Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 19.05.2011, Az.: 5 B 97/11

Abwägung; Interessenkollision; Kooperationsgebot; Meinungsfreiheit; öffentliche Ördnung; öffentliche Sicherheit; polizeilicher Notstand; Prioritätsgrundsatz; Untersagung; Verbot; Verbot; Versammlung; Versammlungsrecht; Versammlungsverbot; zeitliche Priorität

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
19.05.2011
Aktenzeichen
5 B 97/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 45224
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Verbot einer fremdenfeindlichen Demonstration wegen der massiven Be- bzw. Verhinderung einer zeitgleichen, traditionellen, die Integration bejahenden Kulturveranstaltung nach dem Ergebnis summarischer Prüfung im vorliegenden Einzelfall zulässig
2. Führt die Ausübung des Versammlungsrechts zur Kollision mit Rechtsgütern Dritter oder der Allgemeinheit, obliegt der Versammlungsbehörde bzw. den mit der rechtlichen Überprüfung befassten Gerichten die Abwägung, ob und wieweit gegenläufige Interessen die Einschränkung der Versammlungsfreiheit rechtfertigen.
3. Berücksichtigung des voraussichtlichen Verstoßes des Demonstrationsaufzuges gegen die öffentliche Ordnung im Rahmen dieser Abwägung der widerstreitenden Interessen.
4. Kein Erfordernis für das Gericht, einen seitens des Veranstalters der Versammlung gerügten Verstoß der Versammlungsbehörde gegen das Kooperationsgebot des § 6 NVersG abschließend aufzuklären, wenn sich ein - unterstellter Verstoß - nicht auf die Entscheidung der Versammlungsbehörde bzw. das Ergebnis des gerichtlichen Verfahrens auswirkt.

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes gegen die von der Antragsgegnerin verfügte Untersagung eines von ihm angezeigten Demonstrationsaufzuges.

Mit Schreiben vom 12. Juli 2010 - bei der Antragsgegnerin eingegangen am 16. Juli 2010 - zeigte der Antragsteller der Antragsgegnerin an, dass er beabsichtige, am 4. Juni 2011 einen Demonstrationsaufzug durchzuführen unter dem Motto: „Tag der deutschen Zukunft - Ein Signal gegen Überfremdung - Gemeinsam für eine deutsche Zukunft“. Der Aufzug solle um 12 Uhr mit einer Auftaktkundgebung von circa 45 Minuten auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofes Braunschweig beginnen und anschließend folgenden Verlauf nehmen: Kurt-Schumacher-Straße, John-F.-Kennedyplatz, Auguststraße, Stobenstraße, Ritterbrunnen/Bohlweg mit Zwischenkundgebung mit Live-Musik (circa 90 Minuten) auf dem Schlossplatz, Wilhelmstraße, Hagenbrücke, Küchenstraße, Lange Straße, Radeklint mit 2. Zwischenkundgebung (circa 45 Minuten), Güldenstraße, Kalenwall, Bruchtorwall, Lessingplatz, Augusttorwall, John-F.-Kennedyplatz, Kurt-Schumacher-Straße, Vorplatz des Hauptbahnhofes mit Abschlusskundgebung (circa 45 Minuten) und Verabschiedung der Teilnehmer. Voraussichtliches Ende der Demonstration sei gegen 20 Uhr. Er rechne mit circa 700 Teilnehmern. Versammlungsleiterin sei seine Ehefrau C. D..

Mit Schreiben vom 28. Juli 2010 teilte die Polizeiinspektion Braunschweig der Antragsgegnerin auf deren Anfrage mit, dass der Antragsteller und seine Ehefrau der rechtsextremen Szene angehörten. Der Antragsteller sei als sogenannter freier Nationalist in der rechtsextremen Szene gut vernetzt und als Führungsperson bekannt und akzeptiert. Aufgrund seiner Redegewandtheit sei er in der Lage, aufputschende Ansprachen zu führen, die oftmals an der Grenze zu beleidigenden und volksverhetzenden Inhalten stünden. Der Auszug aus dem Bundeszentralregister weise insgesamt 14 Eintragungen für den Antragsteller auf. Nach polizeilicher Einschätzung sei bei Durchführung der angezeigten Versammlung mit einem Treffen von Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet zu rechnen.

Am 5. August 2010 zeigte Herr E. für die Fraktion der Partei DIE LINKE im Rat der Stadt Braunschweig die Durchführung einer versammlungsrechtlichen Veranstaltung mit Aufzug und Kundgebungen für den 4. Juni 2011 an. Als Motto gab er an: „Kein Fußbreit den Nazis!“. Die Veranstaltung solle um 8 Uhr auf dem Berliner Platz (Bahnhofsvorplatz) beginnen. Die Route der Demonstration verlaufe über den Heinrich-Büssing-Ring, Wolfenbütteler Straße, John-F.-Kennedy-Platz, Lessingplatz, Bruchtorwall, Kalenwall, Giselerstraße, Güldenstraße, Lange Straße, Küchenstraße, Hagenmarkt, Bohlweg, Stobenstraße, Auguststraße, John-F.-Kennedyplatz, Kurt-Schumacher-Straße zurück zum Berliner Platz. Zugleich zeigte er Kundgebungen auf dem Schlossplatz sowie an der Gedenkstätte Schillstraße an, die um 8 Uhr beginnen sollten. Versammlungsleiter sei er selbst, er rechne mit 2.000 Teilnehmern. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2010 erweiterte er die Anzeige um zwei stationäre Kundgebungen, jeweils von 8 bis 21 Uhr an der Ackerstraße/Ecke Parkplatz Hauptbahnhof sowie an der Kreuzung Hans-Sommer-Straße/Berliner Straße/Vossenkamp.

Am 17. Februar 2011 zeigte Herr F. für den Deutschen Gewerkschaftsbund - DGB -, Region SON, für den 4. Juni 2011 die Durchführung einer Demonstration mit Kundgebung und Aufzug zum Thema „Demokratie und Zivilcourage“ an. Diese solle in der Zeit von 10 bis 19 Uhr stattfinden, mit einer Auftakt- und Abschlusskundgebung jeweils am Berliner Platz. Der Aufzug solle von dort folgenden Verlauf nehmen: Kurt-Schumacher-Straße, John-F.-Kennedyplatz und zurück. Es seien ein Bühnenaufbau und ein Kulturprogramm geplant und es werde mit circa 5.000 Teilnehmern gerechnet.

Mit Schreiben vom 28. März 2011 an die Antragsgegnerin nahm die Polizeidirektion Braunschweig eine Gefährdungseinschätzung zu den am 4. Juni 2011 geplanten Veranstaltungen vor. Neben den drei angezeigten Demonstrationsaufzügen berücksichtigte sie hierin, dass am 4. Juni 2011 auf dem Kohlmarkt in Braunschweig und der weiteren Umgebung des Platzes ganztägig das Kulturfest „Braunschweig International“ als größtes multikulturelles Fest in Braunschweig stattfindet. Sie kommt hierin zu dem Ergebnis, dass die Durchführung der Aufzüge und die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen die Veranstaltung Braunschweig International faktisch einschließen und für potenzielle Teilnehmer nahezu unerreichbar machten. Daneben seien erhebliche Auswirkungen auf den innerstädtischen Bereich der Stadt Braunschweig zu erwarten. Aus polizeilicher Sicht sei davon auszugehen, dass sich vergleichbare - im Einzelnen beschriebene - Protest- und Blockadeaktionen wie beim Aufzug der NPD in Braunschweig im Jahr 2005 zutragen werden, wobei für das Jahr 2011 mit höherem Protestpotenzial gerechnet werde und deswegen der polizeiliche Kräfteeinsatz gegenüber dem Jahr 2005 nochmals deutlich erhöht werden müsse.

Am 18. April 2011 fand ein Kooperationsgespräch zu der vom Antragsteller angezeigten Demonstration statt. Den Antragsteller und seine Ehefrau begleiteten Herr G. und die ortsansässigen Herren H. und I.. Der Antragsteller erklärte, er rechne mit circa 750 Teilnehmern und wolle die Versammlung wie angezeigt durchführen. Die Antragsgegnerin wies auf ihre Bedenken hin, die sich insbesondere aus Beeinträchtigungen für das Fest Braunschweig International ergäben. Der Antragsteller erklärte, von dieser Veranstaltung nichts gewusst zu haben und bis zum 27. April 2011 eine alternative Aufzugsroute anzubieten.

Mit E-Mail vom 29. April 2011 bzw. Faxschreiben vom 2. Mai 2011 teilte der Antragsteller die Alternativroute mit. Diese lautet wie folgt: Auftaktkundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz (circa 45 Minuten), Kurt-Schumacher-Straße, Auguststraße, Bohlweg/Schlossplatz mit Zwischenkundgebung (nach am 4. Mai 2011 mitgeteilter Änderung circa 240 Minuten), Steinweg, Magnitorwall, Leonhardstraße, Leonhardplatz, Bahnhofsvorplatz mit Abschlusskundgebung und Verabschiedung der Teilnehmer (circa 60 Minuten).

Mit Schreiben vom 4. Mai 2011 nahm die Polizeidirektion Braunschweig gegenüber der Antragsgegnerin zur alternativen Streckenführung Stellung. Sie kam zu dem Ergebnis, dass auch die alternative Streckenführung aus polizeilicher Sicht nicht in Betracht käme, insbesondere weil Start- und Zielpunkt weiterhin der Hauptbahnhof seien, die Streckenführung über den Bohlweg und Schlossplatz weiterhin den Kernbereich der Innenstadt tangiere und die Sicherungsmaßnahmen mit den Auswirkungen auf die Braunschweiger Innenstadt wegen des zu erwartenden Protestpotenzials im Wesentlichen unverändert blieben.

Mit Bescheid vom 6. Mai 2011 untersagte die Antragsgegnerin den mit Schreiben vom 12. Juli 2010 angemeldeten Aufzug und erstreckte das Verbot auf jede Form einer Ersatzveranstaltung für den 4. Juni 2011, insbesondere auf die am 29. April 2011 angezeigte Alternativroute. Sie ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Untersagungsverfügung an.

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen wie folgt aus:

Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes (NVersG) könne die Versammlungsbehörde eine Versammlung verbieten, wenn ihre Durchführung die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährde und die Gefahr nicht anders abgewehrt werden könne. Diese Situation sei hinsichtlich des vom Antragsteller für den 4. Juni 2011 angezeigten Aufzuges gegeben.

Zwar greife die Untersagung in die gemäß Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Versammlungsfreiheit ein und komme dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit im freiheitlich-demokratischen Staatswesen des Grundgesetzes eine besondere Bedeutung zu. Jedoch sei auch dieses Grundrecht nicht schrankenlos gewährleistet. So sei die Versammlungsbehörde gemäß Art. 8 Abs. 2 GG verpflichtet, die Voraussetzungen zur Ausnutzung dieses Grundrechtes zu schaffen, aber auch, kollidierende Interessen Anderer hinreichend zu wahren. Das Verbot einer Versammlung sei nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns - als ultima ratio - nur dann möglich, wenn eine Güterabwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit ergebe, dass dies zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter notwendig sei. Diese Voraussetzung sei gegeben.

Die von § 8 Abs. 2 NVersG vorausgesetzte unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sei darin zu sehen, dass die angezeigte Versammlung im Falle ihrer Durchführung - jedenfalls faktisch - dazu führe, dass das Kulturfest Braunschweig International verhindert bzw. massiv beeinträchtigt würde. Dies führe dazu, dass auf Seiten der Aussteller und bis zu 10.000 - potenziellen - Teilnehmer des Kulturfestes grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verletzt würden, die der Versammlungsfreiheit auf Seiten des Antragstellers gleichwertig seien. Der Aufmarsch des vom Antragsteller mobilisierten Personenkreises aus dem extremen rechten politischen Spektrum unter dem Motto „Tag der deutschen Zukunft - Ein Signal gegen Überfremdung - Gemeinsam für eine deutsche Zukunft“ werde vom Kreis der Aussteller und Besucher des Festes „Braunschweig International“ als Provokation empfunden und wirke bereits als solcher abschreckend auf diese. Bereits in der Vorbereitungsphase sei deswegen eine gehemmte Einstellung der Teilnehmer spürbar. Sie gehe davon aus, dass dem Antragsteller diese Provokation gegenüber dem Kulturfest Braunschweig International und die Auswirkungen seiner Demonstration auf diese Veranstaltung bewusst und von dem Antragsteller gewollt seien. Hinzukomme, dass die Durchführung des vom Antragsteller angezeigten Aufzuges nach der polizeitaktischen Lagebewertung massive Auswirkungen auf die Durchführung des Festes Braunschweig International erwarten lasse, insbesondere im Hinblick auf die nach der polizeilichen Lageeinschätzung notwendige polizeiliche Begleitung der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung und die notwendigen Absperrungsmaßnahmen. Nicht zuletzt wegen der Provokationswirkung, die entstanden sei, weil der Antragsteller seine Versammlung für die Zeit angemeldet habe, in der auch das internationale Fest stattfinden solle, seien zahlreiche Versammlungen und andere Gegenaktionen angemeldet bzw. polizeibekannt. Nach der polizeitaktischen Lagebewertung ergebe sich, dass das zu erwartende Blockadeverhalten der Gegendemonstranten voraussichtlich mindestens den Umfang haben werde, wie dies anlässlich des Aufzuges der NPD in Braunschweig im Juni 2005 der Fall gewesen sei. Wahrscheinlich gehe es noch darüber hinaus. Die deshalb notwendige Absicherung der Versammlung des Antragstellers im Hinblick auf diese Aktionen führe dazu, dass die Innenstadt von Polizeikräften nahezu abgeriegelt werden müsse, um den Aufzug des Antragstellers sicherzustellen. Dieses würde zu einer faktischen Zugangsbeeinträchtigung für den Veranstaltungsort des internationalen Festes führen und bewirken, dass sowohl auswärtige Bürger als auch Teilnehmer aus Braunschweig das Internationale Fest über einen langen Zeitraum nicht erreichen könnten.

Angesichts dieser drohenden Rechtsverletzungen auf Seiten der Festteilnehmer sei die Versammlung des Antragstellers nach § 8 Abs. 2 NVersG zu untersagen. Dem Grundrecht des Antragstellers aus Art. 8 GG stünden die Grundrechte der Teilnehmer und Besucher des Festes, aber auch die Rechte der übrigen Einwohner Braunschweigs gegenüber. Die Rechtsgüterabwägung führe hierbei zu dem Ergebnis, dass das Versammlungsrecht auf Seiten des Antragstellers zurückzutreten habe. Der Versammlungsaufzug könne nicht parallel zum Kulturfest Braunschweig International durchgeführt werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das internationale Fest bereits seit 30 Jahren jeweils am ersten Wochenende im Juni stattfinde und ein wesentliches Element Braunschweiger Integrationspolitik sei. Es werde neben der organisatorischen Hilfe der Stadtverwaltung ganz wesentlich von ehrenamtlichen Vertretern der teilnehmenden Gruppen getragen. Es habe eine wesentliche Bedeutung für die zivile Bürgergesellschaft in Braunschweig und über die Stadtgrenzen hinaus Bedeutung erlangt als multikulturelles Fest mit einem die Integration ausländischer Mitbürger bejahenden Sinngehalt. Schon in der Anmeldung für diesen Tag liege eine provokative Haltung; die Versammlung des Antragstellers habe das Ziel, das Fest zu beeinträchtigen. Jedenfalls aber liege faktisch eine Provokation Dritter vor. Die Durchführung der vom Antragsteller angezeigten Versammlung unter dem Motto „Tag der deutschen Zukunft - Ein Signal gegen Überfremdung - Gemeinsam für eine deutsche Zukunft“ gerade am Tag des internationalen Festes verhindere bzw. beeinträchtige dieses Fest massiv und in einer Weise, die grundlegende soziale und/oder ethische Anschauungen in erheblicher Weise verletze.

Diese versammlungsrechtlichen Erwägungen seien auch für die vom Antragsteller angebotene Alternativroute einschlägig. Auch bei dieser Streckenführung würden die Braunschweiger Innenstadt und das Fest tangiert. Die notwendigen polizeilichen Schutzmaßnahmen würden im Übrigen auch den Zugang zu den Einzelhandelszentren Schlossarkaden und Magnitor massiv erschweren bzw. verhindern. Start und Ziel auch dieser Route sei der Hauptbahnhof und die notwendigen Sicherungs- und Absperrmaßnahmen würden zu einer massiven, circa zwölfstündigen Beeinträchtigung des Verkehrs in weiten Teilen der Stadt führen. Die räumliche Bewegungsfreiheit der Bewohner des östlichen Ringgebietes wäre für einen langen Zeitraum erheblich eingeschränkt. Der Magnitorwall könne aufgrund seiner Lage unterhalb des Bebauungsniveaus nicht gesichert werden und sei deshalb untauglich für die Gewährleistung des Versammlungsschutzes. Diese nachträglich eingereichte Route kollidiere zudem mit den zwischenzeitlich erfolgten weiteren für den 4. Juni 2011 angezeigten Versammlungen. Im Übrigen tangiere die Route mit dem Schlossplatz, auf dem eine Kundgebung geplant sei, einen symbolträchtigen Ort, auf dem aufgrund der Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft keine solche Versammlung stattfinden dürfe. Dies gelte auch für den Vorbeimarsch am Schilldenkmal, das dem Gedenken an das Unrechtsregime der Nationalsozialisten diene.

Am 17. Mai 2011 hat der Antragsteller Anfechtungsklage gegen die Untersagungsverfügung vom 6. Mai 2011 erhoben (gerichtliches Aktenzeichen: 5 A 96/11) und zugleich den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Mit diesem begehrt er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Darüber hinaus möchte er, dass der Antragsgegnerin im Wege einstweiligen Rechtsschutzes untersagt wird, nach abschließender gerichtlicher Entscheidung (gegebenenfalls auf eine Beschwerde bzw. Verfassungsbeschwerde) über sein Suspensivbegehren kurzfristig vor dem beabsichtigten Beginn des Aufzugs - d.h. später als am Donnerstag, dem 2. Juni 2011, 18 Uhr - Beschränkungen in Bezug auf den von ihm angezeigten Aufzug zu erlassen. Sein Eilbegehren begründet der Antragsteller im Wesentlichen wie folgt:

Die Untersagung seines Aufzuges sei nicht im Hinblick auf die Veranstaltung Braunschweig International gerechtfertigt. Die Unterstellung der Antragsgegnerin, er habe bereits frühzeitig Kenntnis von der terminlichen Überschneidung gehabt, sei unzutreffend. Seine Demonstration sei deswegen nicht als Provokation gegenüber dem internationalen Fest geplant. Vielmehr habe seine Ehefrau, bevor er im Juli 2010 die Anzeige seines Aufzuges an die Antragsgegnerin abgesandt habe, unter Verwendung eines Tarnnamens bei der Touristik-Zentrale der Antragsgegnerin angerufen und sich danach erkundigt, ob es am Wochenende des 4. und 5. Juni 2011 Veranstaltungen kultureller oder ähnlicher Art gebe, deren Teilnahme man ihr empfehlen könne. Dies habe die Touristik-Zentrale verneint. Erst im Kooperationsgespräch am 18. April 2011 habe er davon erfahren, dass das Fest Braunschweig International zeitgleich zu seinem Aufzug am 4. Juni 2011 stattfindet. Insofern rüge er die mangelnde Kooperation der Antragsgegnerin, die ihn früher auf diesen Umstand hätte hinweisen müssen. Außerdem bestreite er, dass Braunschweig International tatsächlich vor Eingang seiner Versammlungsanzeige geplant gewesen sei.

Die Antragsgegnerin schätze das Ausmaß der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen für den von ihm geplanten Aufzug - und damit einhergehend die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf den Geschäftsbetrieb und Verkehr sowie das Fest Braunschweig International - falsch ein. Soweit die Antragsgegnerin ausführe, das Blockadeverhalten von Personen, die seiner Veranstaltung gegenüber feindselig eingestellt seien, würde voraussichtlich ähnlich ausfallen wie beim Aufzug der NPD in Braunschweig im Jahr 2005, wobei ein größeres Protestpotenzial und mehr Teilnehmer erwartet würden als im Jahr 2005, sei dies eine bloße Vermutung der Antragsgegnerin ohne hinreichende Tatsachengrundlage. Eine Anknüpfung an die Veranstaltung der NPD im Jahr 2005 sei nicht möglich, weil eine Vergleichbarkeit mit der von ihm angezeigten Demonstration - wegen des unterschiedlichen Veranstalters und des unterschiedlichen Teilnehmerkreises - nicht gegeben sei. Zudem seien wegen des langen Zeitablaufs seit dem Jahr 2005 Rückschlüsse auf den von ihm geplanten Aufzug nicht möglich. Die Antragsgegnerin lege ihrer Einschätzung fälschlicherweise zugrunde, dass Personen, die zu Blockadeaktionen gegen seinen Aufzug bereit seien, nicht von Besuchern des Festes Braunschweig International unterschieden werden könnten. Tatsächlich seien aber insbesondere gewaltbereite Linksextremisten sehr gut zu erkennen. Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu den Auswirkungen seiner Demonstration auf den Nah- und Fernverkehr seien übertrieben. Insbesondere seien der Hauptbahnhof und das Bahnhofsgelände groß genug, um eine Beeinträchtigung von Reisenden durch seine Versammlung zu vermeiden.

Außerdem dürfe die Antragsgegnerin ihm Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit, die sich durch polizeiliche Absperr- und Sicherungsmaßnahmen ergeben, nicht entgegenhalten. Denn diese seien nicht unmittelbar durch den von ihm angezeigten Aufzug hervorgerufen, sondern Folge von Gegenveranstaltungen oder Blockadeaktionen. Diese mittelbaren Folgen seien seiner Demonstration nicht zurechenbar. Der Antragsgegnerin obläge es vielmehr, die Durchführung seiner - vorrangigen - Versammlung sicherzustellen, indem sie mit Verboten oder sonstigen Maßnahmen effektiv gegen die Gegenveranstaltungen und -aktionen vorgehe. Dementsprechend dürfe die Antragsgegnerin ihm auch nicht entgegenhalten, dass die von ihm eingebrachte Alternativroute seines Aufzuges mit zwischenzeitlich erfolgten Versammlungsanmeldungen kollidiere. Auch insoweit ergebe sich ein Vorrang des von ihm angezeigten Aufzuges.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage (5 A 96/11) wiederherzustellen.

Außerdem beantragt er,

der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, nach abschließender gerichtlicher Entscheidung über den Aussetzungsantrag kurzfristig (im Sinne von später als Donnerstag, den 2. Juni, 18 Uhr) eine mit Sofortvollzug ausgestattete Verfügung zu erlassen, mit der entweder der Zeitrahmen der Demonstration oder aber die Orte von Auftakt-, Zwischen- und Abschlusskundgebungen oder aber die Wegstrecke der Demonstration geändert wird.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen,

und nimmt zur Begründung im Wesentlichen Bezug auf die Begründung ihres Bescheides. In Ergänzung ihrer bisherigen Gefahrenprognose verweist sie auf die Ausführungen der Polizeidirektion Braunschweig in deren als Anlage übersandten Schreiben vom 19. Mai 2011 und macht sich die dort vorgenommene Gefährdungsprognose zu Eigen. In dieser ergänzenden Gefährdungseinschätzung verweist die Polizeidirektion Braunschweig auf eine Versammlung in Berlin vom 14. Mai 2011 zu dem Thema „Für die Erfassung der Nationalität bei Straftätern“ bzw. „Wahrheit macht frei - Täter bei der Herkunft benennen“, an der der Antragsteller teilgenommen habe. Diese Versammlung habe einen unfriedlichen Verlauf genommen, indem Teilnehmer des Aufzugs unvermittelt und in nicht vorhersehbarer Aggressivität eine kleine Gruppe gewaltfreier Blockierer bedrängt und massiv angegriffen hätten. Hierdurch sei es zu schweren Landfriedensbruchdelikten gekommen. Die Polizeidirektion Braunschweig schlussfolgert, dass ähnliche Vorkommnisse auch für den Aufzug am 4. Juni 2011 in Braunschweig nicht ausgeschlossen werden könnten. Des Weiteren begründet die Polizeidirektion Braunschweig ihre Einschätzung, dass die Sicherung des Aufzugs des Antragstellers es erforderlich machen würde, die gesamte Aufzugsroute von den frühen Morgenstunden an abzusperren und eine Einzelpersonenkontrolle durchzuführen, und beschreibt Sicherheitsbedenken gegen einzelne vom Antragsteller gewählte Streckenabschnitte. Die Einwände des Antragstellers gegen die polizeiliche Gefährdungseinschätzung weist die Antragsgegnerin als nicht substanziiert zurück. Sie tritt des Weiteren der Einlassung des Antragstellers entgegen, das Kulturfest Braunschweig International sei in Reaktion auf die von diesem angezeigte Versammlung auf den 4. Juni 2011 gelegt worden. Vielmehr finde das Fest in langjähriger Tradition stets am ersten Samstag im Juni eines Jahres statt. Sie habe nicht gegen das Kooperationsgebot verstoßen. Das Kooperationsgespräch habe nicht vor dem 18. April 2011 stattfinden können, weil sich die Gefährdungslage erst Ende März 2011 habe konkret feststellen lassen. Das Verbot des Demonstrationsaufzugs des Antragstellers habe sie nach einer Abwägung der widerstreitenden Interessen ausgesprochen. Wegen dessen Auswirkungen auf das Kulturfest Braunschweig International habe ein Verbot erfolgen müssen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller auch nach dem Kooperationsgespräch nicht auf die Durchführung eines Versammlungsaufzuges in den Innenstadtkern verzichtet habe. Ihre Entscheidung sei unabhängig davon erfolgt, ob der Antragsteller die von seiner Versammlung ausgehende Provokation gegenüber den Festteilnehmern und die Störung des Festes beabsichtigt habe. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unbegründet und deswegen abzulehnen.

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

Soweit der Antragsteller beantragt hat, das Gericht möge gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2011 (gerichtliches Aktenzeichen 5 A 96/11) wiederherstellen, ist der Eilantrag zulässig, aber unbegründet.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell ordnungsgemäß erfolgt. Die Antragsgegnerin hat in ausreichender Weise schriftlich begründet, warum sie das besondere Interesse an dem Sofortvollzug als gegeben erachtet (vgl. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Sie hat nachvollziehbar ausgeführt, dass es angesichts der von ihr gesehenen erheblichen Gefahren, die bei der Durchführung des vom Antragsteller für den 4. Juni 2011 angezeigten Demonstrationsaufzuges drohen, erforderlich ist, das mit der Verfügung ausgesprochene Verbot sofort - ohne abschließende Überprüfung in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren - umzusetzen.

Auch aus materiell-rechtlichen Gründen besteht keine Veranlassung, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen. Ein zulässiger Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO ist erfolgreich, wenn sich bei der gebotenen Interessenabwägung ergibt, dass im Einzelfall das Interesse des Antragstellers am Schutz vor Schaffung ihn belastender vollendeter Tatsachen aufgrund eines möglicherweise rechtswidrigen Verwaltungsaktes Vorrang hat gegenüber dem Interesse Dritter oder der Behörde an einer sofortigen Durchführung der mit dem Verwaltungsakt angeordneten Maßnahme vor einer abschließenden gerichtlichen Prüfung seiner Rechtmäßigkeit. Mit der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen Zurückhaltung sind im Rahmen der Interessenabwägung die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Vorliegend überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung. Diese ist aller Voraussicht nach zu Recht ergangen. Bei der Durchführung des vom Antragsteller angezeigten Demonstrationsaufzuges am 4. Juni 2011 sind Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit in nicht hinnehmbarer Weise gefährdet.

Rechtsgrundlage der Untersagungsverfügung ist § 8 Abs. 2 Satz 1 NVersG. Hiernach kann die zuständige Behörde eine Versammlung verbieten, wenn ihre Durchführung die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet und die Gefahr nicht anders abgewehrt werden kann. Wegen des durch Art. 8 GG bewirkten Schutzes von Versammlungen und der hohen Bedeutung der Versammlungsfreiheit für die freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung, gerade auch im Hinblick auf den Schutz von Minderheiten, darf eine Versammlung nur ausnahmsweise verboten werden. Insbesondere ergeben sich folgende verfassungsrechtliche Anforderungen an die Untersagung einer Versammlung, die die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid vom 6. Mai 2011 zutreffend dargelegt hat: Bereits das Entschließungsermessen ist grundrechtlich gebunden. Die Versammlungsfreiheit hat nur dann zurückzutreten, wenn eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt, dass dies zum Schutz anderer, mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist. Die Gefährdungsprognose muss sich auf nachweisbare Tatsachen als Grundlage stützen; bloße Vermutungen reichen nicht aus. Es müssen die hohe Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sowie ein hinreichend bestimmter Kausalzusammenhang zwischen der Durchführung der Versammlung und der Gefährdungssituation vorliegen. Ein Versammlungsverbot ist - als ultima ratio - schließlich nur zulässig, wenn der Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht durch Beschränkungen der Versammlungen hinreichend begegnet werden kann (vgl. BVerfG, B. v. 21.04.1998 - 1 BvR 2311/94 -, juris Rn. 27; Nds. OVG, B. v. 12.08.2010 - 10 B 3508/10 -, veröffentlicht unter: www.dbovg.niedersachsen.de). Die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2011 ist nach diesem Maßstab aller Voraussicht nach zu Recht ergangen.

Bei Durchführung des vom Antragsteller angezeigten Demonstrationsaufzuges droht mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Beeinträchtigung von Rechtspositionen Dritter, die gleichwertig sind mit der Versammlungsfreiheit des Antragstellers, und somit eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 NVersG. Die Kammer teilt die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass der Demonstrationsaufzug des Antragstellers die Durchführung des Kulturfestes Braunschweig International faktisch verhindern oder jedenfalls massiv beeinträchtigen würde. Dies würde die - potenziellen - Besucher des Festes sowie die Aussteller in ihren Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG treffen. Die Kammer legt ihrer Bewertung zugrunde, dass die Teilnahme am Kulturfest Braunschweig International als Besucher oder Aussteller - jedenfalls in einer Vielzahl von Fällen - mit der Kundgabe einer Meinung verbunden ist und vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst ist. Braunschweig International ist seit 30 Jahren ein Fest der Migrantinnen und Migranten in Braunschweig und der Region. Es dient dem Ziel, die Solidarität mit und unter den in der Region lebenden Personen mit Migrationshintergrund zu fördern. Hierdurch trägt es zu mehr Toleranz bei und leistet einen Beitrag für ein friedliches Zusammenleben aller Menschen. Dies drückt sich unter anderem in dem jährlich wechselnden, die Integration ausländischer Bürger bejahenden Motto der Veranstaltung (für das Jahr 2011 bspw.: „Wir sind bunt“) aus. Mit ihrer Teilnahme am Fest ist auf Seiten der Aussteller und in vielen Fällen auch auf Seiten der Besucher eine die Integration ausländischer Mitbürger und das friedliche Zusammenleben aller Menschen bejahende Meinungskundgabe verbunden. Indem die Teilnehmer des Festes unter dem die Integration bejahenden Motto zusammenfinden und über die an den Verkaufsständen angebotenen Speisen und die landestypischen Kulturdarbietungen sowie im Gespräch mit anderen Besuchern sowie Ausstellern fremde Kulturen kennenlernen, bringen sie zum Ausdruck, dass ihnen die Integration der in ihrer Region lebenden Personen mit Migrationshintergrund ein Anliegen ist und sie das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Kulturen unterstützen.

Mit der Meinungsfreiheit ist auf Seiten der Teilnehmer des Kulturfestes eine der Versammlungsfreiheit des Antragstellers gleichwertige Rechtsposition betroffen. Die Meinungsfreiheit ist - wie die Versammlungsfreiheit - ein für ein freiheitliches demokratisches Grundwesen konstituierendes Grundrecht (vgl. Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5 Rn. 2). Die Teilnahme am Fest ist zudem durch die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt, hinsichtlich der Aussteller auch bezüglich der Verkaufstätigkeit und der Aussicht, die getätigten Investitionen refinanzieren zu können. Angesichts der vom Antragsteller bei früheren Gelegenheiten getätigten Äußerungen (z.B. „Ich lehne den Begriff „Fremde“ ab. Es sind und bleiben art- und volksfremde Subjekte“, Quelle: Video „Überfremdung stoppen Kundgebung in Berlin vom 18.09.2010 Teil 1“ auf der Internetseite: youtube.com) bzw. den auf von ihm organisierten Veranstaltungen skandierten Parolen (z.B. „Ali, Mehmet, Mustafa: Geht zurück nach Ankara!“, Quelle: Video „Das war der Tag der deutschen Zukunft in Hildesheim 2010“, youtube.com) sind für die vom Antragsteller angezeigte Veranstaltung am 4. Juni 2011 außerdem ähnliche Äußerungen zu erwarten, die die Menschenwürde von Teilnehmern des Festes Braunschweig International tangieren könnten, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG.

Das Kulturfest Braunschweig International würde mit hoher Wahrscheinlichkeit faktisch verhindert oder jedenfalls massiv beeinträchtigt werden, wenn der vom Antragsteller angezeigte Demonstrationsaufzug stattfindet. Dies trifft zunächst für die vom Antragsteller ursprünglich angezeigte Aufzugsroute zu.

Die Antragsgegnerin legt zutreffend dar, dass als Folge der dann erforderlichen Sicherungsmaßnahmen der Zugang zum Kulturfest Braunschweig International - weitgehend - versperrt wäre. Nach der polizeilichen Gefährdungseinschätzung bzw. ihrer Einsatztaktik sind die gesamte Aufzugsstrecke weiträumig von den frühen Morgenstunden an zu sperren und Einzelpersonenkontrollen durchzuführen. Der Personenverkehr rund um das Kulturfest käme hierdurch weitgehend zum Erliegen, die Zugangsmöglichkeiten zum Kulturfest wären massiv beeinträchtigt, zumal die Aufzugsroute das Festgelände umkreist. Bereits hierdurch liefe das Kulturfest weitgehend leer. Denn nach seiner Zielrichtung ist es auf die Begegnung und den Austausch ausgerichtet und deswegen auf freie Zugangsmöglichkeiten - sowohl für Auswärtige als auch für Braunschweiger Bürger - angewiesen.

Die weiträumige und langfristige Absperrung der Aufzugsroute verbunden mit Einzelpersonenkontrollen wäre nach Auffassung der Kammer zur Sicherung des vom Antragsteller angezeigten Aufzugs vor Störaktionen, aber auch zur Sicherung Außenstehender vor den Teilnehmern der Versammlung erforderlich.

Den polizeilichen Gefährdungsprognosen vom 28. März 2011 und vom 19. Mai 2011 lässt sich entnehmen, dass ein erhebliches Konfliktpotenzial im Zusammenhang mit dem Aufzug des Antragstellers vorhanden ist. Die Einwände des Antragstellers gegen diese Einschätzung dringen nicht durch. Es ist zunächst nicht zu beanstanden, hinsichtlich des Störpotenzials von den Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Aufzug der NPD in Braunschweig im Jahr 2005 auszugehen. Dass - wie der Antragsteller anführt - hinsichtlich seines Aufzuges ein wesentlich geringes Konfliktpotenzial gegeben sei, weil mit ihm ein unterschiedlicher Veranstalter den Aufzug organisiere und ein anderer Personenkreis an seinem Aufzug teilnehme, erschließt sich nicht. Die Kammer geht vielmehr von einer grundsätzlichen Vergleichbarkeit der Aufzüge aus. Der Aufzug des Antragstellers ist - wie der Aufzug im Jahr 2005 - dem extremen rechten politischen Spektrum mit einem ähnlichen Teilnehmerkreis zuordenbar. Der aktuelle Aufzug weist Verbindungen zur NPD auf. Ausweislich der Homepage des Antragstellers (www.tddz.info) hat der Antragsteller auf verschiedenen Veranstaltungen der NPD für seinen Aufzug geworben (bspw. beim NPD – Unterbezirk Ostfriesland - Friesland oder der NPD Jahreshauptversammlung in Wolfsburg). Die Versammlungsleiterin und Ehefrau des Antragstellers, Frau C. D., ist ausweislich der Angaben auf der Homepage des NPD Unterbezirks Ostfriesland im Landesvorstand der NPD. Für die Beurteilung des Konfliktpotenzials ist des Weiteren maßgeblich, ob der Aufzug in der Wahrnehmung möglicher Blockierer und Störer mit dem Aufzug aus dem Jahr 2005 vergleichbar ist. Dass dies der Fall ist, zeigt sich an den massiven Mobilisierungsaktionen im Umfeld der Gegner des Aufzugs, die zu Blockaden und sonstigen Störaktionen des „Nazi-Aufmarsches“ aber auch „NPD-Aufmarsches“ aufrufen. Auch in der Berichterstattung der Braunschweiger Zeitung ist bisweilen vom „NPD-Aufmarsch“ die Rede (vgl. bspw. Bericht vom 17.05.2011: „Eilantrag der NPD gegen Verbot einer Demonstration in Braunschweig“, Quelle: newsclick.de). Von den Erfahrungen aus dem Aufzug der NPD im Jahr 2005 kann trotz des Ablaufs von circa 6 Jahren ausgegangen werden, weil nicht ersichtlich ist, dass sich die Verhältnisse wesentlich geändert hätten. Bei dem Aufzug im Jahr 2005 kam es zu massiven Stör- und Blockadeaktionen und circa 130 Straftaten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darstellung im Untersagungsbescheid der Antragsgegnerin verwiesen.

Für ein gegenüber dem NPD-Aufzug von 2005 nochmals gesteigertes Konfliktpotenzial spricht, dass von dem Aufzug des Antragstellers eine besondere Provokation ausgeht, die über das mit jedem rechtsextremen Aufzug verbundene Maß hinausgeht. Diese folgt insbesondere daraus, dass der Aufzug zeitgleich mit und in inhaltlichem Gegensatz zum Fest Braunschweig International stattfinden soll, das - wie bereits dargelegt - eine eindeutige, die Integration bejahende Ausrichtung und einen diesbezüglichen Symbolcharakter hat. Der fremdenfeindliche Aufzug des Antragstellers (vgl. die zuvor wiedergegebene Äußerung des Antragstellers vom September 2010 bzw. die auf der vom ihm veranstalteten Demonstration im Jahr 2010 skandierte Parole) untergräbt das Anliegen des Festes und dessen - auch symbolische - Bedeutung. Unabhängig davon, ob die Provokation vom Antragsteller bezweckt ist, rechtfertigt sie die Prognose besonders intensiver Gegen- und Störaktionen. Ersichtlich wird dies an zahlreichen Aufrufen zu Blockade- und Störaktionen, beispielsweise im Internet oder durch zahlreiche im Gebiet der Stadt Braunschweig verteilte Aufkleber und Plakate. Schließlich ist in der Einschätzung des Konfliktpotenzials zu berücksichtigen, dass von dem Aufzug des Antragstellers selbst ein nicht unerhebliches Aggressionspotenzial ausgeht. So finden sich beispielsweise in der Berichterstattung über die inhaltlich identische Veranstaltung des Antragstellers vom 5. Juni 2010 in Hildesheim Hinweise auf Angriffe der Versammlungsteilnehmer auf Medienvertreter und Gegendemonstranten (vgl. bspw.: Kai Budler, „Neonazis feiern „Tag der deutschen Zukunft“ mit Angriffen auf Medienvertreter“, Quelle: Zeit-Online). Dies deckt sich mit der Beschreibung der Polizeidirektion Braunschweig in deren Gefährdungseinschätzung vom 19. Mai 2011 vom unfriedlichen Verlauf einer thematisch vergleichbaren Versammlung am 14. Mai 2011 in Berlin, an der der Antragsteller teilgenommen hat.

Angesichts dieses schwerwiegenden Konfliktpotenzials ist die polizeiliche Einsatztaktik, langfristig und weiträumig Absperrungen zu errichten und dort Personenkontrollen vorzunehmen, nicht zu beanstanden. Sie ist wegen des Erfordernisses einer effektiven Trennung der opponierenden Gruppierungen gerechtfertigt. Die Erfahrungen aus dem Aufzug der NPD im Jahr 2005 tragen die Annahme, dass ausufernde Blockademaßnahmen auf andere Weise nicht zu verhindern wären. Unabhängig hiervon ist mit der Einschätzung der Polizei nicht zu erwarten, dass die beschriebenen umfangreichen Sicherungsmaßnahmen sowie eine massive Polizeipräsenz gegenseitige Provokationen, Aggressionen und Störmaßnahmen vollständig unterbinden können. Insofern wirkt sich unter anderem aus, dass potenzielle Blockierer bei Personenkontrollen - entgegen der Einlassung des Antragstellers - nicht ohne Weiteres ausgemacht werden können.

Dass die Polizei Rückzugsflächen in der Nähe der Aufzugsroute benötigt, wirkt sich zusätzlich zu den Absperr- und Kontrollmaßnahmen nachteilig auf die Möglichkeiten aus, zum Fest Braunschweig International gelangen zu können. Dieser Effekt hat wegen der großen Annäherung der Aufzugsroute an die Fläche, die vom Kulturfest belegt ist, beispielsweise während der Kundgebung auf dem Schlossplatz, besonderes Gewicht. Insbesondere für Besucher, die nicht aus dem Bereich der Innenstadt von Braunschweig kommen, sondern von auswärts anreisen, ist der Zugang zum Fest des Weiteren dadurch erschwert, dass der Hauptbahnhof Teil der Aufzugsroute ist und dort eine Auftakt- und eine Abschlusskundgebung stattfinden sollen. Außerdem lassen die Sicherungsmaßnahmen sowie Stör- und Blockadeaktionen erwarten, dass - ähnlich wie im Jahr 2005 - der öffentliche Personennahverkehr im Stadtgebiet massiv beeinträchtigt wird und teilweise zum Erliegen kommen wird.

Der Demonstrationsaufzug des Antragstellers hat zudem eine abschreckende Wirkung auf - potenzielle - Teilnehmer des Festes Braunschweig International, weil mit ihm eine Vielzahl rechtsextremer, fremdenfeindliche Positionen vertretende Teilnehmer des Aufzuges in der Stadt anwesend sein werden und deswegen die Möglichkeit besteht, ihnen bei der An- oder Abreise zum Kulturfest zu begegnen. Dies beeinträchtigt die Durchführung des Festes nicht unerheblich. Die Kammer teilt die diesbezügliche Einschätzung der Antragsgegnerin vom 24. März 2011, wonach davon auszugehen sei, dass viele Besucher dem Fest fernbleiben würden, weil sie aus Angst vor Gewaltaktionen den Weg in die und von der Innenstadt sowie das Verweilen auf dem Gelände des Festes meiden. Zutreffend stellt die Antragsgegnerin darauf ab, dass insbesondere Familien mit Kindern von dem Aggressionspotenzial des vom Antragsteller angezeigten Aufzuges abgeschreckt werden dürften. Hinzukommt, dass gerade auch Personen mit Migrationshintergrund nachvollziehbare Ängste vor der Veranstaltung des Antragstellers und deren Teilnehmerkreis haben. Diese Personengruppen stellen einen wesentlichen Anteil des - potenziellen - Teilnehmerkreises. Eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Teilnehmer kann auch von dem massiven Polizeiaufgebot ausgehen, das zur Sicherung des Aufzuges erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für Besucher des Festes, die traumatisierende (Gewalt- oder Folter-) Erfahrungen mit der Staatsgewalt in ihrem Heimatland gemacht haben, beispielsweise politische Flüchtlinge. Auch diese zählen zu dem vom internationalen Fest angesprochenen Personenkreis.

Die störenden Auswirkungen auf das Kulturfest Braunschweig International fallen vergleichbar schwerwiegend und allenfalls graduell geringfügiger aus, wenn der Aufzug des Antragstellers auf der von ihm vorgeschlagenen Alternativroute verläuft. Es ist auch dann mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass Braunschweig International faktisch verhindert oder jedenfalls massiv beeinträchtigt würde. Auch die vom Antragsteller vorgeschlagene Alternativroute gefährdet die grundrechtlich geschützten Rechte der - potenziellen - Teilnehmer des Kulturfestes Braunschweig International.

Die zuvor dargelegte abschreckende Wirkung und die einschüchternden Effekte, die vom Aufzug des Antragstellers sowie dem massiven Aufgebot an Sicherheitskräften auf das Kulturfest Braunschweig International und dessen Teilnehmerkreis ausgehen, wären gegenüber der ursprünglichen Aufzugsroute unverändert. Die Alternativroute führt ebenfalls in großer Nähe am Festgelände vorbei. Auf dem nahegelegenen Schlossplatz ist eine Kundgebung beabsichtigt. Nach der polizeilichen Gefährdungseinschätzung vom 19. Mai 2011 kann sich der durch die Sperrung hervorgerufene Interessenkonflikt gerade an dieser Stelle entladen, wobei tätliche Übergriffe aufgrund der räumlichen Enge nur schwer zu verhindern seien und eine Eskalation der Lage bis zur Paniksituation aufgrund der Verengung der Räume eintreten könne. Auch ohne eine solche Zuspitzung wirkt die Veranstaltung des Antragstellers angesichts der großen Nähe zum Kulturfest störend auf dieses. Das Kulturfest ist auf Austausch und Kommunikation angelegt. Dies setzt Offenheit bei den Beteiligten, aber auch in den äußeren Bedinungen sowie eine friedliche Grundstimmung und das Fehlen von Gewalt und Aggressivität voraus. Durch die vom Aufzug des Antragstellers und dessen Teilnehmerkreis ausgehende Aggressivität, insbesondere gegenüber Personen mit Migrationshintergrund, wird das Fest konterkariert und das Gelingen der Veranstaltung gefährdet.

In Bezug auf die zu erwartenden Auswirkungen auf das Fest Braunschweig International unterscheidet sich die Alternativroute von der ursprünglich angezeigten Aufzugsroute (nur) dadurch, dass das Festgelände nicht mehr vollständig umschlossen wird. Allein hierdurch fallen die gravierenden Beeinträchtigungen des Zugangs zum Fest nicht in erheblichem Maße geringfügiger aus. Auch die Alternativroute tangiert das Festgelände in einem nicht unerheblichen Teilen entlang der gesamten östlichen Flanke. Die Alternativroute müsste nach der polizeilichen Gefährdungseinschätzung entlang der gesamten Strecke von den frühen Morgenstunden an gesperrt werden. Personeneinzelkontrollen wären in demselben Umfang erforderlich wie bei der ursprünglichen Aufzugsroute. Der Zugang zum Fest würde hierdurch insbesondere für Personen, die nicht im Innenstadtbereich von Braunschweig wohnen, erheblich beeinträchtigt. Insoweit kommt zum Tragen, dass auch durch die Alternativroute der Zugang zum Fest vom Schlossplatz bzw. der Haltestelle Rathaus/Bohlweg aus sowie vom Hauptbahnhof aus betroffen wäre. Dies sind zentrale Haltestellen sowohl für den innerstädtischen öffentlichen Nahverkehr als auch für die Anreise auswärtiger Besucher des Festes. Auswirkungen auf den öffentlichen Personennahverkehr bis zum vollständigen Ausfall sind ebenfalls in demselben Umfang zu befürchten wie bei der ursprünglichen Aufzugsroute.

Die Rechte der - potenziellen - Teilnehmer des Kulturfestes Braunschweig International sind durch die zuvor beschriebenen Auswirkungen auf das Kulturfest Braunschweig International unmittelbar gefährdet im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 NVersG. Eine unmittelbare Gefährdung setzt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts voraus (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 16.Aufl, § 15 Rn. 28). Dies ist vorliegend der Fall, da die Beeinträchtigungen des Kulturfestes Braunschweig International aller Voraussicht nach und deswegen mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten.

Die Antragsgegnerin durfte den Aufzug des Antragstellers untersagen, weil die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, die sich aus der Beeinträchtigung des Kulturfestes Braunschweig International ergibt, nicht anders abgewendet werden kann.

Die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin genügt zunächst den verfassungsrechtlichen Vorgaben, wonach dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit soweit wie möglich Geltung zu verschaffen ist und das Verbot einer Demonstration nur als äußerste Maßnahme - ultima ratio - in Betracht kommt. Im Fall der Kollision des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit mit anderen gleichwertigen Rechtspositionen ist entsprechend dem Rechtsgedanken der sogenannten praktischen Konkordanz grundsätzlich ein Ausgleich der widerstreitenden Positionen mit dem Ziel ihres jeweils größtmöglichen Schutzes anzustreben (vgl. BVerfG, B. v. 14.05.1981 - 1 BvR 233/81 -, juris Rn. 93). Die Kammer teilt diesbezüglich die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass der vom Antragsteller angezeigte Aufzug in der von ihm beabsichtigten Weise nicht parallel zum Fest Braunschweig International stattfinden kann, ohne dass dies zur Folge hätte, dass das Kulturfest faktisch verhindert oder jedenfalls massiv beeinträchtigt würde. Es ist nicht ersichtlich, dass durch Beschränkungen zum Aufzug des Antragstellers ein gleichzeitiges Nebeneinander der Veranstaltungen ermöglicht werden könnte. Die Antragsgegnerin weist zutreffend insbesondere darauf hin, dass der Antragsteller in Reaktion auf das Kooperationsgespräch vom 18. April 2011 und in Kenntnis der Gefährdungslage darauf bestanden hat, den Aufzug in den Kernbereich der Innenstadt zu führen und dort eine Kundgebung auf dem zentralen Schlossplatz durchzuführen. Hieraus ist zu schlussfolgern, dass eine wesentlich modifizierte Form seines Aufzuges - beispielsweise in Form einer stationären Kundgebung in der Nähe des Bahnhofes - von ihm weder gewünscht noch akzeptiert würde. Hierfür spricht auch, dass der Antragsteller auch ansonsten - beispielsweise in der Antragsschrift - nicht zum Ausdruck gebracht hat, dass eine weitgehende Beschränkung seines Aufzuges, die den Innenstadtbereich ausnimmt, für ihn in Betracht käme. Das Gericht sieht sich deshalb nicht gehalten, von sich aus weitere Varianten zu prüfen (anders - allerdings im Rahmen einer Interessenabwägung bei offenen Erfolgsaussichten - Nds. OVG, B. v. 13.08.2010 - 11 ME 313/10 -, juris Rn 12).

Führt die Ausübung des Versammlungsrechts zur Kollision mit Rechtsgütern Dritter oder der Allgemeinheit, steht dem Veranstalter kein Bestimmungsrecht darüber zu, wie gewichtig diese Rechtsgüter in die Abwägung einzubringen sind und wie die Interessenkollision rechtlich bewältigt werden kann. Die Abwägung, ob und wie weit gegenläufige Interessen die Einschränkung der Versammlungsfreiheit rechtfertigen, obliegt vielmehr der Versammlungsbehörde und den mit der rechtlichen Überprüfung befassten Gerichten (vgl. BverfG, B. v. 26.01.2001 - 1 BvQ 9/01 -, juris Rn. 16; Nds. OVG, B. v. 05.05.2006 - 11 ME 117/06 -, juris Rn. 35). Hiernach ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin in der gegebenen Situation, in der entweder der Aufzug des Antragstellers zu untersagen war oder das Kulturfest Braunschweig International faktisch verhindert bzw. jedenfalls massiv beeinträchtigt würde, erstere Maßnahme ergreift.

In ihrer Abwägung durfte die Antragsgegnerin dem Antragsteller entgegenhalten, dass sich die Maßnahmen, die zur Sicherung des von ihm angezeigten Demonstrationszuges erforderlich sind, nachteilig auf die Rechte der - potenziellen - Teilnehmer des Festes Braunschweig International auswirken. Der Antragsteller dringt nicht mit seinem Einwand durch, dies sei nicht möglich, weil die Sicherungsmaßnahmen bloß mittelbare Folgen seines Demonstrationsaufzuges seien, die ihm nicht zugerechnet werden können, und die Antragsgegnerin vielmehr gehalten wäre, gegen Störer seines Aufzuges vorzugehen. Zwar weist der Antragsteller zutreffend darauf hin, dass die Sicherungsmaßnahmen zu einem großen Anteil vorgenommen werden sollen, um Stör- und Blockadeaktionen zu verhindern, die gegen die Veranstaltung des Antragstellers gerichtet sind, sie also nur indirekte Folge des von ihm angezeigten Demonstrationsaufzuges sind. Jedenfalls in Abgrenzung gegenüber dem Kulturfest Braunschweig International und dessen Teilnehmern sind sie allerdings seiner Sphäre zuzuordnen und können ihm entgegengehalten werden. Im Verhältnis zu den Teilnehmern des Festes Braunschweig International weist er den stärkeren Bezug zu den Maßnahmen auf. Denn es handelt sich um notwendige Schutzvorkehrungen für die von ihm angezeigte Demonstration. Die Zurechnung der mittelbaren Folgen seines Aufzuges zum Antragsteller im Verhältnis zu den - gänzlich unbeteiligten Teilnehmern - des Kulturfestes, entspricht dem Rechtsgedanken des sogenannten unechten polizeilichen Notstandes. Hiernach darf ausnahmsweise gegen eine (nichtstörende) Versammlung eingeschritten werden, wenn Maßnahmen gegen die unmittelbaren Störer zwar möglich wären, allerdings eine größere Gefahr bzw. (unverhältnismäßig) größere Schäden für Unbeteiligte hervorrufen würden als Maßnahmen gegen die (nichtstörende) Versammlung (vgl. Nds. OVG, B. v. 05.05.2006 - 11 ME 117/07 -, juris Rn. 24 f.; Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 15 Rn. 42). Dies lässt sich auf die vorliegende Konstellation übertragen: Wegen der schwerwiegenden Auswirkungen auf das (unbeteiligte) Kulturfest Braunschweig International und dessen Teilnehmer ist ein versammlungsrechtliches Vorgehen gegen den Antragsteller auch in Bezug auf die Auswirkungen von Sicherungsmaßnahmen möglich, die wegen des Verhaltens von Störern zu dessen Aufzug erforderlich werden. Zugleich ist eine Zurechnung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 NVersG möglich. Hiernach ist das Verbot einer Versammlung, von der die Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht unmittelbar ausgeht, zulässig, wenn Maßnahmen gegen die die Gefahr verursachenden Personen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind gegeben. Ein - polizeiliches oder ordnungsbehördliches - Vorgehen gegen die Personen, die Stör- und Blockadeaktionen gegen den Aufzug des Antragstellers beabsichtigen, ist nicht anders als in der beabsichtigten und zuvor beschriebenen Weise möglich, insbesondere nicht in einer Weise, die geringere Auswirkungen auf das Kulturfest Braunschweig International zur Folge hätte. So kann die Antragsgegnerin im Vorfeld des Aufzuges die zu erwartenden Störmaßnahmen insbesondere nicht - wie vom Antragsteller gefordert - effektiv durch Verbote verhindern. Es ist nicht zu erwarten, dass diese befolgt würden, zumal Blockade- und Störaktionen gemäß § 4 NVersG bereits kraft Gesetzes verboten und gemäß § 20 und § 21 NVersG Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten sind. Ohne die beschriebenen Sicherungsmaßnahmen wäre zu erwarten, dass Stör- und Blockademaßnahmen in größerem Ausmaß erfolgreich durchgeführt werden könnten. Es wäre zu befürchten, dass die widerstreitenden Gruppierungen aufeinanderträfen. Dies könnte nicht nur den Aufzug des Antragstellers verhindern, sondern wäre zudem mit weitergehenden Beeinträchtigungen für das Kulturfest verbunden.

Auch ansonsten ist die Abwägung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden. Für das gefundene Ergebnis, am 4. Juni 2011 den Rechten der Teilnehmer des Kulturfestes Braunschweig International Vorrang gegenüber den Rechten der Versammlungsteilnehmer einzuräumen, spricht, dass das Veranstaltungsdatum für das Kulturfest eine besondere Bedeutung hat. Dieses findet in langjähriger Tradition stets am ersten Samstag eines Juni statt. Der Veranstaltungstermin ist deswegen mit dem Symbolcharakter der Veranstaltung und deren Aussagegehalt verbunden. Eine vergleichbare Bedeutung des konkreten Termins für seine Veranstaltung hat der Antragsteller nicht belegt. Hinzukommt, dass der Termin für das Kulturfest aufgrund der langjährigen Tradition bereits festgestanden hatte, bevor der Antragsteller seine Demonstration angezeigt hat. Es ist deswegen von einer zeitlichen Priorität zugunsten des Kulturfestes Braunschweig International auszugehen. Wegen des jährlich gleichen fixen Termins steht dem nicht entgegen, dass der Antrag auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis für den Kohlmarkt als erste nach außen wirkende Planungshandlung für das Kulturfest erst am 22. Juli 2010 - und somit nach Eingang der Anzeige des Antragstellers - bei der Antragsgegnerin gestellt wurde. Der zeitlichen Priorität einer Veranstaltung kommt zwar keine allein maßgebliche Bedeutung im Fall einer Terminkollision zu. Sie kann aber oftmals - wie auch im vorliegenden Fall - zugunsten der zuerst feststehenden Veranstaltung berücksichtigt werden (vgl. VG Braunschweig, U. v. 28.02.2007 - 5 A 685/05 -, juris Rn. 7 m.w.N.).

Dafür, in der Abwägung im Rahmen des polizeilichen Auswahlermessens den Grundrechten der Teilnehmer von Braunschweig International den Vorrang zu geben und die Versammlung des Antragstellers zu verbieten, spricht auch, dass die angemeldete Versammlung eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellen dürfte. Zwar rechtfertigt eine bloße Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Allgemeinen nicht das Verbot einer Versammlung (vgl. BVerfG, U. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 - juris Rn 78 ff.; BVerfG, B. v. 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 - Juris Rn. 23; vgl. auch Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 15 Rn. 321 ff.), die öffentliche Ordnung scheidet aber nicht grundsätzlich als Schutzgut für eine Einschränkung des Versammlungsrechts unterhalb der Schwelle eines Verbots aus (vgl. BVerfG, B. v. 26.01.2001 - 1 BvQ 9/01 -, juris Rn. 15; B. v. 26.01.2006 - 1 BvQ 3/06 -, juris Rn. 14). In Anwendung dieser Grundsätze bezieht die Kammer die Gefährdung der öffentlichen Ordnung in die Rechtsgüterabwägung im Rahmen des § 8 Abs. 2 NVersG mit ein, ohne sie zur - alleinigen - Bestätigung der Begründung der Untersagungsverfügung zu machen. Die öffentliche Ordnung kann betroffen sein, wenn die Versammlung ein provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten zeigt (vgl. BVerfG, B. v. 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, juris Rn. 23) bzw. wenn einem bestimmtem Tag ein in der Gesellschaft eindeutiger Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt, der bei der Durchführung eines Aufzuges an diesem Tag in einer Weise angegriffen wird, dass dadurch zugleich grundlegende soziale oder ethische Anschauungen in erheblicher Weise verletzt werden, der Aufzug also eine Provokationswirkung hat (vgl. BVerfG, B. v. 26.01.2001 - 1 BvQ 9/01 -, juris Rn. 15). Die Provokationswirkung ergibt sich vorliegend zum einen aus der angemeldeten Nutzung des Schlossplatzes mit seiner im angefochtenen Bescheid beschriebenen Geschichte. Die Nutzung dieses Platzes für einen Aufmarsch extrem rechter fremdenfeindlicher Kräfte kann „durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtern" (vgl. insoweit BVerfG, B. v. 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, juris Rn. 23). Zudem hat die Anmeldung der Versammlung mit fremdenfeindlichem Motto durch den Antragsteller am Tag des seit Jahren regelmäßig am ersten Juniwochenende stattfindenden Internationalen Festes - wie ausgeführt - eine solche Provokations- und Einschüchterungswirkung. Die Frage, ob diese Wirkung unausweichliche Nebenfolge oder Zweck der Versammlung, vom Antragsteller also beabsichtigt ist, ist im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes kaum abschließend zum klären. Relevanz kommt ihr zu, weil bei missbräuchlicher Ausübung der Versammlungsfreiheit dem Schutz der Rechtsgüter Dritter (hier der Festteilnehmer) stets Vorrang zukommt (Dietel/Gintzel/Kniesel, a. a. O., § 15 Rn. 178). Auch ohne Nachweis einer missbräuchlichen Ausübung des Versammlungsrechtes durch den Antragsteller, ist die Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung durch die Versammlung des Antragstellers im Rahmen der Abwägung zu dessen Lasten zu berücksichtigen.

Unabhängig hiervon spricht nach den Recherchen des Gerichts Überwiegendes dafür, dass dem Antragsteller entgegen seinem Vortrag das regelmäßige Stattfinden des Internationalen Festes und die Terminkollision mit seinem Aufzug bekannt gewesen sind. Seine anderslautende Einlassung ist insbesondere vor dem Hintergrund der Erklärung, seine Ehefrau habe sich - unter Verwendung eines „Tarnnamens“ - bei der Touristikinformation der Antragsgegnerin nach kulturellen Veranstaltungen am 4. und 5. Juni 2011 erkundigt, bevor er die Anzeige seiner Versammlung für diesen Tag abgesandt habe, wenig glaubhaft. Dem Antragsteller, der mit der Anfrage bei der Stadt Braunschweig „Problembewusstsein“ bewiesen hat, dürfte es aufgrund des langjährig gleichbleibenden Termins von Braunschweig International leicht möglich gewesen sein, - beispielsweise im Internet - von der Veranstaltung Kenntnis zu nehmen. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Anmeldung seiner thematisch korrespondierenden Demonstration zufällig parallel zu Braunschweig International erfolgt sein soll. Jedenfalls spricht vieles dafür, dass der Antragsteller zumindest nach erfolgter Anmeldung Kenntnis von der terminlichen Überschneidung seines Aufzuges mit dem Kulturfest erlangt hat. Denn dies war bereits frühzeitig Gegenstand der Berichterstattung im Zusammenhang mit der von ihm angezeigten Versammlung (vgl. bspw. Braunschweiger Zeitung vom 27.08.2010 „Forderung: Neonazi-Aufmarsch verbieten“, Quelle: www.newsclick.de). Seine Einlassung, erst durch das Kooperationsgespräch am 18. April 2011 von der Terminkollision erfahren zu haben, ist zusätzlich deswegen nicht glaubhaft, weil er bereits am 6. April 2011 auf der Homepage zu seiner Demonstration (www.tddz.info) einen Artikel der Braunschweiger Zeitung kommentiert, der die terminliche Überschneidung zum Gegenstand hat („Braunschweiger Firmen sammeln Geld gegen Neonazi-Aufmarsch“, Quelle: www.newsclick.de).

Die Kammer muss nicht entscheiden, ob der Antragsteller zu Recht rügt, die Antragsgegnerin habe gegen das Kooperationsgebot des § 6 NVersG verstoßen, indem sie ihn nicht vor dem 18. April 2011 auf die terminliche Überschneidung seines Aufzuges mit Braunschweig International hingewiesen habe. Denn auch wenn ein Verstoß gegen das Kooperationsgebot unterstellt würde, wäre das vorliegende Verfahren nicht zugunsten des Antragstellers zu entscheiden. Insbesondere wäre Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Kooperationsgebot nicht, dass die Abwägung im Rahmen des polizeilichen Auswahlermessens zugunsten des Antragstellers auszufallen hätte. Denn den Teilnehmern von Braunschweig International, deren Belange in die Abwägung einzustellen sind, wäre der Verstoß nicht zurechenbar. Dass wegen eines Verstoßes gegen das Kooperationsgebot die Gefahrenprognose unzutreffend sei (vgl. hierzu Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 14 Rn. 35) ergibt sich nicht.

Auch der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO mit dem Ziel, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, gegenüber dem Antragsteller nach dem 2. Juni 2011, 18 Uhr, versammlungsrechtliche Beschränkungen hinsichtlich Zeit, Ort von Kundgebungen und Wegstrecke der Versammlung zu erlassen, ist abzulehnen.

Es bestehen bereits Zweifel am Vorliegen des für jedes gerichtliche Verfahren notwendigen Rechtsschutzinteresses, wenn - wie hier - eine vorbeugende einstweilige Anordnung gegen einen noch nicht ergangenen Verwaltungsakt begehrt wird, gegen den dann Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gegeben ist (Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 4. Aufl., § 123 Rn 5). Wegen der besonderen vom Antragsteller geltend gemachten zeitlichen Konstellation lässt die Kammer diese Frage aber offen. Der Eilantrag hat unabhängig hiervon keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn eine Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Hierzu sind gemäß § 123 VwGO i.V.m. § 935, § 936, § 920 ZPO das Bestehen des gefährdeten Rechts (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit einer gerichtlichen Eilentscheidung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist kein Anordnungsgrund gegeben. Die Kammer hat mit diesem Beschluss die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin bestätigt. Danach besteht kein Anlass für die Antragsgegnerin, weitere Verfügungen gegen den Antragsteller zu erlassen, in denen versammlungsrechtliche Beschränkungen angeordnet werden.

Im Übrigen besteht aber auch kein Anordnungsanspruch. Wie die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt hat, trifft sie als Versammlungsbehörde - jederzeit - die Pflicht, diejenigen versammlungsrechtlichen Beschränkungen zu verfügen, die zu diesem Zeitpunkt zur Sicherung der Durchführung der dann nicht verbotenen Versammlung und des wechselseitigen Grundrechtsschutzes notwendig sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG und orientiert sich an der Empfehlung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NVwZ 2004, 1327 ff., hier: II. Nr. 45.4). Die Kammer hat davon abgesehen, den Streitwert im Hinblick auf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erhöhen. Andererseits hat sie den Streitwert wegen der Vorwegnahme der Hauptsache durch das Eilverfahren auch nicht reduziert (vgl. hierzu II. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs).