesentlichen geltend, dass sich die Beschränkung der Berufung aus der mündlichen Erklärung seines Verteidigers am ersten Hauptverhandlungstag zum Berufungsziel ergebe. Präziser könne eine Berufungsbeschränkung nicht formuliert werden. Dass die Verteidigung nicht davon ausgegangen sei, dass Staatsanwaltschaft und Nebenkläger der Beschränkung zugestimmt hätten, ergebe sich aus dem Verfahrensablauf und aus den fehlenden Beschränkungen der Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers ihrerseits. Die Vernehmung der Zeugen und des Sachverständigen habe ausschließlich der Abwehr der Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gedient, nachdem der Angeklagte bereits zu Beginn der Verhandlung eine geständige Einlassung dahingehend abgegeben habe, dass er dem Nebenkläger zwei "symbolische Ohrfeigen" gegeben habe.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Der Einzelrichter hat das Verfahren gemäß § 66 Abs. 6 Satz 2 GKGwegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache dem Senat übertragen.

III.

Die Beschwerde des Verurteilten ist gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Erinnerung des Verurteilten gegen den Kostenansatz der Staatsanwaltschaft vom 24. Januar 2012 mit Recht als unbegründet verworfen. Die nach § 19 GKG angesetzten Verfahrenskosten sind weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Der Beschwerdeführer hat die angesetzten Beträge aufgrund der rechtskräftigen Kostenentscheidung aus dem Beschluss des Senats in dieser Sache vom 28. April 2011 als Gebühren und Auslagen der Staatskasse (§ 464a Abs 1 Satz 1 und 2 StPO) gemäß § 3 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nrn. 9000 ff. des Kostenverzeichnisses (KV) - Anlage 1 zum GKG - zu tragen. Denn es handelt sich dabei um Kosten, die durch seine Berufung verursacht worden sind.

Zwar sind die Auslagen für Zeugen-, Dolmetscher- und Sachverständigenentschädigung auch aufgrund der Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers angefallen. Diese haben indes nur die Kosten zu tragen, die ausscheidbar und ausschließlich ihren Berufungen zuzurechnen sind (vgl. Meyer-Goßner StPO 56. Aufl. § 473 Rn. 18 m.w.N.). Handelt es sich indes um Kosten, die unausscheidbar auch dem erfolglosen Rechtsmittel des Angeklagten zuzurechnen sind, so hat der Verurteilte sie vollständig zu tragen, ohne dass insoweit Billigkeitserwägungen greifen oder eine Quotelung stattfindet (vgl. OLG Bamberg JurBüro 1987, 1840 m. Anm. Mümmler; Meyer-Goßner aaO). So liegt es hier, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat. Das Beschwerdevorbringen greift demgegenüber nicht durch.

1. Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Springe vom 6. Dezember 2001 ist nicht auf den Strafausspruch beschränkt worden.

Diese Feststellung hat der Senat, der zugleich mit der Revision des Angeklagten gegen das Urteil befasst war, bereits in seinem Beschluss vom 28. April 2011 zur Kostengrundentscheidung in dieser Sache getroffen. Dessen Inhalt ist für das Kostenfestsetzungsverfahren bindend und jeder Abänderung oder Ergänzung entzogen (vgl. KK/StPO-Gieg 6. Aufl. § 464b Rn. 2; Meyer-Goßner aaO § 464b Rn. 1; jew. mwN). Da sich eine Beschränkung des Rechtsmittels bereits auf die Kostengrundentscheidung auswirken kann (§ 473 Abs. 3 StPO), darf deren Vorliegen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht hiervon abweichend beurteilt werden.

a) Soweit die Beschwerdeführer meint, die Feststellung der Unbeschränktheit der Berufung des Angeklagten sei "schlicht falsch", lässt er außer Acht, dass das Beschwerdegericht im Verfahren über die Kostenbeschwerde gemäß § 464 Abs. 3 Satz 2 StPO an die tatsächlichen Feststellungen, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde lagen, gebunden ist. Bindend sind danach in einem ausschließlich mit der Revision anfechtbaren Urteil - wie hier - auch die nur für die Kosten- und Auslagenentscheidung maßgebenden Feststellungen (BGHSt 26, 29; Meyer-Goßner aaO § 464 Rn. 23). Das Landgericht Hildesheim hat in seinem Urteil vom 9. März 2010 (S. 7 UA) insoweit festgestellt:

"Eine vom Gericht angeregte Beschränkung der Berufung wollte der Angeklagte nicht vornehmen. Seine Verteidiger haben - bereits in diesem Zusammenhang - darauf hingewiesen, es gehe dem Angeklagten zur Wiederherstellung seiner Ehre um eine vollständige Sachverhaltsaufklärung. Als formales Berufungsziel ist eine Strafherabsetzung formuliert worden."

b) Abgesehen davon hätte der Senat auch ohne diese Ausführungen die Unbeschränktheit der Berufung des Angeklagten festgestellt.

Die gemäß § 335 Abs. 3 StPO als Berufung durchgeführte Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Springe war nicht von vornherein beschränkt; die Revisionsbegründung vom 25. Februar 2002 (Bl. 141 Bd. 4 d. A.) enthält keine ausdrückliche oder konkludente Beschränkungserklärung. Ebensowenig ist in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Hannover eine Beschränkung der Berufung erklärt worden. Auch der Wiederaufnahmeantrag vom 16. Januar 2006 ist - nach Erfolg des Wiederaufnahmeverfahrens und Zurückversetzung in den Zustand der Rechtshängigkeit in der Berufungsinstanz - einer Auslegung als nachträgliche Beschränkung der Berufung nicht zugänglich. Denn dort ist als Ziel der Wiederaufnahme eine "Verurteilung (nur) wegen tätlicher Beleidigung gem. § 185 StGB" formuliert worden (S. 2 des Wiederaufnahmeantrags). Am Ende des Antrages ist noch einmal ausgeführt worden, dass eine Körperverletzung gemäß § 223 StGB ausscheide und stattdessen von einer tätlichen Beleidigung gemäß § 185 StGB auszugehen sei (S. 139 des Wiederaufnahmeantrags). Auch später ist im Vorfeld der erneuten Hauptverhandlung keine nachträgliche Beschränkung der Berufung erklärt worden. Dies behauptet auch der Beschwerdeführer nicht.

Soweit der Beschwerdeführer sich darauf beruft, eine Beschränkungserklärung in der Hauptverhandlung am ersten Sitzungstag vor dem Landgericht Hildesheim abgegeben zu haben, steht dem entgegen, dass eine solche Erklärung des Angeklagten im Protokoll nicht beurkundet ist. Aufgrund der negativen Beweiskraft des Protokolls (§ 274 Abs. 1 Satz 1 StPO) steht damit fest, dass eine solche Erklärung nicht abgegeben worden ist. Die Erklärung einer Beschränkung oder Zurücknahme des Rechtsmittels in der Hauptverhandlung vor dem Rechtsmittelgericht ist nämlich eine wesentliche Förmlichkeit, auf die sich die Beweiskraft des Protokolls erstreckt (RGSt 66, 417, 418; OLG Koblenz VRS 42, 135; LR-Stuckenberg StPO 26. Aufl. § 274 Rn. 20; KK/StPO-Engelhardt 6. Aufl. § 273 Rn. 4; Meyer-Goßner aaO § 274 Rn. 11).

Die Beweiskraft des Protokolls gilt im anhängigen Verfahren für das Gericht höherer Instanz, das die Gesetzmäßigkeit des Verfahrens zu prüfen hat (BGHSt 26, 281, 282; Meyer-Goßner aaO Rn. 7). Damit ist zwar in erster Linie das Revisionsverfahren gemeint. Ist das Revisionsgericht aber - wie hier - zugleich mit einer sofortigen Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung des Urteils befasst, so ist das Protokoll auch im Beschwerdeverfahren als ausschließliches Beweismittel für die wesentlichen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung heranzuziehen. Dies ergibt sich aus dem übereinstimmenden Zweck, dem die Regelungen des § 464 Abs. 3 Satz 2 StPO und des § 274 StPO dienen. Mit § 464 Abs. 3 Satz 2 StPO sollte nämlich vermieden werden, dass das Revisionsgericht zwar die Feststellungen des Tatgerichts zur Schuld- und Straffrage grundsätzlich hinnehmen muss, sich aber wegen eines Nebenpunkts anhand der Akten und mit den Mitteln des Freibeweises unter Umständen sogar eingehend um eine Rekonstruktion der Verfahrensgeschichte bemühen muss (vgl. BGHSt 26, 29, 32). Ähnlich verhält es sich mit § 274 StPO. Damit sollte für die Revisionsgerichte eine einfache und sichere Möglichkeit geschaffen werden, die in der Hauptverhandlung zu beachtenden Förmlichkeiten ohne sonst möglicherweise sehr schwierige oder zeitraubende Untersuchungen festzustellen (BGHSt 26, 281, 283). Würde man § 274 StPO nicht auch in einem ebenfalls vor dem Revisionsgericht anhängigen Kostenbeschwerdeverfahren anwenden, bestände zudem die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen.

Mit der Rüge, dass das Protokoll in diesem Punkt fehlerhaft sei, kann der Beschwerdeführer nach § 274 Satz 2 StPO nicht gehört werden. Er hatte die Möglichkeit, Protokollberichtigungen zu beantragen, von der er auch in mehreren Fällen Gebrauch gemacht hat. Die Aufnahme einer Erklärung nach § 318 StPO in das Protokoll hat er indes nicht beantragt. Soweit er nun vorträgt, er habe dazu aufgrund der Ausführungen im Urteil keinen Anlass gehabt, erscheint dies angesichts der bereits zitierten Feststellung des Landgerichts im Urteil, dass der Angeklagte die Berufung nicht beschränkt habe, nicht nachvollziehbar.

c) Das Protokoll steht auch nicht im Widerspruch zu den Urteilsfeststellungen.

Soweit der Beschwerdeführer meint, in der Antwort seines Verteidigers auf die Frage des Vorsitzenden nach dem Ziel der Berufung liege eine eindeutige Erklärung der Beschränkung der Berufung auf den Strafausspruch, die man nicht präziser formulieren könne, kann ihm nicht gefolgt werden. Die präziseste Erklärung einer Rechtsmittelbeschränkung ist diejenige unter Verwendung des Wortlauts von § 318 Satz 1 StPO. Zwar kann die Beschränkung auch mit anderen Worten ausgedrückt werden und sich sogar ohne ausdrückliche Erklärung durch Auslegung aus dem Wortlaut und Sinn der Berufungsbegründung ergeben; führt die Auslegung jedoch zu keinem eindeutigen Ergebnis, so gilt die Berufung als unbeschränkt (vgl. BGHSt 29, 359, 365; Meyer-Goßner aaO § 318 Rn. 2 mwN). Die Angabe, Ziel der Berufung sei eine Herabsetzung der Strafe, muss nicht zwingend eine Beschränkung der Berufung auf den Strafausspruch bedeuten (vgl. KK/StPO-Paul § 318 Rn. 2 mwN); denn gerade die Anfechtung des Schuldspruchs ist "oft ein wirksames Mittel zur Erzielung einer milderen Strafe" (so schon RGSt 62, 13, 15). Zwar wird darin in der Regel eine Beschränkung zu sehen sein, wenn die Erklärung - wie hier - von einem Verteidiger stammt (vgl. LR-Gössel StPO 26. Aufl. § 318 Rn. 12; Meyer-Goßner aaO Rn. 3 mwN). Maßgeblich bleibt aber stets die Auslegung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls; da die Erklärung unwiderruflich ist, muss der Wille zur Beschränkung bestimmt und eindeutig erkennbar sein (vgl. LR-Gössel aaO Rn. 10f.; KK/StPO-Paul aaO mwN). Das ist hier nicht der Fall.

Gegen eine Beschränkung der Berufung spricht schon das Zustandekommen dieser Erklärung als Antwort auf die Frage des Vorsitzenden nach dem Ziel der Berufung und ihre Verbindung mit der Äußerung, dass es dem Angeklagten "um die Wiederherstellung seiner Ehre und eine vollständige Sachverhaltsaufklärung" gehe. Entscheidend ist aber, dass der Angeklagte selbst in seiner vom Verteidiger verlesenen schriftlichen Einlassung ausdrücklich erklärt hat, er sei "zuversichtlich, dass das Wiederaufnahmeziel erreicht wird" (Bl. 21 Protokollband I). Das ausdrücklich formulierte Wiederaufnahmeziel bestand aber - wie bereits zitiert - in einer "Verurteilung (nur) wegen tätlicher Beleidigung gem. § 185 StGB" (S. 2 des Wiederaufnahmeantrags), mithin in einer Änderung auch des Schuldspruchs. Der Wille des Angeklagten selbst ist für die Frage einer möglichen Beschränkung entscheidend, was sich schon aus § 302 Abs. 2 StPO ergibt. Auf seine eigenen Äußerungen ist daher bei der Auslegung der Erklärung seines Verteidigers besonderes Gewicht zu legen. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als gerade die Abgabe einer vom Angeklagten nicht autorisierten und seinem erklärten Willen widersprechenden Verteidigererklärung vor dem Landgericht Hannover der letztlich entscheidende Grund für die Zulassung seines Wiederaufnahmeantrags war (vgl. Senatsbeschluss in dieser Sache vom 30. August 2007 - 1 Ws 255/07).

Soweit die Beschwerde dem entgegenhält, dass der Wiederaufnahmeantrag bei der Auslegung nicht herangezogen werden könne, weil er aus dem Jahr 2006 stamme, kann ihr nicht gefolgt werden. Schließlich hat der Angeklagte selbst auf das Wiederaufnahmeziel Bezug genommen. Welches andere er gemeint haben könnte als das im Wiederaufnahmeantrag formulierte, ist nicht ersichtlich. Dass hier möglicherweise unterschiedliche Vorstellungen zum Berufungsziel vorlagen, klingt auch in folgender Formulierung an: "Die Verteidigung hat das Berufungsziel ihres Mandanten allenfalls argumentativ im Schlussvortrag aufgegriffen" (S. 3 des Schreibens vom 3. Juli 2012, Bl. 151 VH Bd. I). Ein für das Gericht erkennbares Abrücken vom Wiederaufnahmeziel ist jedenfalls vor oder während der Beweisaufnahme nicht erklärt worden. Das Argument der Beschwerde, dass es für die Herabsetzung der Strafe unerheblich gewesen sei, ob die Verurteilung nach § 185 StGB oder nach § 223 StGB erfolgt, weil beide Tatbestände alternativ zu einer Verurteilung zu Freiheitsstrafe auch eine solche zu einer Geldstrafe vorsähen, trägt nicht. Denn angesichts des jeweils geschützten Rechtsguts ist der Schuldgehalt beider Delikte unterschiedlich, was sich schon an der wesentlich höheren Strafobergrenze des § 223 StGB zeigt. Dies hätte sich bei einer Verurteilung nach § 185 StGB auch im Strafmaß zugunsten des Angeklagten ausgewirkt, wovon er ersichtlich auch selbst bei der Formulierung seines Wiederaufnahmeziels ausgegangen ist.

Schließlich war für die Verteidiger des Angeklagten auch deutlich erkennbar, dass jedenfalls der Vorsitzende die Angabe zum Berufungsziel nicht als Beschränkungserklärung im Sinne von § 318 StPO aufgefasst hat, weil er weder deren Protokollierung nach § 273 Abs. 3 Satz 1 und 3 StPO angeordnet noch die nach § 303 Satz 1 StPO erforderliche Zustimmung der Staatsanwaltschaft erfragt hat; dass die Verteidiger hierauf nicht hingewirkt haben, lässt den Schluss zu, dass auch sie zu diesem Zeitpunkt nicht von einer Beschränkung ausgegangen sind.

d) Da mithin bereits durch die Kostengrundentscheidung auf der Basis der Urteilsfeststellungen und der Sitzungsniederschrift bindend festgestellt ist, dass die Berufung des Angeklagten nicht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt war, kommt es auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen seiner Verteidiger und die weiter angebotenen Mittel des Freibeweises nicht an.

2. Von den angesetzten Auslagen für Zeugen-, Dolmetscher- und Sachverständigenentschädigung sind keine ausscheidbar, die nur aufgrund der Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers angefallen wären.

Nach der Beweiswürdigung des Landgerichts war die Einlassung des Angeklagten allein keine ausreichende Grundlage für den Schuldspruch wegen vorsätzlicher Körperverletzung, zumal der Angeklagte zu weiteren Angaben über die von seinem Verteidiger verlesene schriftliche Einlassung hinaus nicht bereit war (S. 16 UA). Vielmehr hat das Landgericht im Rahmen seiner Pflicht zur umfassenden Sachverhaltsermittlung (§ 244 Abs. 2 StPO) ausweislich der Urteilsgründe erst auf der Grundlage der Vernehmungen aller Zeugen (S. 16 UA), die zum Teil mit Hilfe eines Dolmetschers erfolgen mussten, und des gerichtsmedizinischen Sachverständigen (S. 21 UA) den Sachverhalt, wie ihn der Angeklagte geschildert hat, als nicht ausschließbar dem Schuldspruch zu Grunde gelegt und dabei zudem von der Einlassung abweichende Feststellungen zur Intensität der erteilten Ohrfeigen getroffen (S. 19 UA). Denn der Angeklagte hat in seiner verlesenen Einlassung lediglich zwei "symbolische Ohrfeigen" eingeräumt. Das Landgericht hat indessen zwei "kraftvolle" Ohrfeigen, die den Tatbestand des § 223 StGB erfüllten, festgestellt (S. 12 UA). Soweit der Beschwerdeführer jetzt vorträgt, mit "symbolische Ohrfeigen" sei lediglich gemeint gewesen, dass damit dem Nebenkläger habe demonstriert werden sollen, dass er unerwünscht sei, mag dies so sein. Vom objektiven Empfängerhorizont aus war diese Formulierung aber aufgrund des ebenfalls vom Angeklagten weiter verfolgten Wiederaufnahmeziels als Bestreiten des Tatvorwurfs einer vorsätzlichen Körperverletzung zu verstehen; denn im Wiederaufnahmeantrag hatte der Verurteilte vortragen lassen, dass die Ohrfeigen beim Nebenkläger keine Schmerzen verursacht hätten und daher nur als tätliche Beleidung anzusehen seien (S. 139 des Wiederaufnahmeantrags). Daher war das Landgericht aufgrund der verlesenen Einlassung des Angeklagten gehalten, dessen mit dem Wiederaufnahmeantrag abgegebene Sachverhaltsdarstellung aufzuklären.

Darauf, ob die Verteidigung im Rahmen der Schlussvorträge das Wiederaufnahmeziel noch weiter verfolgt hat, kommt es nicht an, weil die Beweisaufnahme zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen und die Auslagen entstanden waren. Ebenso wenig ist die Erstattungsflicht des Verurteilten davon abhängig, ob er in der Hauptverhandlung Kosten auslösende Anträge gestellt hat. Denn auf die unbeschränkte Berufung des Angeklagten war eine völlige Neuverhandlung der Sache unter umfassender Aufklärung des Sachverhalts durchzuführen (vgl. nur Meyer-Goßner aaO Vor § 312 Rn. 1). Zu diesem Zweck hatte das Landgericht nunmehr sämtliche Zeugen einschließlich der von der Verteidigung im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens benannten Tatzeugen zu vernehmen. Dabei ist es unerheblich, ob die Verteidigung diese Zeugen aus ihrer Sicht nur zur Abwehr der Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers benannt und nicht nach der Intensität der Ohrfeigen gefragt hat. Entscheidend ist, dass diese Frage von Seiten des Gerichts an die Zeugen gestellt worden ist, wie sich aus den Urteilsgründen ergibt und zudem auch der Beschwerdeführer selbst bestätigt hat (S. 2 seines Schreibens vom 3. Juli 2012, Bl. 150 VH Bd. I). Zudem heißt es in der Beschwerdebegründung, dass "sämtliche von der Verteidigung benannten und im ganz überwiegenden Teil selbst 'herbeigeschafften' Zeugen" auch "zur Bestätigung der Glaubhaftigkeit der Einlassung" des Angeklagten benannt worden seien. Dies schließt aber die Überprüfung seiner Einlassung zu zwei nur "symbolischen" Ohrfeigen ein.

Da hiernach Auslagen, die ausschließlich auf den Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers beruhen, nicht ausscheidbar sind, hat der Verurteilte die Auslagen in vollem Umfang zu tragen.

IV.

Die Entscheidung über Gebühren und Auslagen folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.