Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 10.09.2009, Az.: 5 A 89/09
Biotopschutz, Allgemeiner; Böschungsmahd; Innenbereich; Gewässerrandstreifen; Kanal; Gewässerunterhaltung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 10.09.2009
- Aktenzeichen
- 5 A 89/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44470
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2009:0910.5A89.09.0A
Rechtsgrundlagen
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der im Wasserrecht zu beachtende allgemeine Biotopschutz (§ 37 Abs. 1 NNatG) gilt auch im beplanten und bebauten Innenbereich.
- 2.
Landschaftsverschönerung ist kein "vernünftiger Grund" i.S.d. § 37 Abs. 1 NNatG, der die Zerstörung oder erhebliche Beeinträchtigung von Lebensstätten wildlebender Tier- und Pflanzenarten rechtfertigt. Sie bietet auch keinen Anlass für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 37 Abs. 5 NNatG zur Mahd von Böschungen an Gewässern.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Erteilung einer wasserrechtlichen Zustimmung zur Böschungsmahd bis zur Wasserlinie eines im bebauten Innenbereich liegenden Kanals für Teile des Sommerhalbjahres.
Die Klägerin ist für den in ihrem Gemeindegebiet befindlichen W. bzw. die R. (im Folgenden: R.), einem Gewässer II. Ordnung, unterhaltspflichtig. Dies gilt auch für den im Ortsteil R. gelegenen Bereich des R. längs des U. bis zum Museum. Dieser etwa 800 m lange Teil liegt überwiegend im Bereich der Bebauungspläne 7.08 "U. Nord" und 9.09 "U. Süd". Längs des R. verlaufen beiderseits Fahrstreifen der Ortsdurchfahrt der B ... und befinden sich Gebäude. Bislang billigt der Beklagte der Klägerin in der Zeit vom 1. September bis 28. Februar des Folgejahres die vollständige Böschungsmahd bis zur Wasserlinie und in der Zeit vom 1. März bis 31. August eines Jahres die Mahd im Böschungsbereich nur oberhalb einer Linie von 1 bis 2 Meter Abstand zur Wasserlinie (je nach Böschungssituation) zu.
Unter dem 6. Juni 2006 beantragte die Klägerin die Erteilung der Zustimmung des Beklagten zur vollständigen Böschungsmahd auch in der Zeit vom 1. März bis 31. August eines Jahres für den Bereich U. bis zum Museum. Hintergrund ist der Wunsch lokaler Kaufleute sowie Vertreter des Fremdenverkehrs an der Präsentation einer "typischen Fehn-Kulturlandschaft" und Dekoration des betroffenen Gewässerabschnitts mit zahlreichen großen Blumenampeln sowie mit Blumen bepflanzten Brückenkonstruktionen.
Mit Bescheid vom 15. August 2007 versagte der Beklagte die begehrte wasserrechtliche Zustimmung und wies darauf hin, dass unter Zurückstellung naturschutzfachlicher Bedenken die Böschungsmahd in der streitigen Sommerzeit weiterhin oberhalb von 1 bis 2 m der Wasserlinie (je nach Böschungsneigung) erfolgen dürfe. Zur Begründung führte er aus, der weitergehenden Böschungsmahd stünden wasser- und naturschutzrechtliche Belange entgegen, die die geltend gemachten Interessen überwögen. Den Widerspruch der Klägerin wies er durch Bescheid vom 10. April 2008 unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe des Ausgangsbescheides zurück.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer am 7. Mai 2008 erhobenen Klage ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Sie könne die Erteilung einer Zustimmung nach § 91a Abs. 4 NWG oder zumindest die Neubescheidung ihres Antrags beanspruchen. Der Beklagte habe für seine Bescheide keine belastbaren Feststellungen für einen Verstoß gegen Artenschutzbestimmungen nach § 42 BNatSchG getroffen. Die zeitlichen Mahdeinschränkungen nach § 37 Abs. 3 NNatG gälten nur für Röhricht in der freien Natur und Landschaft. Die Böschungsvegetation im streitigen Bereich sei auch keine nach § 37 Abs. 1 NNatG schützenswerte Lebensstätte wildlebender Tier- und Pflanzenarten. Der dort geregelte allgemeine Biotopschutz erfasse nicht Gewässer im beplanten und bebauten Innenbereich, die noch dazu unmittelbar an stark befahrenen Straßen lägen. Außerdem habe der Beklagte auch für den allgemeinen Biotopschutz keine belastbaren Feststellungen zu schützenswerten Pflanzen- oder Tierarten mit hinreichender Standortzuordnung getroffen. Vogelarten seien auf den schmalen Vegetationsstreifen nicht angewiesen. Die vollständige Böschungsmahd in der streitigen Zeit könne als Maßnahme der ordnungsgemäßen Land- und Forstwirtschaft nicht gegen den allgemeinen Biotopschutz verstoßen. Selbst ein nur "orientierender Rückgriff" auf die Schutzzeitenbestimmung des § 37 Abs. 3 NNatG sei unzulässig. Ein nur für Teile des Jahres geltender Biotopschutz sei widersinnig. Die Versagungserwägungen zum Wasserabfluss im Bescheid seien sachwidrig. Jedenfalls sei die Entscheidung ermessensfehlerhaft. Der Beklagte habe die Bedeutung für das Landschaftsbild im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 5 NWG nicht hinreichend berücksichtigt, zumal die Fehn-Landschaft mit vollständig gemähten Böschungen eine historische Kulturform sei. Außerdem habe sie ihre Erwägungen auf eine unvollständige bzw. falsche Tatsachengrundlage gestützt. Die herangezogenen Ausführungen im Leitfaden "Maßnahmenplanung Oberflächengewässer, Teil A, Fließgewässer - Hydromorphologie -" des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz - NLWKN - 2008 in Anlehnung an die Wasserrahmenrichtlinie seien nicht einschlägig. Der R. unterfalle der Richtlinie schon nicht, da er weder dort noch in nachfolgenden Materialien als prioritäres Fliesgewässer aufgeführt sei. Im Übrigen sei er gar kein Fließgewässer, sondern ein stehendes Gewässer. Als typischer Fehnkanal werde ihm lediglich Oberflächenwasser zugeleitet, das über eine nur zeitweise - etwa bei starken Regenfällen - betriebene Schleuse fließe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 15. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihrem Antrag auf Mahd der Böschung des R. bis zur Wasserlinie im Bereich des U. bis zum Museum auch in der Zeit vom 1. März bis 31. August eines jeden Jahres zuzustimmen,
hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über ihren Antrag zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erwidert ergänzend: Die in den vorgelegten Fotodokumentationen enthaltenen naturschutzfachlichen Feststellungen belegten hinreichend einen Verstoß gegen Artenschutzbestimmungen nach § 42 Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG -, jedenfalls aber einen Verstoß gegen den allgemeinen Biotopschutz des § 37 Abs. 1 NNatG. Aus den im Lageplan vermerkten Standorten der jeweiligen Aufnahmen und anhand der Spiegelungen angrenzender Gebäude im Wasser ergebe sich die Zuordnung der festgestellten Arten wildlebender Pflanzen und Tiere zum streitigen Kanalbereich. Einer noch genaueren Zuordnung der vorgefundenen Arten bedürfe es nicht. Ohnehin seien die Biotopkartierungen nur im Zuge des gerichtlichen Streitverfahrens erforderlich gewesen. Die aufgelisteten Ergebnisse der Biotopkartierungen enthielten u.a. mehrere besonders geschützte Arten im Sinne von § 10 Abs. 2 Nr. 10 BNatSchG. Außerdem seien sieben Stockenten und ein Teichhuhn beobachtet worden. Letzteres gehöre gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 11 BNatSchG zu einer streng geschützten Art und stehe auf der Vorwarnliste der Roten Listen für Niedersachsen/Bremen sowie die Bundesrepublik Deutschland. Keinesfalls sei die vollständige Mahd als Maßnahme der ordnungsgemäßen Landwirtschaft anzusehen. Vielmehr zerstöre oder beeinträchtige sie erheblich Lebensstätten wildlebender Tier- und Pflanzenarten. Insoweit könne ein "orientierender Rückgriff" aus der fachkundigen Wertung des Gesetzgebers in § 37 Abs. 3 Satz 2 NNatG erfolgen, der die vollständige Mahd in den streitigen Sommermonaten, nämlich der bedeutsamen Brut- und Setzzeiten, grundsätzlich untersage. Für die Zerstörung bzw. erhebliche Beeinträchtigung fehle ein vernünftiger Grund. Die erwünschte Böschungsmahd sei nicht zur Gewährleistung des Gewässerabflusses, sondern nur aus ästhetischen Gründen notwendig. Dies sei angesichts der Schutzziele in § 2 Nr. 9 und 10 NNatG nicht hinreichend gewichtig. Demgegenüber sei die Bedeutung einer vollständigen Böschungsmahd für den Charakter als "historische Fehn-Kulturlandschaft" zweifelhaft. Entsprechendes gelte für die behaupteten negativen Auswirkungen auf den Tourismus. Die Ausführungen im Leitfaden des NLWKN seien einschlägig und fachlich zutreffend. Der R. sei in dessen Anlage jedenfalls als Fließgewässer aufgeführt. Auf die niedrige Klassifizierung "ohne Priorität" oder "nicht priorisiertes Gewässer" komme es in diesem Zusammenhang nicht an, weil die Klasse nur etwas über das wasserrechtliche Entwicklungspotential aussage. Der R. sei jedenfalls ein reguliertes Fließgewässer mit großem Einzugsgebiet, das nicht nur der Oberflächenentwässerung diene, sondern das ständig über Schleusen geregelt werde. Die Ermessensausübung sei auf hinreichend fachlicher Grundlage und entsprechend dem Gewicht der Naturschutzbelange aus § 2 Nr. 9 und 10 NNatG erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Versagung der begehrten wasserrechtlichen Zustimmung erweist sich im Ergebnis als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Klägerin kann im für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder die Zustimmung des Beklagten zur Böschungsmahd bis zur Wasserlinie des streitigen Teils des R. für Teile des Sommerhalbjahres noch eine Neubescheidung ihres Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verlangen.
Rechtlicher Ausgangspunkt ist hier § 91a Abs. 4 des Niedersächsischen Wassergesetzes - NWG - in der Fassung vom 25. Juli 2007 (Nds. GVBl. Seite 345), wonach der Beklagte die Art der Bepflanzung und die Pflege der Gewässerrandstreifen regeln kann, soweit dies zur Verwirklichung der Grundsätze des § 2 NWG erforderlich ist. Hiervon ausgehend hat der Beklagte der Sache nach zutreffend bei seiner Regelung der Bepflanzung und der Pflege des streitigen Gewässerrandstreifens einen Verstoß gegen den allgemeinen Biotopschutz in § 37 Abs. 1 NNatG angenommen, eine Ausnahme nach § 37 Abs. 5 NNatG abgelehnt und ermessensfehlerfrei einen engen Rahmen für Bepflanzung und Pflege des streitigen Gewässerrandstreifens festgelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die Kammer zunächst auf die zutreffende Begründung in den angefochtenen Bescheiden (Feststellung gemäß § 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Nach dem Grundsatz in § 2 Abs. 2 Nr. 5 NWG erfordert das Wohl der Allgemeinheit insbesondere, die Bedeutung der Gewässer und ihrer Uferbereiche als Lebensstätte für Pflanzen und Tiere und ihre Bedeutung für das Bild der Landschaft zu berücksichtigen. Dementsprechend hat der Beklagte im Rahmen seiner wasserbehördlichen Zuständigkeit bei seiner Entscheidung nach § 91a Abs. 4 NWG die Verbote einschlägiger Naturschutzgesetze geprüft. Dabei mag hier dahinstehen, ob seine fachlichen Feststellungen auch die Annahme eines Verstoßes gegen § 42 BNatSchG tragen. Jedenfalls liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Biotopschutz in § 37 Abs. 1 NNatG vor, der in der Sache die weiteren Erwägungen und die abschließende Entscheidung der eingeschränkten Böschungsmahd hinreichend trägt.
Nach § 37 Abs. 1 NNatG ist es verboten, ohne vernünftigen Grund Lebensstätten wildlebender Tier- und Pflanzenarten zu zerstören oder sonst erheblich zu beeinträchtigen. Dieses Verbot ist auch im Rahmen des § 91a Abs. 4 NWG zu berücksichtigen (so schon die Kammer im Urteil vom 25. November 1993 - 5 A 2450/92 - juris). Entgegen der Auffassung der Klägerin erfasst der allgemeine Biotopschutz auch Gewässer im beplanten und bebauten Innenbereich. Weder Wortlaut oder Sinn und Zweck des § 37 Abs. 1 NNatG noch wasserrechtliche Vorschriften schränken die Geltung des allgemeinen Biotopschutz in dieser Weise ein. Die Ziele des Wasser- und Naturschutzes erfordern bei Gewässern im Gegenteil, dass grundsätzlich alle Abschnitte dem Schutz unterliegen, um insgesamt zu vernünftigen Ergebnissen zu gelangen. Aus dem Umstand, dass die speziellen zeitlichen Mahdeinschränkungen nach § 37 Abs. 3 NNatG nur für Röhrichte in der freien Natur und Landschaft gelten, folgt nichts anderes. Dort wird für Gewässerabschnitte außerhalb von Ortschaften bzw. im Zusammenhang behaupten Ortsteilen ein striktes zeitliches Mahdverbot für die Zeit vom 1. März bis 31. August eines Jahres und ein eingeschränktes Mahdverbot (für eine Uferseite) für Entwässerungsgräben in dieser Zeit vorgegeben. Keineswegs lässt diese Bestimmung aus Gründen der Systematik den Rückschluss zu, im beplanten und bebauten Innenbereich werde der allgemeine Biotopschutz gänzlich außer Kraft gesetzt. Vielmehr bleibt es bei dem grundsätzlichen Verbot, das hier aber durch weitere Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 NNatG (Erheblichkeit der Beeinträchtigung und Fehlen eines vernünftigen Grundes) abgeschwächt wird. Dies, die Ausnahmemöglichkeit nach § 37 Abs. 5 und das Erfordernis ordnungsgemäßer Ermessensausübung ermöglichen es im Übrigen, für den Innenbereich zu einem vernünftigen Ausgleich zwischen Wasser-/Naturschutz und anderen Belangen zu kommen.
Hiervon ausgehend hat der Beklagte aufgrund seiner fachlichen Feststellungen zutreffend eine Zerstörung, jedenfalls aber eine sonst erhebliche Beeinträchtigung der Lebensstätten wildlebender Tier- und Pflanzenarten angenommen. Die vollständige Böschungsmahd in der streitigen Sommerzeit ist keine Maßnahme der ordnungsgemäßen Landwirtschaft, die möglicherweise wertungsmäßig schon nicht als Verstoß gegen allgemeinen Biotopschutz anzusehen sein könnte. Gerade beim streitigen Teilstück fehlt es an typischen landwirtschaftlichen Flächen sowie einem privilegierten landwirtschaftlichen Akteur.
Die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Biotopkartierungen (Fotodokumentationen nebst Erläuterungen vom 8. August 2008 und 22. Juni 2009) bestätigen hinreichend deutlich das Vorhandensein von Lebensstätten wildlebender Tier- und Pflanzenarten im streitigen Bereich des R.. Weiterer Aufklärung bedurfte es nicht. Die aufgelisteten Ergebnisse der Biotopkartierungen und die Lichtbilder belegen nachvollziehbar die im Gewässerabschnitt vorgefundenen Tier- und Pflanzenarten. Insbesondere die Untersuchung vom 22. Juni 2009 (Beiakte B) enthält belastbare Angaben zu den jeweiligen Fundorten durch die in dem beigefügten Lageplan vermerkten Aufnahmestandorte. Einer noch genaueren Zuordnung der vorgefundenen Arten bedarf es ebenso wenig wie ergänzender fachlicher Erläuterungen.
Die Zerstörung, jedenfalls aber eine erhebliche Beeinträchtigung der dokumentierten Biotope durch eine vollständige Böschungsmahd bis zur Wasserlinie in der Zeit vom 1. März bis 31. August eines Jahres, nämlich der maßgeblichen Brut- und Setzzeiten, ist nicht nur offensichtlich. Sie erschließt sich im Übrigen auch aus der fachlichen Bewertung des Gesetzgebers, die der zeitlichen Mahdeinschränkung nach § 37 Abs. 3 Satz 2 NNatG zugrunde liegt. Der insoweit und auch für die weiteren Erwägungen zu einer Ausnahme nach § 37 Abs. 5 NNatG sowie für die Ermessenserwägungen vorgenommenen "orientierenden Rückgriff" des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin bestreitet diese fachliche Grundlage lediglich pauschal und unsubstantiiert.
Zutreffend hat der Beklagte ebenfalls angenommen, dass der Verstoß gegen allgemeinen Biotopschutz ohne vernünftigen Grund im Sinne von § 37 Abs. 1 NNatG erfolgt. Nach seinen fachkundigen Nachforschungen ist die vollständige Böschungsmahd bis zur Wasserlinie nicht zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses erforderlich. Ebenso wenig handelt es sich, wie oben ausgeführt, um eine Maßnahme ordnungsgemäßer Landwirtschaft. Ein vernünftiger Grund ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin behaupteten Bemühen, das Landschaftsbild im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 5 NWG zu verschönern, eine "historische Fehn-Landschaft" zu präsentieren und den Interessen von Touristen und Gewerbetreibenden entgegen zu kommen. Die Kammer hält daran fest, dass die angestrebte Verschönerung der Landschaft im Sinne menschlicher Ästhetik grundsätzlich kein solch vernünftiger Grund im Sinne von § 37 Abs. 1 NNatG ist (vgl. schon Urteil vom 25. November 1993 - 5 A 2450/92 - juris).
Der Sache nach zutreffend hat der Beklagte dementsprechend auch eine Ausnahme nach § 37 Abs. 5 NNatG abgelehnt. Seine Erwägungen, dass weder wasserwirtschaftliche oder andere öffentliche Belange die Ausnahme gebieten und insbesondere Naturschutzbelange aus § 2 Nr. 9 und 10 NNatG die Interessen der Klägerin überwiegen, sind nicht zu beanstanden. Insoweit ist bedeutsam, dass sich ein Konsens über Landschaftsästhetik generell nur schwer herstellen lässt. Dementsprechend bleibt die behauptete Bedeutung einer vollständigen Böschungsmahd zur Sommerzeit für den Charakter als "historische Fehn-Kulturlandschaft" ebenso zweifelhaft wie die befürchtete negative Auswirkung auf den Tourismus. Demgegenüber belegt die Vielfalt anlässlich der Biotopkartierung festgestellter Tier- und Pflanzenarten die hohe Bedeutung der Lebensstätten. Auch die Länge des streitigen Abschnitts des R. (ca 800 m) spricht für die angenommene wasser- und naturschutzrechtliche Bedeutung. Die Biotopkartierungen vom 8. August 2008 und 22. Juni 2009 listen mehrere besonders geschützten Arten im Sinne von § 10 Abs. 2 Nr. 10 BNatSchG auf (vgl. Bl. 79 GA und Beiakte B). Außerdem wurden sieben Stockenten und ein Teichhuhn beobachtet. Letzteres gehört gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 11 BNatSchG zu einer streng geschützten Art, die auf der Vorwarnliste der Roten Listen für Niedersachsen/Bremen sowie die Bundesrepublik Deutschland steht. Die angrenzende Bebauung und die Nähe zu den Fahrstreifen der Bundesstraße stehen dem nicht entgegen, da sie dem Ansiedeln der Tier- und Pflanzengesellschaften offensichtlich nicht schaden. Die Abwägung des Beklagten erscheint schließlich auch deshalb fehlerfrei, weil sie den Belangen der Klägerin insoweit entgegenkommt, als weiterhin zur streitigen Sommerzeit die Böschungsmahd oberhalb einer Linie von ein bis zwei Metern Abstand zur Wasserlinie (je nach Böschungssituation) gestattet wird.
Auch die im Klageverfahren ergänzten Erwägungen zum Wasser- und Naturschutz aus dem Leitfaden "Maßnahmenplanung Oberflächengewässer, Teil A, Fließgewässer - Hydromorphologie - des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz - NLWKN - 2008 (S. 54, 56 und 57) bestätigen diese Einschätzung. Die Kammer hält die dortigen fachlichen Erläuterungen bereits unabhängig von der Frage für belastbar, ob der R. der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie unterfällt, zu deren Umsetzung u.a. das NWG zählt. Denn die fachlichen Hinweise auf Berücksichtigung u.a. der Laichzeiten der Fische und anderer Wassertiere sowie die vegetativen Vermehrungsstadien gelten universell im Wasser- und Naturschutzrecht. Im Übrigen dürfte der Kanal der Richtlinie entgegen der Auffassung der Klägerin schon deshalb unterfallen, weil er in der Anlage des fachkundigen Leitfadens jedenfalls als Fließgewässer aufgeführt wird. Die (niedrige) Klassifizierung "ohne Priorität" oder "nicht priorisiertes Gewässer" ist in diesem Zusammenhang unbedeutsam, weil die Klasse nur etwas über das wasserrechtliche Entwicklungspotential des Kanals aussagt. Außerdem sind die fachlichen Ausführungen des Beklagten plausibel und nachvollziehbar, wonach der R. ein Fließgewässer mit großem Einzugsgebiet ist, das ständig über Schleusen geregelt wird. Die gegenteilige Behauptung der Klägerin, er sei ein stehendes Gewässer, über das lediglich Oberflächenwasser durch zeitweise betriebene Schleusen abfließe, hält die Kammer für nicht überzeugend.
Die vorstehenden Erwägungen rechtfertigen schließlich die vom Beklagten getroffene Ermessensentscheidung, der Klägerin im Rahmen der Bepflanzung und Pflege der Gewässerrandstreifen strenge Vorgaben zu machen. Nach § 114 Satz 1 VwGO bedeutsame Ermessensfehler liegen nicht vor. Jedenfalls die den allgemeinen Biotopschutz betreffenden Erwägungen erfolgten auf einer ausreichenden fachlichen Grundlage und rechtfertigen schon für sich die gefundene Entscheidung. Den auch angesprochenen Fragen von Verstößen gegen Artenschutzbestimmungen musste nicht weiter nachgegangen werden.
Daher war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.