Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 22.03.2024, Az.: 1 WF 33/24

Festsetzung von Ordnungsmitteln wegen Verweigerung der Untersuchung zur Feststellung der Abstammung; Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
22.03.2024
Aktenzeichen
1 WF 33/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 12821
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2024:0322.1WF33.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Braunschweig - 18.01.2024 - AZ: 80 a AR 16/23

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Im Abstammungssachen richtet sich die Duldung der Untersuchung wie auch die Anordnung von Zwangsmitteln bei Ersuchen nach dem Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen i.V.m. der Zivilprozessordnung.

  2. 2.

    Ein Recht zur Verweigerung der Untersuchung zur Feststellung der Abstammung besteht nur, wenn der Antrag unzulässig, unschlüssig, die Begutachtung nicht erforderlich, nicht geeignet oder der zu untersuchenden Person nicht zumutbar ist.

  3. 3.

    Das Zwischenverfahren über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Untersuchung setzt die Glaubhaftmachung des Weigerungsgrundes voraus und greift bei einer Weigerung ohne Angabe von Gründen nicht.

In dem Rechtshilfeersuchen
des Regionalgerichts Oberland Zivilabteilung, Scheibenstraße 11 B, CH 3600 Thun/Schweiz, Verfahren Nr.:,
betreffend das dortige Zivilverfahren zu Vaterschaft und Unterhalt
der R. B., geb.,
wohnhaft c/o Frau I.-D. B.,
- Klägerin -
Beiständin:
Frau M. K.-B., Sozialdienst,
gegen
Herrn H. D., ,
- Beklagter und Beschwerdeführer -
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Michael F.,
Geschäftszeichen:
hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht M. als Einzelrichterin am 22. März 2024 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 31.01.2024 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 18.01.2024 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Gebühr des Beschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Beklagte wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Festsetzung von Ordnungsmitteln wegen Verweigerung der Untersuchung zur Feststellung der Abstammung.

Die am 10.04.2021 geborenen Klägerin lebt im Haushalt ihrer Großmutter in der Schweiz. Da der Verbleib ihrer Mutter M. E. B. derzeit unbekannt ist, wurde seitens der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde T. Beistandschaft angeordnet. Mit Klageschrift vom 20.10.2022 hat die Beiständin die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten beantragt; das Verfahren wird beim Regionalgericht Oberland, T. zu Verfahrens Nr. geführt. Die Klageschrift wurde dem Beklagten am 09.12.2022 im Wege der Rechtshilfe durch das Amtsgericht Braunschweig zum Aktenzeichen 80b AR 92/22 zugestellt. Das Regionalgericht hat auf die gerichtliche Verhandlung vom 05.05.2023 die Erstellung eines DNA-Vaterschaftsgutachtens durch Abnahme eines Abstrichs der Wangenschleimhaut durch das hierfür zuständige Institut für Rechtsmedizin angeordnet - im Falle der Widersetzung unter Zuhilfenahme geeigneter Vollstreckungsmaßnahmen, nötigenfalls auch unter Zwang.

Mit Ersuchen vom 26.07.2023 hat das Regionalgericht das Amtsgericht Braunschweig um Rechtshilfe bei der Abnahme der DNA-Probe gebeten. Es hat darauf hingewiesen, dass nach Art. 296 Abs. 2 der Schweizerischen Zivilprozessordnung kein Verweigerungsrecht hinsichtlich der Mitwirkung an gerichtliche angeordneten Abstammungsuntersuchungen bestehe. Diese Rechtshilfesache wird beim Amtsgericht Braunschweig unter Aktenzeichen 80a AR 16/23 geführt.

Mit richterlichem Schreiben vom 15.08.2023 hat das Amtsgericht das Gesundheitsamt der Stadt Braunschweig um Entnahme der DNA-Probe gebeten. Mit Schreiben vom 05.09.2023 hat das Gesundheitsamt dem Regionalgericht Oberland mitgeteilt, dass der Beklagte die Probenentnahme verweigere und seine Geschichte dem Gericht erzählen möchte. Mit Schreiben vom 13.10.2023 hat das Regionalgericht das Amtsgericht um Fortsetzung des Rechtshilfeersuchens gebeten. Es hat ausgeführt, dass die Erstellung eines erbbiologischen Vaterschaftsgutachtens im dortigen Verfahren unabdingbar sei, weil sich der Beklagte bisher an keinem Verfahren beteiligt habe und aus Gründen der Anerkennungsvorschriften des Internationalen Privatrechts.

Daraufhin hat das Amtsgericht dem Beklagten mit richterlichem Schreiben vom 14.11.2023 mitgeteilt, dass er Gelegenheit erhalte, binnen drei Wochen einen Termin beim Gesundheitsamt zur Entnahme einer DNA-Probe wahrzunehmen und ansonsten mit der Anwendung von Zwang rechnen müsse. Das Schreiben wurde dem Beklagten am 23.11.2023 zugestellt. Daneben wurde das Gesundheitsamt seitens des Amtsgerichts erneut um Entnahme einer DNA-Probe gebeten.

Mit Schreiben vom 11.01.2024 teilte das Gesundheitsamt dem Amtsgericht mit, das die DNA-Probe nicht habe entnommen werden können, da der Beklagte erneut nicht erschienen sei. Daraufhin hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 18.01.2024 gegen den Beklagten zur Erzwingung der gerichtlichen Anordnung des Regionalgerichts Oberland ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 € festgesetzt und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, je 200,00 € einen Tag Zwangshaft angeordnet. Wegen der Begründung wird auf die dortige Entscheidung Bezug genommen.

Gegen den ihm am 24.01.2024 zugestellten Beschluss wendet sich der Beklagte mit der am 31.01.2024 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde im anwaltlichen Schriftsatz vom selben Tag. Er führt zur Begründung in einem am 05.02.2024 beim Amtsgericht eingegangenen handschriftlichen Schreiben vom 01.02.2024 aus, dass er nicht bei dem Termin gewesen sei, weil Kindesmutter ihm gesagt habe, dass er nicht der Vater sei und dies auch dem Jugendamt in der Schweiz habe mitteilen wollen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf sein dortiges Vorbringen verwiesen.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 13.03.2024 nicht abgeholfen. Wegen der Begründung wird auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gemäß § 178 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 390 Abs. 3, 567 ff. ZPO zulässig, jedoch nicht begründet. Das Amtsgericht hat gegen ihn zu Recht Ordnungsgeld und Ordnungshaft festgesetzt; die Bezeichnung als Zwangsgeld und Zwangshaft steht dem nicht entgegen. Die von dem Beklagten vorgebrachten Einwände rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

Bei Rechtshilfehandlungen für ausländische Gerichte ist grundsätzlich nach der lex fori zu verfahren, so dass deutsche Gerichte Prozesshandlungen in Familiensachen nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen (FamFG) i.V.m. der Zivilprozessordnung (ZPO) durchzuführen haben. Dies gilt auch für Ersuchen nach dem Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 18.03.1970 (HBÜ) (vgl. Zöller/Geimer, Kommentar zur ZPO, 35. Auflage, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 1). Demzufolge entscheidet in Rechtshilfesachen zur Abstammungsfeststellung das Amtsgericht und richtet sich die Duldung wie auch die Anordnung von Zwangsmitteln insoweit nach § 178 FamFG (vgl. Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, 1. Auflage, § 207 Rn. 21; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 9. Auflage, Rn. 2514, 2519).

Nach § 178 Abs. 1 FamFG hat jede Person Untersuchungen zu dulden, soweit dies zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist, es sei denn, dass ihr die Untersuchung nicht zugemutet werden kann. Diese Vorschrift erfasst alle Verfahren, in denen die Feststellung der Abstammung für die gerichtliche Entscheidung erheblich und beweisbedürftig ist (vgl. Sternal/Giers, Kommentar zum FamFG, § 178 Rn. 2). Die Verpflichtung zur Duldung der Untersuchung umfasst nicht nur die passive Hinnahme von Maßnahmen, sondern auch aktives Verhalten des Pflichtigen, wie etwa das Aufsuchen der Untersuchungsstelle, die Mitwirkung bei der Identitätsprüfung und -sicherung, die Duldung der Anfertigung eines Lichtbildes und eines Fingerabdrucks sowie die Mitwirkung an der Probenentnahme und dem damit verbundenen Eingriff (Heilmann/Grün, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Auflage, § 178 Rn. 2)

Ein Recht zur Verweigerung der Untersuchung besteht, wenn der Antrag auf Feststellung unzulässig oder unschlüssig oder die Begutachtung nicht erforderlich, geeignet und für die zu untersuchende Person nicht zumutbar ist (vgl. Sternal/Giers, a.a.O., § 178 Rn. 15; Prütting/Helms/Dürbeck, Kommentar zum FamFG, § 178 Rn. 7). Die Feststellungslast insoweit obliegt dem Betroffenen (vgl. Sternal/Giers, a.a.O., § 178 Rn. 12).

Für die Feststellung der Abstammung gilt die Untersuchung jeder Person als erforderlich, die für den zu erbringenden Nachweis in Betracht kommt. Denn das Recht auf Klärung der Abstammung ist für ein Kind als übergeordnet zu bewerten, weil das Wissen um die eigene Herkunft von zentraler Bedeutung für das Verständnis und die Entfaltung der eigenen Identität sind (vgl. Sternal/Giers, a.a.O., § 178 Rn. 11). Als Methode zum Führen des Nachweises einer Vaterschaft ist dabei die DNA-Analyse anerkannt und geeignet. Bei dieser Methode, die auf einer Untersuchung der DNA als Trägerin der Erbsubstanz basiert, ist eine biologische Probe zu analysieren, die durch eine Blutentnahme, einen Mundhöhlenabstrich oder einen Hautabrieb gewonnen wird (vgl. Sternal/Giers, a.a.O., 178 Rn. 4). Dabei stellt die Probenentnahme durch den Abstrich der Mundschleimhaut im Regelfall keinen unzumutbaren Eingriff in die körperliche Integrität dar und auch die rechtlichen Folgen der Feststellung einer Vaterschaft erfüllen das Kriterium der Unzumutbarkeit in keinem Fall (vgl. Sternal/Giers, a.a.O., § 178 Rn. 13; Heilmann/Grün, a.a.O., § 178 Rn. 7ff).

Über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Untersuchung hat gemäß § 178 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 387 Abs. 1 ZPO grundsätzlich das mit der Abstammungsklärung befasste Gericht in einem Zwischenverfahren zu entscheiden. Dieses förmliche Zwischenverfahren setzt jedoch eine Verweigerung unter Angabe von Gründen nach Maßgabe der §§ 386, 388, 389 ZPO voraus, wobei der Weigerungsgrund glaubhaft zu machen ist und greift bei einer Weigerung ohne Angabe von Gründen nicht (vgl. Sternal/Giers, a.a.O., § 178 Rn. 19; Prütting/Helms/Dürbeck, a.a.O., § 178 Rn. 10; Heilmann/Grün, a.a.O., § 178 Rn. 17).

Im vorliegenden Verfahren hat der Beklagte sich hinsichtlich der Verweigerung der vom Regionalgericht Oberland angeordneten Untersuchung nur mit Schreiben vom 01.02.204 geäußert und zur Begründung unter Angabe der Telefonnummer von Maret Bieber lediglich vorgetragen, dass diese ihm gesagt habe, dass er nicht der Vater sei. Gründe, aus denen die in dem Verfahren vor dem Regionalgericht eingereichte Vaterschaftsklage unzulässig oder unschlüssig sein könnte, ergeben sich daraus nicht. Insbesondere fehlt es an jeglichem Vorbringen zu Geschlechtsverkehr mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit des am 10.04.2021 geborenen Kindes. Damit ist Anlass für die Einleitung eines förmlichen Zwischenverfahrens nach § 378 ZPO nicht gegeben.

Zudem hat das Regionalgericht Oberland bereits im Rechtshilfeersuchen vom 26.07.223 unter Ziffer 16 ausgeführt, dass nach dem schweizerischen Recht kein Verweigerungsrecht hinsichtlich der Mitwirkung an der angeordneten Abstammungsuntersuchung bestehe und nach Art. 296 Abs. 2 der Schweizerischen Zivilprozessordnung Parteien und Dritte zur Aufklärung der Abstammung an Untersuchungen mitzuwirken haben, die nötig und ohne Gefahr für die Gesundheit sind. Auf die Mitteilung des Gesundheitsamtes vom 05.09.2023 über die erste Verweigerung der Probenentnahme seitens des Beklagten hat das Regionalgericht zudem mit Schreiben vom 13.10.2023 ausgeführt, dass die Erstellung eines erbbiologischen Vaterschaftsgutachtens im dortigen Verfahren unabdingbar sei, weil sich der Beklagte bisher an keinem Verfahren beteiligte habe und aus Gründen der Anerkennungsvorschriften des Internationalen Privatrechts. Die Herbeiführung einer erneuten förmlichen Bescheidung nach §§ 387ff. ZPO erscheint daher - auch unter Beachtung der Persönlichkeitsrechte des Beklagten - überflüssig.

Bei Fehlen eines Weigerungsrechts kann das Familiengericht die angeordnete Untersuchung mit Zwang gemäß § 178 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 390 ZPO durchsetzen. Nach § 390 Abs. 1 Satz 2 ZPO wird gegen die zu untersuchende Person ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festsetzt. Das Ordnungsgeld ist gemäß Art. 6 Abs. 1 EGStGB auf einen Betrag zwischen 5,00 € und 1.000,00 € festzusetzen, die Ordnungshaft gemäß Art. 6 Abs. 2 EGStGB auf die Dauer von einem Tag bis zu sechs Wochen.

Einwände gegen vom Amtsgericht im Beschluss vom 18.01.2024 vorgenommene Festsetzung auf einen Betrag von 2.000,00 € und ersatzweise je 200,00 € einen Tag Haft sind nicht vorgetragen; Abwägungsfehler insoweit sind nicht ersichtlich.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss vom 18.01.2024 ist dementsprechend zurückzuweisen.

III.

Die Entscheidung über die Gebühren und Kosten folgt aus § 3 FamGKG i.V.m. Nr. 1912 KV, § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach der Höhe des gemäß Art. 6 Abs.1 Satz 1 EGStGB auferlegten Ordnungsgeldes von 2.000,00 € (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 21.02.2023, Az. 18 WF 166/22).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde aus § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.