Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 12.03.2024, Az.: 3 U 20/22

Zustimmungserteilung zur Herausgabe hinterlegten Geldes aus der Zwangsversteigerung eines Hausgrundstücks

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
12.03.2024
Aktenzeichen
3 U 20/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 22277
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2024:0312.3U20.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 11.10.2022 - AZ: 4 O 81/22

Amtlicher Leitsatz

Im Falle der Zwangsversteigerung tritt mit dem Zuschlag an die Stelle einer Auflassungsvormerkung, die nachrangig zu dem Recht des beitreibenden Gläubigers ist, ein Anspruch auf Ersatz ihres Wertes (Surrogationsprinzip); dies gilt auch dann, wenn der Vormerkungsberechtigte selbst den Zuschlag erhält; der vom Berechtigten gegebenenfalls noch geschuldete Kaufpreis ist nicht abzuziehen.

(Berufung wurde aufgrund des Hinweisbeschlusses zurückgenommen.)

In dem Rechtsstreit
Stadt A. ...
- Beklagte, Widerklägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt B. ...
gegen
C. ...
- Kläger, Widerbeklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwalt D. ...
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Jäde, den Richter am Oberlandesgericht Stephan und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Otto am 12. März 2024 beschlossen:

Tenor:

Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuwiesen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO vorliegen.

[Gründe]

I.

Die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Zustimmung zur Herausgabe hinterlegten Geldes aus der Zwangsversteigerung eines Hausgrundstücks und begehrt ihrerseits Zustimmung zur Herausgabe durch den Kläger.

Der Kläger schloss mit dem Verkäufer den notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 8. Februar 2017 (Anlage K1) betreffend ein aus drei Flurstücken bestehendes Hausgrundstück in der E.-Straße in A. ... Das Grundstück war unter anderem mit einer Grundschuld in Höhe von 310.000,00 € zugunsten einer Bank belastet (Abteilung III, lfd. Nr. 17).

Der Kläger kaufte zunächst die beiden hinteren Grundstücksteile (Flurstücke ... und ...) für 65.000,00 €, die über den mit einem Haus bebauten vorderen Grundstücksteil (Flurstück ...) erschlossen sind. Für die beiden hinteren Flurstücke wurde zu Gunsten des Klägers eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen.

In demselben Kaufvertrag bot der Verkäufer dem Kläger den Kauf des vorderen Grundstücksteils (Flurstück ...) für 285.000,00 € an, aufschiebend bedingt für den Fall, dass der Kläger aus der von ihm dinglich zu übernehmenden Grundschuld (Abteilung III, lfd. Nr. 17) in Anspruch genommen werden sollte. Auch für das vordere Flurstück wurde zu Gunsten des Klägers eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Nach Bedingungseintritt nahm der Kläger dieses Angebot mit notarieller Urkunde vom 9. Mai 2019 (Anlage K2) an.

Am 17. Juni 2019 wurde das gesamte Grundstück (alle drei Flurstücke) auf Antrag der Bank zwangsversteigert. Dem Zwangsversteigerungsverfahren traten unter anderem das Finanzamt sowie die Beklagte bei, letztere mit gegen den Verkäufer persönlich bestehenden Ansprüchen (unter anderem aus Abfallgebühren und Gewerbesteuern nebst Mahngebühren und Säumniszuschlägen) in Höhe von 20.282,48 €.

Der Kläger erhielt für 440.050,00 € den Zuschlag (Anlagen K3 und K4). Mit Teilungsplan vom 17. September 2019 (Anlage K6 und K7) wurde der Versteigerungserlös verteilt; dabei konnte keine Einigkeit über die Art der Berücksichtigung der Auflassungsvormerkungen zugunsten des Klägers erzielt werden (Feststellung der Schuldenmasse, lfd. Nr. 6, "Aufschiebend bedingter Anspruch aus der Auflassungsvormerkung II/8+9 bzgl. des an dieser Rangstelle zur Verfügung stehenden Resterlöses"), so dass zunächst nur die im Rang vor den Auflassungsvormerkungen stehenden Forderungen befriedigt wurden und der Restbetrag von 103.408,71 € bei dem Amtsgericht Braunschweig hinterlegt wurde. Die laut Verteilungsplan nachrangigen Forderungen - unter anderem aus Sicherungshypotheken des Finanzamts sowie die der Beklagten in Höhe von 20.282,48 € - wurden zunächst nicht befriedigt.

Über das Vermögen des Verkäufers wurde am 6. Oktober 2021 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Kläger behauptet, auf die Kaufpreisforderung von 65.000,00 € bezüglich des hinteren Grundstücksteils (Flurstücke ... und ...) insgesamt 61.000,00 € an den Verkäufer gezahlt zu haben, so dass aus den Kaufverträgen eine Restschuld von (65.000,00 € + 285.000,00 € - 61.000,00 € =) 289.000,00 € bestanden habe; über diesen Betrag gehe der Versteigerungserlös um (440.050,00 € - 289.000,00 € =) 151.050,00 € hinaus. Der Kläger ist der Ansicht, dass er in dieser Höhe einen vorrangigen Anspruch auf den Versteigerungserlös habe; aufgrund der an der entsprechenden Rangstelle eingetragenen Auflassungsvormerkung habe er einen Anspruch auf Auszahlung der hinterlegten 103.408,71 €.

Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Freigabe der beim Amtsgericht ..., Aktenzeichen ..., hinterlegten Gelder in Höhe von Euro 20.282,48 zu erteilen.

Erstinstanzlich hat die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend hat die Beklagte erstinstanzlich beantragt,

den Kläger zu verurteilen, aus dem zum Aktenzeichen ... des Amtsgerichts ... hinterlegten Geldbetrag die Auszahlung eines Betrages von 20.282,48 € an die Beklagte zu bewilligen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der durch die Auflassungsvormerkung gesicherte Anspruch des Klägers auf Eigentumserwerb sei gemäß § 275 BGB erloschen, weil seine Erfüllung dem Verkäufer subjektiv und objektiv unmöglich geworden sei, denn der Kläger sei durch den Zuschlagsbeschluss vom 17. Juni 2019 selbst Eigentümer des Grundstücks geworden; niemand könne mehr dem Kläger das Eigentum verschaffen. Damit sei die Auflassungsvormerkung inhaltsleer geworden. Im Übrigen lägen die vertraglich vereinbarten Bedingungen für eine Eigentumsübertragung (vollständige Kaufpreiszahlung) auch nicht vor. Die Beklagte habe gemäß § 812 Abs. 1 BGB einen Anspruch gegen den Kläger auf Freigabe des hinterlegten Betrages in Höhe von 20.282,48 €, da dieser ohne rechtlichen Grund im Hinterlegungsverfahren eine sogenannte "Blockierposition" erlangt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (S. 2-4, Bl. 56-58 d. A.) Bezug genommen.

Mit angegriffenem Urteil vom 6. September 2022 hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Der Kläger habe einen Anspruch auf Bewilligung der Freigabe in Höhe von 20.282,48 € aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZVG i. V. m. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB. Die Beklagte habe gemäß § 16 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 NHintG eine die Herausgabe der Hinterlegungsmasse an den Kläger blockierende Position ohne rechtlichen Grund erlangt. Der Kläger habe einen Anspruch auf Wertersatz hinsichtlich der erloschenen Vormerkung, der vorrangig vor der Forderung der Beklagten an der Verteilung des hinterlegten Übererlöses teilnehme. Die zugunsten des Klägers eingetragene Auflassungsvormerkung sei nachrangig im Verhältnis zu dem Recht des beitreibenden Gläubigers im Sinne der §§ 44, 45, 52 Abs. 1 Satz 2, 92 ZVG gewesen und deshalb mit dem Zuschlag erloschen; dies habe dazu geführt, dass an die Stelle des gesicherten Anspruchs ein Anspruch auf Ersatz aus dem Versteigerungserlös getreten sei, § 92 Abs. 1 ZVG. Nach dem Surrogationsgrundsatz sei an die Stelle des Grundstücks der Versteigerungserlös getreten. Dies gelte auch dann, wenn der Vormerkungsberechtigte selbst Eigentümer des Grundstücks werde. Die Vormerkung werde - unabhängig von der Person des Erstehers - bereits durch den Zuschlag wirkungslos. Auf den vormerkungsberechtigten Ersteher sei § 92 Abs. 1 ZVG genauso anzuwenden, wie auf jeden anderen. Anlass für eine teleologische Reduktion bestehe nicht: Die Vormerkung habe auch im Zeitpunkt ihres Erlöschens einen wirtschaftlichen Wert als Sicherungsmittel für ein Recht, das zeitgleich mit dem Zuschlag zum unbedingten Recht geworden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils (S. 4-7, Bl. 58-61 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses - dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 11. Oktober 2022 zugestellte - Urteil hat die Beklagte mit am 10. November 2022 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage Berufung eingelegt und diese - nach entsprechend verlängerter Frist - mit am 12. Januar 2023 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage wie folgt begründet: Die vom Landgericht herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 22. September 1994 - IX ZR 251/93 -) betreffe eine bedingte Rückauflassungsvormerkung, die durch den Zuschlag "aufgelebt" sei, und habe keinen Bezug zum hier vorliegenden Sachverhalt. Hier sei durch den Zuschlag der Kläger Eigentümer geworden; nach § 275 BGB habe dies das Erlöschen des gesicherten Anspruchs auf Eigentumsverschaffung zur Folge gehabt; dieser sei aufgrund seines Erlöschens wertlos geworden, so dass auch kein Wertersatzanspruch bestehe.

Im Übrigen sei bei der Bezifferung eines etwaigen Wertersatzanspruchs zu berücksichtigen, dass der durch die Auflassungsvormerkung gesicherte Anspruch auf Eigentumsverschaffung unter der Bedingung der Kaufpreiszahlung gestanden habe. Hier habe aber der nach dem Kaufvertrag nötige Vorkaufsverzicht der Gemeinde nicht vorgelegen und die vorrangigen Grundpfandrechte seien nicht gelöscht worden, so dass der Kaufpreis noch nicht fällig gewesen sei. Der Kaufvertrag sei im Ergebnis vollständig gescheitert, so dass in der Auflassungsvormerkung kein wirtschaftlicher Wert verkörpert gewesen sei, der ihm im Rahmen der Verteilung des Erlöses aus dem Zwangsvollstreckungsverfahren zuzuteilen sein könnte.

Zudem müsse bei der Wertermittlung berücksichtigt werden, dass das Grundstück in Höhe von 332.823,19 € mit vorrangigen Grundpfandrechten der Bank belastet gewesen sei und sein Wert vom Vollstreckungsgericht im Beschluss vom 10. Dezember 2018 (Anlage B2, Bl. 102 d. A.) nur mit 295.000,00 € angenommen worden sei, so dass ein auszukehrender Ersatzwert im Sinne des § 92 ZVG nicht bestehe.

Ferner ergebe sich der Wert der Auflassungsvormerkung nach der - allerdings sehr umstrittenen - "Differenztheorie" aus dem Interesse des Berechtigten, das im Streitfall zu schätzen sei.

Die Beklagte beantragt,

das am 11. Oktober 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Braunschweig - Geschäftsnummer 4 O 81/22 - abzuändern und

  1. 1.

    die Klage abzuweisen,

  2. 2.

    auf die Widerklage den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, aus dem zum Aktenzeichen ... des Amtsgerichts ... hinterlegten Geldbetrag die Auszahlung eines Betrages von 20.282,48 € an die Beklagte und Widerklägerin zu bewilligen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Insbesondere komme es nicht auf den Stand der Abwicklung des Kaufvertrages an, sondern nur darauf, dass die (unbedingte) Auflassungsvormerkung eingetragen gewesen sei. Etwaige Zahlungen auf den Kaufpreis seien lediglich bei der Berechnung des Wertersatzes zu berücksichtigen. Der Kläger habe 61.000,00 € an den Verkäufer gezahlt, so dass von einer Restschuld von 289.000,00 € auszugehen sei; zu dem Versteigerungserlös von 440.050,00 € - der dem Verkehrswert entspreche - bestehe eine Differenz von 151.050,00 €.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 12. Januar 2023 und auf den Erwiderungsschriftsatz vom 13. März 2023 (Bl. 90-101 und Bl. 111-114 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil erweist sich auch gemessen an den Ausführungen in der Berufungsbegründung als zutreffend. Der Kläger kann von der Beklagten die Einwilligung in die Auszahlung eines Betrages von 20.282,48 € aus dem beim Amtsgericht Braunschweig hinterlegten Geldbetrag verlangen (1). Der Beklagten steht der widerklagend geltend gemachte entsprechende Anspruch gegen den Kläger nicht zu (2).

1. Der Kläger kann von der Beklagten die nach § 16 Abs. 2 NHintG erforderliche Einwilligung in die Auszahlung eines Betrages von 20.282,48 € aus dem zum Aktenzeichen ... des Amtsgerichts ... hinterlegten verbliebenen Versteigerungserlös verlangen. An die Stelle einer Auflassungsvormerkung, die nachrangig zu dem Recht des beitreibenden Gläubigers ist, tritt mit dem Zuschlag ein Anspruch auf Ersatz ihres Wertes (a). Dies gilt auch dann, wenn der Vormerkungsberechtigte selbst den Zuschlag erhält (b). Der vom Berechtigten gegebenenfalls noch geschuldete Kaufpreis ist nicht abzuziehen (c).

a) Ausgangspunkt ist, dass eine Auflassungsvormerkung (auch als Eigentums- oder Eigentumsverschaffungsvormerkung bezeichnet) nicht vor einem Zwangsversteigerungsverfahren schützt. Der Vormerkungsberechtigte muss ein besserrangiges Recht stets gegen sich gelten lassen; die Vormerkung gewährt keinen Schutz vor der Durchsetzung eines solchen Rechts im Wege der Zwangsvollstreckung. Hiermit muss der Vormerkungsberechtigte von vornherein rechnen, weil der Grundbesitz schon bei Eintragung der Vormerkung belastet war. Die Vormerkung schützt den Berechtigten nur davor, dass der Erwerb des (belasteten) Eigentums vereitelt oder beeinträchtigt wird, nicht aber davor, dass der Gläubiger eines vorrangigen Rechts dieses im Wege der Zwangsvollstreckung verfolgt (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05 -, BGHZ 170, 378-386, juris, Rn. 15 m. w. N.).

Ist eine Auflassungsvormerkung - wie hier - nachrangig zu dem Recht des beitreibenden Gläubigers, so unterfällt sie nicht dem geringsten Gebot und erlischt mit dem Zuschlag, §§ 52 Abs. 1 Satz 2, 91 ZVG; an die Stelle des vorgemerkten Rechts tritt der Anspruch auf Ersatz seines Wertes, § 92 ZVG. Der Vormerkungsberechtigte ist aus dem Versteigerungserlös zu befriedigen, soweit dieser nicht zur Befriedigung der vorhergehenden Rechte dient (ganz h. M., RG, Urteil vom 28. April 1934 - V 6/34 -, RGZ 144, S. 281 [284]; BGH, Urteil vom 14. April 1987 - IX ZR 237/86 -, NJW-RR 1987, S. 890 [891 Ziffer II.1] = juris, Rn. 39 m. w. N.; BGH, Urteil vom 22. September 1994 - IX ZR 251/93 -, NJW 1994, S. 3299 [Ziffer II Absatz 2] = juris, Rn. 14; Urteil vom 24. Mai 2012 - IX ZR 175/11 -, NJW 2012, S. 2504 [Rn. 20] m. w. N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. August 2000 - 9 W 49/00 -, juris, Rn. 8; OLG Koblenz, Urteil vom 27. Oktober 2011 - 2 U 762/10 -, juris, Rn. 38; OVG Magdeburg, Urteil vom 24. November 2021 - 1 K 38/19 -, juris, Rn. 38; Artz, in: Erman, BGB, 17. Auflage 2023, § 883, Rn. 44; Kesseler, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, Stand 5. Februar 2022, § 883, Rn. 362; Krause, in: Ring/Grziwotz/Schmidt-Räntsch, NK-BGB, 5. Auflage 2022, § 883, Rn. 119; Lettmaier, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2023, § 883, Rn. 77 m. w. N.; Stamm, in: jurisPK-BGB, 10. Auflage, Stand 15. März 2023, § 883, Rn. 71 m. w. N.; Stöber, in: NJW 2000, S. 3600 [Ziffer I.3]; Stumpe/Simon, in: Kindl/Meller-Hannich, Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 92 ZVG, Rn. 7 f.; a. A. Assmann, in: BeckOGK BGB, Stand: 1. August 2023, § 883, Rn. 245, 250 f.; Preuß, in: Schreiber/Ruge, Handbuch Immobilienrecht, 4. Auflage 2020, Kapitel 14, Rn. 43 a. E.).

b) Dies gilt auch dann, wenn der Vormerkungsberechtigte selbst den Zuschlag erhält und Eigentümer des Grundstücks wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1994 - IX ZR 251/93 -, NJW 1994, S. 3299 [Ziffer I a. E. und Ziffer II Absatz 2] = juris, Rn. 11 a. E. und Rn. 14; OLG Koblenz, Urteil vom 27. Oktober 2011 - 2 U 762/10 -, juris, R. 38; Gursky, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2013, § 883, Rn. 305 m. w. N.; Kesseler, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, Stand: 5. Februar 2022, § 883, Rn. 362). Insbesondere greift das von der Beklagten vorgebrachte Argument, dass der Kläger durch den Zuschlag Eigentümer geworden sei, habe nach § 275 BGB das Erlöschen des gesicherten Anspruchs auf Eigentumsverschaffung zur Folge gehabt, nicht durch: Gemäß § 92 Abs. 1 ZVG ist nach dem Surrogationsprinzip an die Stelle der Auflassungsvormerkung - die den Anspruch auf Eigentumsverschaffung gesichert hat - ja gerade ein ranggleiches Recht auf Wertersatz aus dem Versteigerungserlös getreten (siehe oben, Abschnitt a und die dortigen Nachweise, insb. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. August 2000 - 9 W 49/00 -, juris, Rn. 8; Siegmann, in: DNotZ 1995, S. 209 [210] [BGH 22.09.1994 - IX ZR 251/93]; a. A. Assmann, in: BeckOGK BGB, Stand: 1. August 2023, § 883, Rn. 245, 250 f.; Preuß, in: Schreiber/Ruge, Handbuch Immobilienrecht, 4. Auflage 2020, Kapitel 14, Rn. 43 a. E.).

c) Nicht abgezogen wird dabei der vom Berechtigten gegebenenfalls noch geschuldete Kaufpreis von dem Wert des nach Deckung der der Auflassungsvormerkung vorgehenden Rechte verbleibenden Erlöses (so schon RG, Urteil vom 8. April 1934 - V 6/34 -, RGZ 144, S. 281 [283 f.]; OLG Königsberg, JW 1936, S. 2358 [2359]; so wohl auch BGH, Urteil vom 24. Mai -2012 - IX ZR 175/11 -, NJW 2012, S. 2504 [BGH 24.05.2012 - IX ZR 175/11] [2506 Rn. 23]; so auch die überwiegende Ansicht in der Literatur: Artz, in: Erman, BGB, 16. Auflage 2020, § 883, Rn. 44; Becker, in: Stöber, ZVG, 23. Auflage 2022, § 92, Rn. 50; Böttcher, ZVG, 7. Auflage 2022, § 92, Rn. 25; Eickmann, in: Steiner, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Auflage 1984, § 92 ZVG, Rn. 36; Hintzen, in: Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 16. Auflage 2016, § 92, Rn. 33 a. E.; Kesseler, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, Stand: 5. Februar 2022, § 883, Rn. 364; Krause, in: Ring/Grziwotz/Schmidt-Räntsch, NK-BGB, 5. Auflage 2022, § 883, Rn. 119; Lettmaier, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2023, § 883, Rn. 77; Morvilius, in: Dierck/Morvilius/Vollkommer, Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht, 1. Auflage 2009, 2. Teil, Kapitel 4, Rn. 528 [insb. Fn. 246]; Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 66, Rn. 19 m. w. N.).

Auch die oben genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 24. Mai - 2012 - IX ZR 175/11 -, NJW 2012, S. 2504 [BGH 24.05.2012 - IX ZR 175/11] [2506 Rn. 23]) ist in diesem Sinne zu verstehen: Zum einen bezieht sich der Bundesgerichtshof auf die Entscheidung des Reichsgerichts, in der dieses einen Abzug des gegebenenfalls noch geschuldeten Kaufpreises ausdrücklich ablehnt (RG, Urteil vom 8. April 1934 - V 6/34 -, RGZ 144, S. 281 [284]). Zum anderen bezeichnet der Bundesgerichtshof den Kaufpreisanspruch als "selbstständig pfändbare Rechtsposition, die nicht unter den Zwangsversteigerungsbeschlag fällt" und weist damit darauf hin, dass der Kaufpreisanspruch nur im Wege der Forderungspfändung von den Gläubigern zur Deckung herangezogen werden kann (so auch Kesseler, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, Stand: 5. Februar 2022, § 883, Rn. 364; Lettmaier, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2023, § 883, Rn. 77).

Nach der Gegenansicht (sogenannte Differenztheorie) soll die noch zu erbringende Gegenleistung berücksichtigt werden (KG, JW 1932, S. 190; OLG Koblenz, Urteil vom 27. Oktober 2011 - 2 U 762/10 -, juris, Rn. 41-43 m. w. N.; Siegmann, in: DNotZ 1995, 209 [BGH 22.09.1994 - IX ZR 251/93] [211 lit. b] m. w. N.; Sievers, in: Saenger/Ullrich/Siebert, ZPO-Formulare, § 92 ZVG, Rn. 7; mit Einschränkung auch Stamm, in: jurisPK-BGB, 10. Auflage, Stand 15. März 2023, § 883, Rn. 71 m. w. N.). Dies überzeugt allerdings nicht: Die - gegebenenfalls noch ganz oder zum Teil bestehende - Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises besteht lediglich schuldrechtlich gegenüber dem früheren Grundstückseigentümer und betrifft nicht das Verhältnis des Vormerkungsberechtigten zu den Inhabern nachrangiger Rechte und den persönlichen Gläubigern des früheren Grundstückseigentümers (RG, Urteil vom 8. April 1934 - V 6/34 -, RGZ 144, S. 281 [283 f.]). Der selbständige Anspruch auf die Gegenleistung ermöglicht gerade keine Befriedigung aus dem Versteigerungserlös; seine Sicherung wird regelmäßig schuldrechtlich im Grundgeschäft vereinbart (Becker, in: Stöber, ZVG, 23. Auflage 2022, § 92, Rn. 50 a. E.). Das Vollstreckungsgericht hat sich nicht um schuldrechtliche Vereinbarungen zu kümmern, die einem Recht oder einer Vormerkung zugrunde liegen (Böttcher, ZVG, 7. Auflage 2022, § 92, Rn. 25; Morvilius, in: Dierck/Morvilius/Vollkommer, Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht, 1. Auflage 2009, 2. Teil, Kapitel 4, Rn. 528 [insb. Fn. 246]); ihm werden die schwierigen Entscheidungen über daraus resultierende Schadensersatzansprüche gerade nicht aufgebürdet (Storz/Kiderlen, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 12. Auflage 2014, Abschnitt B 6.2.4. [S. 255]).

Der Differenztheorie liegen schadensersatzrechtliche und wirtschaftliche Überlegungen zugrunde, die in der Einzelzwangsvollstreckung allenfalls dort Platz haben, wo sie mit den vollstreckungsrechtlichen Belangen nicht kollidieren (BGH, Urteil vom 24. Mai 2012 - IX ZR 175/11 -, NJW 2012, S. 2504 [2506 Rn. 22]). Eine solche Kollision läge hier aber gerade vor: Würde die Gegenforderung berücksichtigt, zögen die Gläubiger daraus Gewinn, obgleich das im Grundgeschäft vereinbarte Schuldverhältnis nur inter partes wirkt; es wirkte dann insoweit - systemwidrig - absolut (Eickmann, in: Steiner, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Auflage 1984, § 92 ZVG, Rn. 36). Der Kaufpreisanspruch kann deshalb nur im Wege der Forderungspfändung von den Gläubigern zur Deckung herangezogen werden (BGH, Urteil vom 24. Mai - 2012 - IX ZR 175/11 -, NJW 2012, S. 2504 [BGH 24.05.2012 - IX ZR 175/11] [2506 Rn. 23]; Artz, in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 883 BGB, Rn. 44; Kesseler, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, Stand: 5. Februar 2022, § 883, Rn. 364).

Diesem Ergebnis stehen auch keine Wertungswidersprüche entgegen: Insbesondere die persönlichen Gläubiger des früheren Grundstückseigentümers haben keine dingliche Rechtsposition an dem Grundstück erlangt, die derjenigen des Vormerkungsberechtigten vorgehen könnte; sie haben Ihre Forderungen gerade nicht im Grundbuch abgesichert. Dieser Stellung widerspräche es, sie nun vorrangig am Versteigerungserlös zu beteiligen, als wären sie Inhaber eines der Auflassungsvormerkung vorgehenden Rechts.

Soweit der frühere Grundstückseigentümer tatsächlich noch eine Kaufpreisforderung gegen den Vormerkungsberechtigte haben sollte, hätten die persönlichen Gläubiger des früheren Grundstückseigentümers die Möglichkeit, diese Forderung zu pfänden. Diese Möglichkeit entspricht auch ihrer Position als persönliche Gläubiger ohne im Grundbuch eingetragenes Recht an dem Grundstück; hätten sie sicherstellen wollen, dass sie an einem etwaigen Versteigerungserlös des Grundstücks partizipieren, hätten sie sich rechtzeitig eine entsprechende Grundbuchposition sichern müssen. Dass sie darauf verzichtet haben, führt zu ihrer schwächeren Stellung im Verteilungsverfahren und hier letztlich dazu, dass sie sich auf die Möglichkeit einer Forderungspfändung verweisen lassen müssen. Ihr Schuldner ist eben ausschließlich der frühere Grundstückseigentümer persönlich, nicht "das Grundstück".

2. Aus den oben (Ziffer 1) ausgeführten Gründen steht der Beklagten der widerklagend geltend gemachte entsprechende Anspruch gegen den Kläger nicht zu.

III.

Der Beklagten wird Gelegenheit zur Stellungnahme oder zur Rücknahme der Berufung bis zum

11. April 2024

gegeben.

Dr. Jäde
Stephan
Dr. Otto