Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 06.02.2007, Az.: 2 B 492/06

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
06.02.2007
Aktenzeichen
2 B 492/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 61865
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2007:0206.2B492.06.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 22.03.2007 - AZ: 12 ME 137/07

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Mehrfache Geschwindigkeitsüberschreitungen können ebenso wie andere Verstöße im Straßenverkehr Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Piloten begründen und die Anordnung einer flugpsychologischen Untersuchung rechtfertigen.

  2. 2.

    Weigert sich ein Pilot engültig der aus den genannten Gründen angeordneten Untersuchung nachzukommen, ist der Widerruf des Luftfahrerscheines gerechtfertigt.

Tenor:

  1. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes wird abgelehnt.

    Der Antragsteller trägt die Verfahrenskosten.

    Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.750,00 € festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller ist Inhaber eines Luftfahrerscheins für Privatflugzeugführer (PPL). Über eine Auskunft aus dem Verkehrszentralregister des Kraftfahrt- Bundesamtes Flensburg erfuhr die Antragsgegnerin, dass gegen den Antragsteller sechs rechtskräftige Bußgeldbescheide in der Zeit vom 05.12.2001 bis zum 17.03.2005 erlassen worden waren. Im Einzelnen:

2

- am 05.12.2001 Geschwindigkeitsüberschreitung von 25 km/h

3

- am 14.06.2002 Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h

4

- am 19.02.2003 Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h

5

- am 11.12.2003 Geschwindigkeitsüberschreitung von 22 km/h

6

- am 28.02.2005 Geschwindigkeitsüberschreitung von 28 km/h

7

- am 17.03.2005 Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h.

8

Mit Schreiben vom 21.04.2006 ordnete die Antragsgegnerin an, dass der Antragsteller durch eine Untersuchung im Fachgebiet Klinische Flugpsychologie bis zum 31.10.2006 nachzuweisen habe, dass bei ihm keine die Flugsicherheit beeinträchtigenden Zuverlässigkeitsmängel als Luftfahrzeugführer vorliegen. Dieser Anordnung kam der Antragsteller in der Folgezeit nicht nach.

9

Mit Bescheid vom 05.12.2006 ordnete die Antragsgegnerin das Ruhen des Luftfahrerscheins des Antragstellers bis zum Nachweis seiner Zuverlässigkeit an, zog den Luftfahrerschein ein, untersagte ihm jede weitere fliegerische Tätigkeit und drohte für den Fall der Nichtabgabe des Luftfahrerscheines ein Zwangsgeld in Höhe von 400,- € an. Hinsichtlich des Ruhens des Luftfahrerscheines und der Untersagung der fliegerischen Tätigkeit wurde die sofortige Vollziehung angeordnet. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, der Antragsteller habe in großer Anzahl gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen. Es sei erkennbar, dass er sich beharrlich über Rechtsvorschriften hinwegsetze. Die festgesetzten Geldbußen hätten nicht zu einer Einhaltung der Straßenverkehrsvorschriften geführt. Auch der Anordnung seine Zuverlässigkeit nachzuweisen sei der Antragsteller nicht nachgekommen. Anstelle des Widerrufs sei nur das Ruhen seines Luftfahrerscheines angeordnet worden. Das Interesse des Antragstellers an einer Teilnahme am Luftverkehr habe angesichts der besonderen Gefährdung der Allgemeinheit durch den Luftverkehr hinter dem Interesse anderer Luftverkehrsteilnehmer, aber auch der Allgemeinheit, vor unzuverlässigen Luftfahrern geschützt zu werden, zurückzutreten.

10

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 18.12.2006 Widerspruch eingelegt und am 19.12.2006 bei Gericht um vorläufigen Rechtschutz nachgesucht. Er trägt vor, Zweifel an seiner Zuverlässigkeit seien nicht gerechtfertigt. Eintragungen im Verkehrszentralregister könnten nicht zur Begründung von Eignungszweifeln am Führen von Luftfahrzeugen herangezogen werden. Darüber hinaus handele es sich auch um geringfügige Verstöße. Selbst bei Vorstrafen eines Piloten könne - bei günstiger Sozialprognose - nicht von dessen Unzuverlässigkeit ausgegangen werden. Er nehme seit über 34 Jahren unfallfrei und beanstandungslos am Luftverkehr teil.

11

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 18.12.2006 gegen den Bescheid vom 05.12.2006 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.

12

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.

13

Sie hält an ihrer Ansicht fest, dass die vom Antragsteller begangenen Verkehrsverstöße Zweifel an seiner Zuverlässigkeit rechtfertigten. Schließlich sei der Antragsteller auch der Anordnung seine Zuverlässigkeit nachzuweisen nicht nachgekommen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

15

II.

Der nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag ist nicht begründet.

16

Im Rahmen der Prüfung nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Im Rahmen dieser Entscheidung ist maßgeblich auf die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs abzustellen. Dabei überwiegen in der Regel die öffentlichen Interessen an einem sofortigen Vollzug der angeordneten Maßnahme die privaten Interessen des Antragstellers, einstweilen von der angeordneten Maßnahme verschont zu bleiben, wenn sich die angeordnete Maßnahme voraussichtlich im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig herausstellen wird. So liegt der Fall hier. Die Antragsgegnerin hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise das Ruhen der Privatpilotenlizenz des Antragstellers angeordnet. Auch im Übrigen begegnet der angefochtene Bescheid keinen rechtlichen Bedenken.

17

Nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 und 3 LuftVG ist die Erlaubnis für Luftfahrer zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung hinsichtlich des Nachweises der Tauglichkeit und hinsichtlich der Tatsachen, die den Bewerber als zuverlässig erscheinen lassen, ein Luftfahrzeug zu führen oder zu bedienen, nicht mehr vorliegen. Entsprechend schreibt § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVZO vor, dass die Lizenz zu widerrufen ist, wenn sich Tatsachen nach § 24 Abs. 2 LuftVZO dafür ergeben, dass der Inhaber für die erlaubte Tätigkeit als Luftfahrtpersonal ungeeignet ist. An Stelle des Widerrufs kann (u.a.) das Ruhen der Lizenz auf Zeit angeordnet werden, wenn dies ausreicht um die Sicherheit des Luftverkehrs aufrechtzuerhalten (§ 29 Abs. 3 LuftVZO). Tatsachen, die einen Widerruf nach den genannten Vorschriften rechtfertigen können, sind in § 24 Abs. 2 LuftVZO genannt. Nach § 24 Abs. 2 LuftVZO sind Tatsachen, die den Bewerber als unzuverlässig erscheinen lassen, u.a. unanfechtbare Entscheidungen der Verwaltungsbehörden. Diese liegen hier vor. Der Antragsteller ist in einem relativ kurzen Zeitraum (von 2001 bis 2005) sechs Mal im Straßenverkehr auffällig geworden. Die daraufhin ergangenen rechtskräftigen Bußgeldbescheide rechtfertigen Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers. Es handelt sich bei den Verkehrsverstößen nämlich um Zuwiderhandlungen die immerhin im bußgeldbewehrten Bereich angesiedelt sind. Die Kammer braucht indes nicht darauf zurückzugreifen, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung die Zahl der begangenen Verstöße die Zahl derjenigen, die durch Bußgeldbescheide geahndet sind, deutlich übersteigt. Entscheidend ist vielmehr zum Einen, dass der Antragsteller sich die durch seine Verkehrsverstöße bedingten Sanktionen nicht hat zur Mahnung dienen lassen, zum anderen dass er sich während des gesamten Verfahrens weigert, der Anordnung der Antragsgegnerin, seine Zuverlässigkeit durch eine flugpsychologische Untersuchung nachzuweisen, Folge zu leisten.

18

Diese Untersuchung hat die Antragsgegnerin auch zutreffend gem. § 24 c Abs. 2 LuftVZO angeordnet. Bei einer solchen Anordnung handelt es sich zwar nicht um einen Verwaltungsakt (Beschluss der erkennenden Kammer vom 28.11.2005 - 2 B 290/05 -) - der vorliegend auch nicht bestandskräftig wäre -, doch ist die Antragsgegnerin in rechtlicher nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die straßenverkehrsrechtlichen Verstöße des Antragstellers dessen flugpsychologische Untersuchung erfordern. In der Rechtsprechung ist nämlich geklärt, dass auch Rechtsverstöße eines Luftfahrers, die sich nicht auf den Luftverkehr beziehen, Zweifel an dessen Zuverlässigkeit begründen können (BVerwG, Urteil vom 14.12.1990 - 7 C 20/90 - zitiert nach Juris; NdsOVG, Beschluss vom 02.04.2003 - 12 ME 73/03 -; VGH München, Beschluss vom 12.10.1998 - 20 ZB 98.2762 -, zitiert nach Juris; Beschlüsse der erkennenden Kammer vom 11.06.2002 - 2 B 175/02 -, zitiert nach Juris und vom 31.10.2006 - 2 B 408/06 -). Die Antragsgegnerin hat auch zutreffend erkannt, dass diese Zweifel nach den genannten gesetzlichen Vorschriften nicht etwa die Unzuverlässigkeit des Betroffenen gesetzlich fingieren (vgl. dazu Giemulla/Schmid, Luftverkehrsrecht, Stand Dezember 2006, § 29 LuftVZO Rn 23). Gerade bei der deshalb erforderlichen Würdigung der Gesamtumstände des Falles unter Berücksichtigung auch der Flugerfahrung des Klägers hat die Antragsgegnerin nach dessen Weigerung sich der angeordneten flugpsychologischen Untersuchung zu unterziehen, ermessensfehlerfrei das Ruhen des Luftfahrerscheines als im Vergleich milderes Mittel zum Widerruf (§ 4 Abs. 3 LuftVG, § 29 Abs. 1 LuftVZO) gem. § 29 Abs. 3 Luft VZO angeordnet. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass nicht einmal eine strafrechtliche Verurteilung bei günstiger Sozialprognose den Schluss auf die Unzuverlässigkeit erlaube. Es ist vielmehr so, dass nicht bereits die Strafaussetzung zur Bewährung allein den Schluss auf die künftige Zuverlässigkeit der Luftfahrers rechtfertigt (BVerwG, aaO.). Ergänzend weist die Kammer noch darauf hin, dass die Antragsgegnerin die Privatpilotenlizenz des Antragstellers zu widerrufen haben wird, falls der Antragsteller auch unter dem Eindruck des hier entschiedenen Verfahrens bei seiner Weigerung bleibt das geforderte Gutachten beizubringen.

19

Im Übrigen entsprechen auch die darüber hinaus angeordneten Maßnahmen (Einziehung des Luftfahrerscheines, Untersagung der fliegerischen Tätigkeit, Androhung eines Zwangsgeldes den gesetzlichen Vorgaben (§ 29 Abs. 3 Satz 3 LuftVZO, § 13 Abs. 2 Satz 1 VwVG).

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

21

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. 52 Abs. 1, 2 GKG und sie orientiert sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.), wobei wegen der Vorläufigkeit der begehrten Entscheidung die Hälfte des maßgeblichen Betrages angesetzt wurde.