Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 30.08.2007, Az.: 1 Ws 255/07

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.08.2007
Aktenzeichen
1 Ws 255/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 59375
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2007:0830.1WS255.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
- 20.03.2007 - AZ: 18 AR 1/06

In der Strafsache

...

wegen gefährlicher Körperverletzung

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Nebenklägers durch den Vorsitzenden Richter am ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ... am 30. August 2007 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Gegenvorstellung des Antragstellers vom 13. Juli 2007 hebt der Senat seinen Beschluss vom 5. Juli 2007 auf.

  2. 2.

    Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts H. vom 20. März 2007 aufgehoben.

  3. 3.

    Der Wiederaufnahmeantrag des Antragstellers vom 16. Januar 2006 wird zugelassen.

  4. 4.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Landeskasse. Es wird davon abgesehen, der Landeskasse auch die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Antragstellers aufzuerlegen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller ist durch Urteil der 9. kleinen Strafkammer des Landgerichts H. vom 25. November 2004 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 178 Tagessätzen zu je 2 500,00 € verurteilt worden.

2

Er hat durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 16. Januar 2006 die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Er macht geltend, dass neue Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO vorlägen, die in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Bestrafung zu begründen geeignet sind. Ziel seines Antrages ist, anstatt der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung eine solche wegen nur tätlicher Beleidigung oder allenfalls vorsätzlicher Körperverletzung zu erreichen. Er trägt vor, dass er dem Nebenkläger am Tattag lediglich zwei Ohrfeigen gegeben habe. Er habe dabei keinen Schlagring benutzt, und der Nebenkläger sei auch nicht von einer anderen Person festgehalten worden.

3

Mit Beschluss vom 20. März 2007 hat die für das Wiederaufnahmeverfahren zuständige 7. kleine Strafkammer des Landgerichts H. den Wiederaufnahmeantrag als unzulässig verworfen mit der im Einzelnen näher ausgeführten Begründung, dass die beigebrachten Tatsachen und Beweismittel, soweit sie neu seien, nicht geeignet seien, allein oder in Verbindung untereinander und in Kombination mit den früher erhobenen Beweisen die den Schuldspruch tragenden Feststellungen des Urteils zu erschüttern und damit das Wiederaufnahmeziel zu erreichen.

4

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller am 21. März 2007 sofortige Beschwerde eingelegt und deren Begründung einem späteren Schriftsatz vorbehalten.

5

Der Senat hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 5. Juli 2007 als unbegründet verworfen. Eine Beschwerdebegründung war bis dahin nicht eingegangen. Auch eine Kontaktaufnahme des Verteidigers zum Senat war entgegen seiner eigenen Ankündigung vom 11. Juni 2007 nicht erfolgt.

6

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 13. Juli 2007 hat der Antragsteller Gegenvorstellung gegen die Beschwerdeentscheidung erhoben. Er macht geltend, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden. Außerdem setzt er sich mit den Gründen der Entscheidung des Landgerichts im Einzelnen auseinander und ergänzt seine bisherigen Darlegungen und Beweisantritte in einigen Punkten.

7

Zwei gesonderte Eingaben vom 18. Juli 2007, mit denen der Antragsteller die Anhörungsrüge nach § 33a StPO erhoben und beantragt hat, das Verfahren in den Stand vor der Entscheidung vom 5. Juli 2007 zurückzuversetzen, hat der Senat mit Beschluss vom 6. August 2007 als unzulässig verworfen.

8

Die Generalstaatsanwaltschaft und der Nebenkläger hatten rechtliches Gehör. Sie beantragen,

  1. die Gegenvorstellung zurückzuweisen.

9

II.

1. Die Gegenvorstellung ist zulässig.

10

Die Senatsentscheidung vom 5. Juli 2007 ist zwar unanfechtbar (§ 304 Abs. 4 StPO). Die Abänderung einer Entscheidung, die mit Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden kann, ist im Wege der Überprüfung auf eine Gegenvorstellung aber dann statthaft, wenn sie der nachträglichen Gewährung des rechtlichen Gehörs oder zur Beseitigung schwerer Verfahrensfehler oder eines anders nicht heilbaren unerträglichen Rechtszustandes dient (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., Einl. RdNrn. 114, 115 m.w.N.). Letzteres ist hier der Fall.

11

a) Allerdings hat der Senat den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Insoweit wird vollumfänglich Bezug genommen auf die Entscheidung des Senats vom 6. August 2007 über die gesonderte Anhörungsrüge des Antragstellers.

12

b) Auch sonstige Verfahrensfehler sind nicht festzustellen. Soweit der Antragsteller dem Wiederaufnahmegericht Verletzungen der prozessualen Fürsorgepflicht durch Unterlassen von gebotenen Hinweisen vorwirft, ist ihm nicht zu folgen. Ein derartig weitgehender Anspruch auf gerichtliche Hinweise, wie ihn der Antragsteller zu haben meint, besteht auch in Wiederaufnahmesachen nicht. Es ist zwar anerkannt, dass in Ausnahmefällen die prozessuale Fürsorgepflicht dem Gericht gebieten kann, dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, seinen Antrag zu vervollständigen. Dies wird jedoch allgemein auf unbedeutende Mängel beschränkt, die leicht zu beheben sind ( OLG Hamm NJW 1980, 717 [OLG Hamm 16.11.1979 - 4 Ws 695/79]; Gössel, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 368 Rdnr. 11; Schmidt, in Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., § 368 Rdnr. 1; Meyer-Goßner, a.a.O., § 368 Rdnr. 1). Denn eine auf solche Mängel gestützte Ablehnung wäre reiner Formalismus. Das bedeutet aber nicht, dass für das Gericht umfassende Hinweispflichten, etwa in Anlehnung an § 139 ZPO (so Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, 2. Aufl., Rdnr. 8), bestehen. Dies würde in Verfahren, in denen - wie vorliegend - höchst umfangreich vorgetragen wird, letztendlich darauf hinauslaufen, dass das Gericht dem Antragsteller vorab seine umfassende Würdigung des Wiederaufnahmevorbringens eröffnen muss, weil es gar nicht überschauen kann, an welchen Stellen er sich zu einer Ergänzung seines Vorbringens in der Lage sieht. Weder § 33 StPO noch Art. 103 Abs. 1 GG noch der Grundsatz des fairen Verfahrens verpflichten das Gericht, mit dem Antragsteller in einen derartigen rechtlichen Dialog einzutreten (vgl. BGHSt 36, 175 ).

13

Als unbedeutende und leicht behebbare Mängel sind die vom Wiederaufnahmegericht aufgezeigten Einschränkungen der Geeignetheit bestimmter Tatsachen und Beweismittel aber nicht einzuordnen, weil sie auf einer umfassenden Gesamtwürdigung beruhen.

14

Soweit der Antragsteller geltend macht, er sei aufgrund anders lautender Vorabinformationen durch die abschlägige Entscheidung des Wiederaufnahmegerichts überrascht worden, ist nicht ersichtlich, inwieweit er sich anders hätte verhalten können, wenn das Gericht deutlicher zu erkennen gegeben hätte, dass es das Wiederaufnahmegesuch entgegen vorheriger Einschätzung nun für unzulässig hält. Auch dann hätte eine Pflicht zu ausführlicher Darlegung der Gründe dieser Neueinschätzung nicht bestanden.

15

c) Die Gegenvorstellung ist hier aber deshalb statthaft, weil sie durch Ergänzungen des Wiederaufnahmevorbringens der Senatsentscheidung vom 5. Juli 2007 nachträglich den Boden entzogen hat.

16

Das Wiederaufnahmegesuch ist unter Einbeziehung dieser Ergänzungen als zulässig einzustufen (dazu näher unter II.2.). Würde der Senat dennoch der Rechtskraft seiner Entscheidung den Vorrang einräumen, wäre damit ein unerträglicher Rechtszustand geschaffen. Denn da das Wiederaufnahmegericht und der Senat nicht nur formal, sondern in der Sache entschieden haben, wäre dem Antragsteller in Zukunft das gesamte, in der jetzigen Form zuzulassende Vorbringen abgeschnitten, weil die einmal auf ihre Geeignetheit im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO geprüften neuen Tatsachen und Beweismittel als "verbraucht" gelten (vgl. Gössel, a.a.O., § 372 Rdnr. 22; Schmidt, a.a.O., § 368 Rdnr. 20; Meyer-Goßner, a.a.O., § 372 Rdnr. 9 jew.m.w.N.). Dieser nicht hinnehmbare Rechtszustand ist auf andere Weise nicht heilbar.

17

2. Die Gegenvorstellung hat auch in der Sache Erfolg.

18

Sie führt zur Aufhebung der Senatsentscheidung vom 5. Juli 2007 und des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts H. sowie zur Zulassung des Wiederaufnahmegesuchs.

19

Das Wiederaufnahmegesuch ist nunmehr zuzulassen, weil der bisherige, nicht ausreichende Vortrag durch die Gegenvorstellung - neben zahlreichen erfolglosen Angriffen gegen die landgerichtliche Entscheidung - in einem wesentlichen Gesichtspunkt so ergänzt worden ist, dass auf dieser Basis der bisherige Vortrag neu zu bewerten ist.

20

Dieser ergänzende Vortrag war auch zu berücksichtigen. Denn es handelt sich insoweit nicht um neue Tatsachen und Beweismittel, die im Beschwerdeverfahren nicht mehr nachgeschoben werden dürften. Da vielmehr schon mit dem Wiederaufnahmeantrag in dieser Richtung vorgetragen worden ist, sind die jetzigen Darlegungen als im Beschwerdeverfahren noch zulässige Ergänzungen und Abrundungen des bisherigen Sachvortrags (vgl. OLG Celle NJW 1966, 943 [OLG Celle 25.03.1966 - 5 Ws 26/66]; Gössel, a.a.O., § 372 Rdnr. 18; Meyer-Goßner, a.a.O., § 372 Rdnr. 7) einzustufen.

21

Nach der Neubewertung des gesamten Vorbringens unter Berücksichtigung der ergänzenden Ausführungen im Rahmen der Gegenvorstellung ist der Wiederaufnahmeantrag dahingehend zu bewerten, dass er neue Tatsachen und Beweismittel im Sinne von § 359 Nr. 5 StPO beibringt, die in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Bestrafung zu begründen geeignet sind.

22

Da ein auf § 359 Nr. 5 StPO gestützter Wiederaufnahmeantrag nach § 368 StPO in vollem Umfang zugelassen werden muss, wenn wenigstens einer der geltend gemachten Gründe die Voraussetzungen des Gesetzes erfüllt, und die Zulassung nicht auf die Erhebung einzelner Beweise begrenzt werden darf (vgl. BGH NJW 1966, 2177; Gössel, a.a.O., § 368 Rdnr. 33; Meyer-Goßner, a.a.O., § 368 Rdnr. 12), beschränkt der Senat die weitere Begründung auf die für seine Zulassungsentscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte.

23

a) Von Anfang an waren als bedeutsamste Stütze des Wiederaufnahmegesuchs die benannten Zeugen S.A.M., A.A., O.A.M.I., O.M.O., K.K. und ... anzusehen. Ihnen kommt deshalb die größte Bedeutung zu, weil sie als unmittelbare Zeugen der Tat benannt werden und in ihr Wissen ein von den Feststellungen des Landgerichts H. in für den Schuldspruch wesentlichen Aspekten abweichender Geschehensablauf gestellt wird.

24

Dies hat das Wiederaufnahmegericht ebenso beurteilt und bei seiner Entscheidung auch jeweils zutreffend zugrunde gelegt, dass diese Zeugen die in ihr Wissen gestellten Bekundungen abgeben werden. Es hat sodann in einer grundsätzlich zulässigen Schlüssigkeitsprüfung den Wert dieser neuen Beweise auf der Basis der Beweiswürdigung des Landgerichts H. jedoch anders gewürdigt als der Antragsteller. Die hiergegen gerichteten Angriffe im Beschwerdevorbringen gehen weitgehend fehl. Der Antragsteller verkennt, dass auch, wenn bestimmte objektive Tatsachen in das Wissen eines Zeugen gestellt werden, der Zeuge hierzu immer nur seine eigenen Wahrnehmungen bekunden kann. Diese Bekundungen können aber immer objektiv falsch sein, insbesondere auf Irrtum infolge mangelhafter Wahrnehmungsbedingungen oder -bereitschaft beruhen. Ob die Bewertung der Beweiskraft dieser Tatzeugen durch das Wiederaufnahmegericht sich noch in den hierfür im Rahmen der Prüfung nach § 368 Abs. 1 StPO zulässigen Grenzen bewegt oder nicht (vgl. dazu Gössel, a.a.O. Rdnr. 24 m.w.N.), kann dahinstehen. Denn das Urteil des Landgerichts H. ist auf eine weitere Grundlage gestützt worden, die zwar nicht mit dem Wiederaufnahmeantrag in seiner ursprünglichen Form, nun aber mit der Gegenvorstellung erschüttert worden ist.

25

b) Für den Senat war bei seiner Entscheidung vom 5. Juli 2007 von maßgebender Bedeutung, dass der damalige Verteidiger des Antragstellers in der Berufungshauptverhandlung für den Angeklagten eine geständige Einlassung in Form einer Erklärung abgegeben hatte, welches durch den Wiederaufnahmeantrag nicht entkräftet wurde. Diese Erklärung hat der Senat - anders als das Wiederaufnahmegericht, aber in Übereinstimmung mit dem jetzigen Verteidiger des Antragstellers - als eine die Verurteilung tragende Säule angesehen, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil der Rechtsanwalt in der Berufungshauptverhandlung nicht nur als Verteidiger, sondern gemäß § 411 Abs. 2 S. 1 StPO auch als Vertreter des Angeklagten mit der entsprechenden besonderen Vertretungsvollmacht aufgetreten ist.

26

Zwar hatte der Antragsteller bereits mit dem ursprünglichen Wiederaufnahmevorbringen den Versuch unternommen, diese geständige Erklärung zu entkräften. Das war ihm jedoch nicht gelungen. Denn das bisherige Vorbringen genügte der insoweit bestehenden erweiterten Darlegungspflicht nicht. Wenn ein früher abgegebenes Geständnis widerrufen werden soll - und dem steht der vorliegende Sachverhalt gleich - muss der Antragsteller verständlich, einleuchtend und nachvollziehbar ausführen, weshalb er in der Hauptverhandlung der Wahrheit zuwider die ihm vorgeworfene Straftat eingeräumt hat und aus welchen Gründen und unter welchen Umständen er im Nachhinein seine Angaben für unrichtig erklärt. Es bedarf insbesondere der plausiblen Darlegung eines nach der Sachlage schlüssigen und naheliegenden Motivs für das behauptete falsche Geständnis (vgl. BGH NJW 1977, 59 [BGH 07.07.1976 - 5 (7) (2) StE 15/56]; OLG Düsseldorf, NStZ 2004, 454; OLG Stuttgart NJW 1999, 375; OLG Köln NStZ 1991, 96; Gössel, a.a.O., § 359 Rdnr. 181).

27

Der Antragsteller hatte hierzu vorgetragen, dass die von seinem Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung für ihn abgegebene Erklärung von ihm nicht autorisiert gewesen sei. Um dies glaubhaft zu machen, hat er weiter dargelegt, dass er bei mehreren Besprechungen im Vorfeld der damaligen Berufungshauptverhandlung gegenüber verschiedenen Personen, die dafür als Zeugen benannt wurden, immer wieder erklärt habe, er werde nicht mehr einräumen, als die zwei Ohrfeigen, die er dem Nebenkläger seinerzeit gegeben habe, selbst wenn er dann ins Gefängnis müsse.

28

Dieser Vortrag bot jedoch keine Erklärung dafür, warum der Verteidiger, der noch bis kurz vor der Berufungshauptverhandlung in Schriftsätzen für den Angeklagten jede Tätlichkeit bestritten und zum Beweis dafür Zeugen benannt und entsprechende Beweisanträge gestellt hatte, in der Verhandlung plötzlich diese geständige Erklärung vortrug. Es war nach dem bisherigen Vorbringen insbesondere nicht auszuschließen, dass es außerhalb der bezeichneten Vorbesprechungen ohne Zeugen zu einer neuen, von den vorherigen Erklärungen abweichenden Absprache des Antragstellers mit dem damaligen Verteidiger über die Verteidigungsstrategie gekommen war. Denkbares Motiv hierfür hätte etwa eine veränderte Einschätzung der Prozesslage, insbesondere des Ausmaßes der Gefahr einer zu verbüßenden Haftstrafe, sein können. Eine derartige - auch telefonisch mögliche - Absprache zwischen Angeklagtem und Verteidiger lag jedenfalls näher, als ein völlig unautorisiertes, dem Willen des Mandanten sogar diametral entgegen stehendes Agieren des Verteidigers.

29

Diese anderen Erklärungsmöglichkeiten sind nunmehr durch den Vortrag im Rahmen der Gegenvorstellung ausgeräumt. Denn der Antragsteller legt jetzt die Korrespondenz zwischen ihm und seinem damaligen Verteidiger unmittelbar im Anschluss an die Berufungshauptverhandlung dar. Daraus ergibt sich, dass der Antragsteller von der für ihn abgegebenen geständigen Erklärung keine Kenntnis hatte und hiervon erst im Nachhinein andeutungsweise aus der Presse erfuhr. Es ergibt sich weiter, dass der damalige Verteidiger auch im Nachhinein den Antragsteller über seine Handlungsweise nicht in vollem Umfang aufklärte. Zu der vom Wiederaufnahmegericht angestellten, nach aller Lebenserfahrung auch naheliegenden Vermutung, dass der Antragsteller zumindest die Schriftsätze seines Verteidigers an das Gericht, insbesondere der Revisionsbegründung, jeweils in Abschrift erhalten und gelesen hatte, legt er nun dar, dass ihm diese Schriftsätze erst im Rahmen der Vorbereitung des Wiederaufnahmeantrages durch seinen jetzigen Verteidiger zugänglich gemacht worden sind.

30

Damit ist nun der erweiterten Darlegungslast genügt, so dass die geständige Erklärung als Stütze des Urteils wegfällt.

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c) Unter Berücksichtigung der neuen Tatzeugen, deren Beweiswert auch vom Wiederaufnahmegericht nur als eingeschränkt, aber keinesfalls völlig aufgehoben eingeschätzt wurde, sind nun neue Tatsachen und Beweismittel beigebracht, die geeignet sind, das Urteil des Landgerichts H. in seinem Bestand zu erschüttern. Die nach damaliger Sicht nicht zu beanstandenden, weiteren Erwägungen des Wiederaufnahmegerichts zur fehlenden Entkräftung der festgestellten Verletzungen des Nebenklägers als Indiz durch das Wiederaufnahmevorbringen und zu den fehlenden Auswirkungen einer möglichen Aggravation der Verletzungsfolgen durch den Nebenkläger auf seine Glaubwürdigkeit vermögen vor diesem Hintergrund nun nicht mehr die Unzulässigkeit des Wiederaufnahmeantrages zu begründen.

32

Das Wiederaufnahmegesuch war daher in vollem Umfang zuzulassen.

33

3. Über den notwendigen Umfang der nun durchzuführenden Beweisaufnahme im Probationsverfahren hat der Senat nicht zu befinden, weil er nur mit der Zulassungsentscheidung nach § 368 Abs. 1 StPO befasst war. Hierüber wird nunmehr das Landgericht nach § 369 Abs. 1 StPO zu entscheiden haben, nachdem es die Staatsanwaltschaft und den Nebenkläger gemäß § 368 Abs. 2 StPO angehört hat.

34

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO entsprechend.

35

Der Senat hat in entsprechender Anwendung von § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StPO davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Antragstellers der Staatskasse aufzuerlegen, weil er erst mit der Gegenvorstellung die notwendigen Tatsachen vorgetragen hat, die seinem Rechtsmittel letztendlich zum Erfolg verhelfen (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 473 Rdnr. 2).

36

IV.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 304 Abs. 4 StPO kein Rechtsmittel gegeben.