Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 07.12.2017, Az.: 10 A 358/16

Ausforschungsbeweis; Beweisantrag; Fristnachlass; Namensänderung; seelische Belastung; wichtiger Grund

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
07.12.2017
Aktenzeichen
10 A 358/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53702
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die vorläufige Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine Änderung ihres Geburtsnamens im Wege einer Namensänderung nach öffentlichem Recht.

Sie wurde 1965 als Tochter von Christa C., geb. D., und des österreichischen Staatsangehörigen Helmuth Hans C. geboren und erhielt den Namen „C.“. Die Ehe der Eltern der Klägerin wurde im XXX 1970 geschieden. Durch Erklärung vom 00. XXX 1970 nahm die Mutter der Klägerin den Namen ihres früheren Ehemanns „G.“ an, der 1960, vor der Geburt der Klägerin verstorben war.

Durch Erklärung vom H. 1977 erwarb die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit.

Auf Antrag der Mutter der Klägerin und unter Zustimmung der Klägerin wurde deren Familienname mit Wirkung vom 00. XXX 1982 von „C.“ in den Familiennamen ihrer Mutter „G.“ geändert. Die Änderung wurde unter dem 00. XXX 1982 auf der Geburtsurkunde vermerkt.

Am 00. XXX 1995 heiratete die Klägerin Herrn Peter L., dessen Namen die Eheleute zum Ehenamen bestimmten. Die Ehe wurde am 00. August 2009 geschieden. Die Klägerin behielt den Ehenamen als Nachnamen. Am 00. September 2009 heiratete die Klägerin ihren jetzigen Ehemann und bestimmte dessen Namen als Ehenamen. Dem Ehenamen wurde als Geburtsname der bisherige Geburtsname „G.“ beigefügt.

Unter dem 1. Juli 2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Rücknahme ihrer Namensänderung aus dem Jahre 1982 sowie die Änderung ihres aktuellen Geburtsnamens von „G.“ in ihren „wirklichen“ Geburtsnamen „C.“.

Die Beklagte teilte der Klägerin am 2. Oktober 2014 mit, dass sie die Änderung des Familiennamens von „C.“ in „G.“ als wirksam und rechtmäßig erachte. Eine Änderung komme, zumal bei Erwachsenen, nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in Betracht. Hierzu könne (und müsse) die Klägerin ein qualifiziertes ärztliches Attest vorlegen, wenn sie das Führen ihres Geburtsnamens als eine seelische Belastung betrachte.

Die Klägerin äußerte sich darauf sinngemäß, dass sie die Namensänderung begehre, um nach den Grundsätzen der systemischen Familientherapie die „Unordnung“ zwischen ihrer Namensführung und ihrer Abstammung zu beseitigen. Dies diene gerade dazu, etwaige psychopathologische Folgen zu vermeiden. Ein qualifiziertes ärztliches Attest über solche Erkrankungen könne und müsse sie daher nicht vorlegen. Bereits aus den Erfordernissen der systemischen Familientherapie ergebe sich ein überwiegendes Interesse der Klägerin, das dem öffentlichen Interesse an der Beibehaltung des Geburtsnamens vorgehe. Der Geburtsname werde im täglichen Leben und im Rechtsverkehr nur selten gebraucht und diene ebenso selten als Unterscheidungsmerkmal. Das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Geburtsnamens sei deshalb gering.

Die Beklagte hörte daraufhin die Klägerin unter dem 24. Februar zu der beabsichtigten Ablehnung ihres Antrags an und stellte die Rücknahme des Antrags anheim. Sie führte unter anderem aus, dass die Änderung des Familiennamens 1982 der Einbenennung der Klägerin gedient habe und insofern keine „Unordnung“ geschaffen habe. Die Beklagte habe auch keine gegenteiligen Auskünfte gegeben, sondern lediglich die Prüfung in Aussicht gestellt, ob mit der Änderung des Nachnamens auch der Geburtsname geändert worden sei. Das binde ihre Entscheidung indes nicht. Soweit die Klägerin sich auf subjektive Empfindungen beziehe, begründeten diese nur ein schutzwürdiges Interesse, wenn sie Krankheitswert erreichten. Das habe die Klägerin nicht geltend gemacht. Das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Namens sei daher vorrangig.

Die Klägerin entgegnete darauf, dass die Beklagte selbst keine stimmige Prüfung vorgenommen habe, dass sich die Änderung des Nachnamens 1982 auch auf den Geburtsnamen beziehe. Das ergebe sich weder aus dem Namensänderungsgesetz noch aus dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften. Sie habe nie die Änderung ihres Geburtsnamens beantragt, sondern lediglich eine Änderung ihres Nachnamens. Aus ihrer Sicht sei der Geburtsname nie untergegangen.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin daraufhin ab und führte zur Begründung unter wiederholender Vertiefung ihrer Ausführungen in der Anhörung aus, dass es an einem wichtigen Grund für die Namensänderung i. S. d. § 3 Abs. 1 NamÄndG fehle. Erforderlich sei eine seelische Belastung, die durch das Führen des Geburtsnamens bewirkt werde. Da der Geburtsname im täglichen Leben seltener gebraucht werde als der Nachname, sei es schwieriger, eine Belastung durch die Verwendung des Geburtsnamens nachvollziehbar darzulegen. Für die Änderung des Geburtsnamens hätten höhere Voraussetzungen zu gelten. Das Erfordernis, den Geburtsnamen gelegentlich angeben zu müssen, rechtfertige keine Namensänderung, da davon keine Unzuträglichkeiten ausgingen. Die Interessen der Klägerin seien nicht höher zu bewerten als die gesetzlichen Grundsätze der Namensführung.

Die Klägerin hat 18. Januar 2016 Klage erhoben. Sie hält die Ablehnung ihres Namensänderungsantrags für ermessensfehlerhaft. Die Beklagte habe verkannt, dass die soziale Ordnungsfunktion des Geburtsnamens gerade nachrangig sei, weil der Geburtsname selten in der Öffentlichkeit gebraucht werde. Daraus ergäben sich nicht höhere, sondern geringere Anforderungen an die Namensänderung.

Ergänzend hat die Klägerin eine „psychotherapeutische und nach den Grundsätzen der systematischen Familientherapie erstellte Befundung“ vorgelegt, aus der sich ihr Interesse an der Änderung ihres Geburtsnamens ergebe. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erklärt, dass sie die 1982 erfolgte Namensänderung aus damaliger Sicht als stimmig empfunden habe. Sie bereite nun seit zehn Jahren ihre Familiengeschichte mit therapeutischer Hilfe auf und habe erkannt, dass die (damalige) Namensänderung sie von ihren Wurzeln trenne. Die Änderung ihres Geburtsnamens sei der erforderliche „Schlussstein“ ihrer Aufarbeitung. Sie werde möglicherweise auch ohne Namensänderung Frieden mit ihrer Familiengeschichte schließen, benötige dann aber möglicherweise noch weitere zehn Jahre Therapie. Wenn eine nach Grundsätzen der Schulmedizin indizierte, medikamentöse Therapie hinreichender Grund für eine Namensänderung sei, könne nichts Anderes für die von ihr gewählte systemische Familientherapie gelten. Die namentliche Trennung von ihrem leiblichen Vater stelle für sie eine Belastung dar, die sie genauso gut mit einer schulmedizinischen Psychotherapie hätte behandeln können. Daraus, dass sie sich für eine alternative Heilmethode entschieden habe, dürfe ihr kein Nachteil erwachsen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Dezember 2015 zu verpflichten, ihren Geburtsnamen von A., geborene G. in A., geborene C. zu ändern.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem die Kammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 13. Oktober gem. § 6 VwGO zur Entscheidung übertragen hat.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Änderung ihres Geburtsnamens (1.) und auch keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme der Namensänderung aus dem Jahr 1982 (2.). Entsprechend erweist sich der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).

1. Rechtsgrundlage der begehrten Änderung des Familiennamens ist § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndG). Danach darf der Familienname, dessen Bestandteil der Geburtsname ist, nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt.

Bei dem Begriff "wichtiger Grund" handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der das Gericht folgt, um einen an objektiven Merkmalen ausgerichteten unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in vollem Umfang zu überprüfen ist (BVerwG, Urteil vom 14.12.1962 - BVerwG VII C 140.61 -, Juris). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist insoweit kein Ermessensspielraum der Behörde eröffnet.

Ein wichtiger Grund für eine Änderung des Familiennamens ist gegeben, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers an der Ablegung seines bisherigen Namens und der Führung des neuen Namens Vorrang hat vor dem schutzwürdigen Interesse der durch eine Namensänderung betroffenen Träger des bisherigen und des neuen Namens und vor den in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck gekommenen Grundsätzen der Namensführung, zu denen auch die Ordnungsfunktion des Namens sowie sicherheitspolizeiliche Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens gehören (BVerwG, Beschluss vom 11.1.2011 - BVerwG 6 B 65.10 -, juris; Beschluss vom 17.5.2001 - BVerwG 6 B 23.01 -, juris). Die öffentlich-rechtliche Namensänderung hat dabei Ausnahmecharakter. Sie dient dazu, Unzuträglichkeiten im Einzelfall zu beseitigen, nicht aber dazu, die gesetzlichen Wertungen des bürgerlich-rechtlichen Namensrechts zu revidieren. Bei der Prüfung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, kann die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Namensänderungsgesetz – NamÄndVwV – vom 11.8.1980 (Beilage zum BAnz Nr. 153 v. 20.8.1980, i. d. F. v. 18.4.1986, Beilage zum BAnz Nr. 78 vom 25.4.1986) als Ausdruck der allgemeinen Verkehrsauffassung herangezogen werden.

Nach diesem Maßstab überwiegt das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Familiennamens der Klägerin. Dieses Interesse gründet in der Ordnungsunktion des Familiennamens und hat grundsätzlich schon deshalb Bedeutung, weil sich die Klägerin als Erwachsene seit langen Jahren unter ihrem Geburtsnamen im Rechts- und Geschäftsverkehr bewegt.

Der Einwand der Klägerin, dass der Geburtsname im täglichen Leben wie im Geschäftsverkehr selten bis gar nicht gebraucht werde, steht dem nicht entgegen. Denn jedenfalls bei der Verwendung als Unterscheidungsmerkmal in öffentlichen Registern und als Kennzeichen für die Personenidentität der Klägerin über die Annahme des Ehenamens hinaus kommt auch dem Geburtsnamen die genannte Ordnungsfunktion zu.

Soweit die Klägerin die seltene Verwendung des Geburtsnamens im privaten Umfeld und Geschäftsverkehr gerade als Hinweis auf geringere Anforderungen an dessen Änderung versteht, greift auch dieser Einwand nicht durch. Insoweit teilt das Gericht die Einschätzung der Beklagten, dass der Geburtsname Dritten häufig gar nicht bekannt ist und durch die geringe Verwendungshäufigkeit im Alltag bei objektiver Betrachtung eher geringere Bedeutung für das tägliche Leben der Klägerin hat. Dahin deutet auch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Namensänderungsgesetz, nach deren Nr. 59 ein wichtiger Grund zur Änderung des Geburtsnamens „nur selten vorliegen [wird]“.

Neben die Ordnungsfunktion tritt sodann das öffentliche Interesse an der Beibehaltung grundsätzlicher Wertentscheidungen des bürgerlich-rechtlichen Namensrechts. Als eine solche Wertentscheidung erachtet das Gericht die rechtlichen Vorschriften zur Bildung des Geburtsnamens. Nach § 1355 Abs. 6 BGB ist der Geburtsname derjenige Name, der in die Geburtsurkunde der verlobten Ehegatten zur Zeit der Erklärung gegenüber dem Standesamt einzutragen ist. Maßgeblich ist also der Zeitpunkt, zu dem der Geburtsname zum Ehenamen bestimmt, dem Ehenamen beigefügt oder nach Auflösung der Ehe wieder angenommen werden soll. Das war hier der Name „G.“, den die Klägerin seit der Namensänderung im Jahr 1982 führt. Die Auffassung der Klägerin, sie habe den Geburtsnamen „C.“ infolge der Namensänderung nicht verloren, ist angesichts dessen unzutreffend. Auch die begehrte Änderung ihres Geburtsnamens in den bis 1982 geführten Namen kann die Klägerin angesichts dessen nicht allein mit dem Einwand begehren, der gegenwärtig geführte Geburtsname sei „unrichtig“ oder entspreche nicht dem „wahren“ Geburtsnamen. Soweit die Klägerin den Begriff des Geburtsnamens – ihrem Verständnis der systemischen Familientherapie entsprechend – abweichend dahingehend auslegt, dass es sich dabei um den bei der Geburt verliehenen Namen oder den Namen der leiblichen Eltern handeln müsse, findet dies im Gesetz keine Stütze. Die Klägerin setzt vielmehr an die Stelle der Wertung des bürgerlich-rechtlichen Namensrechts ihre eigene Wertung, was (für sich genommen) nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerade keine Namensänderung rechtfertigt.

Dass das Verständnis der Klägerin vom Begriff des Geburtsnamens nicht verallgemeinerbar ist, zeigt dabei schon der Blick auf Fallkonstellationen, in denen Namensträger den bei der Geburt verliehenen Namen ändern und an dieser Änderung bis zur Eheschließung und danach festhalten wollen, weil sie – anders als die Klägerin – den (nach der Diktion der Klägerin) „wahren“ Geburtsname weiterhin ablehnen. Das kann – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – etwa der Fall sein, wenn die Namensänderung auf Misshandlungen im Elternhaus oder stark vorurteilsbehafteten Namen beruht.

Ein Anspruch auf die Änderung des Geburtsnamens setzt daher auch im Fall der Klägerin einen wichtigen Grund voraus, der gerade in der Person der Klägerin vorliegt. Insofern geht das Gericht mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass eine seelische Belastung als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden kann – dies allerdings nur dann, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist. Ist die seelische Belastung hingegen nur als übertriebene Empfindlichkeit zu werten, liegt kein wichtiger Grund für eine Namensänderung vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 2.10.1970 – BVerwG VII C 2.68Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 30).

Nach diesem Maßstab liegt auch in der von der Klägerin geschilderten seelischen Belastung kein wichtiger Grund im Sinne des § 3 NamÄndG, weil ihre seelische Belastung nach allgemeiner Verkehrsauffassung allenfalls verständlich, aber nicht begründet ist. Das Verständnis der Klägerin von den Erfordernissen der systemischen Familientherapie ist von der allgemeinen Verkehrsauffassung weit entfernt und stellt, wie vorstehend beschrieben, aus sich heraus auch keinen wichtigen Grund zur Namensänderung dar. Wenn die Klägerin dementgegen dem Geburtsnamen über dessen gesetzlich vorgesehene Ordnungsfunktion hinaus eine die psychosoziale Gesundheit unmittelbar betreffende Verbindung zu ihrer Ahnenreihe und dem Zeugungsakt ihrer Eltern beimisst, ist dies nach Auffassung des Gerichts eine subjektive Empfindung, die eine Namensänderung nicht zu tragen vermag.

Die Klägerin hat auch nicht substantiiert dargelegt, dass sie infolge ihrer Empfindungen derart belastet ist, dass diese Belastung ihrerseits – im Sinne einer sekundären Neurotisierung – Krankheitswert erreicht. Der Umstand, dass sie seit zehn Jahren therapeutische Hilfe in Anspruch nimmt, sagt über deren objektive Erforderlichkeit ebenso wenig aus wie über die Frage, ob die Namensänderung objektiv geeignet wäre, eine seelische Belastung erheblich zu lindern. Auch die von der Klägerin vorlegte „Beurteilung der Lebenssituation der Klägerin“ erschöpft sich in abstrakten Ausführungen zu (dem dort vertretenen Verständnis) der systemischen Familientherapie, die schon wissenschaftlich fragwürdig sind. Zur tatsächlichen Lebenssituation der Klägerin verhält sich die Beurteilung entgegen ihrer Überschrift nicht. Die Feststellung, die Klägerin sei „von ihrem wesentlichen Teil ihrer Wurzeln/ihres Stammbaums abgeschnitten und somit unverhältnismäßig belastet“, ist apodiktisch und nicht durch anamnetische Feststellungen belegt; zur Erforderlichkeit und Geeignetheit der Namensänderung, um die behauptete seelische Belastung zu lindern, trifft das Schreiben keine Aussage. Die bloße Vermutung der Kausalität vermag eine Aussage zur therapeutischen Indikation nicht zu ersetzen.

Es ist im Übrigen mangels Unterschrift schon nicht erkennbar, dass der Ehegatte der Klägerin, unter dessen Briefkopf die „Beurteilung“ gefertigt worden ist, überhaupt der Urheber dieser Ausführungen ist. Ebenso wenig wird ersichtlich, dass der Ehegatte der behandelnde Therapeut ist und schon tatsächlich aus therapeutischer Sicht Aussagen über die Klägerin treffen kann – was die objektive Verwertbarkeit seiner Angaben im Übrigen kaum steigern dürfte.

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung Beweis darüber angeboten hat, dass sie gerade aufgrund ihres Geburtsnamens seelische Belastungen erleide, die nach objektiven Maßstäben Krankheitswert erreichen, sieht das Gericht darin mangels dahingehender hinreichender Anhaltspunkte einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Der Beweisantrag war entsprechend abzulehnen. Die Klägerin hatte auch keinen Anspruch auf einen Fristnachlass, um im Hinblick auf das Gewicht ihrer seelischen Belastung weitere Anhaltspunkte vorzutragen, weil die Frage der seelischen Belastung und ihres objektiven Gewichts seit Beginn des Verwaltungsverfahrens im Streit stand und die Klägerin in jedem Stand des Verfahrens entsprechende Belege hätte beibringen können.

2. Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin die begehrte Änderung ihres Geburtsnamens auch im Wege einer Verpflichtung der Beklagten beanspruchen, die 1982 erfolgte Änderung ihres Nachnamens aufzuheben. Diese Änderung ist auf Antrag der Mutter der Klägerin und mit deren Zustimmung wirksam erfolgt und, auch wenn die Klägerin ihn mittlerweile als Belastung empfindet, ein (rechtmäßiger) begünstigender Verwaltungsakt, dessen Widerruf nach Eintritt der Bestandskraft (nur) unter den Bedingungen des § 48 Abs. 2 VwVfG zulässig ist, die erkennbar nicht vorliegen. Auch eine Pflicht zum Wiederaufgreifen des Verfahrens auf Antrag nach § 51 VwVfG kommt nicht in Betracht, weil keine (rechtlich erhebliche) Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist.

Bleibt nach alledem allenfalls eine Aufhebung der Namensänderung (auf Antrag der Klägerin) im freien Ermessen der Beklagten, bestünde ein Anspruch auf eine dahingehende Verpflichtung der Beklagten nur dann, wenn das Ermessen der Beklagten dahingehend reduziert wäre, dass allein der Widerruf der Namensänderung als richtige Lösung in Betracht käme. Das ist nicht der Fall; vielmehr hat die Beklagte bei der Entscheidung neben den Interessen der Klägerin das öffentliche Interesse an der Beibehaltung ihres Namens zu berücksichtigen. Insoweit würden für die Ermessensausübung keine anderen Maßstäbe gelten als für die Namensänderung nach § 3 NamÄndG. Nach diesen Maßstäben bleibt für eine Aufhebung der früheren Namensänderung indes, wie ausgeführt, kein Raum.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

4. Gründe, gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4, § 124 a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Weder weicht das Gericht von der Rechtsprechung der dort genannten Obergerichte ab, noch hat der Rechtsstreit über den konkreten Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung. Das gilt insbesondere für die Frage, welcher Maßstab an die Prüfung einer (hinreichend gewichtigen) seelischen Belastung zu stellen ist, weil diese nur anhand der Umstände des Einzelfalls und nicht über den konkreten Fall hinaus zu beantworten ist.