Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 18.05.2022, Az.: 8 A 389/19

Arbeitslosengeld II als Einkommen; Gebührenstaffelung nach Einkommen; Gebührenstaffelung nach Prozentsätzen vom Einkommen; Kindergartengebühr; SGB II-Leistungen als Einkommen

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
18.05.2022
Aktenzeichen
8 A 389/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59767
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
VG - 17.06.2022 - AZ: 8 A 389/19

Fundstelle

  • Gemeindehaushalt 2023, 95

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1.Es bestehen keine rechtlichen Bedenken, die KiTa-Beiträge nach Prozentsätzen vom jeweiligen Einkommen zu berechnen, da hierdurch eine Beitragsstaffelung nach Einkommen erreicht wird. Die vergleichbare Belastung der Familien durch gleichlautende Prozentsätze ist sichergestellt.
2.Die gewährten Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) können als Einkommen bei der Berechnung von KiTa-Beiträgen herangezogen werden.

Die Entscheidung ist durch Beschluss des VG Braunschweig vom 17.06.2022, Az. 6 8 A 389/19, berichtigt worden.

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten es für erledigt erklärt haben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.521,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen einen Kindergartengebührenbescheid der Beklagten.

Die Kläger leben mit ihren Kindern J. (geboren am 15. September 2017) und K. (geboren am 06. November 2015) im gemeinsamen Haushalt in der Gemeinde Cremlingen. K. und J. besuchten seit dem 16. Oktober 2018 die Kindertagesstätten Sternschnuppe (J.) bzw. Abenteuerland (K.) in A-Stadt. K. besuchte die KiTa bis einschließlich des KiTa-Jahres 2021/2022. Streitgegenständlich sind die Gebühren für den KiTa-Besuch von J.. J. wurde zunächst mit einer täglichen Betreuungszeit von 9,5 Stunden (Ganztagsplatz), seit dem 01. Januar 2019 mit einer täglichen Betreuungszeit von 6,5 Stunden (2/3-Platz) betreut. Die Beklagte erhebt für den Besuch der Kindertagesstätte Gebühren. Grundlage hierfür ist die durch den Rat der Beklagten in seiner Sitzung am 18. Dezember 2018 beschlossene Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Kindertagesstätte der Gemeinde Cremlingen in der für das hiesige Verfahren maßgeblichen Fassung ab 01. Januar 2019 (KiTaGS).

Die Höhe der monatlich zu entrichtenden Gebühr wird ausweislich des § 2 Abs. 4 KiTaGS prozentual von dem sich nach § 2 Abs. 2 KiTaGS ergebenden Einkommen festgesetzt, und zwar für einen Zweidrittelplatz in Höhe von 8,94 Prozent. Als Mindestgebühr wird für einen Zweidrittelplatz ausweislich der Satzung 119,- Euro festgelegt. Die Höchstgebühr wird auf der Basis von 80 Prozent der besonderen Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) gem. § 6 Abs. 7 SGB V eines jeden Jahres festgelegt. Bei Änderung der JAEG erfolgt jeweils eine Anpassung der KiTa-Gebühren zum 01. Januar des Folgejahres. Ausweislich der Anpassungstabelle der KiTa-Gebühren-Obergrenzen ab dem 01. Januar 2019 fällt für einen Zweidrittelplatz eine monatliche Höchstgebühr von 324,- Euro an. Hinsichtlich des zugrunde zu legenden Einkommens bestimmt § 2 Abs. 2 KiTaGS, dass zum Gesamteinkommen i.S.d. Satzung alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert ohne Rücksicht darauf gehören, ob sie als Einkünfte i.S.d. Einkommenssteuergesetzes steuerpflichtig sind oder nicht. Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz gilt nicht als Einkommen i.S.d. Satzung. Von diesem danach ermittelten Einkommen sind folgende Beträge abzusetzen: auf das Einkommen entrichtete Steuern, 300 Euro Eigenbehalt auf das Elterngeld, Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung oder entsprechende Beiträge zu einer privaten Versicherung sowie Unterhaltsleistungen an Familienangehörige aufgrund gesetzlicher Verpflichtung.

Mit Bescheid vom 19. November 2018 setzte die Beklagte zunächst ab dem 16. Oktober 2018 Gebühren für den Ganztagsplatz von J. in Höhe von monatlich 290,- Euro fest.

In der Folge beantragten die Kläger eine Gebührenanpassung wegen einer Verringerung ihres Jahreseinkommens um mindestens 10 Prozent.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2018 setzte die Beklagte rückwirkend zum 16. Oktober 2018 die Betreuungsgebühr neu fest und erhob monatlich 133,- Euro für den Ganztagsplatz. In dem Bescheid führte die Beklagte aus, dass sich seit der letzten Berechnung vom 19. November 2018 das zu berücksichtigende Gesamteinkommen von 3.528,38 Euro auf nunmehr 1.689,97 Euro und damit um 52,11 Prozent verringert habe.

Mit Bescheid vom 06. März 2019 setzte die Beklagte ab dem 01. Januar 2019 unter Berücksichtigung der nunmehr geltenden Fassung der KiTaGS Gebühren für die 2/3-Tagesbetreuung von J. i.H.v. monatlich 255,- Euro unter Berücksichtigung von 15,- Euro Geschwisterermäßigung fest, zuzüglich 12,50 Euro Frühstücks-/Getränkegeld sowie 62,50 Euro für das KiTa-Mittagessen

In der Folge beantragten die Kläger mehrfach eine Gebührenanpassung wegen einer Verringerung ihres Jahreseinkommens um mindestens 10 Prozent.

Nachdem die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 20. Mai 2019 eine Gebührenanpassung unter Hinweis auf eine Einkommenserhöhung abgelehnt hatte, setzte sie mit streitgegenständlichem Bescheid vom 02. Oktober 2019 ab dem 01. September 2019 die Gebühren für die 2/3-Tagesbetreuung von J. wegen einer Einkommensverringerung der Kläger neu fest. Demnach wurden Gebühren für einen 2/3-Platz i.H.v. monatlich 169,- Euro unter Berücksichtigung von 15,- Euro Geschwisterermäßigung erhoben nebst 12,50 Euro Frühstücks-/Getränkegeld sowie 62,50 Euro für das KiTa-Mittagessen. Die Beklagte führte in dem Bescheid aus, dass sich das zu berücksichtigende Jahres-Gesamteinkommen seit der letzten Berechnung vom 06. März 2019 von damals 46.318,10 Euro auf nunmehr 24.774,96 Euro reduziert habe. Dies sei eine Verringerung von 46,51 Prozent, sodass eine Neufestsetzung erfolge. Hierbei wurden die folgenden Einkommensnachweise berücksichtigt: Die Klägerin zu 2. bezog seit dem 05. November 2018 ein Krankengeld i.H.v. monatlich 1.847,40 Euro. Der Kläger zu 1. bezog für den Zeitraum vom 18. Februar 2019 bis zum 30. September 2019 Krankengeld i.H.v. 1.686,60 Euro. Seit dem 01. Oktober 2019 erhielt der Kläger zu 1. für sich und die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen (Klägerin zu 2. und beide Kinder) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i.H.v. monatlich 217,18 Euro. Für den streitgegenständlichen Zeitraum ab 01. September 2019 wurde daher für die Klägerin zu 2. ein Jahreseinkommen i.H.v. 22.168,80 Euro und für den Kläger zu 1. ein Jahreseinkommen i.H.v. 2.606,16 Euro zugrunde gelegt.

Gegen diesen Bescheid haben die Kläger am 04. November 2019 Klage erhoben. Zur Begründung führen sie an, dass sie ausweislich des Bescheids des Jobcenters Wolfenbüttel seit Oktober 2019 unter der Bedarfsgrenze liegen würden. Danach betrage der monatliche Gesamtbedarf der Kläger 2.414,- Euro, das Einkommen liege jedoch lediglich bei 2.196,82 Euro. Dementsprechend sei den Klägern eine monatliche Leistung in Höhe von 217,18 Euro bewilligt worden. Ihr Vermieter sei in dem Jobcenter-Bescheid als Zahlungsempfänger eingetragen, sodass diese Leistung den Klägern nicht als geldwerte Einkunft i.S.d. Gebührensatzung zur Verfügung stehe. Die Beklagte habe dennoch diese Sozialleistung als Einkommen für die Gebührenberechnung zugrunde gelegt. Außerdem lege § 2 Abs. 4 KiTaGS für einen 2/3-Platz eine Höchstgebühr von 119,- Euro monatlich fest. Der angefochtene Bescheid setze jedoch monatliche Gebühren i.H.v. 169,- Euro fest und sei daher fehlerhaft. Auch sei der Bescheid nicht hinreichend bestimmt. Denn die Beitragsrechnung selbst sei nicht nachvollziehbar, da 8,94 Prozent (vgl. § 2 Abs. 4 KiTaGS) von dem durch 12 dividierten Jahreseinkommen nicht die Gebühr i.H.v. 169,- Euro ergeben würden. Schließlich stelle die Erhebung der Gebühr eine unbillige Härte dar. Denn die Gebührenfestsetzung habe zur Folge, dass die Kläger erneut die Bedarfsgrenze unterschreiten. Die Gebühren könnten nicht höher sein als die empfangenen Sozialleistungen. Bei einem Einkommen unterhalb der Bedarfsgrenze dürfte die Beklagte gar keine Gebühren erheben. Außerdem würden die Kläger mit ihrer Klage veranlassen wollen, dass die Beklagte noch einmal die Berechnung der offenen Forderungen überprüfe und dabei auch die Ratenzahlungsvereinbarung berücksichtige.

Darüber hinaus meinen die Kläger, die KiTaGS sei nichtig. Nach der Ermächtigungsgrundlage der Satzung (§ 90 Abs. 3 SGB VIII) sei eine Beitragsstaffelung vorzunehmen. Die KiTaGS orientiere sich jedoch ausschließlich an einem vom Hundertsatz eines definierten Einkommens. Auch sei der Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verletzt. Mit der Normierung eines vom Hundertsatz des Einkommens unter gleichzeitiger Festlegung eines Mindestbetrages würden insbesondere einkommensschwächere Gruppen erheblich stärker belastet als einkommensstärkere Gruppen. Schließlich sei nicht überprüfbar, ob die Satzung gegen das bundesrechtliche Äquivalenzprinzip verstoße. Bei der Beitragsfestsetzung seien Zuwendungen des Landes Niedersachsen auf Grundlage der jeweils gültigen Förderrichtlinien anzurechnen. Die für eine solche Prüfung erforderliche genaue Kalkulation der ihr in der Kindertagespflege entstehenden Kosten und der von ihr vereinnahmten Zuschüsse und Fördermittel des Landes Niedersachsen habe die Beklagte bisher nicht vorgelegt. Die absolute Beitragshöhe liefere ein Indiz für eine Verletzung des Äquivalenzprinzips.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid vom 02. Oktober 2019 aufzuheben, soweit ein die Mindestgebühr von 119,- Euro übersteigender Betrag festgesetzt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt an, dass eine Gebührenanpassung nach § 2 Abs. 10 KiTaGS vorzunehmen sei, sobald sich das Einkommen um mindestens 10 Prozent verringere. Nach § 2 Abs. 2 KiTaGS richte sich die Gebühr nach dem monatlichen Gesamteinkommen aller zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder. Die Berechnung des Einkommens sei in § 93 SGB VIII geregelt und die dort enthaltenen Vorgaben in § 2 KiTaGS aufgenommen. Der in den Sozialleistungen der Kläger enthaltene Mietanteil stelle eine geldwerte Leistung dar, die als Einkommen den Klägern zuzurechnen sei. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass diese Mietleistung direkt dem Vermieter überwiesen werde. Die in § 2 Abs. 4 KiTaGS genannte Gebühr i.H.v. 119,- Euro sei eine Mindestgebühr. Die Höchstgebühr bemesse sich ausweislich der Satzung auf Basis von 80 Prozent der besonderen Jahresarbeitsentgeltgrenze gem. § 6 Abs. 7 SGB V. Der Höchstsatz für einen 2/3-Platz betrage derzeit 360,- Euro monatlich. Bei der von den Klägern angeführten Berechnung (8,94 Prozent vom durch 12 dividierten Jahreseinkommen) sei gem. § 2 Abs. 5 KiTaGS ein Geschwisterrabatt i.H.v. 15,- Euro abzuziehen. Hinsichtlich der von den Klägern angeführten unbilligen Härte hätten die Kläger die Möglichkeit über das Bildungspaket „Bildung und Teilhabe“ eine Kostenübernahme der Gebühren zu erreichen. Im Falle der Kläger sei eine solche Antragstellung beim Landkreis Wolfenbüttel möglich. Bezüglich der Rückstände bei den bereits angefallenen Gebühren habe es eine Ratenzahlungsvereinbarung zwischen den Klägern und der Beklagten gegeben, um die Rückstände regelmäßig und stetig abzubauen. Im Hinblick auf die klägerische Rüge einer fehlenden Beitragsstaffelung führt die Beklagte an, dass sich die Gebührenstaffelung nach dem in Anspruch genommenen Betreuungsangebot richte. Für einen 2/3-Platz seien 8,94 Prozent des Einkommens und für einen Ganztagsplatz 9,62 Prozent des Einkommens zu entrichten. Außerdem gebe es sowohl eine Mindest- als auch eine Höchstgebühr. Dies berücksichtige die Vorgaben des § 90 Abs. 3 SGB VIII, der für die Gebührenerhebung ein soziales Kriterium fordere, wonach der Beitrag nicht für alle Kinder gleich angesetzt werden könne, sondern vielmehr die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern zu berücksichtigen habe. Die nunmehr beschlossene Beitragsordnung sei nach intensivem Austausch mit den Elternvertretern durch die politischen Gremien ausdrücklich befürwortet worden, da diese Beitragsstruktur als gerechteste Zuordnung der Gebühren empfunden worden sei. Damit sei unter Vermeidung von willkürlichen Regelungen die Gestaltungsfreiheit der Gemeinde als Satzungsgeberin ausgeschöpft und bei der Verfahrensweise der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden. Schließlich hätten Eltern mit einem geringen Jahreseinkommen Anspruch auf staatliche Förderung aus dem Bildungspaket „Bildung und Teilhabe“. Auch sei das Äquivalenzprinzip nicht verletzt. Die festgelegte Höchstgebühr werde auf Grundlage von 80 Prozent der Jahresarbeitsentgeltgrenze berechnet und liege darüber hinaus noch unter den tatsächlich entstehenden Kosten für einen Krippenplatz. Eine Kostenkalkulation werde den politischen Gremien auf Basis einer Kosten- und Leistungsrechnung in öffentlich zugänglichen Vorlagen bekanntgegeben. Im Durchschnitt betrage der Kostendeckungsgrad 80,26 Prozent, die Deckung durch Elternbeiträge betrage lediglich 16,16 Prozent. Im Vergleich mit den Gebühren anderer KiTas im Kreisgebiet stelle der Mindestbeitrag keine ungebührliche Mehrbelastung dar.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2020 hat der Landkreis Wolfenbüttel - Jugendamt - gegenüber den Klägern die Gebührenübernahme ab dem 01. Oktober 2019 i.H.v. 119,- Euro bewilligt.

Mit Bescheid vom 19. Juni 2020 hat die Beklagte die Gebühren für die 2/3-Tagesbetreuung von J. ab dem 01. Juni 2020 wegen einer Einkommensverringerung der Kläger neu festgesetzt, nämlich auf monatlich 119,- Euro nebst 12,50 Euro Frühstücks-/Getränkegeld sowie 62,50 Euro für das KiTa-Mittagessen. Die Beklagte hat in dem Bescheid ausgeführt, dass sich das zu berücksichtigende Gesamteinkommen seit der letzten Berechnung vom 02. Oktober 2019 von damals 24.774,96 Euro auf nunmehr 16.466,16 Euro reduziert habe. Dies sei eine Verringerung von 33,54 Prozent, sodass eine Neufestsetzung erfolge. Zum Hintergrund führte die Beklagte im hiesigen Verfahren aus, der Prozessbevollmächtigte der Kläger habe mit Fax vom 17. Juni 2020 mitgeteilt, dass die Klägerin zu 2. seit dem 13. März 2020 ALG I beziehe. Dies sei vorher nicht bekannt gewesen. Entsprechend § 2 Abs. 10 letzter Satz KiTaGS sei eine Neuberechnung mit Wirkung ab dem 01. Juni 2020 erfolgt.

Hinsichtlich der Reduzierung der Gebühren auf 119,- Euro monatlich ab Juni 2020 haben die Beteiligten das Verfahren für die Monate Juni, Juli und August 2020 für erledigt erklärt. Ab September 2020 hat J. das 3. Lebensjahr vollendet und besucht seitdem die Kindertagesstätte gebührenfrei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe

Nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten hinsichtlich der Zeiträume Juni, Juli und August 2020 ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

Im Übrigen ist die zulässige Klage nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 02. Oktober 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Beklagte hat die Kläger zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid zu den streitigen Kindergartengebühren herangezogen. Die Rechtsgrundlagen dafür finden sich in § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII i. V. m. § 20 des Niedersächsischen Gesetztes über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG), § 10 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) und der Satzung der Gemeinde Cremlingen über die Erhebung von Gebühren für Kindertagesstätten vom 18. Dezember 2018 (nachfolgend: KiTaGS).

Die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Gebührensatzung (KiTaGS) ist formell und materiell wirksam.

Die Beklagte war nach § 10 NKomVG ermächtigt, eine Satzung über Kindergartengebühren zu erlassen. Für die Wirksamkeit der Satzung ist unerheblich, dass die Beklagte in der Präambel dieser Satzung unter anderem und fälschlicherweise auf § 5 NKAG Bezug genommen hat. Denn eine Präambel entfaltet keine eigene Rechtswirkung, sodass eine falsche Bezeichnung der Ermächtigungsgrundlage an dieser Stelle auch nicht zur Unwirksamkeit der Satzung führen kann. Maßgeblich ist allein, dass es eine Ermächtigung zum Erlass einer Kindergartengebührensatzung gibt.

Sonstige Wirksamkeitsbedenken wurden weder von den Klägern vorgetragen noch sind sie ersichtlich.

Die bei der Gebührenfestsetzung anzuwendenden Regelungen der KiTaGS einschließlich der in der Anlage 1 niedergelegten Höchstgebühren sind auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Sie stehen insbesondere mit höherem Recht wie den Anforderungen des Grundgesetzes, des SGB VIII und dem KiTaG im Einklang.

Die von den Klägern gerügte fehlende nachvollziehbare Kalkulation der Gebühren führt nicht zur Unwirksamkeit der Satzung. § 5 NKAG, der die Kriterien für eine ordnungsgemäße Kalkulation von Gebühren für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen regelt, findet hier keine Anwendung. Bei Kindertagesstättengebühren - Kostenbeiträgen nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII - handelt es sich um öffentlich-rechtliche Gebühren eigener Art und nicht um kommunale Abgaben (vergleiche Beschlüsse des Niedersächsischen OVG vom 21.6.2013, 4 LA 98/12 und vom 29.9.2019, 4 LB 149/13 - juris). Sie unterscheiden sich von Benutzungsgebühren nach dem NKAG schon dadurch, dass ihnen das gebührentypische Kostendeckungsprinzip im Sinne einer angestrebten vollständigen Deckung der Betriebskosten und der gebührentypische Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit nicht immanent ist. Regelmäßig decken diese Kostenbeiträge lediglich einen Bruchteil der Betriebskosten von Tageseinrichtungen und Kindertagespflege, während der überwiegende Teil der Betriebskosten von öffentlichen Kassen, insbesondere vom Land, getragen wird. Zum anderen werden Kostenbeiträge nicht als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen erhoben, weil bei der Kindertagespflege eine öffentliche Einrichtung als Zusammenfassung persönlicher Kräfte und sachlicher Mittel in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung zur dauernden Wahrnehmung bestimmter Aufgaben der öffentlichen Verwaltung nicht besteht. Daher setzt die Erhebung der hier in Rede stehenden Kostenbeiträge entgegen der Annahme der Kläger keine Kalkulation nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unter Zugrundelegung eines bestimmten Kalkulationszeitraums voraus, wie es in § 5 Abs. 2 NKAG für die Berechnung von Benutzungsgebühren vorgeschrieben ist. Die Kammer ist aufgrund der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge und der weiteren im laufenden Verfahren vorgelegten Unterlagen davon überzeugt, dass dem Rat für die Beschlussfassung ausreichende Informationen zu den Kosten der Kindertageseinrichtungen in der Gemeinde vorgelegen haben und mithin das ihm zustehende Ermessen ausgeübt werden konnte. Die Beklagte hat im hiesigen Verfahren unwidersprochen vorgetragen, eine Kostenkalkulation werde den politischen Gremien auf Basis einer Kosten- und Leistungsrechnung in öffentlich zugänglichen Vorlagen bekanntgegeben. Im Durchschnitt betrage der Kostendeckungsgrad 80,26 Prozent, die Deckung durch Elternbeiträge betrage lediglich 16,16 Prozent. Eine Verletzung des Äquivalenzprinzips scheidet vor diesem Hintergrund aus.

Die Regelungen über die Erhebung von Kostenbeiträgen in der neuen KiTaGS verstoßen auch nicht gegen den sich aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz ergebenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit, der bei der Erhebung von Kostenbeiträgen nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII zu beachten ist (OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.6.2013, 4 LA 98/12 - juris).

Die vom Bundesgesetzgeber durch die in § 90 SGB VIII vorgeschriebene Einkommensstaffelung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kostenbeitragspflichtigen und der Anzahl der Kinder gewollte Ungleichbehandlung steht mit höherrangigem Recht im Einklang (BVerfG, Beschluss vom 10.3.1998, 1 BvR 178/97, BVerfGE 97, 332 - juris). Die ungleiche Behandlung wird durch hinreichend gewichtige sachliche Gründe, insbesondere die Chancengleichheit in Bezug auf die Lebens- und Bildungsmöglichkeiten der Kinder, gerechtfertigt. Kindergärten sind unverzichtbar, um die Chancengleichheit der Kinder in Bezug auf die Lebens- und Bildungsmöglichkeiten herzustellen; zudem werden mit ihrer Einrichtung wichtige grundrechtliche Schutz- und Förderpflichten erfüllt. Kindergartenplätze dürfen daher auch Kindern einkommensschwächerer Eltern nicht vorenthalten werden. Diesen Anforderungen kann durch sozial gestaffelte Tarife genügt werden, die nicht zulasten der übrigen Benutzer gehen dürfen. Der Grundsatz der Abgabengerechtigkeit ist bei einer Kostenbeitragsstaffelung nach dem Einkommen der Kostenbeitragspflichtigen jedenfalls dann gewahrt, wenn auch der höchste Kostenbeitrag die anteilsmäßigen rechnerischen Kosten der Leistung des Jugendhilfeträgers nicht übersteigt, da dann allen Kostenbeitragspflichtigen im Ergebnis ein vermögenswerter Vorteil zugewendet wird und auch die Kostenbeitragspflichtigen, die den höchsten Kostenbeitrag zahlen, weder zusätzlich und voraussetzungslos zur Finanzierung allgemeiner Lasten noch zur Entlastung sozial schwächerer Kostenbeitragspflichtiger herangezogen werden (s. BVerfG, Beschluss vom 10.3.1998, a.a.O.).

Der in der Anlage zur KiTaGS (in der hier maßgeblichen Fassung) festgesetzte höchste Kostenbeitrag beträgt für einen Zweidrittelplatz 324,- Euro. Angesichts des unstreitigen Vortrags der Beklagten, im Durchschnitt betrage der Kostendeckungsgrad 80,26 Prozent, die Deckung durch Elternbeiträge betrage lediglich 16,16 Prozent, ist nicht davon auszugehen, dass dieser Höchstbetrag die Kosten der Leistungen des Jugendhilfeträgers übersteigt. Die Subventionierung der niedrigen Einkommensgruppen dient allein dem zulässigen Zweck, allen Kindern ähnliche Chancen durch ähnliche Lebens- und Bildungsmöglichkeiten zu gewähren.

Es bestehen auch keine rechtlichen Bedenken, die KiTa-Beiträge nach Prozentsätzen vom jeweiligen Einkommen zu berechnen, da auch hierdurch – entgegen der Ansicht der Kläger – eine Beitragsstaffelung nach Einkommen erreicht wird. Die vergleichbare Belastung der Familien durch gleichlautende Prozentsätze ist hierdurch sichergestellt.

Auch gegen die Einführung eines Mindestbeitrags i.H.v. 119,- Euro ist nichts zu erinnern. Denn die einkommensschwachen Familien, die diesen Betrag nicht leisten können, haben die Möglichkeit, beim zuständigen Jugendamt die Kostenübernahme zu beantragen. Dies haben auch die Kläger erfolgreich getan. Soweit die Kläger anführen, sie seien gegenüber den höheren Einkommensstufen benachteiligt, weil sie nicht von der Deckelung der Beitragssätze profitieren könnten, bleibt offen, weshalb dies eine Benachteiligung darstellen sollte. Denn mangels entsprechender Einkommen müssen die Kläger schon gar nicht die Höchstgebühr bezahlen, sondern vielmehr einen vergleichbaren Betrag vom Hundertsatz ihres verfügbaren Einkommens bzw. die Mindestgebühr mit der Möglichkeit, die vollständige Kostenübernahme zu beantragen. Insofern erhalten auch die einkommensschwächeren Familien eine vergleichbare Entlastung.

Im Übrigen steigt der Kostenbeitrag nach der KiTaGS parallel zum ansteigenden Einkommen linear an und nicht etwa grob ungleichmäßig oder in Sprüngen, wie etwa in dem vom OVG Lüneburg am 15.9.1997 (Az.: 9 L 4663/95 - juris) entschiedenen Verfahren, wo sich ab der obersten Einkommensstufe die Gebühren gegenüber der vorherigen Einkommensstufe in unzulässiger Weise plötzlich verdoppelt hatten.

Schließlich erhalten alle, auch die Höchstbeitragspflichtigen, Geschwisterkinderermäßigungen. Gem. § 2 Abs. 5 KiTaGS wird für weitere im Haushalt lebende Geschwisterkinder jedem gebührenpflichtigen KiTa-Kind eine monatliche Pauschalermäßigung gewährt, nämlich 15,- Euro für das 2. Kind im Haushalt, 10,- Euro für das 3. Kind im Haushalt und jeweils 5,- Euro für das 4. und jedes weitere Kind. Zusätzlich wird gem. § 2 Abs. 6 KiTaGS für Geschwisterkinder unter drei Jahren, die gleichzeitig eine Kindertagesstätte in der Gemeinde Cremlingen besuchen, die Gebühr für das zweite Kind um 25 % ermäßigt, für das dritte Kind um 50 % und für das vierte Kind um 75 % ermäßigt. Ab dem fünften Kind werden keine Gebühren mehr erhoben, vgl. § 2 Abs. 6 KiTaGS.

Es liegt nach alledem keine Überfinanzierung zulasten der Höchstbeitragspflichtigen und auch keine Verletzung des Grundsatzes der Abgabengerechtigkeit oder des Äquivalenzprinzips vor.

Der angefochtene Bescheid vom 02. Oktober 2019 selbst verstößt nicht gegen formelles und materielles Recht und wendet die Regelungen der KiTaGS in nicht zu beanstandender Art und Weise zutreffend an. Die Beklagte hat die von den Klägern geschuldeten Kindertagesstättengebühren in zutreffender Anwendung der Regelungen ihrer KiTaGS rechnerisch richtig ermittelt und zutreffend festgesetzt. Insbesondere verfängt der Einwand der Kläger nicht, die Satzung setze eine Höchstgebühr von 119,- Euro fest. Dieser Betrag stellt die Mindestgebühr dar, die Höchstgebühr ist in der Anlage geregelt und wird auf der Basis von 80 Prozent der besonderen Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) gem. § 6 Abs. 7 SGB V eines jeden Jahres festgelegt.

Entgegen der Auffassung der Kläger sind auch die von dem Kläger zu 1. bezogenen SGB II-Leistungen in Höhe von hochgerechnet 2.606,16 Euro für das Jahr 2019 zu berücksichtigen.

Ausweislich § 2 Abs. 2 KiTaGS gehören zum Gesamteinkommen i.S.d. Satzung alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert ohne Rücksicht darauf, ob sie als Einkünfte i.S.d. Einkommenssteuergesetzes steuerpflichtig sind oder nicht. Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz gilt nicht als Einkommen i.S.d. Satzung. Von diesem danach ermittelten Einkommen sind folgende Beträge abzusetzen: auf das Einkommen entrichtete Steuern, 300 Euro Eigenbehalt auf das Elterngeld, Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung oder entsprechende Beiträge zu einer privaten Versicherung sowie Unterhaltsleistungen an Familienangehörige aufgrund gesetzlicher Verpflichtung.

Die hier gewährten Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) beruhen auf §§ 19, 20 ff. SGB II. Es handelt sich um die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Gewährt wird dabei der Regelbedarf, etwaiger Mehrbedarf und Bedarf für Unterkunft und Heizung. Zweckbestimmung des Arbeitslosengeldes II ist damit die Deckung des Lebensunterhalts (VG Münster, U. v. 25.09.2014 – 3 K 3546/13 –, juris Rn. 20 – 21 unter Verweis auf OVG NRW, U. v. 19.08.2008 -12 A 2866/ 07- juris). Aufgrund des weiten Einkommensbegriffs der Satzung ist auch das Arbeitslosengeld II als Einkunft in Geld oder Geldeswert anzusehen. Es ist dabei – wie die Beklagte richtigerweise angeführt hat – ohne Belang, dass ein Teil-Betrag direkt dem Vermieter der Kläger überwiesen wird. Dadurch wird die Einstufung als geldwerte Einkunft nicht berührt.

Da ein entsprechender Antrag auf Neuberechnung am 17. September 2019 gestellt worden ist, hat die Beklagte entsprechend § 2 Abs. 10 S. 3 KiTaGS in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Kindergartengebühr ab dem 01. September 2019 neu festgesetzt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wird der bestandskräftige Bescheid vom 06. März 2019, mit dem die KiTaGebühren für das ganze Jahr 2019 rechtmäßig festgesetzt worden waren, in zulässiger Weise nach dem aufgrund § 11 Abs. 1 Nr. 3 b NKAG anwendbaren § 131 Abs. 1 AO (gleicher Wortlaut wie § 49 Abs. 1 VwVfG) widerrufen und nachfolgend die Kindergartengebühren für die Zeit ab dem 01. September 2019 neu festgesetzt. Bei einem Kindergartengebührenbescheid handelt es sich jedenfalls um einen belastenden Bescheid, da mit ihm eine Gebührenpflicht für den Besuch einer Kindertagesstätte festgesetzt wird. Ein rechtmäßiger belastender Verwaltungsakt darf nach § 131 Abs. 1 AO, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn er mit gleichem Inhalt erneut erlassen werden müsste. Hier rechtfertigt die veränderte Einkommenslage der Kläger eine Gebührenanpassung entsprechend § 2 Abs. 11 KiTaGS den Widerruf des bestandskräftigen Bescheids, dessen Regelung der geänderten Sachlage nicht mehr gerecht wird. Selbst wenn man den Kindergartengebührenbescheid als zumindest auch begünstigenden Verwaltungsakt ansehen würde, wäre der Widerruf aufgrund der geänderten Vermögenslage nach § 131 Abs. 2 Nr. 3 AO (bzw. § 49 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwVfG) zulässig.

Als Unterlegene haben die Kläger gemäß §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 S. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Daher war auch keine Kostenquote hinsichtlich des für erledigt erklärten Verfahrensteils zu bilden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

Da die Kläger die Satzung insgesamt anfechten und damit anstreben, keine Gebühren zu zahlen, ist der Streitwert auf 169,- Euro multipliziert mit 9 (Monate(n) September 2019 bis Mai 2020) = 1.521,- Euro festzusetzen.