Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 14.12.2017, Az.: 3 A 5368/15
Inzidentprüfung; Kostenbeitrag; Rechtmäßigkeit der Jugendhilfemaßnahme; Vorbehalt bei Antragstellung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 14.12.2017
- Aktenzeichen
- 3 A 5368/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 54068
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 93 Abs 4 SGB 8
- § 92 SGB 8
- § 91 SGB 8
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
(keine) Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Jugendhilfemaßnahme im Rahmen des Kostenbeitragsstreites, wenn Primärrechtschutz möglich war;
(unbeachtlicher) Vorbehalt bei Antragstellung;
vorläufige Festsetzung der Beitragshöhe wegen unzureichender Informationen über maßgebliches Einkommen.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann eine Kostenvollstreckung mittels Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Kostenbeiträgen für stationäre Jugendhilfemaßnahmen zu Gunsten ihrer Tochter C..
Die Tochter ist im April 1998 geboren und lebte vor Beginn der streitbefangenen Maßnahmen im elterlichen Haushalt. Nach dem Besuch der Grundschule wechselte sie zunächst auf die IGS D.. Auf Grund einer von ihr nach klägerischer Darstellung so wahrgenommenen Mobbing-Lage blieb sie dem Unterricht seit April 2012 fern. Im April 2012 begann die Tochter eine ambulante Psychotherapie. Es bestanden auch erhebliche innerfamiliäre Konflikte. Zum Schuljahr 2012/13 wechselte die Jugendliche auf ein hannoversches Gymnasium.
Am 06.09.2012 erhielt das Jugendamt der Beklagten eine Mitteilung aus seiner stationären Jugendhilfeeinrichtung „E.“, dass die Klägerin ihre Tochter dort „abgegeben“ habe. Dabei habe die Klägerin angegeben, ihre Tochter könne und solle nicht länger zu Hause bleiben. Sie habe auf Grund beruflicher Termine keine Zeit, sich weiter um ihre Tochter zu kümmern. Das Jugendamt hielt telefonisch mit der Klägerin und mit der die Tochter behandelnden Psychotherapeutin Rücksprache, nahm die Tochter am 06.09.2012 in Obhut und brachte sie in der Clearingstelle F. unter. Unter dem 11.09.2012 erging an die Klägerin und ihren Ehemann, den Kindesvater, eine Mitteilung gemäß § 92 Abs. 3 SGB VIII über die Inobhutnahme und deren Folgen für die Unterhaltspflicht der Eltern sowie deren Kostenbeitragspflicht. In der Folgezeit führte das Jugendamt mit den Eltern und ihrer Tochter verschiedene Gespräche, um die jugendhilferechtliche Bedarfslage und mögliche Hilfen zu klären, ohne dass zunächst eine Lösung erzielt werden konnte. Nachdem die Klägerin und ihr Mann mit anwaltlichem Schreiben der Inobhutnahme widersprochen und die Herausgabe ihrer Tochter verlangt hatten, kündigte das Jugendamt die Einschaltung des Familiengerichts für den 23.10.2012 an. In einem gemeinsamen Gespräch des Jugendamtes mit der Tochter und den Eltern an dem Tag erklärten letztere ihre Bereitschaft, einen Antrag auf ambulante Jugendhilfe gemäß § 30 SGB VIII zu stellen. Daraufhin erklärte die Tochter sich bereit, sofort in den elterlichen Haushalt zurückzukehren. Die Inobhutnahme wurde beendet; zu einer Anrufung des Familiengerichts kam es nicht mehr.
Am 04.11.2012 meldete sich die Tochter der Klägerin in der Clearingstelle des Jugendamtes und bat um erneute Inobhutnahme. Zu Hause habe es wieder Streit gegeben; dort wolle sie nicht mehr bleiben. Telefonisch vom Jugendamt kontaktiert bestätigte die Klägerin ausweislich des darüber gefertigten Vermerks noch am selben Tag, dass es im Familienhaushalt zu einem Streit gekommen sei, und stimmte mündlich der Inobhutnahme zu. In einer E-Mail an das Jugendamt vom 05.11.2012 äußerte die Klägerin, dass sie aktuell wegen Selbstmorddrohungen eine Aufnahme ihrer Tochter in eine stationäre KJP-Behandlung und im Übrigen eine Unterbringung in einer heilpädagogischen Einrichtung für erforderlich halte.
Unter dem 05.11.2012 erging an die Kindeseltern erneut eine Mitteilung und Belehrung gemäß § 92 Abs. 3 SGB VIII. Nach deren Zugang meldeten sich die Eltern telefonisch in der Clearingstelle und kündigten die Beantragung von Hilfe zur Erziehung gemäß § 34 SGB VIII an. Den Eltern wurden unter dem 22.11.2012 die Antragsunterlagen übersandt. Diese lehnten mit Schreiben vom 11.12.2012 eine Antragstellung ohne (vorherige) Hilfeplanung ab. In einem gemeinsamen Gespräch am 02.01.2013 konnte eine Rückkehrperspektive in den elterlichen Haushalt nicht festgestellt werden. Die Eltern lehnten die Beantragung stationärer Jugendhilfeleistungen gleichwohl weiterhin ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 03.01.2013 widersprachen sie der Inobhutnahme und verlangten die Herausgabe ihrer Tochter.
Am 03.01.2013 rief daraufhin das Jugendamt der Beklagten das Familiengericht an. In einem ersten Anhörungstermin vor dem Familiengericht am 23.01.2013 äußerten die Eltern den Wunsch einer Internatsunterbringung ihrer Tochter auf G., was diese in dem Termin ablehnte. Sie wünschte vielmehr eine Unterbringung in einer betreuten Wohngruppe in A-Stadt (WG H.), was auch vom Jugendamt als geeignet angesehen wurde. In dem Termin wurde vereinbart, dass das Jugendamt die Unterbringungsalternativen Internat oder Jugendheim bzw. betreute Wohngruppe nochmals mit der Tochter der Klägerin erörtern und diese zunächst in der Clearingstelle verbleiben sollte.
Am 06.03.2013 fand ein weiterer Termin vor dem Familiengericht statt. Ausweislich des Protokolls des Anhörungstermins stimmten die Klägerin und ihr Ehemann einer stationären Jugendhilfemaßnahme in dem Termin grundsätzlich zu. Da die Jugendliche eine Unterbringung außerhalb I. weiterhin vehement ablehnte, wurde ihre Unterbringung in der von ihr favorisierten betreuten Wohngruppe (WG H.) in A-Stadt in den Blick genommen. Alle Beteiligten gingen dabei zu dem Zeitpunkt davon aus, dass dort innerhalb von 2 – 4 Wochen ein Platz frei werden würde. Bis zur Aufnahme sollte die Tochter weiterhin in der Clearingstelle verbleiben. Die Klägerin und ihr Ehemann unterschrieben noch in dem Termin einen Formularantrag für die Gewährung einer stationären Hilfe zur Erziehung sowie ein Belehrungsformular zur Kostenbeitragspflicht. Dabei wurde handschriftlich jeweils die Formulierung „unter Vorbehalt“ hinzugesetzt. Außerdem wurde in dem Antragsformular der Passus über die Vorlage eines Auskunftsbogens bzw. die Abgabe von Erklärungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse handschriftlich durchgestrichen. Das Belehrungsformular enthält eine Erläuterung zu den unterhaltsrechtlichen Folgen einer stationären Hilfegewährung.
In der Folgezeit stellte sich heraus, dass eine Aufnahme der Tochter in die vorgesehene Wohngruppe nicht erfolgen konnte, weil ein Platz dort doch nicht frei wurde. Die Unterbringung in einer sodann als Alternative in den Blick genommenen Wohngruppe scheiterte Mitte Mai 2013 daran, dass diese sich gegen die Aufnahme aussprach. Am 19.05.2013 suchte die Tochter der Klägerin von sich aus die psychiatrisch/psychotherapeutische Abteilung des Kinderkrankenhauses in A-Stadt auf, weil es ihr u.a. infolge anhaltender Nahrungsverweigerung schlecht ging. Das Kinderkrankenhaus sah (noch) keinen Anlass für eine sofortige stationäre Aufnahme, plante eine solche aber für den 29.05.2013.
Am 28.05.2013 wechselte die Tochter aus der Clearingstelle in eine Einrichtung für Hilfen nach § 34 SGB VIII. Mit Bescheid vom 10.09.2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin und deren Ehemann rückwirkend zu diesem Tag eine stationäre Hilfe nach § 34 SGB VIII. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Bereits unter dem 10.12.2012 war gegenüber der Klägerin ein Kostenbeitragsbescheid ergangen, mit dem sie in Höhe des Kindergeldes für die Zeiträume 06.09. – 23.10.2012 und ab dem 04.11.2012 herangezogen wurde. Dieser Bescheid war bestandskräftig geworden. Nachdem die Klägerin im Folgenden trotz mehrfacher, zuletzt förmlicher Aufforderung unter Zwangsgeldandrohung zunächst keine Auskünfte über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hatte, hatte die Beklagte gegen sie unter dem 30.04.2013 ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- EUR festgesetzt. Daraufhin hatte die Klägerin am 16.05.2013 erstmals Auskünfte erteilt.
Mit Schreiben vom 21.08.2013 forderte die Beklagte die Klägerin auf, aktuelle Einkommensunterlagen vorzulegen. Es entspann sich in der Folgezeit eine Korrespondenz mit dem die Klägerin seinerzeit vertretenden Rechtsanwalt bezüglich der Vorlage weiterer Unterlagen, die im Oktober 2014 ihr vorläufiges Ende fand, nachdem der Rechtsanwalt für die Klägerin weitere Unterlagen eingereicht hatte.
Mit zwei Schreiben vom 22.12.2014 hörte die Beklagte die Klägerin zu der beabsichtigten Festsetzung von Kostenbeiträgen für den Zeitraum 14.09.2012 - 02.12.2013 in Höhe von 875,- EUR monatlich inkl. Kindergeld und für den Zeitraum vom 04.12.2013 „bis auf weiteres“ in Höhe von 725,- EUR monatlich an. Den Schreiben waren Berechnungsbögen zur Ermittlung der Kostenbeiträge beigefügt, auf die Bezug genommen wird. Mit anwaltlichen Schreiben vom 23.03.2015 und vom 01.06.2015 widersprach die Klägerin einer Heranziehung. Die beiden Inobhutnahmen seien rechtswidrig gewesen, weil deren gesetzliche Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Insbesondere habe die zweite Inobhutnahme auch viel zu lang gedauert. Die seit dem 28.05.2013 als Hilfe zur Erziehung gewährte Maßnahme sei rechtswidrig, weil ihr gar kein wirksamer Hilfeantrag zu Grunde liege. Sie und ihr Ehemann hätten den Hilfeantrag vom 06.03.2013 ausdrücklich „unter Vorbehalt“ gestellt. Er sei deshalb gemäß § 116 BGB nichtig.
Mit drei Bescheiden vom 16.09.2015 zog die Beklagte die Klägerin zunächst für die Zeiträume 14.09. – 23.10.2012 und 04.11. – 02.12.2012 zu einem Kostenbeitrag in Höhe von 875,- EUR monatlich inkl. Kindergeld (Bescheid 1), sodann für den Zeitraum 04.12.2012 – 31.12.2013 zu einem Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 725,- EUR (Bescheid 2) und schließlich für den Zeitraum ab dem 01.01.2014 zukunftsoffen - „vorläufig“ – zu einem Kostenbeitrag in Höhe von ebenfalls 725,- EUR monatlich (Bescheid 3) heran. Die Berechnung des mit dem Bescheid 3 festgesetzten monatlichen Beitrags beruht ausweislich der Bescheidbegründung auf den von der Beklagten ermittelten Einkommensverhältnissen der Klägerin im Jahr 2012. Der Bescheid enthält u.a. den Hinweis, dass für die endgültige Festsetzung für das Jahr 2014 die Einkommensverhältnisse des Jahres 2013 maßgebend seien und es deshalb nach deren Ermittlung ggf. zu einer rückwirkenden Neufestsetzung in anderer Höhe kommen werde.
Die Klägerin hat am 22.10.2015 gegen alle drei Bescheide Klage erhoben. Sie bestreitet weiterhin ihre Kostenbeitragspflicht dem Grunde nach und wiederholt und vertieft dazu ihre Argumentation aus dem Anhörungsverfahren wie folgt: Die beiden Inobhutnahmen seien schon deshalb rechtswidrig gewesen, weil die Beklagte gar keine dahingehenden Verwaltungsakte erlassen, bzw. etwaige mündliche Verfügungen jedenfalls entgegen § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB X nicht verschriftlicht habe. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Inobhutnahme hätten für den ersten Zeitraum nicht vorgelegen. Bei der zweiten Inobhutnahme habe die Beklagte es versäumt, das Familiengericht rechtzeitig einzuschalten. Bereits mit ihrer E-Mail vom 05.11.2012 aber auch mit ihrem Schreiben vom 11.12.2012 habe sie der Inobhutnahme widersprochen gehabt. Überdies sei die Durchführung der Inobhutnahme in Form einer Unterbringung ihrer Tochter in der Clearingstelle F. jugendhilfefachlich ungeeignet gewesen. Ihrer Tochter sei es dort physisch und psychisch nicht gut gegangen. Das sei der Beklagten auch bekannt gewesen, wie sich aus deren Schreiben an das Landesamt für Soziales, Jugend und Familie vom 04.01.2013 ergebe. Trotzdem habe die Beklagte für ihre Tochter keine andere Unterbringung zur Verfügung gestellt. Im Übrigen seien die Heranziehungsbescheide formell rechtswidrig, weil sie keine nachvollziehbaren Berechnungen zur Beitragshöhe enthielten. Der Verweis auf Berechnungsbögen aus dem Anhörungsverfahren reiche nicht aus. Die Festsetzungen seien schließlich auch der Höhe nach fehlerhaft, denn die Beklagte habe ihre Unterhaltspflichten gegenüber ihrem Ehemann und ihrem erwachsenen Sohn J. nicht berücksichtigt.
Die Klägerin beantragt,
die drei Heranziehungsbescheide der Beklagten vom 16.09.2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt der Argumentation der Klägerin entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten sowie des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Die Kammer hat das Verfahren zur Entscheidung mit Beschluss vom 04.12.2017 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig bzw. verletzen die Klägerin jedenfalls nicht in ihren Rechten.
I. Bescheid 1
1. Die Heranziehung der Klägerin mit dem Bescheid 1 zu einem Kostenbeitrag für die Zeiträume 14.09. – 23.10.2012 (1. Inobhutnahme) und 04.11. – 02.12.2012 (1. Teilzeitraum der 2. Inobhutnahme) stützt sich auf § 92 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII in Verbindung mit § 91 Abs. 1 Nr. 7 SGB VIII. Danach werden die Eltern junger Menschen für stationäre Jugendhilfemaßnahmen in Form einer Inobhutnahme mittels Leistungsbescheides zu einem Kostenbeitrag herangezogen. Rechtsgrundlagen für die Berechnung der danach zu erhebenden Kostenbeiträge sind die §§ 93, 94 SGB VIII in Verbindung mit der Kostenbeitragsverordnung jeweils in der für die angegebenen Erhebungszeiträume geltenden (alten) Fassung.
2. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Er leidet namentlich nicht deshalb an einem Begründungsmangel, weil in ihm die Berechnung der festgesetzten Beiträge nicht ordnungsgemäß dargestellt worden wäre. Einer differenzierten Darstellung der Berechnung in dem Bescheid bedurfte es schon gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 2 SGB X nicht, weil der Klägerin ein entsprechender Berechnungsbogen bereits mit dem Anhörungsschreiben vom 22.12.2014 übersandt worden war. Im Übrigen werden auch in dem Bescheid selbst unter ausdrücklicher Bezugnahme darauf die wesentlichen Berechnungsschritte und ihre rechtlichen Grundlagen nochmals erläutert.
3. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
a) Es kann offen bleiben, ob die der Beitragserhebung zu Grunde liegenden Inobhutnahmen jeweils ihrerseits rechtmäßig waren oder nicht.
aa) Die Frage, ob im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung von jugendhilferechtlichen Kostenbeitragsbescheiden inzident auch die Rechtmäßigkeit der jugendhilferechtlichen Maßnahmen zu überprüfen ist, die der Kostenbeitragserhebung zu Grunde gelegen haben bzw. liegen, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Nach Auffassung des Gerichts kann eine derartige inzidente Überprüfung allerdings allenfalls dann in Betracht kommen, wenn dem herangezogenen Kostenbeitragsschuldner die Inanspruchnahme von gerichtlichem Rechtsschutz unmittelbar gegen die zu Grunde liegende Jugendhilfemaßnahme selbst aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich war (ähnlich: OVG Lüneburg, Beschluss vom 17.09.2013 – 4 LA 50/12 –, juris Rn. 5). Demgegenüber besteht auch unter Berücksichtigung des von den Befürwortern einer Inzidentprüfung hervorgehobenen verfassungsrechtlichen Prinzips der Rechtmäßigkeit der Verwaltung (vgl. Krome in: jurisPK SGB VIII, § 92 Rn. 32, m. w. N.) jedenfalls kein Anlass, unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit der zu Grunde liegenden Hilfemaßnahme denjenigen Kostenbeitragsschuldner von seiner Kostenbeitragspflicht freizustellen, der die ihm offen stehende Möglichkeit, gegen den die Kostenbeitragspflicht auslösenden Verwaltungsakt gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, nicht wahrnimmt. Es entspricht nämlich den ebenfalls verfassungsrechtlich verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und der Funktionsfähigkeit des Staates, dass Verwaltungsakte grundsätzlich unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit vollziehbar sind, wenn sie bestandskräftig geworden sind, und dass ein von einem Verwaltungsakt Betroffener nach Eintritt der Bestandskraft gegen eine Vollziehung bzw. Vollstreckung des Verwaltungsaktes dessen Rechtswidrigkeit regelmäßig nicht mehr geltend machen kann, sondern insoweit auf den Primärrechtsschutz verwiesen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.09.2008 – 7 C 5/08 –, juris Rn. 12, m. w. N.). Dieser auf das Verwaltungsvollstreckungsrecht bezogene Grundsatz kann auf das Verhältnis der Anordnung einer Jugendhilfemaßnahme zur nachfolgenden Kostenbeitragserhebung übertragen werden, ohne dass damit die Möglichkeiten des Rechtsschutzes für den Kostenbeitragsschuldner in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise beschränkt würden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in den §§ 90 ff. SGB VIII, die die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag im Einzelnen regeln, im Gegensatz zu der Regelung in § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII die Rechtmäßigkeit der Jugendhilfemaßnahme gerade nicht explizit als Tatbestandsvoraussetzung für die Erhebung eines Kostenbeitrags normiert hat. Dieser Umstand lässt die Erforderlichkeit einer Inzidentprüfung bereits dem Grunde nach fraglich erscheinen, spricht aber jedenfalls für eine diesbezüglich allenfalls restriktiv denkbare Erweiterung der gesetzlich beschriebenen Tatbestandsmerkmale für eine jugendhilferechtliche Kostenbeitragserhebung auf Fälle, in denen der Kostenbeitragsschuldner Rechtsschutz gegen die Gewährung der Jugendhilfemaßnahme selbst nicht hätte erlangen können.
bb) Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor. Die Klägerin hatte weder hinsichtlich der 1. noch der 2. Inobhutnahme (verwaltungs-)gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch genommen, obwohl sie sowohl rechtlich als auch nur tatsächlich nicht daran gehindert gewesen wäre. Ihr hätte eine entsprechende Klage- bzw. für die Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes Antragsbefugnis gemäß bzw. entsprechend § 42 Abs. 1 VwGO zugestanden, da sie die ganze Zeit über für ihre Tochter personensorgeberechtigt und deshalb von den angeordneten Inobhutnahmen in ihren eigenen Rechten betroffen war. Sie hatte auch jeweils Kenntnis von den Inobhutnahmen, denn diese waren ihr gegenüber jeweils bekanntgegeben worden. Zu Unrecht macht die Klägerin insoweit geltend, es seien ihr gegenüber diesbezüglich gar keine Verwaltungsakte erlassen worden. Tatsache ist vielmehr, dass die Klägerin selbst ihre Tochter am 06.09.2012 in die Obhut des Jugendamtes verbracht hat, indem sie diese in der städtischen Jugendhilfeeinrichtung „E.“ mit der Bemerkung „abgeliefert“ hat, ihre Tochter könne nicht mehr zu Hause wohnen und sie habe keine Zeit, sich um ihre Tochter zu kümmern. Noch am 06.09.2012 erfolgte daraufhin ihr gegenüber mündlich vom Jugendamt der Beklagten die Bekanntgabe der Inobhutnahme. Weiterhin ist die Klägerin unter dem 10.09.2012 und unter dem 05.11.2012 vom Jugendamt über die jeweils erfolgte Inobhutnahme und die Möglichkeit, diesen zu widersprechen, schriftlich in Kenntnis gesetzt worden, was im Übrigen zugleich ihren weiteren Einwand widerlegt, mündliche Verfügungen der Inobhutnahmen seien entgegen § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB X nicht verschriftlicht worden.
cc) Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen bestehen aber auch keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der erfolgten Inobhutnahmen bzw. ist jedenfalls eine Rechtsverletzung auf Seiten der Klägerin insoweit nicht ersichtlich.
Soweit die Klägerin formelle Mängel der Inobhutnahmen (mangelnde Bekanntgabe bzw. Schriftform) rügt, lagen diese aus den oben angeführten Gründen nicht vor.
Die beiden Inobhutnahmen waren aber auch materiell-rechtlich rechtmäßig bzw. verletzten die Klägerin jedenfalls nicht in ihren Rechten.
Der diesbezüglich erhobene Einwand, die gesetzlichen Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII hätten bei der 1. Inobhutnahme nicht vorgelegen, weil ihre Tochter jederzeit ohne dringende Gefährdung ihres Wohls in den elterlichen Haushalt hätte zurückkehren können, steht in einem eklatanten Widerspruch zum damaligen Verhalten der Klägerin. Diese selbst hatte nämlich ihre Tochter am 06.09.2012 in die Obhut des Jugendamtes verbracht, indem sie diese in der städtischen Jugendhilfeeinrichtung „E.“ mit der Bemerkung „abgeliefert“ hatte, ihre Tochter könne nicht mehr zu Hause wohnen und sie habe keine Zeit, sich weiter um sie zu kümmern. Damit hatte sie klar zum Ausdruck gebracht, dass sie und ihr Ehemann sich nicht in der Lage sahen, ihre alltäglichen Erziehungsaufgaben und – pflichten dem Kindeswohl entsprechend wahrzunehmen. An dieser Haltung hatte sich auch bis zur Beendigung der 1. Inobhutnahme am 23.10.2012 insoweit nichts Maßgebendes geändert, als die Klägerin und ihr Ehemann bis dahin keine ernsthafte Bereitschaft erkennen ließen, den objektiv unzweifelhaft vorliegenden jugendhilfefachlichen Bedarf an einer Bearbeitung der zwischen ihnen und ihrer Tochter bestehenden Konfliktlage anzuerkennen und einen entsprechenden Hilfeantrag zu stellen. Dementsprechend hatte sich die Tochter der Klägerin bis zu dem gemeinsamen Gespräch am 23.10.2012, in dem die Eltern ihre Bereitschaft zur Inanspruchnahme einer ambulanten Hilfe nach § 30 SGB VIII erklärten, auch nachhaltig und ernsthaft geweigert, in den elterlichen Haushalt zurückzukehren.
Soweit die Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit der 2. Inobhutnahme ins Felde führt, die Beklagte habe es unterlassen, unverzüglich das Familiengericht anzurufen, ist das falsch. Weder mit der E-Mail vom 05.11.2012 noch mit dem Schreiben vom 11.12.2012 hatte die Klägerin der Inobhutnahme bzw. ihrer Fortsetzung im Sinne des § 42 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII widersprochen. Beiden Schreiben lässt sich weder ausdrücklich noch sinngemäß entnehmen, dass die Klägerin mit der Inobhutnahme ihrer Tochter bzw. deren Fortsetzung nicht (mehr) einverstanden war und deren Rückführung in den elterlichen Haushalt verlangte bzw. erwartete. Dass das nicht die Intention dieser Schreiben war, ergibt sich letztlich auch daraus, dass die Klägerin im Folgenden zunächst auch keinerlei Schritte unternahm, um die Fortsetzung der Inobhutnahme zu unterbinden, oder die Herausgabe ihrer Tochter von der Beklagten forderte. Dieses geschah vielmehr erst mit dem anwaltlichen Schreiben vom 03.01.2013, auf das die Beklagte unverzüglich mit der Anrufung des Familiengerichts reagierte.
Was die Fortführung der Inobhutnahme nach der am 06.03.2013 erfolgten Antragstellung für eine stationäre Hilfe zu Erziehung angeht, so ist der Klägerin allerdings einzuräumen, dass die konkrete Ausgestaltung dieser Inobhutnahme – die (weitere) Unterbringung der Tochter in der Clearingstelle F. – dem (Kindes-)Wohl der Tochter im weiteren zeitlichen Verlauf in zunehmendem Maße erkennbar nicht (mehr) ausreichend zuträglich war. Insofern sieht es das Gericht als sehr bedenklich an, dass die Beklagte keine alternativen Unterbringungsmöglichkeiten für derartige Fälle von Inobhutnahmen vorhält. Die Clearingstelle F. ist weder hinsichtlich ihrer konkreten Lage im Stadtgebiet noch hinsichtlich der institutionellen Ausgestaltung des dortigen Betreuungssettings jugendhilfefachlich eine gelungene bzw. sinnvolle Lösung für Fälle dieser Art.
Gleichwohl kann das Gericht im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände jedenfalls nicht erkennen, dass die Fortführung der Inobhutnahme nach dem 06.03.2013 in ihrer zunehmend jugendhilfefachlich ungeeigneten Ausgestaltung Rechte der Klägerin verletzt hatte. Die Beklagte war nach der Antragstellung bemüht, für die Tochter der Klägerin zeitnah einen Platz in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung zu finden. Auch wenn insoweit der Verwaltungsvorgang mangels hinreichender Dokumentation nicht besonders aussagekräftig ist, muss der Beklagten zugestanden werden, dass sie dafür einige Zeit brauchte, was nicht zuletzt auch daran lag, dass ein zunächst (Ende 2012) freier Platz in der von ihr und der Tochter der Klägerin favorisierten Einrichtung (WG H.) wegen der verzögerten Antragstellung der Eltern nicht mehr in Anspruch genommen werden konnte. Im Übrigen kam als Alternative zur Fortsetzung der Inobhutnahme sowieso allenfalls eine – frühere – Gewährung einer stationären Jugendhilfemaßnahme in Betracht. Eine Rückkehr der Tochter in den elterlichen Haushalt war demgegenüber keine Option, worüber zwischen den Beteiligten ausweislich des Protokolls des familiengerichtlichen Termins vom 06.03.2013 auch Einigkeit bestand.
b) Die Beklagte hat als Beginn der Heranziehung zu Recht gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII den 14.09.2012 bestimmt. Nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII kann ein Kostenbeitrag erst ab dem Zeitpunkt erhoben werden, zu dem der Beitragspflichtige über die Gewährung der Leistung und über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Die Norm erfasst, wie inzwischen höchstrichterlich geklärt ist, auch Inobhutnahmen. Es ist entsprechend § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X davon auszugehen, dass der Klägerin eine derartige Belehrung bezogen auf die 1. Inobhutnahme spätestens am 14.09.2012 zugegangen ist. Denn das entsprechende, inhaltlich den Vorgaben des § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII genügende Anschreiben erging ausweislich des Verwaltungsvorgangs unter dem 11.09.2012. Die Klägerin macht auch nicht geltend, das Schreiben erst nach dem 14.09.2012 erhalten zu haben.
Einer erneuten ausdrücklichen Belehrung der Klägerin gemäß § 92 Abs. 3 SGB VIII bezüglich der 2. Inobhutnahme bedurfte es zur Auslösung der Kostenbeitragspflicht deshalb nicht, weil der Klägerin die unterhaltsrechtlichen Folgen einer Inobhutnahme und ihre damit verbundene Kostenbeitragspflicht bereits mit dem Schreiben vom 12.09.2012 und damit erst kurz vorher ausführlich erläutert und dadurch dem mit der Belehrung nach § 92 Abs. 3 SGB VIII verfolgten Zweck genüge getan worden war. Es bestehen für den Einzelrichter keinerlei Zweifel, dass diese mit einer Inobhutnahme verbundenen Rechtsfolgen der Klägerin am Beginn der 2. Inobhutnahme am 04.11.2012 noch präsent waren. Abgesehen davon übersandte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 05.11.2012 erneut eine förmliche Belehrung nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII.
c) Die Berechnung des Kostenbeitrags als solche begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie ergibt sich aus den §§ 93, 94 SGB VIII in Verbindung mit der nach § 94 Abs. 5 SGB VIII erlassenen Kostenbeitragsverordnung, jeweils in ihrer in den hier betroffenen Leistungszeiträumen geltenden (alten) Fassung. Insoweit kann gemäß bzw. entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO zunächst auf die Begründung des angefochtenen Bescheides und auf den der Anhörung vom 22.12.2014 beigefügten Berechnungsbogen verwiesen werden.
Zu Unrecht moniert die Klägerin in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte rechtsfehlerhaft ihre Unterhaltspflichten gegenüber ihrem Ehemann und ihrem erwachsenen Sohn J. nicht berücksichtigt habe. Eine Berücksichtigung dieser Unterhaltspflichten kommt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Kostenbeitragsverordnung (a.F.) nicht in Betracht, weil sowohl der nicht berufstätige Ehemann als auch der volljährige Sohn J. gegenüber der seinerzeit minderjährigen Tochter der Klägerin gemäß § 1609 BGB nur nachrangig unterhaltsberechtigt waren. Abgesehen davon hatte die Klägerin ihrem volljährigen Sohn J. in den streitbefangenen Zeiträumen überhaupt keinen Unterhalt gewährt. Denn dieser war seinerseits nach dem SGB XII vollstationär und damit unter Deckung seines Unterhaltsbedarfs seitens des Sozialhilfeträgers untergebracht, wozu die Klägerin nur in einem marginalen Umfang zu einem Kostenbeitrag herangezogen war.
II. Bescheid 2
1. Die Heranziehung der Klägerin mit dem Bescheid 2 zu einem Kostenbeitrag für den Zeitraum 04.12.2012 – 31.12.2013 (2. Teilzeitraum der 2. Inobhutnahme und 1. Teilzeitraum der Hilfe zur Erziehung) stützt sich, soweit er den 2. Teilzeitraum der 2. Inobhutnahme erfasst, auf § 92 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII in Verbindung mit § 91 Abs. 1 Nr. 7 SGB VIII und, soweit er den 1. Teilzeitraum der ab dem 28.05.2013 gewährten Hilfe zur Erziehung erfasst, auf § 92 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII in Verbindung mit § 91 Abs. 1 Nr. 5 b) SGB VIII. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen unter I.1. Bezug genommen werden mit dem Zusatz, dass die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag für eine stationäre Hilfe zur Erziehung in § 91 Abs. 1 Nr. 5 b) SGB VIII gesetzlich verankert ist. Rechtsgrundlagen für die Berechnung der danach zu erhebenden Kostenbeiträge sind die §§ 93, 94 SGB VIII in Verbindung mit der Kostenbeitragsverordnung jeweils in den im Erhebungszeitraum geltenden Fassungen.
2. Der Kostenbeitragsbescheid ist formell rechtmäßig. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen unter I.2. Bezug genommen werden.
3. Es kann aus den oben unter I. 3 a) benannten Gründen auch für die Heranziehung für den mit dem Bescheid 2 erfassten Zeitraum offen bleiben, ob die zu Grunde liegenden Jugendhilfemaßnahmen rechtmäßig waren oder nicht.
Ergänzend ist insoweit zunächst darauf hinzuweisen, dass der Klägerin im Hinblick auf ihr gegen die Rechtmäßigkeit der ab dem 28.05.2013 gewährten stationären Leistung nach §§ 27, 34 SGB VIII angeführtes Argument, dieser Gewährung habe ein rechtswirksamer Hilfeantrag gar nicht zu Grunde gelegen, der Primärrechtsweg zum Verwaltungsgericht in Form einer Anfechtungsklage gegen den rückwirkenden Bewilligungsbescheid vom 10.09.2013 offen gestanden hätte. Zwar handelt es sich bei der Bewilligung einer Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII im Grundsatz um eine rechtliche Begünstigung. Jedoch kann eine solche Begünstigung nicht gegen den Willen des Leistungsberechtigten gewährt werden und könnte ein Leistungsberechtigter gegen eine solche, ihm gegen seinen Willen „aufgedrängte“ Begünstigung mit der Anfechtungsklage vorgehen. Gerade um der verfassungsrechtlich gebotenen Effektivität des gerichtlichen Rechtsschutzes willen könnte der Leistungsberechtigte im Hinblick auf eine mit der Begünstigung rechtlich verknüpfte (potenzielle) finanzielle Belastung – hier in Form der Kostenbeitragspflicht – nicht darauf verwiesen werden, einen an ihn ergangenen Bewilligungsbescheid über eine von ihm nicht begehrte Leistung hinzunehmen, um dann allein gegen eine daran anknüpfende Kostenbeitragserhebung zu klagen.
Im Übrigen bestehen aber gegen die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides vom 10.09.2013 über die ab dem 28.05.2013 gewährte stationäre Hilfe zur Erziehung auch keine rechtlichen Bedenken. Namentlich der Einwand der Klägerin, der Hilfegewährung in dem vom Bescheid 2 insoweit erfassten Hilfezeitraum habe kein rechtswirksamer Hilfeantrag zu Grunde gelegen, ist abwegig.
Der von der Klägerin und/oder ihrem Ehemann am Ende des förmlichen Jugendhilfeantrags vom 06.03.2013 handschriftlich formulierte Zusatz „unter Vorbehalt“ führt nicht zur Nichtigkeit des Antrags bzw. des Hilfebegehrens. Unter Berücksichtigung der „Entstehungsgeschichte“ der schriftlichen Erklärung war dieser Vorbehalt aus der maßgeblichen objektivierten Sicht des Jugendamtes als Erklärungsempfängers nicht gegen die Hilfegewährung als solche gerichtet. Die Klägerin (und ihr Ehemann) hatte(n) danach nichts gegen die Gewährung von Jugendhilfe als solches, sie wollte(n) nur nicht dafür zahlen müssen. Denn die Klägerin und ihr Ehemann hatten zuvor hinreichend deutlich erkennen lassen, dass sie sich nicht in der Lage sahen, ihre alltäglichen Erziehungsaufgaben und –pflichten gegenüber ihrer Tochter verantwortungsbewusst und unvoreingenommen am Kindeswohl orientiert umfassend im elterlichen Haushalt wahrzunehmen. Vielmehr bestand ausweislich des Protokolls des familiengerichtlichen Termins vom 06.03.2013 bei den daran Beteiligten Konsens darüber, dass eine Rückkehr der Tochter in den elterlichen Haushalt auf absehbare Zeit nicht in Betracht kam und deshalb eine stationäre Jugendhilfemaßnahme zwingend erforderlich war. Dem hatte insbesondere die Klägerin ausweislich des familiengerichtlichen Protokolls ausdrücklich zugestimmt. Der Kindesvater, der allerdings in dem gesamten Hilfeprozess nach Aktenlage ein im Wesentlichen nicht konstruktives Verhalten gezeigt hatte, hatte in dem Termin zwar eine Unterbringung seiner Tochter in der Wohngruppe abgelehnt, jedoch ebenfalls deren Rückkehr in den elterlichen Haushalt nicht (weiter) gefordert. Der „Vorbehalt“ bezog sich deshalb, wenn er überhaupt als ernstlich gemeint anzusehen gewesen sein sollte, aus objektivierter Empfängersicht allein auf die aus der Bewilligung der beantragten Jugendhilfeleistung erwachsende individualisierte Kostenbeitragspflicht. Das lässt sich insbesondere daraus erkennen, dass die Klägerin und/oder ihr Ehemann in dem Formular zusätzlich den Passus über die Verpflichtung und Bereitschaft, Auskünfte zu den wirtschaftlichen Verhältnissen zu erteilen, gestrichen hatte(n). Dafür spricht zudem, dass die Klägerin erst nach Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes dazu gebracht werden konnte, der Beklagten Auskünfte über ihr Einkommen zu erteilen.
Selbst wenn aber der „Vorbehalt“ in der schriftlichen Erklärung vom 06.03.2013 zu dem Zeitpunkt tatsächlich - ernsthaft - gegen die Bewilligung von Jugendhilfe als solche gerichtet gewesen sein sollte, so haben die Klägerin und ihr Ehemann diesen „Vorbehalt“ nachträglich erkennbar wieder aufgegeben. Nur so ist es zu erklären, dass sie gegen die Durchführung der Hilfe ab dem 28.05.2013 gegenüber der Beklagten keine Einwände erhoben und gegen den Bewilligungsbescheid vom 10.09.2013 nicht den Rechtsweg beschritten haben, sondern diesen haben bestandskräftig werden lassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gewährung von Jugendhilfe nicht nur einen einmalig rechtswirksam gestellten Antrag voraussetzt, sondern dass während der gesamten Dauer der Hilfeleistung ein rechtswirksam an den Jugendhilfeträger herangetragenes Leistungs(inanspruchnahme)begehren vorliegen muss.
4. Die für die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag in Bezug auf die der 2. Inobhutnahme unmittelbar nachfolgende stationäre Hilfe zur Erziehung erneut erforderliche Belehrung nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ist gegenüber der Klägerin inhaltlich hinreichend in dem Antragsformular und dem zusätzlichen Belehrungsformular erteilt worden, die die Klägerin am 06.03.2013 unterschrieben hatte. Deshalb kann die Beklagte die Klägerin bereits ab dem ersten Tag der Hilfegewährung nach den §§ 27, 34 SGB VIII dafür zu einem Kostenbeitrag heranziehen.
Bezüglich des von Bescheid 2 noch erfassten 2. Teilzeitraums der 2. Inobhutnahme war die entsprechende Belehrung bereits mit dem Schreiben vom 12.09.2012 erfolgt.
5. Die Höhe der für den von Bescheid 2 erfassten Leistungszeitraum festgesetzten Kostenbeiträge begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen unter I.3.c) verwiesen werden.
III. Bescheid 3
1. Die Heranziehung der Klägerin mit dem Bescheid 3 zu Kostenbeiträgen ab dem 01.01.2014 stützt sich auf § 92 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII in Verbindung mit § 91 Abs. 1 Nr. 5 b) SGB VIII. Rechtsgrundlagen für die Berechnung der danach zu erhebenden Kostenbeiträge sind die §§ 93, 94 SGB VIII in Verbindung mit der Kostenbeitragsverordnung jeweils in ihrer aktuellen, ab dem 04.12.2013 (Gesetz) bzw. 05.12.2013 (Verordnung) geltenden Fassung.
2. Der Bescheid leidet nicht an formellen Mängeln. Namentlich liegt der von der Klägerin gerügte Begründungsmangel nicht vor. Insoweit kann auf die Ausführungen unter I.2. verwiesen werden.
3. Es kann offen bleiben, ob der Kostenfestsetzungsbescheid 3 materiell insgesamt rechtmäßig ist.
a) Aus den obigen Erwägungen unter II.3. – 4., soweit sie sich auf die Festsetzung eines Kostenbeitrags für die ab dem 28.05.2013 gewährte Hilfe zur Erziehung beziehen, ergibt sich, dass die Klägerin dem Grunde nach (auch) für den Zeitraum ab dem 01.01.2014 zu einem Kostenbeitrag herangezogen werden kann.
b) Rechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der mit Bescheid 3 erfolgten Festsetzung bestehen deshalb allenfalls insoweit, als die Beklagte mit diesem Bescheid ausdrücklich eine nur „vorläufige“ Festsetzung von Kostenbeiträgen ab dem 01.01.2014 vorgenommen und für die Berechnung der Beitragshöhe - ausdrücklich entgegen § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII – das Einkommen der Klägerin aus dem Jahr 2012 und nicht dasjenige aus dem Jahr 2013 oder ggf. auf Antrag der Klägerin nach § 93 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII das Einkommen im Leistungszeitraum zu Grunde gelegt hat. Zwar wird in der Rechtsprechung eine nur „vorläufige“ Kostenbeitragsfestsetzung bei fehlender Kenntnis von den nach der gesetzlichen Regelung maßgeblichen Einkommensverhältnissen für grundsätzlich zulässig erachtet (VG Augsburg, Urteil vom 21.07.2015 – Au 3 K 14.1550 –, juris Rn. 68). Angesichts der rechtlichen Möglichkeiten der Jugendhilfeträger, die erforderlichen Auskünfte vom Kostenbeitragsschuldner gemäß § 97a SGB VIII einzufordern und die Auskunftspflicht ggf. vor Erlass eines Kostenbeitragsbescheides mit Zwangsmitteln durchzusetzen, ist diese Auffassung aber nicht zwingend.
c) Selbst wenn man deshalb unter den gegebenen Umständen eine nur „vorläufige“ Kostenbeitragsfestsetzung der Höhe nach für rechtswidrig hielte, stünde einem Erfolg der Klage gegen den Bescheid 3 entgegen, dass es zumindest an einer Rechtsverletzung auf Seiten der Klägerin fehlte. Eine solche läge allenfalls dann vor, wenn sie bei Zugrundelegung ihres Einkommens aus dem Jahr 2013 für den Leistungszeitraum 01.01. – 31.12.2014 und nachfolgend des Einkommens aus dem der weiteren Leistungsgewährung über den 31.12.2014 hinaus jeweils vorangegangenen Kalenderjahr zu einem geringeren monatlichen Kostenbeitrag heranzuziehen wäre, als mit dem angegriffenen Bescheid 3 festgesetzt. Das hat die Klägerin aber nicht geltend gemacht.
Abgesehen davon wäre in einem solchen Fall aber auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage fraglich, denn die Klägerin könnte insoweit eine Neuberechnung und ggf. geringere Festsetzung auch ohne Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes dadurch erreichen, dass sie der Beklagten gegenüber ihre Auskunftspflichten aus § 97a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfüllt.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO.