Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 09.02.2007, Az.: 1 A 343/06
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 09.02.2007
- Aktenzeichen
- 1 A 343/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 61867
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2007:0209.1A343.06.0A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Verfahrenskosten; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Nutzung des städtischen Messegeländes an der Eisenbütteler Straße.
Am 05.08.2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm das Gelände zur Durchführung eines Frühlingsfestes (Volksfestes) für die Zeit vom 19.03. bis 03.04.2007 zu überlassen. Zur Begründung führte er aus, die Volksfeste in Braunschweig, die bisher auf dem Festplatz an der Hamburger Straße durchgeführt würden, hätten in den letzten Jahren hinsichtlich ihrer Anziehungskraft und Wirtschaftlichkeit den Nullpunkt erreicht. Insbesondere liege das an dem schlechten Allgemeinzustand des Geländes an der Hamburger Straße. Zukünftige Planungen, wie der Bau eines Spaßbades, und organisatorische Veränderungen im Jahr 2007 ließen keine Besserung der Verhältnisse erwarten. Braunschweig brauche wieder Volksfeste auf einem repräsentativen Veranstaltungsgelände.
Mit Bescheid vom 21.08.2006 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, es stehe bereits nach pauschaler Beurteilung fest, dass es bei Durchführung eines Volksfestes auf dem Messegelände zu einer deutlichen Überschreitung der zulässigen Immissionsrichtwerte komme. Das ergebe sich aus den standardisierten Emissionsdaten für Rummelplätze nach der Studie des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie (Sächsische Freizeitlärmstudie).
Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben, mit der er vorträgt, die Beklagte habe nicht geprüft, ob tatsächlich von dem von ihm geplanten Volksfest unzumutbare Lärmbelästigungen ausgingen. Auf eine pauschale Beurteilung und auf Erfahrungswerte dürfe sie sich nicht zurückziehen. Lärmimmissionen ließen sich durch entsprechende Aufstellungspläne für die Fahrgeschäfte durchaus steuern. Wegen der Widmung als Messegelände müsse der Anliegerschutz zurücktreten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 21. August 2006 das Messegelände an der Eisenbütteler Straße zur Durchführung eines Volksfestes in der Zeit zwischen dem 16.03. und dem 01.04.2007,
hilfsweise zwischen dem 19.03. und dem 04.04.2007, zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und erwidert: Die Ablehnung des Antrags stütze sich auf die zutreffende Anwendung der für das städtische Messegelände erlassenen Nutzungssatzung. Sehr wohl dürfe sie sich auf standardisierte Emissionsdaten berufen. Diese überschritten deutlich das, was nach der Freizeitlärm-Richtlinie zulässig sei. Der Kläger plane offenbar nicht nur einen sog. "leisen" Rummel, sondern ein Volksfest mit deutlich höheren Geräuschemissionen. Auf dem Messegelände würden zwar Flohmärkte und die Harz und Heide Ausstellung durchgeführt. Hierbei handele es sich jedoch um verkaufsorientierte Märkte, die nicht mit einem Volksfest vergleichbar seien, das sich in erster Linie durch Fahrgeschäfte und schaustellerische Darbietungen mit musikalischer Begleitung auszeichne. Ein Volksfest habe auf dem städtischen Messegelände gerade wegen der Lärmemissionen bislang nicht stattgefunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die bei der Verhandlung und Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Das Gericht kann nur über den Zeitraum vom 19.3.2007 bis zum 3.4.2007 entscheiden, denn nur hierauf bezieht sich der Antrag des Klägers vom 5.8.2006. Der davon abweichende Klageantrag geht daher ins Leere. Unabhängig davon hat der Kläger aber auch keinen Anspruch auf Nutzung des städtischen Messegeländes zur Durchführung eines Volksfestes.
Anspruchsgrundlage ist § 22 Abs. 1 der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO). Danach sind die Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde im Rahmen der bestehenden Vorschriften berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. Mit ihrer rechtsgültigen "Satzung zur Regelung der Nutzung des städtischen Messegeländes an der Eisenbütteler Straße vom 26.06.2001" hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass sie das städtische Messegelände als öffentliche Einrichtung betreibt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der Satzung). In der Satzung wird gleichzeitig der Widmungszweck bestimmt, d. h. es wird geregelt, in welchem Rahmen die Einrichtung der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. Nur innerhalb dessen besteht der vom Kläger geltend gemachte Anspruch. Nach § 1 Abs. 2 der Satzung dient das Messegelände vorrangig der Durchführung städtischer Veranstaltungen. Nach § 1 Abs. 3 der Satzung kann es ganz oder teilweise an Dritte zur Durchführung gewerblicher oder nicht gewerblicher Veranstaltungen überlassen werden. Diese Regelung schränkt § 2 Abs. 4 der Satzung wiederum ein, denn danach werden u.a. " sonstige Veranstaltungen, die mit erheblicher Geräuschentwicklung verbunden sind, nur in Einzelfällen zugelassen, wenn Belange der Nachbarschaft nicht entgegenstehen".
Mit Blick auf diese Bestimmung besteht der geltend gemachte Anspruch nicht. Vorauszuschicken ist, dass die Beklagte bei der Festlegung des Nutzungszwecks mittels einer Satzung einen weiten Gestaltungsspielraum hat (vgl. Blum, Kommentar zur Niedersächsischen Gemeindeordnung, § 22 Rn. 15 m. w. N.). Da es der Gemeinde grundsätzlich frei steht, ob sie öffentliche Einrichtungen überhaupt betreibt, steht es ihr erst recht frei, den Widmungsumfang der Einrichtung zu bestimmen. Der Gestaltungsspielraum ist dabei umso größer, je weniger die Nutzer auf die Benutzung der öffentlichen Einrichtung angewiesen sind. Daher kann sich die Widmung auch auf eine ganz bestimmte Art der Nutzung und auf einen ganz bestimmten Nutzerkreis beschränken. Allerdings ist bei der Bestimmung des Nutzungszwecks und der Vergabeentscheidung der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und insbesondere das Willkürverbot zu beachten. Die Begrenzung des Nutzungszwecks und die Verweigerung der Nutzung darf nur auf sachlichen Gründen beruhen.
§ 2 Abs. 4 ihrer Satzung eröffnet der Beklagten bezüglich der Zulassung von Veranstaltungen, wie sie der Kläger plant, einen Beurteilungsspielraum, innerhalb dessen sie eine Prognose dahingehend trifft, ob erhebliche Geräuschentwicklungen zu erwarten sind und inwieweit Belange der Nachbarschaft dadurch beeinträchtigt werden. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte und Emissionsdaten der Sächsischen Freizeitlärmstudie mit Blick auf die Wohnbebauung an der Eisenbütteler Straße von einer Beeinträchtigung durch ein Volksfest ausgegangen ist.
Die Entscheidung ist vom Gericht (wegen des Beurteilungsspielraums) nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich nur insoweit, ob sachgerechte Erwägungen angestellt worden sind. Das ist der Fall. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nicht vor, denn unstreitig hat auf dem städtischen Messegelände unter Geltung der Satzung noch nie ein Volksfest stattgefunden. Derartige Feste wurden und werden auf dem Festplatz an der Hamburger Straße veranstaltet. Die Beklagte befürchtet auch zu Recht Geräusch- und Verkehrsbeeinträchtigungen zu Lasten der Anwohner an der Eisenbütteler Straße und darf sich dabei auf den Inhalt der Sächsischen Freizeitlärmstudie berufen. Dieser Handlungsleitfaden enthält wissenschaftlich ermittelte Kenngrößen zur Abschätzung von Schallemissionsdaten bei der Veranstaltung von Volksfesten. Zu Recht folgert die Beklagte daraus, dass bei Durchführung des vom Kläger beantragten Volksfestes die Belange der Nachbarschaft voraussichtlich erheblich beeinträchtigt werden.
In der Studie werden besonders "kritische" Beschallungsanlagen, die die Hauptquelle der Emissionen darstellen (z. B. Freiluftbühnen, Volksfeste, Rummelplätze usw.), ausführlich untersucht. Es wird deutlich, dass Rummelplätze ein sehr hohes Konfliktpotential hinsichtlich ruhestörenden Lärms in der Nachbarschaft aufweisen. Bei Zugrundelegung der standardisierten Immissionsdaten sog. "leiser" Rummel ist mit Beurteilungspegeln zu rechnen, die die anzuwendenden Grenzwerte der Freizeitlärm-Richtlinie vom 24.9.1996 in der Fassung vom 8.1.2001 ( Nds. MBl. S. 201 ) von tagsüber bis zu 55 dB (A) und nachts bis zu 40 dB (A) deutlich überschreiten.
Der Einwand des Klägers, die Beklagte dürfe sich auf die Ergebnisse der Studie nicht pauschal berufen, sondern habe konkrete Messergebnisse vorweisen müssen, geht fehl. Der Kläger verkennt damit die rechtliche Situation, dass nämlich die Beklagte einen Beurteilungsspielraum hat, den sie mit einer sachlich fundierten Prognose ausfüllen darf. Das ist hier geschehen. Die Beklagte ist nicht gehalten, wie der Kläger wohl meint, zunächst die Durchführung des Volksfestes zu ermöglichen, um dann Messungen vorzunehmen und ggf. Auflagen zu erlassen. Gerade das soll die Satzungsregelung in § 2 Abs. 4 verhindern. Vielmehr wäre es Sache des Klägers, entweder die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Freizeitlärmstudie zu widerlegen oder den Nachweis zu erbringen, dass die von ihm geplante Veranstaltung die Belange der Nachbarschaft gerade nicht beeinträchtigt. Dazu hat er aber substantiiert nicht vorgetragen und lediglich auf mögliche geräuschmindernde Varianten bei der Belegung des Messegeländes mit Fahrgeschäften hingewiesen.
Der Kläger kann sein Vorhaben schließlich nicht mit den bisher auf dem Harz- und Heidegelände durchgeführten Verbraucherausstellungen und Flohmärkten vergleichen. Eine Verbrauchermesse ist, was auf der Hand liegt, kein Volksfest. Bei den Flohmärkten sind keine Geschäfte, die den Charakter eines Volksfestes ausmachen, zugelassen. Bereits der Betrieb eines Kinderkarussells führte nach Angaben der Beklagten zu Beschwerden. Hinzu kommt, dass die Beklagte während der Durchführung des Flohmarktes aus Gründen des Anwohnerschutzes die Eisenbütteler Straße in dem fraglichen Bereich sperrt. Bei einem etwa 10 Tage dauernden Volksfest wäre eine solche Maßnahme mit Blick auf die Verbindungsfunktion der Eisenbütteler Straße kaum zu realisieren.
Nach allem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO.