Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 08.12.2017, Az.: 11 A 702/16

Agrarförderung; Cross-Compliance; Düngebedarf; Düngeverordnung; Herbsterlass; Nachweispflicht

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
08.12.2017
Aktenzeichen
11 A 702/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54067
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Herbstdüngung von Spargel; Nachweispflicht; Düngeverordnung; CC-Verstoß: Agrarförderung; Herbsterlass

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine 3%-ige Cross-Compliance-Kürzung (CC-Kürzung) der Basisprämie und Umverteilungsprämie 2015 wegen Verstoßes gegen Bestimmungen der Nitratrichtlinie.

Die Klägerin bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb in A-Stadt und beantragte im Mai 2015 im Sammelantrag Agrarförderungen.

Am 29. Oktober 2015 erhielt die Beklagte Kenntnis von Düngemaßnahmen mit Gärsubstrat auf den Schlägen 852 und 854, die mit Spargelpflanzen bewachsen waren. Die Beklagte führte durch ihren Prüfdienst am 30. Oktober 2015 eine Vor-Ort-Kontrolle (VOK) durch. Hierbei wurden Lichtbilder gefertigt und Proben genommen.

Die Beklagte fertigte am 5. November 2015 einen Kontrollbericht über die Vor-Ort-Kontrolle zu Cross-Compliance nach Titel VI Kapitel I der VO(EU) Nr. 1306/2013 bezüglich der Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) Nr. 1 des Anhangs I der VO(EU) Nr. 1306/2013. Danach festgestellt, dass die Klägerin Gülle, Jauche oder sonstige flüssige organische sowie organisch-mineralische Düngemittel mit wesentlichen Gehalten an verfügbarem Stickstoff oder Geflügelkot im Herbst ohne Strohdüngung, ohne Anbau von Winterungen / Zwischenfrüchten bzw. ohne N-Düngebedarf aufgebracht habe (Code GAB 1 PK15). Der Verstoß wurde als mittlerer Verstoß eingestuft und die Regelkürzung in Höhe von 3 % vorgeschlagen.

Mit Schreiben vom 9. November 2015 teilte die Beklagte als Düngebehörde mit, dass nach der Spargelernte kein zusätzlicher N-Düngebedarf im Herbst bestehe. Die Klägerin habe gegen § 4 Abs. 6 Düngeverordnung (im Folgenden: DüV) in Verbindung mit der EU-Nitratrichtlinie 91/676/EWG verstoßen. Der festgestellte Verstoß führe im Rahmen der Cross-Compliance-Regelung zu einer einmaligen Kürzung der Betriebsprämie 2015 in Höhe von 3%. Es werde zunächst eine Kopie des Kontrollberichtes übersandt, der Bescheid für die Betriebsprämien folge in Kürze.

Mit Bewilligungsbescheid vom 29. Dezember 2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Basisprämie inklusive der darauf entfallenden Erstattung von Mitteln aus der Haushaltsdisziplin des EGFL in Höhe von 208.806,39 EUR sowie eine Umverteilungsprämie in Höhe von 1.906,02 EUR. Auf der Seite 13 ist ein Sanktionsbetrag Cross Compliance über 6.457,93 EUR hinsichtlich der Betriebsprämie sowie 58,95 EUR hinsichtlich der Umverteilungsprämie ausgewiesen.

Die Klägerin hat am 1. Februar 2016 Klage gegen die Kürzung der Betriebsprämie 2015 erhoben. Zur Begründung der Klage macht sie im Wesentlichen geltend:
Ein Verstoß gegen § 4 Abs. 6 DüV könne nicht angenommen werden. Es habe ein Düngebedarf bestanden. Auf den Schlägen seien Jungpflanzen in Engpflanzung gewesen. Das Kraut sei noch nicht abgestorben gewesen. Aus den insoweit vorgelegten Düngebilanzen, den Ergebnissen der Bodenuntersuchungen sowie dem Prüfergebnis des eingesetzten Gärsubstrats folge eine am Bedarf Spargelpflanzen ausgerichteter Düngebedarf. Die Beklagte sei beweispflichtig, dass kein zusätzlicher N-Düngebedarf bestehe. Der Sachverhalt müsse weiter aufgeklärt werden.

Die Klägerin beantragt,

der Klägerin unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 29. Dezember 2015 eine weitere Basisprämie in Höhe von 6.457,93 EUR sowie eine weitere Umverteilungsprämie in Höhe von 58,95 EUR zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, eine Nachdüngung müsse bis zum 15. August erfolgt sein, um den Pflanzen eine Aufnahme des Stickstoffes zu ermöglichen. Im Oktober sei die Düngung nicht mehr sinnvoll im Sinne einer bedarfsgerechten und effizienten Düngung. Der Verstoß sei am 30. Oktober 2015 festgestellt worden, womit der Beweisführung genüge getan sei.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrten weiteren Prämien für das Jahr 2015. Der diese versagende Bescheid der Beklagten vom 29. Dezember 2015 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

Der Gewährung der streitigen Prämien nach den einschlägigen Regelungen der VO (EU) Nr. 1307/13 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 stehen die Regelungen der VO (EU) Nr. 1306/13 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 entgegen.

Nach Art. 97 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1306/13 werden Verwaltungssanktionen gemäß Art. 91 verhängt, wenn die Cross-Compliance-Vorschriften in einem bestimmten Kalenderjahr (im Folgenden "betreffendes Kalenderjahr") zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt werden und dieser Verstoß dem Begünstigten, der den Beihilfe- oder den Zahlungsantrag in dem betreffenden Kalenderjahr gestellt hat, unmittelbar anzulasten ist. Nach Art 93 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1306/13 umfassen die in Anhang II aufgeführten Cross-Compliance-Vorschriften die Grundanforderungen an die Betriebsführung gemäß Unionsrecht und die auf nationaler Ebene aufgestellten Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichem und ökologischem Zustand und betreffen die folgenden Bereiche:
a) Umweltschutz, Klimawandel und guter landwirtschaftlicher Zustand der Flächen,
b) Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen,
c) Tierschutz.

Als Grundanforderung an die Betriebsführung zum Schutzes des Mediums Wasser ist in Anhang II als GAB 1 die Einhaltung der Richtlinie 91/676/EWG vom 19. Dezember 1991 (ABl. L 375 vom 31.12.1991, Nitratrichtlinie) bezeichnet.

Nach Art. 4 dieser Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten Regeln der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft auf, die von den Landwirten anzuwenden sind und Bestimmungen enthalten sollten, welche mindestens die in Anhang II Punkt A der Richtlinie enthaltenen Punkte umfassen. Diese Richtlinie ist in der Bundesrepublik Deutschland durch die Düngeverordnung in Bundesrecht umgesetzt worden. Sie regelt die gute fachliche Praxis bei der Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln auf landwirtschaftlich genutzten Flächen.

Gem. § 4 Abs. 6 DüV in der im Jahre 2015 anzuwendenden Fassung dürfen auf Ackerland nach der Ernte der letzten Hauptfrucht vor dem Winter Gülle, Jauche und sonstige flüssige organische sowie organisch-mineralische Düngemittel mit wesentlichen Gehalten an verfügbarem Stickstoff oder Geflügelkot nur zu im gleichen Jahr angebauten Folgekulturen einschließlich Zwischenfrüchten bis in Höhe des aktuellen Düngebedarfes der Kultur an Stickstoff oder als Ausgleichsdüngung zu auf dem Feld verbliebenem Getreidestroh, jedoch insgesamt nicht mehr als 40 Kilogramm Ammoniumstickstoff oder 80 Kilogramm Gesamtstickstoff je Hektar aufgebracht werden. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Grundsätzlich trägt der Begünstigte gemäß § 11 Marktordnungsgesetz (MOG) die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Vergünstigung, soweit sich nicht aus Regelungen im Sinne des § 1 Abs. 2 MOG etwas Anderes ergibt. Die Klägerin hat nachgewiesen, dass sie dem Grunde nach die Voraussetzungen für die Gewährung der streitigen Prämien erfüllt. Für das Vorliegen von daran anknüpfenden Kürzungstatbeständen ist jedoch die Beklagte beweispflichtig (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 26. Februar 2015 – W 3 K 14.29 –, Rn. 35, juris mwN.). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gem. § 3 Abs. 1 DüV vor der Aufbringung von wesentlichen Nährstoffmengen an Stickstoff oder Phosphat mit Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln der Düngebedarf der jeweiligen Kultur sachgerecht durch den Landwirt festzustellen ist. Die Ermittlung des Düngebedarfs hat gem. Abs. 2 grundsätzlich schlagbezogen zu erfolgen, wobei zusätzlich die Ergebnisse regionaler Feldversuche herangezogen werden sollen.

In nicht zu beanstandender Art und Weise ist der Düngebedarf auf Ackerland nach der Ernte der letzten Hauptfrucht vor dem Winter durch den sog. Herbsterlass des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 3.07.2013 - 104-60202/2-1 - festgelegt worden, der auch noch für das Jahr 2015 Anwendung findet. Hiernach besteht bei Berücksichtigung des aus dem Boden nachgelieferten Stickstoffs nach der Ernte der letzten Hauptfrucht bis zum Winter kein N-Düngebedarf u.a. nach Feldgemüse, zu dem auch Spargel gehört. Zwar bindet der Erlass das Gericht rechtlich nicht. Die Kammer hat jedoch keine Zweifel an der Richtigkeit dieser verallgemeinernden und durch Versuchsreihen belegten Feststellungen. Auch andere Bundesländer gehen davon aus, dass bestimmte Kulturen eine hohe N-Bereitstellung aus dem Bodenvorrat im Spätsommer oder Herbst sicherstellen (vgl. Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19. März 2012). Dieser Umstand ist auch weitgehend in der Fachliteratur unbestritten geblieben (vgl. http://www.topagrar.com/archiv/N-Duengung-im-Herbst-Bald-voellig-verboten-941312.html; http://www.topagrar.com/news/Home-top-News-EU-mahnt-erneut-schaerfere-Duengeregeln-an-2620234.html; vgl. auch den § 6 Abs. 7 bis 9 im Entwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft der Verordnung zur Neuordnung der guten fachlichen Praxis beim Düngen vom 16.12.2015 sowie die Begründung dort auf S. 107: „Im Sinne der „guten fachlichen Praxis der Düngung“, die sich auch in zahlreichen Beratungsempfehlungen der Länder entsprechend widerspiegelt, besteht in den in Absatz 7 vorgesehenen Zeiträumen grundsätzlich kein Düngebedarf. Nach der Ernte der Hauptfrucht aufgebrachte Dünger unterliegen in erhöhtem Maße der Gefahr der Auswaschung, soweit die Nährstoffe nicht durch angebaute Kulturen aufgenommen werden.“; vgl. auch den Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Evaluierung der Düngeverordnung im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz aus dem November 2012, S. 6). Ein grundsätzlicher Düngebedarf kann allenfalls für die Anlegung von Zwischenfrüchten im Herbst bzw. aufgrund einer schlagbezogenen Ermittlung des konkreten Düngebedarfs bestehen. Eine Anlegung von Zwischenfrüchten behauptet die Klägerin nicht. Eine nachvollziehbare schlagebezogene Ermittlung auf den streitgegenständlichen Flächen hat die Klägerin nicht substantiiert dargetan.

Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen lässt sich nicht nachvollziehbar ein Düngebedarf für den Zeitpunkt Ende Oktober 2015 herleiten.
Für den Schlag 854 wurde erst am 5. Juni 2015 eine Pflanzung vorgenommen. Ein für den 29./30 Oktober 2015 bestehender Bedarf ist nicht dargetan. Dem Prüfbericht der LUFA vom 13. Oktober 2014 kann angesichts der durch die Pflanzung und anschließend am 26 Juni 2015 vorgenommenen Veränderungen der Bodenbeschaffenheit keine Aussagekraft mehr für den konkreten Düngebedarf zukommen. Im Übrigen wird lediglich ein Kalk- sowie Humusbedarf aber kein Stockstoffbedarf angenommen.

Für den Schlag 852 gilt Entsprechendes. Ein für den 29./30 Oktober 2015 bestehender Bedarf ist nicht dargetan. Dem Prüfbericht der LUFA vom 29. November 2014 kann angesichts der nach der Schlagkarte 2015 vorgenommenen Veränderungen der Bodenbeschaffenheit keine Aussagekraft mehr für den konkreten Düngebedarf zukommen. Im Übrigen wird lediglich ein Kalk aber kein Stockstoffbedarf angenommen. Der Prüfbericht vom 12. Februar 2015 zum Gärrest kann sich offensichtlich nicht auf die erst Ende Oktober 2015 eingebrachten Gärreste beziehen.

Hat die Klägerin hat keine substantiierten entgegenstehenden Erkenntnisse für die Flächen im streitgegenständlichen Zeitraum vorgebracht, war eine konkrete Überprüfung des Düngebedarfes der Flächen weder durch die Beklagte noch durch das Gericht erforderlich. Der Beweisanregung der Klägerin aus der mündlichen Verhandlung ist nicht zu folgen.

Wird – wie hier – das Kriterium der Grundanforderungen der an die Betriebsführung in einem bestimmten Kalenderjahr zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt, und ist dieser Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung, die dem Begünstigten unmittelbar anzulasten ist, der den Beihilfe- oder Zahlungsantrag in dem betreffenden Kalenderjahr gestellt hat, so wird die Verwaltungssanktion gemäß Art. 91 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 verhängt. Nach
Art. 99 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 bestimmt sich die Höhe der Verwaltungssanktion: Gemäß Absatz 1 wird der Gesamtbetrag der in Artikel 92 genannten Zahlungen, der dem betroffenen Begünstigten gewährt wurde bzw. zu gewähren ist, für die Beihilfeanträge, die er in dem Kalenderjahr, in dem der Verstoß festgestellt wurde, eingereicht hat oder einreichen wird, gekürzt oder gestrichen. Bei der Berechnung dieser Kürzungen und Ausschlüsse werden Schwere, Ausmaß, Dauer und wiederholtes Auftreten der Verstöße sowie die Kriterien nach den Absätzen 2, 3 und 4 berücksichtigt. Absatz 2 bestimmt, dass bei einem Verstoß aufgrund von Fahrlässigkeit beträgt die Kürzung höchstens 5 %, im Wiederholungsfall höchstens 15 % beträgt. Die Beklagte hat sich bei der Bemessung der Sanktion an die hier einschlägigen Regelungen gehalten, wobei Art. 99 Abs. 3 und 4 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 keine Bedeutung zukommt. Offensichtlich hat sich die Beklagte an die Bewertung von 3% aufgrund ihrer ermessenslenkenden Verwaltungspraxis für Regeleinstufungen bei Fahrlässigkeit gehalten. Das ist nicht zu beanstanden und wird von der Klägerseite auch nicht gerügt. Die Höhe der Kürzung der Basis- und Umverteilungsprämie ist zutreffend berechnet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.