Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 28.02.2007, Az.: 5 A 685/05
Feststellung der Rechtmäßigkeit eines Schlagstockeinsatzes im Rahmen der Auflösung einer Versammlung; Rechtmäßigkeit einer Räumungsanordnung betreffend eine Sitzblockade; Voraussetzungen des Vorliegens einer Klageänderung; Bestehen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses unter den Gesichtspunkten der Wiederholungsgefahr und des Rehabilitationsinteresses; Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage neben einem eingeleiteten Strafverfahren; Begriff der Versammlung i.S.d. grundgesetzlich geschützten Versammlungsfreiheit; Anwendbarkeit des Versammlungsgesetzes im Fall einer unfriedlichen Zusammenkunft zur Meinungsäußerung; Schutz von Gegendemonstrationen durch Art. 8 GG; Einordnung einer Sitzblockade als Versammlung; Politische Meinungsäußerung bei Fehlen von Transparenten und Plakaten; Versammlungsrechtlicher Schutz bis zu einer wirksamen Auflösung; Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes (VersG); Begriff der Auflösung; Aufforderung zur Räumung als die Versammlung räumlich beschränkende und verschiebende Verfügung; Unbedingtes "Erstanmelderprivileg"
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 28.02.2007
- Aktenzeichen
- 5 A 685/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 15956
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2007:0228.5A685.05.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 8 GG
- § 15 VersG
- § 15 Abs. 3 VersG
- § 35 S. 2 Var. 1 VwVfG
- § 43 Abs. 2 VwVfG
- § 1 Abs. 1 VwVfG,NI
- § 40 Abs. 1 VwGO
- § 113 Abs. 1 S. 1 u. 4 VwGO
Verfahrensgegenstand
Polizeirecht
hier: Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Eine Sitzblockade unterfällt dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG.
- 2.
Für die Begrenzung des Schutzbereiches der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG ist allein der verfassungsrechtliche Begriff maßgebend, nicht der umfassende Gewaltbegriff des § 240 StGB.
- 3.
Erst nach Auflösung eier Versammlung nach § 15 Abs. 3 VersG kommen Maßnahmen nach dem allgemeinen Polizeirecht in Betracht.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 5. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2007
durch
die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Schlingmann-Wendenburg,
die Richterin am Verwaltungsgericht Düfer,
den Richter Röllig sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Räumung der Sitzblockade im Rahmen der Proteste gegen den NPD Aufmarsch am 18.06.2005 in Braunschweig im Kreuzungsbereich Lange Straße / Küchenstraße einschließlich der sich daran anschließenden Vollstreckungsmaßnahmen rechtswidrig war.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Räumung einer Sitzblockade durch die Polizei rechtswidrig war.
Anlässlich eines Demonstrationszuges der NPD, der am 18.06.2005 durch die Braunschweiger Innenstadt zog, kam es zu Protesten durch Gegner der NPD. Der Umzug der NPD war im Januar bei der Stadt Braunschweig angemeldet worden. Gegen die von der Stadt Braunschweig am 23.05.2005 erlassene, sofort vollziehbare Auflagenverfügung, die unter anderem eine Umzugstrecke südöstlich der Innenstadt festlegte, hatte die NPD vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragt (Az. 5 B 414/05). Dem Antrag war weitgehend stattgeben worden; das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hatte den Beschluss bestätigt (Az. 11 ME 170/05). Eine für den 18.06.2005 angemeldete Gegendemonstration, die unter dem Motto stand, "Kein Naziaufmarsch in Braunschweig und auch nicht anderswo", war aufgrund des Auflagenbescheides der Stadt Braunschweig vom 09.06.2005, den das Verwaltungsgericht Braunschweig mit Beschluss vom 17.06.2005 bestätigt hatte (Az. 5 B 437/05), auf den Bereich südlich der Innenstadt beschränkt, um ein Aufeinandertreffen mit dem NPD-Umzug zu verhindern. Diese Versammlung löste sich um ca. 13:45 Uhr auf. Im Bereich der gesamten Innenstadt hielten sich zahlreiche Gegendemonstranten auf. Der NPD-Umzug wurde an mehren Stellen durch Sitzblockaden aufgehalten.
Kurz vor und auf der Kreuzung Langestraße / Küchenstraße und Alte Waage kam es ab ca. 14:15 Uhr auf der südlichen Fahrbahn der Langen Straße zu einer Blockade der Aufzugsstrecke des NPD-Umzuges durch 500 bis 700 Personen, die in den ersten Reihen größtenteils saßen. Die Fahrbahn ist auf der einen Seite durch eine Straßenbahntrasse und auf der anderen Seite durch eine Häuserfront begrenzt. Die Teilnehmer der Sitzblockade riefen folgende Sprechchöre: "Ihr könnt nach Hause fahren"; "Wir sind friedlich, was seid ihr? "Nazis raus". Ein Teilnehmer schwenkte eine im unteren Bereich rote und im oberen Bereich schwarze rechteckige Fahne.
Ungefähr 30 Meter entfernt von der ersten Reihe der Sitzblockade sammelten sich sowohl auf der nördlichen als auch auf der südlichen Fahrbahn der Langen Straße Einsatzkräfte der Polizei. Ein Wasserwerfer wurde in Sichtweite positioniert. Die Sitzblockade verlegte ihre ursprünglichen Position etwas weiter in Richtung der Polizeikräfte in den dort teilweise vorhandenen Schatten der Häuserfront. Um 14:47 Uhr gab die Polizei über Lautsprecher folgende Durchsage bekannt: "Achtung, Achtung, es folgt eine Durchsage der Polizei. Durch die Blockade der Kreuzung Küchenstraße / Alte Waage begehen sie Straftaten und gefährden in erheblichem Maße die öffentliche Sicherheit. Beenden sie sofort ihr Tun und entfernen sie sich im Verlauf der Küchenstraße. Sollten sie dieser Aufforderung nicht unverzüglich Folge leisten, wird die Polizei Zwangsmittel gegen sie einsetzen. Ende der ersten Durchsage." Die zweite Durchsage lautete: "Achtung, Achtung es erfolgt eine erneute Durchsage der Polizei. Diese Durchsage richtet sich an die Personengruppe in der Ansammlung Küchenstraße / Alte Waage. Ihr Verhalten ist rechtswidrig. Beenden sie unverzüglich ihr Verhalten und entfernen sie sich in Richtung Fallerslebener Straße. Sollten sie dieser Aufforderung nicht Folge leisten, wird die Polizei unmittelbaren Zwang in Form der körperlichen Gewalt und gegebenenfalls des Schlagstockes und des Wasserwerfers gegen sie einsetzen. Es ist 14 Uhr und 50 Minuten. Ende der zweiten Durchsage." Darauf folgte die letzte Durchsage: " Achtung, Achtung, es erfolgt die dritte und letzte Durchsage der Polizei mit der Aufforderung, den Bereich Küchenstraße / Alte Waage zu verlassen. Diese Durchsage richtet sich an die Personen der Ansammlung Küchenstraße / Alte Waage. Durch ihr Verhalten begehen sie Straftaten und gefährden in erheblichem Maße die öffentliche Sicherheit. Dadurch stören sie den ordnungsgemäßen Ablauf einer angemeldeten Versammlung. Entfernen sie sich unverzüglich in Richtung Fallerslebener Straße. Sollten sie dies nicht tun, wird die Polizei unmittelbaren Zwang in Form der körperlichen Gewalt und gegebenenfalls in Form des Schlagstocks und des Wasserwerfers gegen sie einsetzen. Es ist 14 Uhr und 52. Ende der dritten Durchsage."
Unmittelbar nach der dritten Aufforderung rückten die Polizeikräfte in einer Kette gegen die blockierenden Personen vor. Die Polizeikräfte zogen teilweise den Einsatzmehrzweckstock. Zumindest während der Räumung warfen Teilnehmer der Blockade Flaschen auf die Polizeikräfte. Ein Wasserwerfer wurde eingesetzt. Im Zuge der Räumung wurde die Blockade beendet. Teils standen die Sitzenden auf, teils drängten sie Polizeikräfte weg.
Der Kläger, der vorträgt, an der Blockade beteiligt gewesen zu sein, begab sich nach diesen Vorfällen in das Klinikum Braunschweig zu einer Notfallbehandlung. Dort wurde eine Prellmarke am linken Ellenbogen festgestellt. Am Abend des 18.06.2005 wollte er auf der Polizeiwache Mitte Anzeige erstatten, verzichtete jedoch auf Bitte des diensthabenden Beamten darauf und wurde von diesem gebeten, am nächsten Tag wiederzukommen. Am 10.08.202005 erstattete er schriftliche Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig stellte die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ein (Az. 701 Js 29557/05; 701 UJs 36226/05).
Der Kläger hat am 16.11.2005 Klage erhoben.
Er behauptet, an der Sitzblockade teilgenommen zu haben. Er habe ca. 7 Meter hinter der ersten Reihe gesessen, hinter ihm hätten sich auf einer Länge von weiteren 10 Metern noch weitere Sitzreihen befunden. Er sei während der Räumung am Ellbogen verletzt worden und habe dort Bewegungs- und Druckschmerz verspürt. Entweder habe ihn ein Schlagstock direkt getroffen oder im Zuge der durch die polizeilichen Maßnahmen entstandenen Panik seien fliehende Personen auf ihn gefallen. Die Polizeikräfte hätten mit dem Schlagstock auf sitzende Menschen geschlagen und seien weiterhin schlagend zwischen diese gestiegen, worauf eine Panik ausgebrochen sei und die fliehenden Personen auf die dahinter Sitzenden gefallen seien und auf diese getreten hätten. Von den Gegendemonstranten sei keine Gewalt ausgegangen. Zu Flaschenwürfen sei es erst nach dem Einsatz der Schlagstöcke und des Wasserwerfers gekommen.
Der Kläger ist der Ansicht, er habe ein Feststellungsinteresse, da eine Wiederholungsgefahr bezüglich seiner Teilnahme an künftigen gleichartigen Veranstaltungen gegeben sei und ein Rehabilitationsinteresse bestehe. Die Blockade sei eine durch Art. 8 GG geschützte Versammlung gewesen. Maßnahmen nach dem Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) hätten nicht getroffen werden dürfen, da die Versammlung nicht aufgelöst worden sei, insbesondere stelle die Aufforderung zur Räumung keine Auflösung der Versammlung da. Auch seien die getroffenen Maßnahmen nicht verhältnismäßig, da die milderen Mittel des Wegtragens der sitzenden Personen oder die Umleitung des NPD-Umzuges zur Verfügung gestanden hätten.
Der Kläger hat zunächst beantragt, die Rechtswidrigkeit des Schlagstockeinsatzes festzustellen.
Er beantragt nunmehr,
festzustellen, dass die Anordnung der Räumung der Sitzblockade im Rahmen der Proteste gegen den NPD Aufmarsch am 18.06.2005 in Braunschweig im Kreuzungsbereich Lange Straße / Küchenstraße einschließlich der sich daran anschließenden Vollstreckungsmaßnahmen rechtswidrig war,
sowie hilfsweise,
festzustellen, dass der Schlagstockeinsatz während der Räumung der Sitzblockade im Rahmen der Proteste gegen den NPD Aufmarsch am 18.06.2005 in Braunschweig im Kreuzungsbereich Lange Straße / Küchenstraße rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, von einzelnen Teilnehmern der Blockade seien noch vor dem Wasserwerfereinsatz Flaschen auf die vorrückenden Polizeikräfte geworfen worden. Es habe keinen Schlagstockeinsatz gegen die erste Sitzreihe gegeben. Mit dem Einsatzmehrzweckstock sei nicht geschlagen worden, dieser sei nur in einer Kreiselbewegung um den Quergriff herum geschwungen worden. Hierbei handele es sich lediglich um eine distanzerzeugende Abwehrmaßnahme. Bei möglichen späteren Schlägen einzelner Polizeikräfte handele es sich um Abwehrmaßnahmen gegen vermummte Störer und Gefangenenbefreiungen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig. Der Verwaltungsrechtsweg sei nicht gegeben, weil das polizeiliche Handeln bereits Gegenstand eines eingestellten staatsanwaltschaftlichen Verfahrens gewesen sei und es sonst zu einer doppelten gerichtlichen Überprüfung des polizeilichen Handelns käme. Es bestehe auch kein Feststellungsinteresse, da eine Rehabilitierungsmöglichkeit für den Kläger in einem Strafverfahren bestehe. Weiterhin sei der Kläger nicht beschwert durch die polizeiliche Maßnahme. Er habe nicht nachgewiesen, durch die Räumung betroffen gewesen zu sein, da seine Teilnahme an der Sitzblockade bestritten werde. Es handele sich vielmehr um eine Popularklage. Die Klage sei auch unbegründet. Die Blockade sei keine durch Art. 8 GG geschützte Versammlung gewesen, eine vorherige Auflösung sei nicht nötig gewesen. Es habe sich um eine bloße Ansammlung von Störern gehandelt. Hilfsweise genüge der Wortlaut der Durchsage auch den Anforderungen an eine Auflösungsverfügung.
Das Gericht hat darüber, ob der Kläger an der Sitzblockade teilgenommen hat, Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung von Zeugen, die angegeben haben, selbst an der Sitzblockade teilgenommen oder sie aus unmittelbarer Nähe beobachtet zu haben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2007 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Staatsanwaltschaft Braunschweig verwiesen. Diese Unterlagen sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe
1.)
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.
Der Entscheidung war der vom Kläger zuletzt gestellte Antrag zugrunde zu legen, die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Räumung einschließlich der sich anschließenden Vollstreckungsmaßnahmen festzustellen. Dies ist im Rahmen der Auslegung bzw. Umdeutung dem ursprünglich gestellten Antrag auf Feststellung der Rechwidrigkeit des Schlagstockeinsatzes, der hilfsweise aufrechterhalten wird, zu entnehmen. Der ursprüngliche Antrag ist so auszulegen, dass mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schlagstockeinsatzes zugleich die Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorausgehenden Räumungsanordnung verbunden sein sollte, denn dessen Begründung bezog sich bereits auf die Rechtswidrigkeit der Räumungsanordnung als vorausgehende Grundverfügung (vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., § 20 II Rn 12; Schenke/Baumeister, Probleme des Rechtsschutzes bei der Vollstreckung von Verwaltungsakten, NVwZ 1993, 1 (8)). Eine Verknüpfung liegt auch nahe, weil es sich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt handelt und der Schlagstockeinsatz als Vollstreckungsmaßnahme ohne die vorhergehende Räumungsverfügung als Grundverfügung nicht denkbar wäre. Der Sofortvollzug einer polizeilicher Verfügung zeichnet sich dadurch aus, dass nicht eindimensional Maßnahmen sondern mehraktige Verwaltungsverhältnisse Gegenstand der Beurteilung sind (Heckmann, Der Sofortvollzug rechtswidriger polizeilicher Verfügungen, VBlBW 1993, 41 (42)).
Eine Klageänderung liegt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor. Unter einer Klageänderung ist eine Veränderung des Klagebegehrens oder des Klagegrundes nach Rechtshängigkeit der Klage zu verstehen. Eine Klageänderung liegt etwa vor, wenn das bisherige Klagebegehren durch ein inhaltlich anderes ersetzt oder ein zusätzliches in die Klage miteinbezogen wird. (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 91 Rn 5). Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger beantragte zunächst die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schlagstockeinsatzes und beantragt nun die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung der Räumung einschließlich der sich anschließenden Vollstreckungsmaßnahmen. Dieser Antrag ist inhaltlich keine Erweiterung. Da die Anordnung der Räumung dem Schlagstockeinsatz vorangeht und Grundlage für die Vollstreckungsmaßnahme ist, war sie schon in dem ursprünglichen Antrag enthalten.
Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 VwGO gegeben. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor. Die Rechtsnatur der Streitigkeit richtet sich nach der Rechtsnatur der streitentscheidenden Normen. Streitgegenstand ist die Überprüfung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen der Polizei, denn diese wurden als vorbeugende Maßnahme der Gefahrenabwehr auf das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) gestützt. Eine Sonderzuweisung an eine andere Gerichtsbarkeit ist nicht gegeben. Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12.07.2005 (- 11 ME 390/04 - Rechtsprechungsdatenbank des Nds. Oberverwaltungsgerichts) meint, der Verwaltungsrechtsweg sei nicht gegeben, trifft dies für das vorliegende Verfahren nicht zu. In diesem Beschluss wurde über eine polizeiliche Ingewahrsamnahme entschieden, für die aufgrund der ausdrücklichen Sonderregelung in § 19 Abs. 2 und 3 Nds. SOG die Amtsgerichte zuständig sind. Gleiches gilt für die weiteren von der Beklagten aufgeführten Beschlüsse. Auf andere polizeiliche gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen ist diese Rechtsprechung nicht übertragbar. So hebt auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in diesem Beschluss hervor, dass die Verwaltungsgerichte zuständig sind, wenn solche Sonderegelungen nicht bestehen.
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Nach dieser Vorschrift spricht das Verwaltungsgericht auf Antrag aus, dass ein vor Abschluss des Verfahrens erledigter Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger an der Feststellung ein berechtigtes Interesse hat. Das gilt im Rahmen der Analogie auch für Fälle, in denen ein streitiger Verwaltungsakt sich schon vor Klageerhebung erledigt hat. Die Anordnung der Räumung und die Androhung des unmittelbaren Zwanges zu deren Durchsetzung sind Verwaltungsakte in Form der adressatenbezogenen Allgemeinverfügung gemäß § 35 Satz 2 Variante 1 VwVfG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 NVwVfG. Auf diese ist hier abzustellen, so dass es unerheblich ist, ob es sich bei der Anwendung des unmittelbaren Zwanges im Rahmen der Räumung um Realakte oder konkludente Verwaltungsakte handelt.
Der Kläger ist als Teilnehmer der Sitzblockade klagebefugt. Das Gericht sieht die Teilnahme des Klägers bis zur Räumung nach der Zeugenvernehmung als erwiesen an. Die Ortsangaben über den Sitzplatz des Klägers stimmen ungefähr überein und sind glaubhaft. Die Zeugin F. hat ausgesagt, sie habe den Kläger vor der Räumung in der Blockade sitzen gesehen. Sie habe selbst auf der Fahrbahn etwa in der fünften oder sechsten Reihe in Richtung der sich auf dem Bürgersteig befindlichen Arkaden gesessen. Der Kläger habe schräg hinter ihr in Richtung Fahrbahnmitte gesessen. Der Zeuge G. hat angegeben, selbst etwa auf der Straßenmitte in ungefähr der zehnten Reihe gesessen zu haben. Er habe den Kläger wenige Reihen vor sich sitzen gesehen. Die Zeugin H. und auch die Zeugin I. haben ebenfalls ausgesagt, den Kläger in der Sitzblockade gesehen zu haben, konnten aber keine genauen Ortsangaben machen. Der Kläger selbst hat vorgetragen, etwa sieben Meter hinter der ersten Reihe gesessen zu haben. Da es keine festen geordneten Reihen gab, sondern diese sich nur zufällig und unvollkommen gebildet hatten, ist die Ungenauigkeit der Ortsangaben erklärbar. Den Zeugen sind auch Lichtbilder vorgelegt worden, die die Sitzblockade aus der Sicht der Polizei von vorne zeigen. Die Zeugen haben dabei alle ungefähr den gleichen Bereich angegeben, in dem der Kläger gesessen habe. Da der Kläger den Zeugen vor der Sitzblockade persönlich bekannt gewesen war, ist es auch nachvollziehbar, dass sie diesen in der Blockade erkannten und sich an ihn noch erinnern. Die Zeugin F. hat angegeben, den Kläger aus der vorherigen gemeinsamen Tätigkeit im Friedensbündnis zu kennen, sie habe sich mit dem Kläger während der Sitzblockade unterhalten. Die Zeugin H. hat ausgesagt, den Kläger aus der Friedensarbeit und der Arbeit bei "Attac" zu kennen. Der Zeuge G. hat ausgeführt, dass er den Kläger ebenfalls persönlich im Zusammenhang mit der Fällung der Bäume im Schlosspark kenne, er habe dem Kläger in der Sitzblockade zugewunken. Der lange Zeitraum, der nach der Sitzblockade vergangen ist, und die Angabe, sonst keine Bekannten im Umfeld des Klägers erkannt zu haben, ist ein nachvollziehbarer Grund dafür, dass die Zeugen sich an weitere Personen in der Nähe des Klägers nicht erinnern können.
Das Gericht sieht es auch als erwiesen an, dass die Zeugen F. und G. selbst an der Sitzblockade teilgenommen haben. Die Zeugin F. wurde von der Zeugin H. ebenfalls in der Sitzblockade gesehen und hat selbst glaubhaft angegeben, geräumt worden zu sein. Der Zeuge G. konnte auf dem als Anlage zum Protokoll beigefügten Lichtbild von der Sitzblockade identifiziert werden.
Die Glaubwürdigkeit des Klägers und der Zeugen beeinträchtigt nicht die Tatsache, dass der Kläger auf der Videodokumentation der Sitzblockade nicht zu erkennen ist. Aufgrund der schlechten Bildqualität der Videodokumentation ist es nicht auszuschließen, dass der Kläger trotz seines auffälligen gelben T-Shirts nicht wiederzuerkennen ist, obwohl er an der Versammlung teilgenommen hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger nicht in der ersten Reihe saß und daher von vor ihm sitzenden Personen verdeckt worden sein könnte. Die dem Gericht vorliegenden Lichtbilder erfassen auch nicht den gesamten Bereich in der Nähe zu den Arkaden, der im Schatten lag. Dort aber hat sich der Kläger aufgehalten.
Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Kläger sich noch zum Zeitpunkt der Räumung in der Sitzblockade befunden hat. Der Kläger trägt selbst vor, zum Zeitpunkt der Räumung noch anwesend gewesen zu sein. Dies ist glaubhaft. Zwar waren die Zeuginnen H. und I. zum Zeitpunkt der Räumung nicht mehr anwesend. Die Zeugin F. hat aber ausgesagt, selbst noch anwesend gewesen zu sein. Sie hat angegeben, sich unmittelbar vor der Räumung noch mit dem Kläger über ihr weiteres Verhalten abgesprochen zu haben und zu dem Entschluss gekommen zu sein, ruhig zu bleiben und nicht wegzulaufen. Während der Räumung selbst habe sie den Kläger aber nicht gesehen, da sie sich nicht umgedreht habe. Dass der Kläger sich an diese Absprache gehalten hat und nicht aufgestanden ist, erscheint plausibel, denn die Zeit zwischen der Absprache mit der Zeugin F. war kurz. Es ist unwahrscheinlich, dass sich der Kläger in diesem kurzen Moment entfernt hat. Der Zeuge G. hat angegeben, sich ebenfalls zu diesem Zeitpunkt noch in der Sitzblockade befunden zu haben, er habe den Kläger aber zu diesem Zeitpunkt nicht wahrgenommen. Aufgrund der durch die unmittelbar bevorstehende Räumung hervorgerufenen Spannung ist dies nachvollziehbar. Im Umkehrschluss hätte es dem Zeugen G. vielmehr auffallen müssen, wenn der Kläger sich erhoben und die Sitzblockade verlassen hätte, denn in diesem Fall hätte er sich auffällig verhalten und nicht nur, wie die anderen Teilnehmer, gesessen. Auch ist der Kläger nicht auf der Videodokumentation zu erkennen. Im Gegensatz zu den sitzenden Teilnehmern sind sich erhebende Personen aber deutlicher zu erkennen. Die Zeugin I. hat weiterhin angegeben, den Kläger später in der Menge der geräumten Personen getroffen zu haben. Er habe ihr gegenüber zum Ausdruck gebracht, geräumt worden zu sein. Diese Aussage stützt den Vortrag des Klägers und deckt sich mit den sonstigen Angaben der Zeugen.
Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr und des Rehabilitationsinteresses gegeben. "Die Bedeutung der Versammlungsfreiheit in der Demokratie gebietet stets die Möglichkeit nachträglichen Rechtschutzes, wenn die Grundrechtsausübung tatsächlich unterbunden oder die Versammlung aufgelöst worden ist. Derartige Eingriffe sind die schwerste mögliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit. Eine weitere Gewichtung eines solchen Grundrechtseingriffs, etwa im Hinblick auf den spezifischen Anlass oder die Größe der Versammlung, ist dem Staat verwehrt. Ebenso bedarf in einem derartigen Fall keiner Klärung, ob eine fortwirkende Beeinträchtigung im grundrechtlich geschützten Bereich gegeben ist. Auch spielt es keine Rolle, ob vergleichbare Versammlungen noch in Zukunft stattfinden sollen" (BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - NJW 2004, 2510 (2512) [BVerfG 03.03.2004 - 1 BvR 461/03]).
Dem vom Kläger geltend gemachten Fortsetzungsfeststellungsinteresse steht nicht entgegen, dass er ein Strafverfahren eingeleitet hat. Nach einschlägiger Rechtsprechung ist eine Fortsetzungsfeststellungsklage neben einem Strafverfahren zulässig (vgl. für das Lebensmittelrecht Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 15.12.1998 - 11 L 3196/98 - juris; VG Braunschweig, Urteil vom 16.02.1989 - 1 A 96/88 - juris; VG Mainz, Urteil vom 11.06.1987 - 1 K 65/87 - juris). Die Möglichkeit, eine Rehabilitierung im Strafverfahren erreichen zu können, reicht nicht aus, um ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu verneinen (vgl. VG Köln, Urteil vom 29.08.2002 - 20 K 4628/00 - juris). Lediglich bei Vorliegen eines Urteils eines Strafgerichts ist ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse verneint worden, eine für die strafgerichtliche Beurteilung eines Sachverhaltes erhebliche öffentlichrechtliche Frage durch das Verwaltungsgericht klären zu lassen (VG Frankfurt, Urteil vom 11.02.1987 - III/1 - 1447/86 - NVwZ 1988, 470, NuR 1989, 1955). Eine solche Situation liegt hier aber nicht vor.
Die Klage ist an keine Frist gebunden. Hat sich ein Verwaltungsakt durch Aufhebung vor Eintritt der Bestandskraft erledigt, so gelten für eine Klage, die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit gerichtet ist, nicht die Fristen der §§ 74 Abs. 1 bzw. 58 Abs. 2 VwGO (BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7/98 - BVerwGE 109, 203; a. A. wohl Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 113 Rn 128).
2.)
Die Klage ist begründet. Die Anordnung der Räumung der Blockade war rechtswidrig, durch sie wurde der Kläger als Teilnehmer in seinem Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt. Für die Anordnung der Räumung durch die Polizei stand keine Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Ein Platzverweis kommt nicht in Betracht. Das Versammlungsgesetz (VersG) ist hier einschlägig und sperrt als Spezialgesetz den Rückgriff auf das Nds. SOG (I.). Eine Auflösung der Versammlung erfolgte nicht (II.) und die Aufforderung zur Räumung ist keine die Versammlung beschränkende Verfügung (III.). Die sich anschließenden Vollstreckungsmaßnahmen sind ebenfalls rechtswidrig (IV.)
(I.)
Das Versammlungsgesetz ist einschlägig, denn die Sitzblockade stand unter dem Schutz von Art. 8 GG. Versammlung im Sinne des Art. 8 GG ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 2173/93, 433/96 - BVerfGE 104, 92 (104ff.) = NJW 2002, 1031 [BVerfG 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90]). Art. 8 GG umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens unter anderem auch nicht verbale Ausdrucksformen, solange diese auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinung gerichtet sind (vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 8. Aufl., Art. 8 Rn 3). Dies gilt für Sitzblockaden, wenn sie nicht Selbstzweck, sondern ein Mittel zur symbolischen Unterstützung des Protestes und damit zur Verstärkung der kommunikativen Wirkung in der Öffentlichkeit sind. Art. 8 GG schützt jedoch nicht die zwangsweise oder selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001, aaO). Eine Sitzblockade ist auch dann noch auf die öffentliche Meinungsbildung ausgerichtet, wenn damit auch übergeordnete Ziele verfolgt werden (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14.02.2006 - 4 LB 10/05 - NordÖR 2006, 166) und sie nicht ausschließlich der Verhinderung dient (vgl. VG Berlin, Urteil vom 23.02.2005 - 1 A 188.02 - juris).
Auch den Teilnehmern von Gegendemonstrationen steht der Schutz nach Art. 8 GG zu (VG Bayreuth, Beschluss vom 26.07.2005 - B 1 E 05.635 - juris). Eine Gegendemonstration genießt den vollen Schutz des Grundrechts der Versammlungsfreiheit, solange sie sich kommunikativer Mittel bedient und nicht ausschließlich dem Zweck dient, die Veranstaltung, gegen die sie sich richtet, mit physischen Mitteln zu verhindern. Dies kann aber nicht bedeuten, dass eine Gegendemonstration schon dann dem Schutz des Art. 8 GG entzogen wäre, wenn sie auch das Ziel verfolgt, mit der eigenen Versammlung den angemeldeten Versammlungsort der anderen Versammlung "physisch in Beschlag zu nehmen". Zu den zulässigen kommunikativen Mitteln einer Versammlung gehört auch die physische Präsenz an einem bestimmten Ort (vgl. VG Berlin, Urteil vom 23.02.2005 aaO).
Vorliegend war die Sitzblockade zur Überzeugung des Gerichtes nach Auswertung der vorliegenden Dokumente und Unterlagen nicht allein auf die Verhinderung des konkreten NPD-Umzuges gerichtet, sondern der allgemeine Protest gegen Rechtsradikalismus sollte im Hinblick auf seine kommunikativen Wirkung durch die Sitzblockade verstärkt und ergänzt werden. Die Teilnehmer der Sitzblockade wollten die aktive Teilnahme der NPD am gesellschaftlichen Leben verhindern, nicht aber nur den Durchmarsch des NPD-Umzuges genau an dieser konkreten Kreuzung. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft ausgeführt, dass er es akzeptiere, wenn die NPD das Versammlungsrecht nutze und er deswegen die Versammlung der NPD nicht habe verhindern wollen. Er habe der Ideologie der NPD aber mit der Sitzblockade entgegentreten wollen. Anknüpfend an die 3-Säulen-Theorie der NPD sei die Form der Sitzblockade gerade auf der Straße gewählt worden, denn eine dieser Säulen spreche ausdrücklich von der Eroberung der Straße durch die NPD. Ziel der Sitzblockade war es damit aus der Sicht des Klägers als Teilnehmer, die Straße als Symbol zu besetzen und nicht allein der NPD zu überlassen.
Die Teilnehmer der Sitzblockade sind darüber hinaus als ein Teil der sich in dem gesamten Stadtgebiet aufhaltenden Gegendemonstranten zu betrachten. Die Sitzblockade ist als Teil dieser allgemeinen Proteste zu verstehen und bezieht aus diesem Kontext auch ihre Symbolik und Verständlichkeit. So ergibt sich auch aus diesem Zusammenhang das Ziel der Sitzblockade, an der politischen Meinungsbildung teilzuhaben. Wie sich unter anderem aus dem Aufruf für die südlich der Innenstadt stattfindende Versammlung ergibt, war es ein Anliegen aller Gegendemonstranten ein generelles Zeichen gegen die NPD zu setzen. Die Veranstaltung bezeichnete sich als "Party gegen Rechts". Der Aufruf lautet dementsprechend " Kein Naziaufmarsch in Braunschweig und auch nicht anderswo". Er bezieht sich also nicht nur auf den gerade stattfindenden Umzug.
Das Gericht ist auch der Auffassung, dass die Sprechchöre mit dem Inhalt "Ihr könnt nach Hause fahren" in diesem Zusammenhang zu verstehen sind und einen politischen Inhalt hatten. Zwar trifft die Ansicht der Beklagten zu, dass es sich hierbei ursprünglich um eine unpolitische Parole aus dem Bereich des Fußballs handelt. Hier wurden diese Sprechchöre aber nicht im Umfeld eines Fußballspiels angestimmt, sondern bezogen sich auf die NPD. In Anbetracht dieses Adressaten und der Tatsache, dass es ein Ziel der Demonstranten war, in Bezug auf die Ideologie der NPD den Kampf um die Straße aufzunehmen, gewinnt die Parole eine neue politische Aussage. Aus diesem Grund kann offen gelassen werden, ob die Sprechchöre "Nazis raus" erst nach der ersten Durchsage, wie die Beklagte behauptet, oder schon davor eingesetzt haben.
Zur Überzeugung des Gerichts ist das Schwenken einer rot-schwarzen Fahne, die das Symbol der Antifaschistischen Aktion ist, eine politische Meinungsäußerung und drückt nicht lediglich, wie die Beklagte vorträgt, eine Zugehörigkeit aus. Zum einem kann schon das bloße Ausdrücken einer Zugehörigkeit als politische Meinungsäußerung verstanden werden, jedenfalls wenn es sich wie hier um eine ausdrückliche und auffallende öffentlich gezeigte politische Zugehörigkeit handelt. Zum anderen besitzt die Fahne als Symbol der Antifaschistischen Aktion an sich, vergleichbar einem rotem Stern oder einem Hakenkreuz, eine eigene politische Bedeutung, zumindest wenn sie im Rahmen einer Demonstration gezeigt wird.
Aus dem Fehlen von weiteren Transparenten und Plakaten kann nicht auf das Fehlen einer politischen Meinungsäußerung geschlossen werden. Zwar sind Plakate typisch für eine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG, sie sind jedoch keine Voraussetzung, wenn die politische Meinungsäußerung wie hier auf anderen Wegen erfolgt. Hinzu kommt, dass der Kläger nach seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung bewusst keine Plakate einsetzte, da diese im Falle einer Räumung aufgrund der langen Stangen zu einer Gefährdung der Teilnehmer führen können.
Die Betrachtung der Sitzblockade als Versammlung steht im Einklang mit der oben dargelegten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es hat in dem Beschluss vom 24.10.2001 (aaO) eine Blockadeaktion als Versammlung im Sinne von Art. 8 GG angesehen, bei der sich die Teilnehmer an ein Werktor gekettet und durch Flugblätter auf ihr Anliegen, den Widerstand gegen die Atomenergie, hingewiesen hatten. Vorliegend ist die Sitzblockade aufgrund ihres erkennbaren Kommunikationsanliegen in Verbindung mit den Sprechchören vergleichbar. Zwar handelte es sich bei dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall um eine nur vorübergehende Blockade eines Werktores, die Verhinderung der Durchfahrt stand daher schon aufgrund des zeitlichen Elementes im Hintergrund. Die vorliegend zu beurteilende Sitzblockade ist aber dennoch gleich zu bewerten, obwohl hier der NPD-Umzug nicht nur vorübergehend sondern endgültig aufgehalten worden wäre. In beiden Fällen geht es aber hauptsächlich um die Erzielung von Aufmerksamkeit durch die Inszenierung einer Blockade, um eine politische Meinung kundzutun. Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 24.10.2001 (aaO) eine zwangsweise bzw. selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen für die Blockade eines Autobahngrenzüberganges bejaht, die nur das Ziel hatte, die Einreise der Teilnehmer in die Schweiz zu erreichen. Anders als in dem vorliegenden Fall diente diese Autobahnblockade jedoch keiner Kundgebung einer Meinung oder der Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen. Insbesondere erfolgten bei der Autobahnblockade keine Meinungskundgaben durch die besondere Symbolik einer Sitzblockade, Sprechchöre, Flugblätter, Transparenten oder ähnlichem und es fehlte an einem Forum, welches die politische Meinungsäußerung aufnehmen konnte. Die Blockade sollte auch nur die Einreise erzwingen, die politische Meinungskundgabe sollte nicht dort, sondern erst später in der Schweiz erfolgen.
Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten angeführten Beschluss des Niedersächsisches Oberverwaltungsgerichts vom 15.06.2005 (Az.: 11 ME 170/05), in dem das Gericht darauf hinweist, dass "das etwaige Ziel von Gegendemonstranten, die Demonstration zu verhindern, nicht vom Grundgesetz gedeckt ist". Diese Aussage bezieht sich bereits ihrem Wortlaut nach gerade nur auf das alleinige Ziel der Verhinderung, sie umfasst aber nicht auch das Ziel der Sitzblockade, an der öffentlichen Meinungsbildung teilzunehmen. Dieses Ziel konnte das Oberverwaltungsgericht, das vor den Demonstrationen entschieden hat, in seine Betrachtung noch nicht einbeziehen, sonder musste sich nur mit dem Vortrag der Versammlungsbehörde auseinandersetzen, man könne den Zug nicht gegen Störer schützen, die das Ziel hätten, den Zug zu verhindern.
Der Grundrechtschutz des Klägers nach Art. 8 GG scheidet auch nicht wegen fehlender Friedlichkeit und Waffenlosigkeit der Versammlung aus. Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit durch aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen. Ungeachtet der strafrechtlichen Bewertung kann eine bloße Blockade nicht als unfriedlich angesehen werden. Für die Begrenzung des Schutzbereiches des Art. 8 GG ist allein der verfassungsrechtliche Begriff maßgebend, nicht der umfassende Gewaltbegriff des § 240 StGB (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 aaO). Nach Betrachtung der Videodokumentation, die das Geschehen aus verschiedenen Perspektiven ab der zweiten Durchsage bis zur Beendigung der Räumung erfasst, geht das Gericht davon aus, dass von den Teilnehmern der Blockade im Zeitraum von der zweiten Durchsage an bis zum Vorrücken der Polizeikräfte keine solchen Gewalttätigkeiten ausgingen. Zu Flaschenwürfen kam es erst, nachdem die Polizeikräfte bereits eingegriffen hatten. Ob von den Teilnehmern der Blockade solchen Gewalttätigkeiten ausgingen kann aber letztendlich dahingestellt bleiben, denn auch eine unfriedliche Versammlung ist vom Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes erfasst und wäre zunächst nach Maßgabe des § 15 Abs. 3 VersG aufzulösen. Das Versammlungsgesetz ist auch in Fällen anwendbar, in denen Versammlungen aufgrund der Unfriedlichkeit nicht in den Schutzbereich des Art. 8 GG fallen (BVerwG, Beschluss vom 14.01.1988 - 1 B 219/86 - NVwZ 1988, 250, 251) [BVerwG 14.01.1987 - 1 B 219/86].
Der Schutz des Art. 8 GG besteht auch unabhängig davon, ob die Versammlung nach § 14 VersG hätte angemeldet werden müssen. Ob die Sitzblockade, wie von der Beklagten behauptet, in dem Zeitraum von deren Bildung an bis zum Beginn der ersten Durchsage bei dem Einsatzleiter der Polizei hätte angemeldet werden können, kann dahingestellt bleiben. Auch wenn die Versammlung nicht als Spontanversammlung zu bewerten wäre, würde aus dem Verstoß gegen die Anmeldepflicht lediglich folgen, dass die Auflösung der Versammlung nach § 15 Abs. 3 VersG in Betracht kam. Bis zu einer wirksamen Auflösung besteht der versammlungsrechtliche Schutz fort (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 - NVwZ 2005, 80).
Auch aus der Kollision mit der angemeldeten Versammlung der NPD ergibt sich nicht, dass die Sitzblockade den Schutz von Art. 8 GG nicht genießt. Das den Grundrechtsträgern durch Art. 8 GG eingeräumte Selbstbestimmungsrecht über Ort und Zeitpunkt der Veranstaltung ist durch den Schutz der Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit begrenzt. Es umfasst nicht auch die Entscheidung, welche Beeinträchtigungen die Träger kollidierender Rechtsgüter hinzunehmen haben. Der Schutz einer Versammlung kann sowohl von den Teilnehmern der zuerst angemeldeten Versammlung als auch von denjenigen einer Gegenversammlung in Anspruch genommen werden. Es ist ein schonender Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen herbeizuführen, insbesondere gibt es kein unbedingtes "Erstanmelderprivileg" (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.11.2003 - 12 B 11882/03 - NVwZ-RR 2004, 848; VG Bayreuth, Beschluss vom 26.07.2005, aaO). Es kann niemandem generell verwehrt werden, eine Versammlung an einem Ort durchzuführen, an dem er die Anmeldung einer anderen Versammlung vermutet, gegen deren Veranstalter oder Ziele er sich mit einer eigenen Demonstration wendet. Solange die Gegendemonstration friedlich und mit kommunikativen Mitteln durchgeführt werden soll, hat die zuständige Versammlungsbehörde den möglichen Konflikt mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit der Teilnehmer der von den Gegendemonstranten abgelehnten Versammlung im Wege der praktischen Konkordanz zu lösen, wobei die zeitliche Priorität der Anmeldungen eine wichtige, aber nicht allein ausschlaggebende Rolle spielt (vgl. VG Berlin, Urteil vom 23.02.2005, aaO). Kann, wie vorliegend, ein Ausgleich nicht gefunden werden, da die eine Veranstaltung angemeldet und im Voraus geplant ist, die andere jedoch kurzfristig stattfindet und eine räumliche Trennung nicht möglich ist, ist Gefahren infolge der Gegendemonstration primär durch behördliche Maßnahmen gegen die Gegendemonstration, die die zuerst angemeldete Demonstration behindert, zu begegnen (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 04.09.2002 - 4 K 1686/02 - VBlBW 2002, 497). Dies führt auch der von der Beklagten angeführte Beschluss des Niedersächsisches Oberverwaltungsgerichts vom 15.06.2005 (Az. 11 ME 170/05) aus: " Es ist Aufgabe der Polizei, eine Gegendemonstration in unmittelbarer Nähe der Marschroute der NPD-Demonstration zu verhindern und auch keine Kreuzungspunkte verschiedener Demonstrationen zuzulassen".
Jedoch kann eine im Rahmen der praktischen Konkordanz durchzuführende Verlegung oder Auflösung nicht wie geschehen auf das Nds. SOG gestützt werden. Die Inanspruchnahme des Grundrechts der Versammlungsfreiheit kann von der zuständigen Behörde nur durch den Erlass einer rechtmäßigen Auflösungsverfügung beseitigt werden (Dietel/Gintzel/Kniesel, Demonstration- und Versammlungsfreiheit, 14. Aufl., § 15 Rn 203). Gemäß § 15 Abs. 3 VersG ist Voraussetzung für eine Auflösung die Störung der öffentlichen Sicherheit. Zu den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit zählen auch die Rechtsgüter des Einzelnen. Ebenso wie die Grundrechte die Rechtsgüter des Einzelnen gegen Übergriffe des Staates schützen, wird der Schutz dieser Rechtsgüter auch durch das Gefahrenabwehrrecht gewährleistet (vgl. Ipsen, Nds. Polizei und Ordnungsrecht, 3. Aufl., Rn 96). Die Versammlungsfreiheit der Veranstaltung, gegen die sich die Gegendemonstration wendet, ist durch Art. 8 GG geschützt und gehört zu den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit. Diese Versammlungsfreiheit wird durch die Sitzblockade gestört, denn die Versammlung kann aufgrund der Sitzblockade nicht fortgesetzt werden. Liegt eine Störung der öffentlichen Sicherheit vor, ist dies - wie aus § 15 VersG folgt - rechtswidrig (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001, aaO). Die Beachtung der öffentlichen Sicherheit durch eine Versammlung ist aber keine konstitutive Voraussetzung, um den Begriff der Versammlung zu erfüllen. Dies wird bestätigt durch § 15 Abs. 3 VersG, der für den Fall, dass von einer Versammlung unmittelbare Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen, die Versammlung nicht etwa von der Geltung des Versammlungsgesetzes ausnimmt, sondern auch für derartige Veranstaltungen die Notwendigkeit einer vorherigen Auflösung normiert (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.03.2001 - 5 B 273/01 - NVwZ 2001, 1315 [OVG Nordrhein-Westfalen 02.03.2001 - 5 B 273/01]).
Erst nach Auflösung der Versammlung nach § 15 Abs. 3 VersG kommen Maßnahmen nach dem Nds. SOG in Betracht. Art. 8 GG erlaubt Beschränkungen von Versammlungen unter freiem Himmel nur nach Maßgabe des Absatzes 2. Maßnahmen der Gefahrenabwehr richten sich dementsprechend nach dem Versammlungsgesetz (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004, aaO). Seine im Vergleich zum allgemeinen Polizeirecht besonderen Voraussetzungen für beschränkende Maßnahmen sind Ausprägung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit. Dementsprechend geht das Versammlungsgesetz als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.04.1989 - 7 C 50/88 - BVerwGE 82, 34 (38) [BVerwG 21.04.1989 - 7 C 50/88]). Das VersG schließt als umfassende bundesgesetzliche Ordnung des Versammlungswesens nach Maßgabe der Artt. 31, 70, 72 GG landesrechtliche Regelungen aus. Die Entfernungspflicht ist Rechtsfolge der Versammlungsauflösung, die der Versammlung erst ihren verfassungsrechtlichen Schutz nimmt. Erst wenn die Versammlungsteilnehmer ihrer Entfernungspflicht nicht genügen, sind Maßnahmen nach dem Nds. SOG zulässig (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14.02.2006 - 4 LB 10/05 - Nord ÖR 2006, 166).
Die hypothetische Überlegung, dass die Versammlung unter Umständen von Anfang an hätte rechtmäßig aufgelöst werden können, bedeutet nicht, dass der Grundrechtsschutz aus Art. 8 GG von vornherein zu verneinen wäre. Die in § 15 VersG enthaltene Ermächtigung zur Gefahrenabwehr für Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sieht die Form des Verwaltungsakts vor, dessen Erlass zudem im Ermessen der Versammlungsbehörde steht. Bei ihrer Entscheidung hat die Behörde zu prüfen, ob die Gefahr unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine Auflösung der Versammlung rechtfertigt und ob nach pflichtgemäßem Ermessen ein Einschreiten angezeigt ist. Die behördliche Entscheidung konkretisiert die Rechte und Pflichten der Versammlungsteilnehmer. Vor der Auflösung einer Versammlung ist nicht in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Weise festgestellt worden, dass die Veranstaltung nicht mehr unter dem Schutz des Art. 8 GG steht (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001, aaO; VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.02.2005 - 3 A 338/01 - juris).
(II.)
Die danach erforderliche versammlungsrechtliche Auflösung hat hier nicht stattgefunden. Auflösung ist die Beendigung einer bereits durchgeführten Versammlung mit dem Ziel, die Personenansammlung zu zerstreuen. Der Schutz der Versammlungsfreiheit erfordert, dass die Auflösungsverfügung, deren Nichtbefolgung nach § 26 VersG strafbewehrt ist, eindeutig und unmissverständlich formuliert ist und für die Betroffenen erkennbar zum Ausdruck bringt, dass die Versammlung aufgelöst ist (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004, aaO). Den Betroffenen muss klar zu erkennen gegeben werden, dass sie sich nicht mehr auf die Versammlungsfreiheit berufen können und sich aus der Versammlung zu entfernen haben. Hinweise auf die Rechtswidrigkeit der Versammlung und die Entfernungspflicht können die Auflösung nicht ersetzen (OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14.02.2006, aaO). Dies ist den einschneidenden Folgen einer Auflösung geschuldet, denn alle Teilnehmer haben sich gemäß § 18 Abs. 1 und § 13 Abs. 2 VersG sofort zu entfernen und handeln ansonsten ordnungswidrig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 VersG (OVG Berlin, Beschluss vom 17.12.2002 - 8 N 129/02 - NVwZ-RR 2003, 896 (897) [OVG Berlin 17.12.2002 - 8 N 129/02]). Aus der Durchsage an die Teilnehmer der Sitzblockade, die unter anderem lautet: "Durch die Blockade ... begehen sie Straftaten und gefährden in erheblichem Maße die öffentliche Sicherheit. Beenden sie sofort ihr Tun und entfernen sie sich.", und dem Vortrag des Einsatzleiters J. in der mündlichen Verhandlung ist ersichtlich, dass die Beklagte die Sitzblockade als Ansammlung betrachtete, die nicht dem Schutz des Versammlungsgesetzes unterfällt. Der Charakter einer Auflösung ist nicht der Durchsage zu entnehmen. Die Begriffe Versammlung und Auflösung werden nicht verwendet. Bei den Teilnehmern der Sitzblockade handelte es sich unter anderem um erfahrene Demonstranten, die bereits an mehren Sitzblockaden teilgenommen hatten. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen, dass er ein Seminar über Versammlungsrecht besucht habe und sehr wohl über seine Rechte informiert gewesen sei. Er habe sich dementsprechend auch gefragt, was die Durchsage bedeuten solle. Bei einer solchen Personengruppe muss ein Verständnis von der Bedeutung der Versammlungsfreiheit und der Notwendigkeit der förmlichen Auflösung vorausgesetzt werden. Es handelt sich nicht lediglich um Formalismus. Erst durch die Erwähnung, dass sich die Teilnehmer nicht mehr auf die Versammlungsfreiheit berufen können und dass die Versammlung aufgelöst wird, kann gegenüber einem verständigen Empfänger eine Auflösung bekannt gemacht und sichergestellt werden, dass deren rechtliche Folgen erfasst werden.
(III.)
Die Aufforderung zur Räumung kann auch nicht als eine die Versammlung räumlich beschränkende und verschiebende Verfügung auf § 15 Abs. 3 VersG gestützt werden. Räumlich beschränkende Verfügungen sind zwar aufgrund von § 15 Abs. 3 VersG möglich, denn diese Vorschrift wird auch dahin ausgelegt, dass sie die Ermächtigung zu beschränkenden Verfügungen enthält, die während der Versammlung von der Polizei getroffen werden (Dietel/Gintzel/Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 14. Aufl., § 15 Rn 138). Dementsprechend kann die Polizei während einer Versammlung im Rahmen einer räumlich beschränkenden Verfügung die Meidung eines bestimmten Versammlungsortes gebieten, während die Fortsetzung an einem anderen Ort nicht verhindert wird (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 9.6.1988 - 1 S 1544/87 - NVwZ 1989, 163 [VGH Baden-Württemberg 09.06.1988 - 1 S 1544/87]). Die genannte Entscheidung des VGH Baden-Württemberg betraf jedoch eine Blockadeaktion, bei der sich der überwiegende Teil der Versammlungsteilnehmer am Straßenrand aufhielt und sich nur einige Teilnehmer bei Herannahen eines Fahrzeugkonvois auf der Fahrbahn niedergelassen hatten. Die Sitzblockade auf der Kreuzung Langestraße / Küchenstraße und Alte Waage stellt aber den Mittelpunkt der Versammlung dar. Wie oben ausgeführt, war die Sitzblockade selbst die Meinungsäußerung. Aufgrund der Ansicht der Videodokumentation steht es für das Gericht fest, dass es sich teils bei den am Straßenrand Anwesenden zwar auch um Unterstützer handelte, die selbst durch Beteiligung an den Sprechchören aktiv waren, zu einem erheblichen Umfang aber nur um Zuschauer. Im Verhältnis der am Straßenrand und auf der Fahrbahn Anwesenden überwog deutlich der Anteil der auf der Fahrbahn sitzenden Teilnehmer. Ist aber der Kernbereich der Versammlung betroffen, kann nicht durch "Minusmaßnahmen" die Versammlung faktisch beendet und damit die Auflösung umgangen werden (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14.02.2006, aaO). Durch die Aufforderung zur Räumung wurde hier das Recht der Versammlungsteilnehmer zur kollektiven Bekundung ihrer politischen Meinung ausgeschlossen. Eine Ausübung außerhalb der Fahrbahn am Straßenrand blieb gerade nicht unberührt, denn aufgrund der beengten Verhältnisse - die Fahrbahn war durch Häuserfronten und Straßenbahnschienen begrenzt - und der Anzahl der Teilnehmer konnte die Versammlung nicht an die Ränder oder auf die andere Fahrbahn ausweichen. Dies war von der Polizei auch nicht bezweckt. Wie die Beklagte selbst vorträgt, wäre aufgrund der räumlichen Nähe der NPD-Umzug nicht an einer Versammlung von Gegendemonstranten auf der nördlichen Fahrbahn vorbeigeführt worden. Die Teilnehmer wurden von der Polizei aufgefordert, sich in den Verlauf der Küchen- und Fallerslebener Straße zu entfernen. Diese Straßen waren jedoch ebenso ein Teil der Aufzugstrecke des NPD-Umzuges, so dass die Versammlung auch hier nicht fortgeführt werden konnte.
(IV.)
Der Antrag ist auch bezüglich der anschließenden Vollstreckungsmaßnahmen begründet. Diese sind ebenfalls rechtswidrig. Mit der verwaltungsgerichtlichen Aufhebung des Verwaltungsaktes gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO wird der Verwaltungsvollstreckung rückwirkend ihre Rechtsgrundlage entzogen. Diese entfällt als Vollstreckungstitel, damit werden auch alle auf diese gestützten Vollstreckungsakte rechtswidrig (Schenke/Baumeister, Probleme des Rechtsschutzes bei der Vollstreckung von Verwaltungsakten, NVwZ 1993, 1(3,6)). Vorliegend hat sich die Räumungsverfügung als Grundverfügung durch Zeitablauf erledigt, womit sie als Allgemeinverfügung gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 NVwVfG außer Kraft getreten ist. Daher kann sie nicht mehr aufgehoben werden. Für die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Grundverfügung im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage gilt das eben genannte aber sinngemäß. Der Rechtschutz nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ist funktionsgleich mit dem Rechtschutz, der mit einer Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO erreicht werden kann. Kraft der gerichtlichen Entscheidung nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ist nicht mehr der Regelungsgehalt der Grundverfügung maßgeblich, sondern die Rechtslage, die ohne Geltung der gerichtlich als rechtswidrig festgestellten erledigten Grundverfügung besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2002 - 2 C 7.01 - BVerwGE 116, 1(4) [BVerwG 31.01.2002 - 2 C 7/01]; Urteil vom 20.11.1997 - 5 C 1.96 - BVerwGE 105, 370 (373) [BVerwG 20.11.1997 - 5 C 1/96]; Kopp/Schenke, VwGO, 14 Aufl.. § 113 Rn 148). Dem steht der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26.05.1998 (- 1 BvL 11/94 - NVwZ 1999, 290) nicht entgegen, denn in dem diesem Beschluss zugrunde liegenden Verfahren sollte nur die isolierte Rechtswidrigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme festgestellt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. § 709, 711 ZPO, [...].
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
[D]ie Streitwertfestsetzung [beruht] auf § 52 Abs. 2 GKG.
Düfer
Röllig