Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 02.05.2022, Az.: 2 B 78/22
Kurdistan; Luftangriffe; offensichtlich unbegründet; PKK; Türkei
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 02.05.2022
- Aktenzeichen
- 2 B 78/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59561
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 30 Abs 1 AsylVfG 1992
- § 4 Abs 1 S 2 Nr 3 AsylVfG 1992
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Aufgrund der Luftangriffe der Türkei auf das nördliche Grenzgebiet der Autonomen Region Kurdistan-Irak ist die Gewährung subsidiären Schutzes für Antragsteller aus diesen Gebieten zumindest nicht ausgeschlossen.
2. Das Bundesamt hat den Sachverhalt vollständig zu erforschen, auch wenn der Antragsteller selbst keine konkrete Bedrohung vorträgt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger, kurdischer Volkszugehörigkeit und muslimischen Glaubens aus Zakho in der Provinz Dohuk.
Er besuchte die Schule im Irak bis zur vierten Klasse und half dann seinem Vater, der als Schafhirte arbeitete. Später arbeitete er als Friseur und bis zu seiner Ausreise als Fliesenleger. Am 04.10.2021 verließ er den Irak und reiste auf dem Land- und Luftweg u. a. über die Türkei und Belarus am 28.11.2021 nach Deutschland ein. Er stellte am 13.01.2022 einen Asylantrag bei der Antragsgegnerin. Im Irak leben noch seine 15 Geschwister und seine Mutter sowie seine Großfamilie; sein Vater ist verstorben.
In seiner persönlichen Anhörung am 21.02.2022 berichtete er, er habe im Irak im Haus seiner Eltern in Zakho gelebt; er selbst habe nie Eigentum besessen und seiner Familie sei es wirtschaftlich nicht gut gegangen. Früher hätten sie gut verdient, aber mit dem Krieg gegen den sog. „Islamischen Staat“ sei auch der Arbeitsmarkt zerstört worden. Seine älteren Geschwister seien schon verheiratet und lebten nicht mehr zu Hause. Seine Ausreise habe er mit seinen Ersparnissen finanziert und mit dem Geld, das sein Bruder aus dem Verkauf seines Autos erhalten und ihm gegeben habe. Früher habe er sich die Ausreise noch nicht leisten können. Auf der Grenze von Belarus nach Polen habe die Polizei auf ihn und andere Geflüchtete geschossen. Nach Deutschland sei er gekommen, um ein freies und friedliches Leben zu führen; zudem wolle er sich schulisch weiterbilden, was ihm im Irak verwehrt worden sei. Bedroht gefühlt habe er sich nicht im Irak, aber unfrei. Er stehe noch in Kontakt mit seiner Familie.
Mit Bescheid vom 04.03.2022 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), den Antrag auf Asylanerkennung (Ziffer 2) und den Antrag auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Ziffer 3) als offensichtlich unbegründet ab, stellte das Fehlen von Abschiebungsverboten fest (Ziffer 4), drohte die Abschiebung in den Irak an (Ziffer 5) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate (Ziffer 6). Sie begründete die Ablehnung im Wesentlichen damit, dass der Antragsteller im Irak keinerlei persönliche Probleme gehabt und seinen Asylantrag allein mit der allgemein schlechten Lage begründet habe. In den kurdischen Autonomiegebieten und insbesondere in Zakho beständen jedoch keinerlei kriegsbedingte Gefahren. Auch verfüge er über langjährige Berufserfahrung und familiäre Unterstützung und könne deshalb ein Einkommen erzielen, das ihm ein Leben oberhalb des Existenzminimums ermögliche.
Der Antragsteller hat am 30.03.2022 Klage zum Verwaltungsgericht erhoben (2 A 77/22) und einen Eilantrag gestellt.
Er beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die elektronische Asylakte der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Der gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 04.03.2022 verfügte Abschiebungsandrohung ist begründet. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes.
Das Bundesamt hat mit dem angegriffenen Bescheid den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt und daher eine Ausreisefrist von einer Woche gesetzt (vgl. § 36 Abs. 1 Alt. 2 AsylG). In diesem Fall darf einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Abschiebungsandrohung nur stattgegeben werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verfügte Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1516/93 -, juris Rn. 99). Dies ist hier der Fall. Erhebliche Gründe sprechen dafür, dass das Bundesamt den Antrag auf Gewährung subsidiären Schutzes nicht als offensichtlich unbegründet ablehnen und daher auch die kurze Ausreisefrist nicht verfügen durfte.
Nach § 30 Abs. 1 AsylG ist ein Asylantrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes – also der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) – offensichtlich nicht vorliegen. Dies ist der Fall, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Asylantrags geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.02.2019 - 2 BvR 1193/18 -, juris Rn. 19 ff.). Ein Offensichtlichkeitsurteil setzt eine vollständige Erforschung des Sachverhalts voraus (BVerfG, Beschluss vom 20.09.2001 - 2 BvR 1392/00 -, juris Rn. 22).
Diese Anforderungen sind nur im Hinblick auf den Antrag auf Asylanerkennung und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfüllt. Hinsichtlich des Anspruchs auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bestehen hingegen durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer qualifizierten Ablehnung des Asylantrags.
Tatsächlich hat der Antragsteller weder politische Verfolgung i. S. d. Art. 16a Abs. 1 GG noch Verfolgungsgründe gem. § 3b Abs. 1 AsylG geltend gemacht. Solche sind auch nicht ersichtlich; insbesondere hat der Antragsteller angegeben, sich im Irak nie politisch betätigt und mit niemandem ein Problem gehabt zu haben; auch findet im Irak derzeit keine Gruppenverfolgung von Kurden statt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 27.01.2022 - 9 LA 29/20 -, juris Rn. 10).
Jedoch ergeben sich aus der Sicherheitslage in der Provinz Dohuk in der Autonomen Region Kurdistan Anhaltspunkte, die eine Gewährung subsidiären Schutzes rechtfertigen können, sodass sich die Ablehnung des Asylantrags insofern nicht aufdrängte.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Bezugspunkt für die erforderliche Gefahrenprognose ist grundsätzlich der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr, also in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird.
Hier bestehen Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller in seinem Heimatort Zakho in der Provinz Dohuk ein ernsthafter Schaden in Form einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht.
Die im Jahr 2017 noch stabile Sicherheitslage in der Provinz Dohuk verschlechterte sich in den Jahren 2019 und 2020 besonders in den nördlichen Grenzgebieten des Gouvernements aufgrund der Aktivitäten der Türkei und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK, kurdisch: Partiya Karkerên Kurdistanê). Die PKK ist in den Bergregionen der Autonomen Region Kurdistan präsent und kontrolliert diese, einschließlich des Zab-Gebirges im Gouvernement Dohuk, von wo aus sie grenzüberschreitende Angriffe auf die Türkei verübt. Die Türkei hat ihrerseits in Dohuk Militärstützpunkte eingerichtet, um PKK-Hochburgen anzugreifen. Es wurde von Luftangriffen, Bodenangriffen und Beschuss von Dörfern in Grenzgebieten der Autonomen Region Kurdistan berichtet, in denen sich mutmaßlich PKK-Anhänger aufhielten. Die türkischen Militäroperationen gegen die PKK im Gouvernement Dohuk haben sich auf das Leben der Dorfbewohner in den von den Luftangriffen betroffenen Gebieten ausgewirkt. Die Luftangriffe führten zu erheblichen Schäden an Ackerland, Eigentum und Infrastruktur, einschließlich Straßen. Es wurde auch über Minenverseuchung berichtet. Die irakische Grenzschutztruppe richtete Stützpunkte ein, um die Situation zwischen der Türkei und der PKK zu deeskalieren und den Verlust von Menschenleben in der Zivilbevölkerung zu verhindern. Es wurde berichtet, dass auch andere bewaffnete Gruppen, darunter kurdische Aufständische, im Gouvernement Dohuk operieren. Kriminalität, zivile Unruhen und Grenzschmuggel stellten eine begrenzte, aber anhaltende Sicherheitsbedrohung dar. Zwischen Januar 2019 und Juli 2020 kam es im Gouvernement Dohuk zu insgesamt 751 sicherheitsrelevanten Vorfällen (durchschnittlich 9,1 Sicherheitsvorfälle pro Woche), überwiegend ferngesteuerte Gewalt bzw. Explosionen, mit 48 zivilen Opfern. Die meisten Sicherheitsvorfälle fanden in den Bezirken Amedi und Zakho statt. Aus aktuellen Erkenntnismitteln geht hervor, dass die willkürliche Gewalt in Dohuks Bezirk Zakho ein hohes Niveau erreicht, so dass ein geringeres Maß an einzelnen Elementen erforderlich ist, um stichhaltige Gründe für die Annahme zu liefern, dass eine in das Gebiet zurückgekehrte Zivilperson tatsächlich der Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt wäre (European Asylum Support Office (EUAA), Country Guidance Iraq, 10.02.2021, S. 137 f.).
Der bisherige Wohnort des Antragstellers liegt in der Stadt Zakho und damit in einem gefährdeten Gebiet. Seit dem 18.04.2022 kommt es zudem wieder vermehrt zu Luft- und Bodenangriffen des türkischen Militärs auf die irakisch-türkischen Grenzregionen, u. a. auch auf die Provinz Dohuk. Nach Angaben des türkischen Verteidigungsministers griffen in der sog. „Operation Claw Lock“ türkische Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Drohnen Ziele, Lager, Tunnel, Unterstände und Munitionslager der PKK-Milizen im Nordirak an. Während die Regierung der Autonomieregion Kurdistan-Irak die Operation bis zu einem gewissen Grad unterstützt, verurteilte die irakische Zentralregierung sie scharf als illegal und inakzeptable Verletzung der Souveränität des Irak (Shawn Yuan, AlJazeera, 28.04.2022, https://www.aljazeera.com/news/2022/4/28/turkish-military-operation-causes-controversy-division-in-iraq; Alex MacDonald, Middle East Eye, 02.02.2022, https://www.middleeasteye.net/news/iraq-protests-turkey-air-strikes-hit-kurdish-refugee-camps). Ankara bestellte wiederum den irakischen Geschäftsträger ein und teilte ihm mit, dass die Militäroperationen fortgesetzt würden, wenn Bagdad nicht gegen PKK-Mitglieder vorgehe (Press TV, 01.05.2022, https://www.presstv.ir/Detail/2022/05/01/681314/Rockets-target-Ain-al-Asad-military-base-housing-US-forces-in-western-Iraq). Zuletzt bombardierten türkische Kampfflugzeuge und Militärhubschrauber haben am 01.05.2022 Gebiete rund um die Stadt Amedi in der Provinz Dohuk (Mehr News Agency, 01.05.2022, https://en.mehrnews.com/news/186338/Turkish-fighterjets-bomb-areas-in-northern-Iraq).
Beobachter gehen davon aus, dass die türkische Regierung auszunutzen versucht, dass die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit derzeit auf den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine konzentriert ist, in dem sie zudem als Vermittler auftritt (German Foreign Policy, Die ignorierte Invasion, 22.04.2022, https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8899; Jared Szuba, Al Monitor, 22.04.2022, https://www.al-monitor.com/originals/2022/04/turkey-steps-attacks-syrias-kurds-amid-iraq-operation; Kurd Press, 23.04.2022, https://kurdpress.com/en/news/2421/Erdogan-eyes-Israeli-and-Iraqi-gas-and-targets-Kurds-amid-Ukraine-war-Turkmen-Terzi/). Die Türkei argumentiert, die Operationen gegen die PKK im Nordirak seien notwendig, um die als terroristisch eingeschätzte Gruppe von weiteren Anschlägen in der Türkei abzuhalten (Deutsche Welle, Turkey launches new offensive against Kurdish militants in Iraq, 18.04.2022, https://p.dw.com/p/4A3NU). Ein Zusammenhang wird teilweise aber auch gesehen zum Bau einer Erdgaspipeline aus den kurdischen Autonomiegebieten im Nordirak in die Türkei, durch die die Türkei Erdgas nach Europa exportieren will. Europäische Regierungen zeigen derzeit großes Interesse an Gaslieferungen, um so die Abhängigkeit von russischen Energieträgern zu verringern (Fehim Tastekin, Al Monitor, 08.04.2022, https://www.al-monitor.com/originals/2022/04/will-renewed-interest-iraqi-kurdish-gas-fuel-turkey-iran-rivalry; Silvia Boltuc, Special Eurasia, Turkey started a military operation in northern Iraq in connection with gas pipelines, 21.04.2022, https://www.specialeurasia.com/it/2022/04/21/turkey-iraq-military-operation/).
Nach noch nicht verifizierten Berichten soll es kürzlich sogar zum Bombardement eines Militärpostens der Volksmobilisierungseinheiten (PMF, Hashd al-Shaabi-Milizen) durch eine türkische Drohne am Rande der Stadt Bashiqa im Norden der Stadt Mosul gekommen sein (North Press Agency, Turkish Drone Hits PMF Military Post In Iraq’s Mosul, 26.04.2022, https://npasyria.com/en/76785/). Die Türkei betrachtet die PMF als vollständig vom Iran gelenkt und daher ohne Legitimität in sunnitischen Gebieten. Zudem sollen diese zunehmend engere Allianzen mit der PKK eingehen. Der Angriff dürfte folglich als eine Botschaft an die politischen Gruppen im Irak verstanden werden, zugleich aber das Risiko weiterer Eskalationen mit sich bringen (Shawn Yuan, AlJazeera, a. a. O.; Berkay Mandıracı, International Crisis Group, Turkey’s PKK Conflict: A Regional Battleground in Flux, 18.02.2022). Es bestehen Befürchtungen, dass der Iran wiederum sein Engagement in Kurdistan-Irak verstärken wird, um Ankaras Aggressionen gegen die PKK entgegenzuwirken und die Verringerung der US-Militärpräsenz im Irak auszugleichen, was zu einer zunehmenden Konfrontation zwischen dem Iran und der Türkei führen könnte (Silvia Boltuc, Special Eurasia, Turkey started a military operation in northern Iraq in connection with gas pipelines, 21.04.2022, https://www.specialeurasia.com/it/2022/04/21/turkey-iraq-military-operation/).
Bei den türkischen Luftangriffen werden immer wieder auch Zivilisten verletzt und getötet. Im Sommer 2020 wurden vier Zivilisten an einem Kontrollpunkt in Shilazde im Gouvernement Dohuk von einer Rakete getroffen und acht Dörfer in der Nähe der Grenzstadt Zakho geräumt, da ihre Bewohner aus Angst vor türkischen Luftangriffen flohen (Paula Garcia, Center for Civilians in Conflict, 24.06.2020, https://civiliansinconflict.org/blog/turkish-airstrikes-kill-five-in-iraq/). Im Juni 2021 wurden bei einem Drohnenangriff auf Flüchtlingslager Makhmour südwestlich von Erbil, in dem mehr als 12.000 Menschen leben, drei Zivilisten getötet (Jack Hewson, France 24, 05.06.2021, https://www.france24.com/en/middle-east/20210605-turkish-drone-attack-kills-three-civilians-in-northern-iraq-kurdish-refugee-camp). Im Februar 2022 kam es erneut zu Angriffen auf dasselbe Flüchtlingslager (Alex MacDonald, Middle East Eye, 02.02.2022, https://www.middleeasteye.net/news/iraq-protests-turkey-air-strikes-hit-kurdish-refugee-camps). Im nordirakischen Sindschar wurden drei Zivilisten bei den Angriffen getötet (Medya News, 03.02.2022, https://medyanews.net/turkish-airstrikes-in-northern-iraq-northeast-syria-leave-nine-dead/). Anfang April verhängten die Behörden aufgrund der aktuellen türkischen Militäroffensive eine Ausgangssperre für zwölf Dörfer in der Region Batifa in der Nähe von Zakho, um Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden (Iraq Security and Humanitarian Monitor (ISHM), 07.04.2022).
Es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass der Antragsteller im Rahmen des militärischen Konflikts in der Provinz Dohuk und insbesondere auch im Umfeld der Stadt Zakho Opfer willkürlicher Gewalt werden könnte. Dies durfte die Antragsgegnerin nicht ohne dezidierte Aufklärung des Sachverhalts ausschließen.