Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 05.04.2023, Az.: 5 B 4039/22

Ausbildungsduldung; Besitz einer Duldung; overstay; Verfahrensduldung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
05.04.2023
Aktenzeichen
5 B 4039/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 14929
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2023:0405.5B4039.22.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Aufenthaltserlaubnis zu Ausbildungszwecken ist keine Aufenthaltserlaubnis, für die der Aufenthalt vorläufig im Wege des § 123 Abs. 1 durch einstweilige Anordnung (sog. Verfahrensduldung) gesichert werden kann.

  2. 2.

    Der "Besitz einer Duldung" im Sinne des § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG setzt voraus, dass die Abschiebung durch wirksame behördliche Entscheidung ausgesetzt ist, zumindest aber materielle Duldungsgründe bei Beginn der Ausbildung gegeben sind.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Versagung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis durch die Antragsgegnerin und die Androhung seiner Abschiebung aus dem Bundesgebiet.

Er ist vietnamesischer Staatsangehöriger, am 10. Februar 1999 geboren und am 1. März 2018 mit einem Visum zum längerfristigen Aufenthalt zur Teilnahme an einem Sprachkurs mit anschließender Ausbildung eingereist. Die erforderliche Zustimmung zur Erwerbstätigkeit erteilte die Bundesagentur für Arbeit am 23. Januar 2018 für die Dauer der Ausbildung, längstens bis 31. Juli 2021. Anschließend wurde dem Antragsteller durch den seinerzeit zuständigen Landkreis D. am 20. Juli 2018 eine bis 31. Juli 2021 befristete Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausbildung zum Hotelfachmann mit der Nebenbestimmung erteilt, dass die betriebliche Ausbildung im E. -Hotel in Bad F. gestattet sei, die der Antragsteller am 1. August 2018 antrat.

Am 14. Januar 2020 sprach der Antragsteller bei der Ausländerbehörde vor, weil er seinen Aufenthaltstitel verloren hatte. Am 18. Februar 2020 wurde der Antragsteller bei der grenzpolizeilichen Einreisekontrolle am Flughafen G. festgestellt und wies sich mit dem zur Fahndung ausgeschriebenen Reisepass aus. Der Reisepass des Antragstellers wurde der Ausländerbehörde übersandt.

Die Ausländerbehörde lud den Antragsteller mit Schreiben vom 14. Januar 2020 und vom 17. Februar 2020 zur Abholung seines neuen Aufenthaltstitels, ohne dass der Antragsteller den Termin wahrnahm. Mit weiteren Schreiben vom 27. Mai 2020, 5. August 2020 und vom 14. Oktober 2020 lud die Ausländerbehörde den Antragsteller zur Abholung seiner Dokumente an der Information der Ausländerbehörde ein, ohne dass der Antragsteller erschien. Unter dem 24. November 2020 teilte die Ausländerbehörde dem Antragsteller mit, dass er seinen in G. einbehaltenen Reisepass bei ihr abholen könne. Die und eine weitere Einladung vom 11. März 2021 zur Vorsprache am 1. April 2021 nahm der Antragsteller ebenfalls nicht wahr.

Am 19. April 2021 meldete sich der Antragsteller per E-Mail bei der ursprünglich zuständigen Ausländerbehörde der Stadt H. und teilte mit, dass er seinem Ausbildungsbetrieb gekündigt habe und einen neuen Ausbildungsbetrieb suche. Die zuständige Ausländerbehörde lud den Antragsteller mit weiteren Schreiben vom 21. April 2021 und vom 27. Mai 2021 zur Klärung seines Aufenthaltsstatus, ohne dass der Antragsteller erschien. Die Ausländerbehörde nahm sodann Kontakt zu dem Ausbildungsbetrieb des Antragstellers auf, der am 18. Juni 2021 mitteilte, dass dieser schon seit einiger Zeit nicht mehr dort tätig sei. Auch die Stiftung, die den Ausbildungsvertrag vermittelt habe, habe den Kontakt zu ihm verloren. Der Ausbildungsbetrieb übermittelte hierzu die Abschrift eines Kündigungsschreibens vom 25. März 2021 an den Antragsteller. Dem Antragsteller wird darin mit dem Vorhalt fristlos gekündigt, trotz zahlreicher Ermahnungen, persönlicher Gespräche und Abmahnungen die Berufsfachschule nicht zu besuchen. Die Kündigung ist von dem Antragsteller am 25. März 2021 gegengezeichnet.

Die Ausländer hörte den Antragsteller sodann förmlich zu ihrer Absicht an, die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers nicht zu verlängern. Diese sei an die Ausbildung gebunden gewesen, die der Antragsteller abgebrochen habe. Eine nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer sei aufgrund der kurzen Restdauer nicht angezeigt, wohl aber die Ablehnung der Verlängerung einschließlich anderer in Betracht kommender Rechtsgrundlagen.

Am 20. Juli 2021 sprach der Antragsteller bei der Ausländerbehörde vor und teilte mit, dass er seit drei Wochen im Zuständigkeitsgebiet der Antragsgegnerin wohne. Eine Anmeldung sei ihm erst im September möglich. Er habe eine Ausbildungsstelle in der Gastronomie und wolle seinen Reisepass abholen.

Am 10. März 2022 übersandte eine Gastronomin der Antragsgegnerin einen unterschriebenen Ausbildungsvertrag des Antragstellers über eine Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe ab Februar 2022 vor und bat um aufenthaltsrechtliche Beratung.

Die Antragsgegnerin schreib dem Antragsteller unter dem 6. April 2022, dass seine Aufenthaltserlaubnis längst abgelaufen sei und daher auch ein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht mehr gestellt werden könne. Ihm könne auch keine erneute Ausbildung erlaubt werden, weil er die neue Ausbildungsstelle später als ein halbes Jahr nach dem Ende seiner ersten Ausbildung angetreten habe. Der Antragsteller habe das Ende seiner Ausbildung außerdem selbst zu vertreten, weil die Kündigung darauf beruhe, dass er die Berufsfachschule nicht besucht habe. Der Antragsteller habe außerdem versäumt, der Ausländerbehörde das Ende seiner Ausbildung mitzuteilen und er habe verschiedene Termine bei der Ausländerbehörde nicht wahrgenommen.

Am 10. April 2022 beantragte der Antragsteller die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.

Auf die erneute Anhörung der Antragsgegnerin erwiderte der Antragsteller, dass er während der Ausbildung überfordert gewesen sei, als er die während des Corona-Lockdowns freigestellten Arbeitsstunden habe nachholen müssen. Er sei weder geistig noch körperlich in der Lage gewesen, noch zur Berufsschule zu gehen. Er habe sich nach seiner Kündigung eine neue Ausbildungsstätte gesucht und dort am 15. Juni 2021 als Küchenhilfe angefangen, aber nach wenigen Monaten gekündigt, weil ihm kein Gehalt gezahlt worden sei. In seiner jetzigen Ausbildungsstätte sei er zuversichtlich und motiviert.

Mit Bescheid vom 30. August 2022 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers ab, forderte ihn zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen auf und drohte ihm andernfalls die Abschiebung in die Sozialistische Republik Vietnam an. Zur Begründung führte sie aus, dass der Antragsteller den Abbruch seiner Ausbildung selbst zu vertreten habe und die neue Ausbildung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten aufgenommen habe.

Der Antragsteller hat am 21. September 2022 Klage erhoben - 5 A 4038/22 -, über die noch nicht entschieden ist, und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung macht er geltend, dass ihm der Aufenthalt während des gerichtlichen Verfahrens zu gestatten sei, weil er voraussichtlich einen Anspruch auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis habe.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Duldung für sechs Monate ohne Nebenbestimmungen zu erteilen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid und nimmt zur Begründung auf diesen Bezug. Sie lehnt darüber hinaus die Erteilung einer Ausbildungsduldung ab. Diese habe der Antragsteller schon nicht beantragt, insoweit stehe auch entgegen, dass materielle Duldungsgründe - im Sinne rechtlicher oder tatsächlicher Abschiebungshindernisse - nicht vorlägen.

Der Antragsteller hat darauf ergänzend beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Ausbildungsduldung zu erteilen.

Die Antragsgegnerin tritt auch diesem Antrag entgegen und wendet im Wesentlichen ein, dass die nun begehrte Ausbildungsduldung einen neuen Streitgegenstand darstelle. Auch wenn die Ausbildungsduldung in der im gerichtlichen Verfahren begehrten Aufenthaltserlaubnis als Minus enthalten sei, habe der Antragsteller diesen Anspruch bisher nicht außergerichtlich an die Antragsgegnerin herangetragen und insofern kein Rechtsschutzbedürfnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem die Kammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 4. Oktober 2022 zur Entscheidung übertragen hat (§ 6 Abs. 1 VwGO).

Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

1. Er ist statthaft und auch sonst zulässig, soweit er sich auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO richtet.

Die vorläufige Sicherung des Aufenthalts im Bundesgebiet erfolgt grundsätzlich wie in jeder Verpflichtungssituation im Wege des Antrags auf einstweiligen Rechtschutz gem. § 123 VwGO. Nur wenn ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Entstehen einer Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG geführt hat und diese Wirkung durch die Entscheidung der Ausländerbehörde über den Antrag wieder erloschen ist (VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 16.2.2021 - 11 S 3852/20 -, juris Rn. 6 und vom 7.7.2020 - 11 S 2426/19 -, juris Rn. 13), ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO vorrangig. Das ist hier nicht der Fall. Der Antragsteller hat die Verlängerung seiner am 31. Juli 2021 abgelaufenen Aufenthaltserlaubnis erst am 10. April 2022 beantragt. Eine Fiktionswirkung nach § 81 AufenthG konnte sein Antrag zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auslösen.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Voraussetzung hierfür ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachsucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet, glaubhaft gemacht werden, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Einen Anordnungsanspruch auf Aussetzung der Abschiebung hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

a. Rechtliche Hindernisse der Abschiebung ergeben sich nicht aus einem Anspruch auf eine sogenannte Verfahrensduldung.

Die Abschiebung kann nicht allein deshalb für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens ausgesetzt werden, weil der Antragsteller den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Klageverfahren geltend macht und ihn im Bundesgebiet durchsetzen will (Nds. OVG, Beschluss vom 22.8.2017 - 13 ME 213/17 -, juris Rn. 3; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.1.2016 - 17 B 890/15 -, juris Rn. 6; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.2.2010 - 2 M 2/10 -, juris Rn. 7). Ein verfahrensbezogenes Bleiberecht in Form einer Erlaubnis-, Duldungs- oder Fortgeltungsfiktion hat der Bundesgesetzgeber nur für die in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG genannten Fälle bestimmt, die hier gerade nicht gegeben sind.

Darüber hinaus kann ein Duldungsanspruch zwar zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in Betracht kommen, wenn sich aus den aufenthaltsrechtlichen Regelungen (vgl. etwa §§ 39ff. AufenthV, § 5 Abs. 2 Satz 2, § 25b, § 25 Abs. 2 und 5 AufenthG) ergibt, dass der angestrebte aufenthaltsrechtliche Status aus dem Inland verfolgt werden kann, und die Aussetzung der Abschiebung zugleich notwendig ist, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens aufrecht zu erhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zu Gute kommen kann. Das betrifft Titel, die tatbestandlich an eine bestehende Duldung anknüpfen, nicht jedoch die Aufenthaltserlaubnis zur Aufnahme oder Fortsetzung einer Ausbildung. Das Gericht verkennt nicht, dass eine auch vorübergehende Beendigung des Aufenthalts zur Folge haben kann (und wahrscheinlich haben wird), dass das Ausbildungsverhältnis des Antragstellers gekündigt wird, weil er aus dem Ausland weder die Berufsschule besuchen noch seine Arbeitsleistung im Ausbildungsbetrieb erbringen kann. Die bereits begonnene Ausbildung ist zwar Zweck des Aufenthalts, aber keine tatbestandliche Voraussetzung für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Die Aufenthaltserlaubnis setzt insoweit lediglich voraus, dass ein Ausbildungsvertrag geschlossen worden und die nach § 16a Absatz 1 Satz 1 AufenthG erforderliche Zustimmung der Bundesanstalt für Arbeit vorliegt. Diese Voraussetzungen können, anders als der Antritt der Ausbildung selbst, ohne weiteres aus dem Ausland erbracht werden. Der Umstand, dass die Ausbildung bereits begonnen ist und abgebrochen würde, ist daher keine der Aufenthaltserlaubnis innewohnende tatbestandliche Voraussetzung (und als solche Anknüpfungspunkt für eine Verfahrensduldung), sondern lediglich tatsächliche Folge der Dispositionen des Antragstellers.

b. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf die (vorläufige) Erteilung einer Ausbildungsduldung.

aa. Insoweit steht dem Erlass einer einstweiligen Anordnung hier ausnahmsweise nicht das formale Hindernis entgegen, dass mit der einstweiligen Anordnung die Hauptsache weitestgehend vorweggenommen würde. Die Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung ist bereits in dem (systemfremden) Institut der Ausbildungsduldung selbst gesetzlich angelegt (vgl. BT-Drucksache 18/8615, S. 48, VG Neustadt, Beschluss vom 25.9.2018 - 2 L 948/18.NW -, juris Rn. 4) und daher ausnahmsweise zulässig. Dem Anspruch steht auch kein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis entgegen. Daran fehlt es zwar in der Regel, wenn der Antragsteller einen materiellen Anspruch vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht an die Behörde heranträgt. Insoweit geht das Gericht allerdings davon aus, dass der Anspruch als Minus in dem geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung enthalten ist, jedenfalls aber das Rechtsschutzbedürfnis besteht, nachdem die Antragsgegnerin signalisiert hat, dass sie den Antrag auf jeden Fall ablehnen würde.

bb. Der Antragsteller hat keinen materiellen Anspruch auf die Ausbildungsduldung. Anders als die Antragsgegnerin meint, steht der Erteilung der Ausbildungsduldung dabei allerdings nicht schon entgegen, dass der Antragsteller bisher keine Beschäftigungserlaubnis für die Ausbildung besitzt, denn diese wäre gem. § 60c Abs. 1 Satz 3 AufenthG mit der Ausbildungsduldung zu erteilen. Nur eine Ausbildung, die während des Asylverfahrens aufgenommen worden ist, bedarf einer gesonderten Beschäftigungserlaubnis nach § 61 Abs. 2 AsylG.

Der Antragsteller hat auch eine Berufsausbildung begonnen; er war jedoch bei Beginn der Ausbildung nicht im Sinne von § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG im Besitz einer Duldung. Insoweit geht das Gericht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts zum gleichlautenden Tatbestandsmerkmal des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG davon aus, dass der "Besitz einer Duldung" im Sinne des § 60c voraussetzt, dass behördlicherseits eine Aussetzung der Abschiebung wirksam verfügt ist und dass dem Ausländer hierüber eine Bescheinigung nach §§ 60a Abs. 4, 78a Abs. 5 AufenthG erteilt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 6.1.2023 - 13 ME 283/22 -, juris Rn. 9) oder vor der Aufnahme der Ausbildung zumindest die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer Duldung nach § 60a vorliegen (wie hier Bergmann/Dienelt/Dollinger, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 60c Rn. 22. Der Wortlaut der Norm knüpft ausdrücklich an eine "Duldung nach § 60a AufenthG" an, mithin an eine Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung nach dieser Vorschrift und unterscheidet sich schon darin von einem "geduldeten Aufenthalt" aufgrund materieller Duldungsgründe im Sinne des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Für eine enge Auslegung des § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG spricht auch eine Zusammenschau mit dem Versagungsgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, der gerade dazu dient, der Ausländerbehörde die Durchsetzung der Ausreisepflicht zu ermöglichen. Diese Vorschrift liefe, wie der Fall des Antragstellers zeigt, weitestgehend leer, wenn schon der bloße Aufenthalt genügen würde, von dem die Ausländerbehörde gar keine Kenntnis hat.

Die wesentlich weitergehende Auffassung in der Kommentarliteratur, dass auch Ausländer von § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG erfasst sind, die zwar ausreisepflichtig, aber nicht im Besitz einer Duldung sind (vgl. BeckOK AuslR/Breidenbach, 36. Ed. 1.7.2021, AufenthG § 60c Rn. 5), widerspricht dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift und hat, soweit ersichtlich, auch in der Rechtsprechung bisher keinen Niederschlag gefunden.

Selbst wenn der bloße Aufenthalt im Bundesgebiet als "faktische Duldung" für den "Besitz einer Duldung" genügen sollte, stünde einem Anspruch des Antragstellers auf die Ausbildungsduldung der Versagungsgrund des § 60c Abs. 1 Satz 2 AufenthG entgegen. Danach kann die Ausbildungsduldung in Fällen offensichtlichen Missbrauchs versagt werden. Das ist nicht nur bei Scheinausbildungsverhältnissen der Fall, sondern nach Auffassung des Gerichts auch dann, wenn sich der Ausländer auf unlautere Weise Zugang zum Anwendungsbereich der Ausbildungsduldung verschafft hat (Fehrenbacher, HTK-AuslR / § 60c AufenthG, Rn. 48 zu Abs. 1). Das wäre dem Antragsteller hier vorzuhalten, weil er während seines Untertauchens durch ein im Sinne von § 60a Abs. 6 AufenthG zurechenbares Verhalten verhindert hat, dass die Ausländerbehörde die in § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vorgesehene Frist für die Prüfung und Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen überhaupt nutzen und die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Ausschlussgrund nach § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG hätte schaffen können. Auch wenn daraus nicht folgt, dass die Ausbildungsduldung zwingend zu versagen wäre, wäre die tatbestandliche Seite des § 60c Abs. 1 Satz 3 AufenthG erfüllt und damit ein Versagungsermessen eröffnet, das dem gebundenen Anspruch entgegensteht.

Das Versagungsermessen der Antragsgegnerin wäre auch nicht in der Weise reduziert, dass zwingend davon abzusehen wäre, die Ausbildungsduldung zu versagen. Insoweit hat der Antragsteller über das Interesse an seinem weiteren Aufenthalt und der Ausbildung hinaus keinerlei persönliche Belange geltend gemacht, die die Erteilung der Ausbildungsduldung gebieten würden.

c. Über das Interesse an der Ausbildung hinaus hat der Antragsteller rechtliche oder tatsächliche Abschiebungshindernisse weder geltend noch glaubhaft gemacht; sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

2. Der hilfsweise gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist, wie ausgeführt, unstatthaft und deshalb unzulässig, soweit er die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers betrifft.

3. Soweit sich die Klage gegen die Abschiebungsandrohung richtet, ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft (§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. m. § 64 Abs. 4 NPOG), aber unbegründet. Die Abschiebungsandrohung ist voraussichtlich nicht zu beanstanden. Sie entspricht den gesetzlichen Anforderungen der §§ 58, 59 AufenthG. Bereits seit dem Ablauf der Geltungsdauer seiner Aufenthaltserlaubnis am 31. Juli 2021, spätestens jedoch seit der Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Abschiebungsverbote hat der Antragsteller weder geltend gemacht, noch stünden diese dem Erlass der Abschiebungsandrohung entgegen (§ 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 1 GKG und entspricht Nrn. 1.5, 8.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NordÖR 2014, 11).

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nicht begründet.

Prozesskostenhilfe erhält gemäß §§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hier fehlt es, wie vorstehend ausgeführt, schon an den hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung.