Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 11.04.2002, Az.: L 4 KR 68/02 ER
Übernahme der Kosten einer Mutter-Kind-Maßnahme
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 11.04.2002
- Aktenzeichen
- L 4 KR 68/02 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 22038
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2002:0411.L4KR68.02ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - 01.01.1000 - AZ: S 62 KR 43/02
Fundstelle
- SGb 2002, 448
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage, ob eine gesetzliche Krankenkasse die Kosten eines Kindes nach § 41 Abs. 1 SGB V zu übernehmen hat, das über den Vater gesetzlich familienversichert ist, dessen Mutter jedoch privat krankenversichert ist und auf Kosten dieser privaten Versicherung eine Mutter-Kind-Maßnahme in Begleitung des Kindes durchführt.
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen am 11. April 2002
durch
die Richterin Schimmelpfeng-Schütte - Vorsitzende -,
den Richter Wolff
und die Richterin Poppinga
beschlossen:
Tenor:
Die Antragsgegnerin hat die Kosten der Antragsteller nach § 41 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) für die am 25. April 2002 beginnende Mutter-Kind-Maßnahme in D. vorläufig zu übernehmen.
Im übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Die einstweilige Anordnung wird von Zahlung einer vorherigen Sicherheitsleistung der Antragsteller an die Antragsgegnerin in Höhe von insgesamt 750,00 Euro abhängig gemacht.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die Kosten des einstweiligen Rechtschutzverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Die einstweilige Anordnung betrifft Leistungen nach §§ 40 und 41 SGB V.
Die Mutter der Antragsteller ist Beamtin und privat krankenversichert. Ihr ist ein Sanatoriumsaufenthalt in dem Mutter-Kind-Haus in D. bewilligt worden. Nach ihren glaubhaften Angaben muss sie der Vermittlungsstelle des Deutschen Roten Kreuzes bis zum 12. April 2002 mitteilen, ob sie die Kur, die am 25. April 2002 beginnt, antreten kann. Das ist ihr nur möglich, wenn sie ihre jetzt 6 und 7 Jahre alten Kinder - die Antragsteller - mitnimmt. Die Antragsteller sind über ihren Vater bei der Antragsgegnerin familienversichert. Die private Krankenversicherung der Mutter kommt für die Kosten der Kinder bei der Mutter-Kind-Kur nicht auf.
Im November 2001 beantragten die Antragsteller die Bewilligung einer "medizinischen Kurmaßnahme" mit ihrer Mutter. Mit Bescheiden vom 15. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2002 lehnte die Antragsgegnerin die Anträge ab. Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Oldenburg (SG) mit Urteil vom 26. März 2002 ab.
Am 9. April 2002 haben die Antragsteller beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hiergegen Berufung eingelegt und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und teilweise begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz in der ab 2. Januar 2002 geltenden Fassung (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Der erforderliche Anordnungsgrund liegt vor.
Die Antragsteller haben hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung unerlässlich ist, um wesentliche Nachteile für sie zu vermeiden. Denn bei Nichtgewährung der Leistung durch die Antragsgegnerin können weder sie noch ihre Mutter die erforderliche Mutter-Kind-Maßnahme antreten. Sie müssen bis zum 12. April 2002 mitteilen, ob die Kur am 25. April 2002 angetreten werden kann. Eine Verschiebung der Kur auf einen Zeitpunkt nach Abschluss des Rechtsstreits in der Hauptsache hätte für die Antragsteller und ihre Mutter, wie sie glaubhaft vorgetragen haben, negative gesundheitliche Folgen. Sie sind ihnen nach Auffassung des Senats angesichts des möglichen Erfolges im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar.
Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Rechtslage ist ein Anordnungsanspruch nach § 41 SGB V gegeben.
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB V kann die Krankenkasse unter den in § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Voraussetzungen aus medizinischen Gründen erforderliche Leistungen der Rehabilitation in Form einer Mutter-Kind-Maßnahme erbringen. § 41 SGB V enthält nach seinem Wortlaut keine ausdrückliche Regelung der Frage, wem der Anspruch auf eine Mutter-Kind-Maßnahme zusteht. § 41 SGB V spricht vielmehr nur davon, dass die Krankenkasse eine Mutter-Kind-Maßnahme erbringen kann. Nach dem Wortlaut des § 41 SGB V können anspruchsberechtigt daher neben der Mutter, auch die betroffenen Kinder sein. Wie sich aus § 41 Abs. 3 und § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V und aus der Systematik der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt, ist allerdings Voraussetzung, dass der Anspruchsinhaber gesetzlich versichert ist. Das ist bei den Antragstellern der Fall. Sie sind über ihren Vater nach § 10 Abs. 1 SGB V familienversichert.
Diese Auslegung entspricht dem Sinn und Zweck des § 41 Abs. 1 SGB V. Sie gewährleistet, dass auch in Fällen der vorliegenden Art eine Mutter-Kind-Maßnahme gewährt werden kann. Wäre die Anspruchsberechtigung für eine Leistung nach § 41 SGB V auf die Mutter beschränkt, wären die Kinder von erwerbstätigen, privat krankenversicherten Müttern von Mutter-Kind-Maßnahmen generell ausgeschlossen, selbst wenn sie nach § 10 Abs. 1 SGB V familienversichert sind. Das dürfte dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz widersprechen. Denn sind die Kinder (wie hier) über den Vater familienversichert, so stünden sie bei einer erwerbstätigen, privat krankenversicherten Mutter schlechter da, als bei einer nicht erwerbstätigen Mutter, die infolge ihrer Erwerbslosigkeit ebenso wie die Kinder über ihren Ehemann familienversichert wäre. Die Erwerbstätigkeit der Mutter hätte in diesem Falle zwar Vorteile für die gesetzliche Krankenkasse. Die familienversicherten Kinder wären jedoch schlechter gestellt, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich wäre.
Entgegen der Ansicht der Antragsteller liegt ein Anordnungsanspruch nach § 40 Abs. 1 SGB V nicht vor. Nach summarischer Prüfung dürfte das Hauptsacheverfahren insoweit keinen Erfolg haben.
Da sich die einstweilige Anordnung des Senats auf eine vorläufige und lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage stützt, hat der Senat die Anordnung einer vorherigen Sicherheitsleistung in Höhe von 750,00 Euro als geboten erachtet (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 921 Zivilprozessordnung).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Wolff,
Poppinga