Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 27.01.2015, Az.: 1 Ws 510/14
Auslegung einer Teilbeschränkung der Berufung als vollständige Rücknahme derselben
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 27.01.2015
- Aktenzeichen
- 1 Ws 510/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 14677
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2015:0127.1WS510.14.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 07.10.2014
Rechtsgrundlagen
- StPO § 318
- § 473 Abs. 1 S. 1 StPO
Fundstellen
- NStZ-RR 2015, 6
- NStZ-RR 2016, 21-22
Amtlicher Leitsatz
Verbleibt nach einer Beschränkung der zunächst unbeschränkt eingelegten Berufung nur ein den Angeklagten nicht beschwerender, sondern für ihn günstiger Teil der erstinstanzlichen Entscheidung, den er weder anfechten wollte noch konnte, so kann die Teilrücknahme sinnvoll nur als vollständige Rücknahme ausgelegt und behandelt werden.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird die Kostenentscheidung des Urteils der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Stade vom 7. Oktober 2014 dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte die Kosten und Auslagen seiner Berufung zu tragen hat, nachdem er das Rechtsmittel zurückgenommen hat.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Angeklagte zu tragen.
Gründe
I.
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Cuxhaven vom 11. Juni 2014 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil beruhte insoweit auf einer Absprache gemäß § 257 c StPO. Von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz hat das Amtsgericht abgesehen.
Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft Stade am 13. Juni 2014 unbeschränkt Berufung ein. Der Angeklagte legte am 18. Juni 2014 ebenfalls ein unbeschränktes Rechtsmittel ein, welches als Berufung zu behandeln war. Die am 5. August 2014 abgegebene Berufungsbegründung der Staatsanwaltschaft bezog sich allein auf die unterbliebene Anordnung des Verfalls von Wertersatz. In der Berufungshauptverhandlung hat der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft die Beschränkung der Berufung auf die Verfallsentscheidung erklärt. Hiernach haben auch der Angeklagte und sein Verteidiger die Berufung des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung auf die Nichtanordnung von Wertersatzverfall beschränkt und erklärt, eine Bestätigung der amtsgerichtlichen Entscheidung zu erstreben.
Mit Urteil vom 7. Oktober 2014 hat die 3. kleine Strafkammer des Landgerichts Stade die Berufung der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen und die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen insgesamt der Landeskasse auferlegt. In den Gründen hat das Landgericht ausgeführt, dass die wirksam auf die Entscheidung über die Nichtanordnung eines Wertersatzverfalls beschränkte Berufung des Angeklagten Erfolg gehabt habe, weil insofern die amtsgerichtliche Entscheidung entgegen dem Berufungsziel der Staatsanwaltschaft bestätigt worden sei. Hieraus ergebe sich, dass auch die Kosten der Berufung des Angeklagten einschließlich der ihm hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Landeskasse aufzuerlegen gewesen seien.
Gegen die Kostenentscheidung des Urteils hat die Staatsanwaltschaft Stade am 8. Oktober 2014 sofortige Beschwerde erhoben. In ihrer Beschwerdebegründung vom 13. November 2014 hat die Staatsanwaltschaft ausgeführt, dass die nachträgliche Beschränkung der Berufung des Angeklagten in der Sache eine vollständige Rücknahme des Rechtsmittels darstelle, weil der nach der Beschränkung verbleibende Teil der erstinstanzlichen Entscheidung über die Nichtanordnung von Wertersatzverfall den Angeklagten nicht beschwerte und daher von diesem auch nicht angefochten werden konnte. Dementsprechend seien gemäß § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO die Kosten einschließlich der notwendigen Auslagen der Berufung des Angeklagten diesem aufzuerlegen.
Der Angeklagte hat durch seinen Verteidiger die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils verteidigt. Der Angeklagte habe mit seiner später beschränkten Berufung das Ergebnis der Verständigung vor dem Amtsgericht bestätigen lassen wollen. Insofern habe sein Rechtsmittel auch Erfolg gehabt.
II.
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts Stade vom 7. Oktober 2014 ist zulässig (§§ 464 Abs. 3, 311 StPO) und hat auch in der Sache Erfolg.
Die angefochtene Kostenentscheidung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, soweit sie auch die durch die Berufung des Angeklagten verursachten Kosten und Auslagen der Landeskasse auferlegt. Der Angeklagte hat seine Berufung zurückgenommen und daher gemäß § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO auch deren Kosten zu tragen.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Angeklagte mit der nachträglichen Beschränkung seiner Berufung auf die Nichtanordnung des Wertersatzverfalls der Sache nach die Rücknahme seiner Berufung erklärt. Als gerichtliche Prozesserklärung ist die Berufungsbeschränkung nach allgemeinen Regeln der Auslegung zugänglich, bei der es nicht allein auf den Wortlaut, sondern vor allem auf den erkennbar gemeinten Sinn ankommt (vgl. BGHSt 29, 359, 365; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 57. Aufl. § 318 Rn. 2 mwN). Maßgebend ist dabei die wirkliche rechtliche Bedeutung des Rechtsmittelangriffs (vgl. Senatsbeschluss vom 6. August 2013 - 1 Ws 192/13, juris). Die nachträgliche Beschränkung einer zunächst uneingeschränkt eingelegten Berufung stellt rechtlich eine Teilrücknahme des Rechtsmittels dar (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt aaO. § 318 Rn. 1). Es steht zwar außer Frage, dass eine Beschränkung der Berufung auf die Entscheidung über die Anordnung des Verfalls von Wertersatz grundsätzlich zulässig ist (BGHSt 55, 174, 175; Meyer-Goßner/Schmitt aaO. Rn. 22). Dies ändert aber nichts daran, dass ein Angeklagter - wie auch sonst ein Beteiligter an einem gerichtlichen Verfahren - eine gerichtliche Entscheidung nur insoweit anfechten kann, als diese ihn auch beschwert (BGHSt 16, 374; 28, 327; Meyer-Goßner/Schmitt aaO. Vor § 296 Rn. 8). Die Nichtanordnung von Wertersatzverfall beschwert den Angeklagten aber nicht. Daher hat der Angeklagte mit der nachträglichen Beschränkung sein Rechtsmittel gegen alle ihn beschwerenden Bestandteile des erstinstanzlichen Urteils - nämlich Schuld- und Strafausspruch - zurückgenommen. Verbleibt danach aber - wie hier - infolge der Beschränkung nur ein den Angeklagten nicht beschwerender, sondern für ihn günstiger Teil der erstinstanzlichen Entscheidung, den er weder anfechten wollte noch konnte, so kann die Teilrücknahme sinnvoll nur als vollständige Rücknahme ausgelegt und behandelt werden. Um das vom Angeklagten und seinem Verteidiger erklärte Rechtsschutzziel einer "Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung" zu erreichen, bedurfte es keiner Berufung des Angeklagten. Es hätte vielmehr ausgereicht, in der Hauptverhandlung dem Antrag der Staatsanwaltschaft entgegen zu treten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Verteidigung kann von einem Erfolg eines Rechtsmittels des Angeklagten nur dann gesprochen werden, wenn es zu einer vom Angeklagten angestrebten Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zu seinen Gunsten kommt. Die bloße Bestätigung einer Entscheidung kann nie Ziel eines Rechtsmittels sein.
Der Angeklagte hat dementsprechend gemäß § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Dies umfasst auch die ihm hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. Insoweit war die angefochtene Kostenentscheidung abzuändern.
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 465 StPO.