Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 19.03.2024, Az.: 1 WF 28/24

Formelle Vorasussetzungen für die Festsetzung von Ordnungsgeld wegen unentschuldigten Ausbleibens im erstinstanzlichen Termin

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
19.03.2024
Aktenzeichen
1 WF 28/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 12418
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2024:0319.1WF28.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Helmstedt - 10.01.2024 - AZ: 4 F 954/23 OV2

Amtlicher Leitsatz

Sofern ein Hinweis auf die Folgen des Ausbleibens zum Termin eine Differenzierung zwischen den gesetzlichen Folgen nach § 33 FamFG und denen nach § 34 FamFG nicht deutlich erkennen lässt, liegen die Voraussetzungen für die Festsetzung von Ordnungsgeld nach § 33 Abs. 3 Satz 1 FamFG nicht vor.

In der Familiensache
betreffend die elterliche Sorge für J. E. A., geb. am
Beteiligte:
1. Frau M. D.,
- Kindesmutter, Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin -
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt A. H.
Geschäftszeichen:,
2. Herr D. H.,
- Kindesvater und Antragsteller -
hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht M. als Einzelrichterin am 19. März 2024 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 26.01.2024 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Helmstedt vom 10.01.2024 aufgehoben.

Die Entscheidung ergeht gebühren- und kostenfrei.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 300,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin wendet sich mit der sofortigen Beschwerde vom 26.01.2024 gegen die Festsetzung von Ordnungsgeld wegen unentschuldigten Ausbleibens im erstinstanzlichen Termin am 10.01.2024.

Das Verfahren betrifft den Antrag des Kindesvaters auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts für J., die jetzt fünfzehn Jahre alte Tochter der Beteiligten. Mit Verfügung vom 11.12.2023 hat das Amtsgericht Termin zur Anhörung der Eltern auf den 10.01.2024 um 13.00 Uhr bestimmt. Es hat dabei unter anderem das persönliche Erscheinen der Kindesmutter angeordnet und darauf hingewiesen, dass das Verfahren auch ohne persönliche Anhörung beendet werden könne, wenn ein Beteiligter unentschuldigt dem anberaumten Termin fernbleibe.

Die Ladung wurde der Antragsgegnerin am 14.12.2023 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 02.01.2024 hat ihr Verfahrensbevollmächtigter um Terminverlegung wegen fehlenden Berichts des Jugendamts, noch nicht erfolgter Akteneinsicht und eigener Verhinderung wegen eines zeitgleichen Verhandlungstermins vor dem Landgericht Oldenburg gebeten. Das Amtsgericht hat die Verlegung mit Schreiben vom 04.01.2024 abgelehnt. Mit weiterem Schriftsatz vom 05.01.2024 hat der Verfahrensbevollmächtigte beantragt, die Verhandlung im Wege einer Videokonferenz durchzuführen. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit Schreiben vom 08.01.2024 zurückgewiesen und darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 BGB allerdings auch ohne Anhörung der Antragsgegnerin ergehen könne, sofern sie dem Antrag zustimme. Mit einem am 10.01.2024, um 11:39 Uhr beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Verfahrensbevollmächtigte nochmals beantragt, den Termin zu verlegen, da die Antragsgegnerin wegen einer vorangegangenen Nachtschicht in ihrem Beruf nicht erscheinen könne.

Am 10.01.2024 hat das Amtsgericht die betroffene Jugendliche und den Antragsteller angehört sowie dem Jugendamt und der Verfahrensbeiständin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit gesonderter Verfügung hat es einen weiteren Termin zur Anhörung auf den 31.01.2024 um 8.45 Uhr festgesetzt, zu dem es erneut das persönliche Erscheinen der Mutter angeordnet hat.

Mit Beschluss vom 10.01.2024 hat das Amtsgericht zudem ein Ordnungsgeld i.H.v. 300,00 € gegen die Antragsgegnerin wegen Nichterscheinens zum Termin festgesetzt. Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 16.01.2024 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit der am 26.01.2024 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde im Schriftsatz vom selben Tag; ihr Nichterscheinen hat sie mit Schriftsatz vom 07.02.2024 erläutert. Mit Beschluss vom 12.02.2024 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen.

Auf die gerichtlichen Verfügungen vom 11.12.2023 und 10.01.2024, das Ladungsschreiben vom 12.12.2023, die richterlichen Schreiben vom 04.01.2024 und 08.01.2024, den Anhörungsvermerk und die Sitzungsniederschrift vom 10.01.2024, die Beschlüsse vom 10.01.2024 und 12.02.2024 sowie die Schriftsätze vom 02.01.2024, 05.01.2024, 10.01.2024, 26.01.2024 und 07.02.2024 wird wegen der Ausführungen und Begründungen Bezug genommen.

Zwischenzeitlich hat die Antragsgegnerin dem Gericht mitgeteilt, dass sie auf ihre Recht auf Anhörung verzichte und dem Antrag auf Übertragungen der elterlichen Sorge für J. auf den Kindesvater zustimme. Auf die diesbezüglich zwischen ihrem Verfahrensbevollmächtigten und dem Amtsgericht gewechselten Schreiben vom 26.01.2024, 29.01.2024 und 30.01.2024 nebst Anlagen wird verwiesen. Das Amtsgericht hat daraufhin am 30.01.2024 den Termin vom Folgetag aufgehoben und am 31.01.2024 einen Beschluss zur Hauptsache erlassen, mit dem es das Sorgerecht für J. dem Antragsteller übertragen hat.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß § 33 Abs. 3 Satz 5 FamFG i.V.m. §§ 567 ff. ZPO zulässig und begründet. Das Ordnungsgeld ist dementsprechend gemäß § 33 Abs. 3 Satz 4 FamFG analog aufzuheben.

Gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 FamFG kann gegen einen ordnungsgemäß geladenen Beteiligten ein Ordnungsgeld verhängt werden, sofern er unentschuldigt im Termin ausbleibt, wenn er auf die Folgen seines Ausbleibens in der Ladung hingewiesen wurde. Voraussetzung für die Verhängung eines Ordnungsgeldes ist demzufolge, dass dem Beteiligten zur Gewährleistung eines rechtsstaatlichen und fairen Verfahrens i.S.v. Art. 2 Abs. 2, 20 Abs. 3 GG ein in allgemein verständlicher Form abgefasster sowie im Ladungstext optisch hinreichend deutlich wahrnehmbarer Hinweis auf dieses Beugemittel erteilt wurde (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 29.07.2019, 21 WF 123/19 - juris Rn. 5 m.w.N.).

In dem vorliegenden Verfahren ist ein diesen Vorgaben entsprechender eindeutiger Hinweis nicht ergangen. Die Ladung der Antragsgegnerin zum Termin am 10.01.2024 lässt eine Differenzierung zwischen den gesetzlichen Folgen des Ausbleibens nach den Regelungen des § 33 FamFG - mit der Möglichkeit zur Anordnung von Ordnungsgeld - und den Regelungen des § 34 FamFG - mit der Möglichkeit zur Entscheidung ohne Anhörung - nicht hinreichend deutlich erkennen.

a) Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann das Gericht das persönlichen Erscheinen eines Beteiligten zu einem Termin anordnen und ihn anhören, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts sachdienlich erscheint. Die Vorschrift dient somit der Gewährung rechtlichen Gehörs mit dem Ziel der Sachaufklärung (vgl. Jox/Fröschle, Kommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren, 4. Auflage 2020, § 33 FamFG, Rn. 1). Dementsprechend erfordert auch die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 33 Abs. 3 Satz 1 FamFG regelmäßig, dass das Nichterscheinen eines Beteiligten das Verfahren behindert oder verzögert, weil die notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden können. Ist das Verfahren hingegen trotz Nichterscheinens des Beteiligten entscheidungsreif, so ist eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht erforderlich und scheidet die Verhängung eines Ordnungsgeldes regelmäßig aus. Denn Sinn dieses Ordnungsmittels ist es nicht, den im Termin ausgebliebenen Beteiligten zu bestrafen, vielmehr kommt ihm allein ein Beugecharakter zu (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.02.2023, 18 WF 166/22, juris Rn. 17 m.w.N., vgl. Jox/Fröschle, Kommentar zum Betreuungs- und Unterbringungsverfahren, 4. Auflage 2020, § 33 FamFG, Rn. 9).

b) Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht einen Beteiligten persönlich anzuhören, wenn dies zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten erforderlich oder gesetzlich vorgeschrieben ist. Bleibt der Beteiligte im anberaumten Anhörungstermin unentschuldigt aus, kann das Verfahren gemäß § 34 Abs. 3 FamFG ohne seine persönliche Anhörung beendet werden, wenn er auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen wurde. Die persönliche Anhörung nach § 34 FamFG dient daher allein der Gewährung rechtlichen Gehörs, nicht aber der Ermittlung von Tatsachen (vgl. Jox/Fröschle, Kommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren, 4. Auflage 2020, § 33 FamFG, Rn. 1). Dementsprechend darf dieser Hinweis grundsätzlich nicht ergehen, wenn im Interesse der Sachverhaltsaufklärung eine Pflicht zur Anhörung eines Beteiligten aus § 33 FamFG besteht (vgl. Bauer/Lütgens/Schwedler, Kommentar zum Betreuungs- und Unterbringungsrecht, 147. Lieferung, A. Rn. 3).

In Verfahren wie dem vorliegenden, die die Person eines Kindes betreffen, soll das Gericht gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Eltern persönlich anhören. Diese persönliche Anhörung dient grundsätzlich immer auch dem Zweck der Aufklärung des Sachverhalts nach § 26 FamFG. Erscheint ein Elternteil zur persönlichen Anhörung trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht, ist daher regelmäßig ein neuer Termin anzuberaumen und gegebenenfalls nach § 33 Abs. 3 FamFG ein Ordnungsgeld zu verhängen (vgl. Sternal/Schräder, Kommentar zum FamFG, 21. Auflage, § 160 Rn. 13). Eine Möglichkeit zur Entscheidung ohne Anhörung beider Elternteile aus § 34 Abs. 3 Satz 1 FamFG ist damit grundsätzlich nicht gegeben. Dennoch darf eine Entscheidung ohne Anhörung der Eltern in besonders gelagerten Fällen ergehen, in denen die Anhörung zur Aufklärung des Sachverhalts ausnahmsweise nicht erforderlich ist oder wenn die Anordnung von Ordnungsmitteln unverhältnismäßig wäre und das Gericht zuvor sämtliche Versuche zur Anhörung des nicht zum Termin erschienenen Elternteils ausgeschöpft hat (vgl. Sternal/Schräder, Kommentar zum FamFG, 21. Auflage, § 160 Rn. 13; vgl. Heilmann/Cirullies, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Auflage, Rn. 9).

Hier lässt sich der Ladung der Kindesmutter zum Termin am 10.01.2024 nicht eindeutig entnehmen, ob das Amtsgericht ihre persönliche Anhörung im Sinne von §§ 33 Abs. 1 Satz 1, 160 Abs. 1 Satz 1 FamFG zur Sachaufklärung für erforderlich gehalten hat oder damit lediglich ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge getan werden sollte. Denn ausweislich des als Blatt 33 zur Akte genommenen Ladungsschreibens an die Antragsgegnerin vom 12.12.2023 hat das Amtsgericht "Termin zur Anhörung" auf den 10.01.2024 bestimmt, nicht aber Termin zur Erörterung oder Sachaufklärung. Soweit auf dem als Blatt 19 in der Akte befindlichen Formular Z 2221 zur Ladung in Kindschaftssachen vom 11.12.2023 auch die Auswahlmöglichkeit "Termin zur Erörterung" angekreuzt wurde, ist dies möglicherweise erst nachträglich erfolgt, wofür die Verschiedenfarbigkeit der beim Ausfüllen verwendeten Stifte spricht. Zudem wurde in der Verfügung vom 11.12.2023 zwar das persönliche Erscheinen der Mutter und des Vaters angeordnet und auch in das an die Antragsgegnerin versandte Ladungsschreiben vom 12.12.2023 übernommen. Im unmittelbaren textlichen Zusammenhang zu dieser Anordnung findet sich jedoch sowohl in der Verfügung als auch in dem Schreiben der Hinweis, dass das Verfahren auch ohne persönliche Anhörung beendet werden könne. Die Möglichkeit der Anordnung von Ordnungsgeld beim Ausbleiben zum Termin ist hingegen weder in der gerichtlichen Verfügung noch in dem Text des Ladungsschreibens erwähnt. Im Anschreiben wird lediglich dazu aufgefordert, die nachfolgenden Hinweise zu beachten. Diese finden sich auf der Rückseite des Ladungsschreibens und umfassen sowohl den Hinweis, dass bei Anordnung des persönlichen Erscheinens zur Sachaufklärung im Falles des Ausbleibens zum Termin ein Ordnungsgeld von bis zu 1.000,00 € festgesetzt werden kann, als auch den Hinweis, dass das Verfahren bei unentschuldigtem Nichterscheinen zum Anhörungstermin auch ohne persönliche Anhörung beendet werden kann.

In der Gesamtbetrachtung lässt sich dem Ladungsschreiben vom 12.12.2023 damit weder eindeutig entnehmen, dass das Gericht mit der Anordnung des persönlichen Erscheinens der Kindesmutter die Aufklärung der Sachlage angestrebt hat und bei Nichterscheinen Ordnungsgeld festsetzen kann, noch, dass es sich gehindert gesehen hat, ohne Anhörung der Kindesmutter zu entscheiden.

Damit liegen die Voraussetzungen für die Verhängung von Ordnungsgeld nach § 33 Abs. 3 FamFG nicht vor, womit dieses aufzuheben ist.

III.

Kosten und Gebühren für das Beschwerdeverfahren sind gemäß § 3 FamGKG i.V.m. Nr. 1912 KV analog nicht zu erheben.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes richtet sich nach der Höhe des gemäß Art. 6 Abs.1 Satz 1 EGStGB auferlegten Ordnungsgeldes von 300,00 € (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 21.02.2023, Az. 18 WF 166/22).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde aus § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.