Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.04.1993, Az.: 4 L 5348/92
Verschweigen; Sozialhilfeempfänger; Nachzahlung; Erstattungsanspruch; Leistungsträger; Hilfeempfänger
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 28.04.1993
- Aktenzeichen
- 4 L 5348/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1993, 13736
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1993:0428.4L5348.92.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg 09.07.1992 - 4 A 240/91 .OS
- VG Oldenburg (Oldenburg) 09.07.1992 - 4 A 240/91 .OS
- nachfolgend
- BVerwG - 17.08.1995 - AZ: BVerwG 5 C 26/93
Rechtsgrundlagen
- § 48 SGB X
- § 45 SGB X
- § 50 SGB X
- § 11 BSHG
- § 2 BSHG
Amtlicher Leitsatz
Verschweigt der Empfänger von Sozialhilfe, daß eine weitere, vorrangige Sozialleistung beantragt ist, und wird diese rückwirkend gewährt, kann der Sozialhilfeträger, der einen Erstattungsanspruch gegen den anderen Leistungsträger nicht mehr hat, vom Hilfeempfänger nicht Erstattung der Hilfe analog den §§ 45 oder 48 in Verbindung mit § 50 SGB X (SGB 10) verlangen.
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 4. Kammer Osnabrück - vom 9. Juli 1992 geändert, soweit das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen hat.
Die Bescheide der Beklagten vom 18. Februar 1991 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 13. August 1991 werden aufgehoben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 800,-- DM abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen die Rückforderung von Sozialhilfeleistungen (Hilfe zum Lebensunterhalt), die ihnen von der Beklagten in der Zeit von Dezember 1987 bis einschließlich März 1988 gewährt worden sind.
Der Kläger zu 1), der mit seiner damaligen Ehefrau und seiner im Jahre 1984 geborenen Tochter, der Klägerin zu 2), in Haushaltsgemeinschaft lebte, beantragte im November 1987 bei der Beklagten für sich und die Klägerin zu 2) die Gewährung von Sozialhilfe. Die Frage nach den Einkommensverhältnissen beantwortete er in dem von ihm unterschriebenen Antragsformular dahingehend, daß er lediglich Kindergeld für die Klägerin zu 2) und daß seine Ehefrau monatlich darlehensweise Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalte. Seine Ehefrau sei bei dem Arbeitsamt als arbeitssuchend ohne Leistungsanspruch gemeldet. In dem Antrag versicherte der Kläger, daß die Angaben vollständig und wahrheitsgemäß seien.
Die Beklagte bewilligte aufgrund dieses Antrages durch Bescheid vom 10. Dezember 1987 den Klägern ab dem 1. Dezember 1987 Hilfe zum Lebensunterhalt. In einem Antrag auf Weiterzahlung laufender Sozialhilfe vom 13. Januar 1988 ließ der Kläger zu 1) die Frage, ob er oder die in seinem Haushalt lebenden Personen einen Antrag u. a. auf Arbeitslosenhilfe gestellt hätten, unbeantwortet. Die Kläger bezogen Hilfe zum Lebensunterhalt bis einschließlich Mai 1989 von der Beklagten; danach zogen sie zusammen nach ....
Im September 1990 erfuhr die Beklagte durch eine fernmündliche Mitteilung des Arbeitsamtes ..., daß die Ehefrau des Klägers zu 1) nach erfolgreicher Führung eines Prozesses vor dem Sozialgericht Arbeitslosenhilfenachzahlungen erhalten hatte bzw. erhalten sollte. Im Juni 1988 waren ihr für die Zeit vom 1. Dezember 1987 bis zum 31. März 1988 3.672,30 DM nachgezahlt worden. Für die Zeit vom 1. April 1988 bis 31. Mai 1989 hatte sie 11.121,80 DM zu erwarten. Für die Zeit, für die die Arbeitslosenhilfenachzahlung noch nicht ausgezahlt war, meldete die Beklagte gegenüber dem Arbeitsamt einen Erstattungsanspruch an, der von diesem befriedigt wurde. Für den Zeitraum vom 1. Dezember 1987 bis zum 31. März 1988, für den die Arbeitslosenhilfenachzahlung bereits an die Ehefrau des Klägers zu 1) ausgezahlt worden war, hob die Beklagte nach Anhörung der Kläger mit zwei Bescheiden vom 18. Februar 1991 die Bewilligung der Sozialhilfe auf und forderte Rückzahlung der erbrachten Leistungen. Sie verlangte nach Abzug eingenommenen Wohngeldes von dem Kläger zu 1) 1.694,86 DM und von der Klägerin zu 2) 984,82 DM. Sie begründete die Rückforderung damit, daß der Kläger zu 1) den Antrag seiner Ehefrau auf Arbeitslosenhilfe pflichtwidrig verschwiegen habe. Unter Berücksichtigung der an seine Ehefrau für die Zeit von Dezember 1987 bis März 1988 gezahlten Arbeitslosenhilfe hätten er und die Klägerin zu 2) einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nicht gehabt.
Die gegen diese Bescheide eingelegten Widersprüche der Kläger wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 13. August 1991 zurück.
Mit der gegen diese Bescheide erhobenen Klage haben die Kläger u. a. geltend gemacht: Er, der Kläger zu 1), habe keine Kenntnis von den Zahlungen des Arbeitsamtes an seine Ehefrau erhalten. Die Formulare seien von seiner Ehefrau ausgefüllt und von ihm lediglich unterschrieben worden. Er beherrsche die deutsche Sprache nicht so gut, daß er die Hinweise auf seine Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten ohne weiteres habe verstehen können.
Mit Schriftsatz vom 11. Oktober 1991 hat die Beklagte den an die Klägerin zu 2) gerichteten Rückforderungsbescheid dahingehend geändert, daß sie den zurückgeforderten Betrag um das eingenommene Kindergeld auf 400,82 DM reduziert hat. Insoweit haben die Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Kläger haben beantragt,
die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide der Beklagten vom 18. Februar 1991 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13. August 1991 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben über die Umstände im Zusammenhang mit den Angaben des Klägers zu 1) beim Sozialhilfebezug für die Zeit von Dezember 1987 bis März 1988 durch Vernehmung der früheren Ehefrau des Klägers zu 1); insoweit wird auf Bl. 31 ff der Gerichtsakten Bezug genommen.
Mit Urteil vom 9. Juli 1992 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit der Rückforderungsanspruch gegenüber der Klägerin zu 2) reduziert worden ist. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Ein Anspruch der Beklagten auf Erstattung der in dem hier maßgeblichen Zeitraum geleisteten Sozialhilfe ergebe sich aus §§ 45, 50 SGB X nicht. Der Anwendung des § 45 SGB X stehe entgegen, daß die Gewährung der Sozialhilfe nicht rechtswidrig gewesen sei. Die Kläger hätten auch dann, wenn der Beklagten zur Zeit der Bewilligung bekannt gewesen wäre, daß die damalige Ehefrau des Klägers zu 1) bei dem Arbeitsamt einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe gestellt hatte, einen Anspruch auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt gehabt. Denn da die Arbeitslosenhilfe erst im Juni 1988 bewilligt und als Nachzahlung ausgezahlt worden sei, hätten die Ansprüche der Ehefrau auf Arbeitslosenhilfe zur Zeit des Sozialhilfebezuges von Dezember 1987 bis März 1988 keine "bereiten" Mittel zur Deckung des Lebensunterhaltes der Kläger dargestellt, so daß die gemäß § 11 Abs. 1 BSHG bestehende Pflicht der Beklagten zur Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nicht durch § 2 Abs. 1 BSHG ausgeschlossen gewesen sei. Auch eine nur darlehensweise Gewährung der Sozialhilfe nach § 15 b BSHG sei damals nicht in Betracht gekommen. Das hätte nämlich vorausgesetzt, daß im Zeitpunkt der Bewilligungen der Sozialhilfe eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestanden hätte, daß die Kläger nach Ablauf von längstens sechs Monaten in der Lage gewesen wären, ihren Lebensunterhalt aus Leistungen des Arbeitsamtes an die Ehefrau sicherzustellen. Diese Wahrscheinlichkeit habe aber seinerzeit nicht bestanden. Es sei weder abzusehen gewesen, ob die Ehefrau überhaupt Leistungen des Arbeitsamtes erhalten würde, noch, wann mit einer etwaigen Bewilligung zu rechnen gewesen wäre. Seien die Sozialhilfebewilligungen somit rechtmäßig gewesen, hätten sie auch nicht infolge der Arbeitslosenhilfenachzahlung rückwirkend rechtswidrig werden können. Zwar könne bei derartigen Nachzahlungen ein noch nicht befriedigter Anspruch auf Sozialhilfe erlöschen, rechtmäßig geleistete Sozialhilfe werde dadurch aber nicht rückwirkend zu einer rechtswidrig geleisteten Hilfe.
Rechtmäßige begünstigende Verwaltungsakte könnten zwar gemäß § 47 Abs. 1 SGB X unter engen Voraussetzungen widerrufen werden. Der Widerruf sei aber - abgesehen von dem Fall des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung (§ 48 SGB X) - stets nur mit Wirkung für die Zukunft möglich, so daß auch die §§ 47, 50 SGB X eine Rechtsgrundlage für den streitigen Rückforderungsanspruch nicht bilden könnten.
Auch eine direkte Anwendung der §§ 48 Abs. 1, 50 SGB X führe hier nicht zu einem Rückforderungsanspruch der Beklagten. Bei der Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Sozialhilfe sei keine rentengleiche Dauerleistung, sondern werde entsprechend der vorhandenen Notlage regelmäßig Monat für Monat neu bewilligt.
Komme somit eine direkte Anwendung der genannten Vorschriften als Rechtsgrundlage für einen Rückforderungsanspruch nicht in Betracht, sei zu prüfen, ob eine analoge Anwendung geboten sei. Die dafür erforderliche Grundvoraussetzung, daß in den §§ 44 ff. SGB X für den vorliegenden Fall eine Regelungslücke erkennbar sei, sei trotz des kodifikatorischen Charakters dieses Regelungssystems gegeben. Zu den Strukturprinzipien des Sozialhilferechts gehöre der in § 2 BSHG verankerte Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe. Das Sozialrecht enthalte Vorschriften zur Durchsetzung und gegebenenfalls Wiederherstellung des Nachranggrundsatzes (§ 90 BSHG, § 104 SGB X). Auch in den Fällen, in denen der Sozialhilfeträger - wie im vorliegenden Fall - nicht oder nicht rechtzeitig Kenntnis davon gehabt habe, daß für Zeiten, in denen er Hilfe zum Lebensunterhalt geleistet habe, dem Sozialhilfeempfänger nachträglich andere Leistungen zuflössen bzw. solche Leistungen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG als Einkommen anrechenbar seien, und deswegen die §§ 90 BSHG, 104 SGB X - mangels Kenntnis des Sozialhilfeträgers - als Instrumente zur Wiederherstellung des Nachranggrundsatzes versagten, verlange eine am Grundsatz der Gerechtigkeit orientierte Bewertung die Wiederherstellung des Nachranggrundsatzes. Andernfalls stünde sich in Fällen, in denen der Sozialhilfeträger nicht oder nicht rechtzeitig von anderweitig bestehenden Ansprüchen erfahre, derjenige Leistungsempfänger, der anderweitige Ansprüche verschweige, besser als der pflichtgemäß mitteilsame Hilfeempfänger.
Eine analoge Anwendung des § 45 SGB X auf rechtmäßige Verwaltungsakte verbiete sich allerdings, weil der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte in § 47 SGB X ausdrücklich geregelt sei.
Der vorliegenden Fallgestaltung werde eine entsprechende Anwendung der Regelung des § 48 Abs. 1 SGB X gerecht. Diese Vorschrift ermögliche der Behörde, einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, bei dem sich nachträglich die zugrunde liegenden Verhältnisse änderten, unter bestimmten Voraussetzungen mit Wirkung ab Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Dabei gelte als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse in Fällen, in denen Einkommen auf einen zurückliegenden Zeitraum anzurechnen sei, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (§ 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Auch wenn die Bewilligung der Sozialhilfe kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung sei, sei eine analoge Anwendung des § 48 SGB X hier gerechtfertigt. Zu berücksichtigen sei allerdings, daß gemäß § 45 SGB X sogar rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Betroffenen für die Vergangenheit aufgehoben werden dürften. Deshalb sei die Möglichkeit der Aufhebung rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte mit Wirkung für die Vergangenheit im Rahmen einer analogen Anwendung des § 48 Abs. 1 SGB X ebenfalls auf die Fälle von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Betroffenen zu beschränken. Möglich sei danach aber die Aufhebung der Bewilligungsbescheide in analoger Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X, nämlich dann, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgegebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder fahrlässig nicht nachgekommen sei, wobei die analoge Anwendung der Vorschrift für einen Fall wie hier dahin zu erweitern sei, daß die Aufhebung auch dann möglich sei, wenn der Betroffene von Anfang an unzutreffende Angaben gemacht habe. Ein solcher Fall sei hier gegeben.
Die Kläger seien gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I verpflichtet gewesen, alle Tatsachen wahrheitsgemäß anzugeben, die für die Leistung erheblich seien. Der Kläger zu 1) habe in dem Sozialhilfeantrag vom 20. November 1987 unzutreffend angegeben, daß seine damalige Ehefrau beim Arbeitsamt "ohne Leistungsanspruch" gemeldet sei, obwohl sie Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe beim Arbeitsamt geltend gemacht und darüber einen sozialgerichtlichen Prozeß geführt habe. Der Kläger habe diese falschen Angaben zumindest grob fahrlässig gemacht, wie die Beweisaufnahme ergeben habe. Die Klägerin zu 2) müsse das Verschulden des Klägers zu 1) als ihres gesetzlichen Vertreters gegen sich gelten lassen. Die Aufhebung der Bewilligungsbescheide sei somit gerechtfertigt, wobei bei der bloß sinngemäßen Anwendung des § 48 Abs. 1 SGB X entsprechend der Regelung in § 45 SGB X für rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakte entgegen dem Wortlaut des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X (Soll-Vorschrift) von einer Ermessensentscheidung auszugehen sei. Diese - hinreichend begründete - Ermessensentscheidung der Beklagten sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Kläger. Zur Begründung der Berufung wiederholen die Kläger ihr bisheriges Vorbringen. Sie beantragen,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide der Beklagten vom 18. Februar 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 1991 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung betrifft die verwaltungsgerichtliche Entscheidung sowohl hinsichtlich der Klage des Klägers zu 1) als auch der der Klägerin zu 2), obwohl in der Berufungsschrift als Berufungskläger lediglich der Kläger zu 1) aufgeführt ist. Daß die Berufung auch für die Klägerin zu 2) eingelegt sein soll, ergibt sich aber aus dem Antrag in der Berufungsschrift, die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide (Mehrzahl) der Beklagten in der Gestalt des (sinngemäß: jeweiligen) Widerspruchsbescheides aufzuheben.
Die Berufung der Kläger ist begründet. Die Beklagte kann die Erstattung der den Klägern zu 1) und 2) im Zeitraum vom 1. Dezember 1987 bis zum 31. März 1988 gewährten Sozialhilfeleistungen nicht beanspruchen.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend einen Rückforderungsanspruch der Beklagten gemäß §§ 45, 50 SGB X oder §§ 47, 50 SGB X sowie aus einer unmittelbaren Anwendung der §§ 48 Abs. 1, 50 SGB X verneint. Der Senat macht sich insoweit die Erwägungen in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zu eigen und nimmt auf sie Bezug (§ 130 b VwGO). Insbesondere hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, daß die Gewährung der Sozialhilfe im damaligen Zeitraum rechtmäßig gewesen ist und nicht im Nachhinein rückwirkend dadurch hat rechtswidrig werden können, daß den Klägern später eine andere Sozialleistung zugeflossen ist, die sich auf denselben Zeitraum erstreckt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 21. Juni 1979 - BVerwG 5 C 47.78 -, BVerwGE 58, 146 = FEVS 27, 397 = DÖV 1979 S. 825). Es entspricht auch der Rechtsprechung des Senats (z.B. in den Urteilen vom 24. September 1986 - 4 OVG A 58/84 - und 27. Mai 1991 - 4 L 138/89 -), daß eine beantragte, aber noch nicht bewilligte andere Sozialleistung kein im Bewilligungszeitraum zu berücksichtigendes Einkommen ist. In dem letztgenannten Urteil hat der Senat ein Rechtswidrigwerden der Bewilligung von Sozialhilfe nur für den Fall angenommen, daß dem Hilfeempfänger zwar nach der Bewilligung oder Auszahlung der Hilfe, aber noch vor Ablauf des vom Träger der Sozialhilfe festgelegten Bewilligungszeitraums andere, vorrangig einzusetzende Mittel zufließen, wobei er eine nachträgliche Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides aber auch erst ab dem Zeitpunkt des Zuflusses der anderen Mittel bejaht hat. Von diesem Fall unterscheidet sich der vorliegende aber gerade dadurch, daß die Leistungen des Arbeitsamtes erst nach Ablauf des hier maßgeblichen Bewilligungszeitraumes erbracht worden sind.
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht weiter davon ausgegangen, daß die Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 11 Abs. 1 BSHG keine rentengleiche Dauerleistung ist und der Bewilligungsbescheid deshalb kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X ist (BVerwG, Urt. v. 30. Nov. 1966 - BVerwG V C 29.66 -, BVerwGE 25, 307, 309 [BVerwG 30.11.1966 - V C 29/66] = FEVS 14, 243 = DÖV 1967, S. 641, Senatsurteil vom 24. Sept. 1986 - 4 OVG A 58/84 -).
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kommt hier aber auch eine analoge Anwendung des § 48 Abs. 1 SGB X nicht in Betracht. Das führt zwar im vorliegenden Fall dazu, daß den Klägern die Vorteile daraus verbleiben, daß der Kläger zu 1) bei der Beantragung der Hilfe zum Lebensunterhalt seinerzeit die von seiner Ehefrau gegenüber dem Arbeitsamt geltend gemachten Ansprüche - gleichgültig, ob schuldhaft oder nicht - nicht erwähnt hat. Dieses Ergebnis ist jedoch hinzunehmen. Die Vorschriften der §§ 44 ff. SGB X bilden ein in sich geschlossenes System der Rücknahme und des Widerrufs von Verwaltungsakten und der Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen, das die Heranziehung sonstiger Bestimmungen zur Begründung von Ersatzansprüchen gegenüber den Leistungsempfänger ausschließt (BVerwG, Urt. v. 10. Sept. 1992 - BVerwG 5 C 71.88 -, NDV 1993, 200 = DÖV 1993, 344). Eine erweiternde oder analoge Anwendung der Bestimmungen der §§ 44 ff. SGB X auf Sachverhalte, die von dem Wortlaut der einzelnen Bestimmungen nicht erfaßt werden, muß die Geschlossenheit dieses Regelungssystems wahren und darf nicht Strukturprinzipien der jeweils in Rede stehenden Sozialleistungen verletzen. Die von dem Verwaltungsgericht vorgenommene analoge Anwendung des § 48 Abs. 1 SGB X hält diese Grenzen nicht ein. Wenn einerseits die rechtmäßige Gewährung von Sozialhilfe für einen bestimmten Zeitraum nicht rückwirkend dadurch rechtswidrig werden kann, daß dem Hilfeempfänger später eine andere auf denselben Leistungszeitraum bezogene Sozialleistung zufließt, und wenn andererseits der Widerruf rechtmäßig begünstigender Verwaltungsakte ohne Dauerwirkung (Bescheide über die Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt) in § 47 SGB X ausdrücklich geregelt ist, verstößt eine analoge Anwendung des § 48 Abs. 1 SGB X im vorliegenden Fall zwangsläufig gegen eine dieser Vorgaben. Entweder erfolgt ungeachtet der weiteren Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides eine Rückforderung der gewährten Leistungen, als ob der Bescheid rechtswidrig wäre, oder aber bei Anerkennung der weiteren Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides erfolgt die Rückforderung der geforderten Leistungen entgegen der ausdrücklichen Maßgabe des Gesetzgebers in § 47 Abs. 1 SGB X, daß ein rechtmäßig begünstigender Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden darf. Von der Unzulässigkeit einer Rückforderung der gewährten Leistungen in einem solchen Fall, d.h. für einen Zeitraum vor dem tatsächlichen Zufluß anderer Sozialleistungen ist der Senat auch in seinem Urteil vom 27. März 1991 (aaO) ausgegangen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat läßt die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu, da die Frage einer analogen Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 SGB X in Fällen der vorliegenden Art grundsätzliche Bedeutung hat und bisher nicht höchstrichterlich entschieden worden ist (Gegenstand des genannten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. September 1992 war nur die Klage des Sozialhilfeträgers gegen den Hilfeempfänger auf Leistung von Schadensersatz, nicht dagegen ein auf die §§ 48, 50 SGB X gestützter Erstattungsbescheid).
Klay
Willikonsky
Claus