Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 15.12.2011, Az.: L 10 R 39/09

Rentenversicherungspflicht; Selbstständiger Dozent; Unterbrechung der Beitragspflicht bei längeren Arbeitslosigkeitszeiten

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
15.12.2011
Aktenzeichen
L 10 R 39/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 35951
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2011:1215.L10R39.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Aurich - 18.12.2008 - AZ: S 6 R 5/08

Redaktioneller Leitsatz

1. Auch Dozenten an Fachschulen können zu den rentenversicherungspflichtig selbstständig Tätigen gehören.

2. Ihre Beitragspflicht besteht fort bei bloß kurzfristiger Unterbrechung der selbstständigen Tätigkeit.

3. Davon kann aber bei einer Zeit der Arbeitslosigkeit von nahezu vier Monaten nicht die Rede sein.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Versicherungspflicht des Klägers als selbständiger Lehrer in der Zeit vom 4. Juni bis 30. September 2007.

2

Der 1954 geborene Kläger nahm im Oktober 2004 eine Tätigkeit als Honorardozent beim Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft gemeinnützige GmbH (BNW) an und beantragte bei der Beklagten im Januar 2005 hierfür die Beitragszahlung für eine Pflichtversicherung kraft Gesetzes als selbständig Tätiger. Die Beklagte nahm eine Pflichtversicherung gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI an und erhob von dem Kläger ab Oktober 2004 durchgängig Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung. Die Tätigkeit des Klägers für das BNW fand jedoch nicht durchgängig statt; so war er zunächst vom 5. Oktober bis 23. Dezember 2004, dann vom 10. Januar bis 23. Juni 2005, sodann vom 1. September bis 21. Dezember 2005, vom 06. Februar bis 12. April 2006, vom 27. April bis 13. Juli 2006 und schließlich vom 4. Oktober bis 20. Dezember 2006 als Honorarkraft tätig. Jedes Mal meldete sich der Kläger bei der Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Aurich - für die Zwischenzeit arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld (Arbeitslosmeldungen vom 4. Januar 2005, 24. Juni 2005, 22. Dezember 2005, 13. April 2006, 14. Juli 2006, 21. Dezember 2006).

3

Im Jahr 2007 war der Kläger erneut in der Zeit vom 8. Januar bis 2. Juni 2007 als Honorarkraft für das BNW tätig; am 4. Juni 2007 meldete er sich wieder arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Mit Schreiben vom 6. Juli 2007 teilte er unter Hinweis hierauf der Beklagten mit, die Beitragszahlung vorerst einzustellen. Bei neuerlicher Aufnahme der Dozententätigkeit, voraussichtlich im August/September, werde er die Beklagte hierüber unterrichten und die Zahlungen nach Aufforderung wieder aufnehmen; er bitte um Mitteilung, falls er die Versicherungspflicht neu beantragen müsse. Mit Bescheid vom 1. August 2007 lehnte die Beklagte die Unterbrechung der Beitragszahlung ab und führte zur Begründung aus, dass eine solche aufgrund einer zeitweisen Nichtausübung der Lehrtätigkeit nicht erfolgen könne. In der Beitragshöhe trete ab 1. Januar 2007 eine Änderung ein, die geänderte Beitragshöhe könne der Kläger der Beitragsrechnung entnehmen. Diese wies einen monatlichen Beitrag i.H.v. EUR 243,78 aus, wobei die monatliche Beitragsforderung auch nach dem 1. Juni 2007 geltend gemacht wurde. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug zur Begründung im Wesentlichen vor, dass es sich um eine ordnungsgemäße Arbeitslosigkeit handele; er erhalte von der Arbeitsverwaltung Arbeitslosengeld einschließlich der damit verbundenen Übernahme der Sozialbeiträge auch für die Rentenversicherung. Damit sei seiner Pflicht zur Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge Genüge getan. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2007 zurück. Gegen eine tageweise Feststellung der Versicherungspflicht spreche, dass sich ein ständiger Wechsel des versicherungsrechtlichen Status des zu Beurteilenden - je nach Auftragseingang - ergäbe. Zudem erstrecke sich die Berufstätigkeit bei selbständigen Lehrern grundsätzlich nicht nur auf die reine Unterrichtserteilung, sondern umfasse alle Angelegenheiten, die mit der Unterrichts- bzw. Lehrtätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang stünden. Hierzu gehörten beispielsweise Weiterbildungsmaßnahmen, Vorbereitung und Nachbearbeitung des Unterrichts, Bewerbungen um neue Lehraufträge, Semesterferien und Urlaubszeiten. Von einer Beendigung der selbständigen Lehrtätigkeit könne u.a. nur dann ausgegangen werden, wenn der Versicherte die Tätigkeit mit dem Entschluss einstelle, sie nicht mehr fortzusetzen und dies nach Außen hin zu erkennen gebe. Eine solche tatsächliche Aufgabe der Dozententätigkeit sei durch den Kläger nicht erfolgt, sodass es bei der Versicherungspflicht während der Arbeitslosigkeit verbleibe. Der Eintritt von Versicherungs- und Beitragspflicht nach § 3 Satz 1 Nr. 3 bzw. Nr. 3 a SGB VI wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosengeld II führe nicht zum Wegfall der Versicherungs- und Beitragspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Damit seien sowohl aus der selbständigen Tätigkeit als auch aus dem Arbeitslosengeld Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen.

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In der Zeit vom 4. Oktober bis 21. Dezember 2007 sowie vom 8. Januar bis 28. Februar 2008 war der Kläger erneut für das BNW als Honorarkraft tätig. Arbeitslos meldete er sich am 21. Dezember 2007 sowie 29. Februar 2008 und bezog wiederum Arbeitslosengeld.

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Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Aurich hat der Kläger sich gegen die in der Zeit vom 4. Juni bis 30. September 2007 fortbestehende Versicherungspflicht und entsprechende Beitragserhebung durch die Beklagte gewandt. Bei der sich abzeichnenden Arbeitslosenzeit ab Juni 2007 sei von vornherein klar gewesen, dass diese Zeit länger als vier Wochen dauere. Weil es für ihn nicht leistbar gewesen sei, von dem Arbeitslosengeld, wovon ja schon die Rentenversicherungsbeiträge entrichtet worden seien, auch noch weitere Beiträge an die Rentenversicherung zu zahlen, habe er sich bei der Beklagten im Juli 2007 abgemeldet. Schließlich sei er bei der Arbeitsverwaltung I. arbeitsuchend gemeldet gewesen, denn die Tätigkeit als Dozent sei nur das kleinere Übel zur sonst drohenden Arbeitslosigkeit gewesen. Sein Ziel sei nach wie vor, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu finden. Zu Beginn seiner Arbeitslosigkeit im Juni 2007 sei auch nicht absehbar gewesen, ob er einen neuen Auftrag von dem BNW erhalten werde.

6

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 18. Dezember 2008 den Bescheid vom 1. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2007 aufgehoben, soweit Rentenversicherungsbeiträge für die Zeit vom 4. Juni bis 30. September 2007 geltend gemacht worden sind. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar anerkannt sei, dass kurzfristige Unterbrechungen in der tatsächlichen Erbringung von Arbeitsleistungen nicht die Ausübung der selbständigen Tätigkeit als solche berührten und damit auch die Versicherungspflicht selbständig Tätiger erhalten bliebe. Allerdings könne bei einem Zeitraum der Arbeitslosigkeit von nahezu vier Monaten nicht von einer kurzfristigen Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit gesprochen werden. Vielmehr habe der Kläger in diesem Zeitraum seine selbständige Tätigkeit als Dozent mangels entsprechender Aufträge vorübergehend aufgegeben und erst am 4. Oktober 2007 wieder aufgenommen. Damit liege ein mit einer längeren Arbeitsunfähigkeit oder der Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme vergleichbarer Sachverhalt vor; in diesen Fällen gehe die Beklagte selbst von einer Unterbrechung der Versicherungspflicht aus. Aus welchen Gründen dieses für eine Zeit der Arbeitslosigkeit von nahezu vier Monaten nicht gelten solle, sei nicht ersichtlich.

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Die Beklagte hat gegen das ihr am 31. Dezember 2008 zugestellte Urteil am 26. Januar 2009 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe zu Unrecht die Frage fortbestehender Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI allein von der Dauer der Arbeitslosmeldung abhängig gemacht. Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit sei zu unterscheiden von der Erledigung einzelner Aufträge im Rahmen der jeweiligen Tätigkeit. Versicherungspflicht bestehe nicht nur während der Erledigung von einzelnen Aufträgen, sondern aufgrund der gesamten Tätigkeit. Der Zeitraum der selbständigen Tätigkeit sei damit umfassender als der benötigte Zeitraum für die Erledigung eines Auftrages. Zudem dürfte unstreitig sein, dass selbständig tätige Dozenten auch während der Meldung bei der Agentur für Arbeit gegebenenfalls in einem der Leistungsgewährung unschädlichen Umfang in der Lage seien, Lehrveranstaltungen abzuhalten bzw. sich auf entsprechende Lehrveranstaltungen vorzubereiten oder Kundenaquise zu betreiben, sodass allein eine Arbeitslosmeldung nicht schon zum Wegfall oder zur Unterbrechung der Versicherungspflicht als selbständig Tätiger führe.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 18. Dezember 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 18. Dezember 2008 zurückzuweisen.

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Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

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Dem Senat haben außer der Prozessakte die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Verwaltungsakte der Agentur für Arbeit J. (Az.: 224 A 046068) vorgelegen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist die Berufung statthaft gemäß § 143 SGG. Streitgegenständlich ist die Frage der Versicherungspflicht des Klägers sowie der daraus folgenden Verpflichtung zur Beitragszahlung für die Monate Juni bis September 2007. Bei einem monatlichen Beitrag in Höhe von EUR 243,78 erreicht der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 975,12. Der Zulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts hat es damit nicht bedurft (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

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Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 1. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2007 aufgehoben, soweit die Beklagte Rentenversicherungsbeiträge von dem Kläger für die Zeit vom 4. Juni bis 30. September 2007 geltend gemacht und für diese Zeit Versicherungspflicht angenommen hat. Die Beklagte hat für die streitigen Monate keinen Anspruch gegen den Kläger auf Entrichtung von Pflichtbeiträgen für selbständig Tätige, weil die selbständige Tätigkeit des Klägers und damit seine hieraus begründete Versicherungspflicht in dieser Zeit unterbrochen gewesen sind.

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Nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind selbständig tätige Lehrer und Erzieher in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Der Kläger war ab Oktober 2004 bis mindestens zuletzt Februar 2008 als Honorarkraft für das BNW tätig. Dabei hat es sich, was letztlich auch die Beteiligten nicht in Abrede stellen, um eine selbständige Tätigkeit gehandelt. Insbesondere war der Kläger kein abhängig Beschäftigter des BNW: Der Kläger hat von dem BNW einzelne Kursaufträge erhalten. Es stand in seinem Belieben, weitere Lehraufträge anzunehmen oder abzulehnen; er hatte regelmäßige Arbeits- und Anwesenheitszeiten nicht einzuhalten, ihm wurden hinsichtlich der Ausführung seiner Tätigkeit Weisungen von dem BNW nicht erteilt und er konnte nach Belieben Vertreter bzw. Hilfskräfte ohne die Zustimmung des BNW einsetzen. Bei der Tätigkeit für das BNW handelte es sich auch nicht um eine nur geringfügige Tätigkeit (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI), denn wie dem Einkommensteuerbescheid vom 18. August 2005 für das Jahr 2004 zu entnehmen ist, hat der Kläger Einkünfte aus selbständiger Arbeit für seine Tätigkeit als Honorarkraft in der Zeit vom 5. Oktober bis 23. Dezember 2004 in Höhe von EUR 5.083,00 erzielt. Der Kläger hat weiter aus seiner selbständigen Arbeit laut Einkommensteuerbescheid vom 16. April 2007 für das Jahr 2006 EUR 16.742,00 und laut Einkommensteuerbescheid vom 24. November 2008 für das Jahr 2007 EUR 14.291,00 erwirtschaftet. Schließlich hat der Kläger im Zusammenhang mit seiner selbständigen Tätigkeit als Honorardozent für das BNW regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt.

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Eine selbständige Tätigkeit führt dann zur Versicherungspflicht, wenn sie nicht nur gelegentlich ausgeübt wird. Das trägt dem Wesen des mit der Versicherungs- und Beitragspflicht begründeten Sozialrechtsverhältnisses Rechnung, das langfristig ausgerichtet ist. Diese Voraussetzung stellt zudem sicher, dass nur eine solche Tätigkeit von versicherungsrechtlicher Relevanz ist, die die soziale Stellung des Erwerbstätigen hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihres streitigen Umfangs trägt, insbesondere seinen Unterhalt ganz oder teilweise sicherstellt. Die Versicherungspflicht selbständig Tätiger beginnt sonach in der Regel mit dem Beginn der selbständigen Tätigkeit und dem Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen der Versicherungspflicht. Die Versicherungspflicht endet im Allgemeinen nicht schon mit der Aufgabe der tatsächlichen Arbeit, sondern erst dann, wenn der selbständig Tätige auf Dauer nicht mehr selbständig erwerbstätig ist oder wenn eine sonstige Voraussetzung der Versicherungspflicht entfällt.

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Danach begann die versicherungspflichtige Tätigkeit des Klägers als freiberuflicher Dozent im Oktober 2004 mit der Annahme des ersten Auftrages als Honorarkraft für das BNW. Die versicherungspflichtige Tätigkeit endete dabei nicht mit der Beendigung des jeweiligen Lehrauftrages, insbesondere nicht erstmalig zum 23. Dezember 2004. Denn der Kläger wollte seine selbständige Tätigkeit nicht mit der Beendigung des jeweiligen Lehrauftrages dauerhaft beenden, was schon daraus folgt, dass er immer wieder neue Lehraufträge angenommen hat (für den Senat letztmals ersichtlich in der Zeit vom 8. Januar bis 28. Februar 2008).

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Ob jeweils die - manchmal nur wenige Tage oder Wochen andauernden - Zeiten zwischen der Beendigung eines Lehrauftrages und der Annahme eines neuen Lehrauftrages grundsätzlich als Unterbrechungen der versicherungspflichtigen Tätigkeit des Klägers anzusehen sind, erscheint zweifelhaft, kann jedoch dahinstehen. Denn streitgegenständlich ist hier allein der Zeitraum vom 4. Juni bis 30. September 2007. Jedenfalls hierbei handelt es sich um eine Zeit der Nichttätigkeit des Klägers, die zur Unterbrechung der Versicherungspflicht geführt hat.

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Das Gesetz sieht eine ausdrückliche Regelung zur Unterbrechung der Rentenversicherungspflicht Selbständiger nicht vor. Für die Unterbrechung der Versicherungspflicht der nach § 2 versicherungspflichtigen Selbständigen gelten allerdings die Regeln, die von Rechtsprechung und Praxis für die Unterbrechung der Versicherungspflicht Beschäftigter entwickelt worden sind, grundsätzlich entsprechend (vgl. Fichte in: Hauck/Noftz, SGB VI, Lieferung 2/07 § 2 Rdnr. 104). Die Versicherungspflicht selbständig Tätiger wird sonach im Allgemeinen nicht schon dann unterbrochen, wenn die tatsächliche Arbeitsleistung vorübergehend entfällt, sondern erst dann, wenn der selbständig Tätige nicht nur kurzfristig keine Arbeitsleistung im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit mehr erbringt, oder wenn eine sonstige Voraussetzung der Versicherungspflicht vorübergehend entfällt. Kurzfristige Unterbrechungen in der tatsächlichen Erbringung von Arbeitsleistungen berühren nicht die Ausübung der selbständigen Tätigkeit als solche. Diese auch der Verkehrsanschauung entsprechende Beurteilung trägt dem Schutzbedürfnis der Versicherten Rechnung, das auch der Begründung der Versicherungspflicht für die in § 2 SGB VI aufgeführten Gruppen von Selbständigen zugrunde liegt. Ebenso wenig wie bei einem abhängig Beschäftigten vorübergehende Arbeitsunterbrechungen namentlich durch Krankheit, Urlaub oder auch Kurzarbeit zu einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses i.S. von § 1 SGB VI führen, wäre es bei Selbständigen sachgerecht, nur vorübergehenden Tätigkeitsunterbrechungen insbesondere durch Krankheit, Urlaub oder auch infolge eines Auftragsmangels Auswirkungen auf das Fortbestehen des Versicherungsverhältnisses beizumessen.

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Auf der anderen Seite ist jedoch allgemein - und im Übrigen auch von der Beklagten - anerkannt, dass, soweit die selbständige Tätigkeit längere Zeit nicht ausgeübt wird, eine Unterbrechung, wenn nicht sogar eine Beendigung der Versicherungspflicht eintritt. So fordert schon das Tatbestandsmerkmal des § 2 Satz 1 SGB VI "tätig", dass der Beruf, der die Versicherungspflicht auslösen soll, auch tatsächlich ausgeübt wird. Tätig ist zum Beispiel nicht derjenige, der zwar ein Gewerbe anmeldet, es aber nicht betreibt oder nur am Kapital einer Gesellschaft beteiligt ist, ohne mitzuarbeiten. Bei saisonalen Tätigkeiten ist deshalb ohne Weiteres anerkannt, dass eine Versicherungspflicht des Selbständigen nur in der Zeit besteht, in der die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird (z.B. Skilehrer, der seine Tätigkeit nur im Winter ausübt). Damit bewegt sich die Beurteilung, ob eine Unterbrechung der Versicherungspflicht anzunehmen ist, in einem Spannungsfeld, das wesentlich von der Länge bzw. der Dauer der Unterbrechung geprägt ist (objektives Kriterium). Weil dieser Gesichtspunkt jedoch nicht der allein Ausschlaggebende für die hier zu klärende Frage sein kann, tritt bei der Beurteilung ein subjektives Kriterium hinzu: Bei einer Unterbrechung muss der Wille des Versicherten vorhanden sein, die Tätigkeit nach dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes fortzusetzen. Unter Berücksichtigung beider Aspekte ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Versicherungspflicht des Klägers in der Zeit vom 4. Juni bis 30. September 2007 unterbrochen gewesen ist.

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a) Ab welcher Länge bzw. Dauer der Nichttätigkeit von einer Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit gesprochen werden kann, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Jedenfalls aber wird ein Zeitraum von - wie hier - vier Monaten nicht mehr als lediglich kurzzeitige Nichttätigkeit angesehen werden können, die für die Annahme der Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI unschädlich wäre. Der Senat orientiert sich bei dieser Wertung an der Versicherungspflicht eines gegen Entgelt Beschäftigten gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 1. Alternative SGB VI. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat (§ 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV). Hat der Arbeitnehmer während der Arbeitsunterbrechung trotz Fortbestehens des schuldrechtlichen Grundverhältnisses mit dem Arbeitgeber keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt, so wird nach § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV für längstens einen Monat eine entgeltliche Beschäftigung fingiert, die unter den allgemeinen Voraussetzungen zur Versicherungspflicht führt. Das Beschäftigungsverhältnis bleibt - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - auch dann im Rahmen der gesetzlichen Monatsfrist aufrechterhalten, wenn es zwar zu erwarten ist, nicht jedoch von vornherein feststeht, dass die Arbeitsunterbrechung nicht mehr als einen Monat andauert. In diesen Fällen erlischt die Beschäftigung mit Ablauf eines Monats nach Eintritt der Arbeitsunterbrechung, wenn die Unterbrechung wider Erwarten länger dauert. Die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV erfasst insbesondere Fälle einer arbeitskampfbedingten, auf unentschuldigtem Fernbleiben oder auf unbezahltem Urlaub beruhenden Arbeitsunterbrechung. Damit räumt der Gesetzgeber versicherungspflichtig Beschäftigten bei Nichtvorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Versicherungspflicht die Möglichkeit der fortbestehenden Versicherungspflicht trotz Arbeitsunterbrechung von maximal einem Monat ein. Auch bei einem selbständig Tätigen, dessen Tätigkeit z.B. durch Auftragsmangel, Erkrankung oder Urlaub für den Zeitraum von einem Monat nicht ausgeübt werden kann, dürfte eine solche Zeitspanne jedenfalls noch als kurzfristige Nichtausübung der Tätigkeit angesehen werden, die nicht zu einer Unterbrechung der Versicherungspflicht führen kann (vgl. insoweit auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21. Februar 2007, Az.: L 2 R 195/06). Im Hinblick auf die Versicherungspflicht auf Antrag (§ 4 SGB VI) geht auch die Beklagte davon aus, dass Unterbrechungen bis zu zwei Monate in der Regel die Versicherungspflicht nicht beenden. Wird nach einer Unterbrechung von mehr als zwei Monaten wieder eine selbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen, muss nach Ansicht der Beklagten die Versicherungspflicht erneut beantragt werden. Ob bei einem vorübergehenden Entfallen der Arbeitsleistung des selbständig Tätigen von einem Monat, weniger als zwei Monaten oder etwas mehr als zwei Monaten von einer Unterbrechung der Versicherungspflicht bei Vorliegen entsprechender subjektiver Gesichtspunkte gesprochen werden kann, kann hier dahinstehen. Denn unter Berücksichtigung dieser Maßgaben sowie des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals "tätig" erachtet der Senat zumindest einen Zeitraum von vier Monaten nicht mehr als kurzfristige Unterbrechung, die für die Annahme der Versicherungspflicht unschädlich wäre.

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b) Neben dem objektiven Kriterium einer gewissen Dauer muss auch ein entsprechender Wille des Selbständigen zur Unterbrechung der Tätigkeit vorliegen, um eine Unterbrechung annehmen zu können. Ebenso wie für das Ende der Versicherungspflicht auch der Wille des Versicherten maßgebend ist, die aufgegebene selbständige Tätigkeit künftig nicht mehr ausüben zu wollen und dem Markt nicht mehr zur Verfügung zu stehen, ist für die Unterbrechung der Versicherungspflicht maßgeblich der Wille des Versicherten, die Tätigkeit nach dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes fortzusetzen. Denn auch die Versicherungspflicht eines gegen Entgelt Beschäftigten wird nicht schon dann unterbrochen, wenn die tatsächliche Arbeitsleistung entfällt, sondern erst, wenn erkennbar die Bereitschaft des Beschäftigten entfällt, sich der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers zu unterstellen. Demgemäß würde die Versicherungspflicht nicht unterbrochen durch arbeitsfreie Tage, Urlaub oder Krankheit. Der Fortbestand der Versicherungspflicht rechtfertigt sich in diesen Fällen dadurch, dass der Beschäftigte grundsätzlich in den Direktionsbereich des Arbeitgebers eingegliedert bleibt und der Wille besteht, die Arbeit nach Wegfall des Unterbrechungstatbestandes fortzusetzen. Auch unter Berücksichtigung der subjektiven Gesichtspunkte ist vorliegend von einer Unterbrechung der Versicherungspflicht des Klägers auszugehen, denn der Kläger hatte der Beklagten unter dem 6. Juli 2007 mitgeteilt, sich seit dem 3. Juni 2007 arbeitslos gemeldet zu haben und voraussichtlich erst im August/September erneut als Dozent tätig zu werden. Der Wille des Klägers, die Tätigkeit nach dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes fortzusetzen, zeigt sich vorliegend auch darin, dass er nach dem streitgegenständlichen Zeitraum mindestens noch zweimal die Honorartätigkeit für die BNW ausgeübt hat, nämlich vom 4. Oktober bis 21. Dezember 2007 sowie 8. Januar bis 28. Februar 2008. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in der streitgegenständlichen Zeit anderweitige Lehrveranstaltungen abhalten, sich auf entsprechende Lehrveranstaltungen vorbereiten oder Kundenaquise betreiben wollte, gibt es nicht; der Kläger hatte sich im Juni 2007 ausschließlich deshalb arbeitslos gemeldet, weil er von dem BNW keinen weiteren Auftrag bekommen hatte und für ihn zu diesem Zeitpunkt auch nicht absehbar war, wann er einen neuen Auftrag bekommen würde.

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Soweit die Beklagte allein den Umstand, dass der Kläger die Dozententätigkeit im Juni 2007 nicht endgültig aufgeben, sondern nur vorübergehend nicht ausüben wollte, als Grund dafür ausreichen lässt, eine Unterbrechung der Versicherungspflicht abzulehnen, verkennt dies, dass zwischen einer Unterbrechung und einer Beendigung der Versicherungspflicht zu unterscheiden ist. Ist eine Beendigung der versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit nur möglich, wenn diese tatsächlich aufgegeben wird und der Wille zur Fortsetzung dieser Tätigkeit nicht besteht, so folgt daraus zwangsläufig, dass für die Annahme einer Unterbrechung gerade der Wille des Selbständigen bestehen muss, diese nach einem Zeitraum des Nichttätigseins fortzusetzen. Würde - wie die Beklagte es vorliegend verlangt - der selbständig Tätige auf Dauer nicht mehr selbständig erwerbstätig sein, so handelte es sich um eine Beendigung, nicht aber eine Unterbrechung der Tätigkeit.

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c) Der Annahme einer Unterbrechung der Versicherungspflicht steht auch nicht entgegen, dass der Kläger sich arbeitslos gemeldet und in der streitigen Zeit Arbeitslosengeld bezogen hat. Zwar mag es möglich sein, dass für einen Versicherten bei durchgehender Versicherungspflicht als Selbständiger bei Leistungsbezug i.S. des § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI für die Zeit des Lohnersatzleistungsbezuges eine Mehrfachversicherung besteht. Diese Möglichkeit der bestehenden Mehrfachversicherung ist jedoch nicht zwingend und entbindet nicht von der Prüfung der Frage, ob die Zeit der Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug nicht vielmehr eine Unterbrechung der Versicherungspflicht des selbständig Tätigen nach sich zieht. Insbesondere mit Rücksicht auf § 58 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI dürfte eine Unterbrechung der Versicherungspflicht des selbständig Tätigen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug durchaus eine vom Gesetzgeber in Betracht gezogene Möglichkeit darstellen. Gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI liegen Anrechnungszeiten nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 bis 3 a der Vorschrift nur vor, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit [.] unterbrochen ist. Nach Satz 2 ist eine selbständige Tätigkeit nur dann unterbrochen, wenn sie ohne die Mitarbeit des Versicherten nicht weiter ausgeübt werden kann. In entsprechender Anwendung dieser Regelung nimmt auch die Beklagte an, dass eine selbständige Tätigkeit bei Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, der Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme sowie der Schwangerschaft oder Mutterschaft während der Schutzfristen in dem Fall, in dem die selbständige Tätigkeit ohne die Mitarbeit des Versicherten nicht weiter ausgeübt werden kann, unterbrochen ist. Ausdrücklich sieht § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI die Unterbrechung der versicherten Beschäftigung bzw. selbständigen Tätigkeit auch durch Anrechnungszeiten nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Vorschrift vor und bezieht damit die Arbeitslosigkeit bei Bezug öffentlich-rechtlicher Leistungen ein. Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung des § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 bis 3 a SGB VI dahingehend, dass die den hier aufgeführten Anrechnungszeiten zugrunde liegenden Lebenssachverhalte im Einzelfall eine Mitarbeit des selbständig Tätigen ausschließen müssten, sodass zwischen einer Arbeitslosmeldung einerseits und dem Vorliegen von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, der Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme sowie bei Schwangerschaft oder Mutterschaft während der Schutzfristen andererseits klar unterschieden werden müsste, würde dazu führen, dass die Annahme einer Unterbrechung der Versicherungspflicht des selbständig Tätigen wegen Arbeitslosigkeit bei Leistungsbezug niemals in Betracht gezogen werden könnte. Dies aber widerspricht der eindeutigen Regelung des § 58 Abs. 2 SGB VI, der unter Bezugnahme auf Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Regelung auch die Arbeitslosigkeit als Unterbrechungstatbestand für eine selbständige Tätigkeit anerkennt. Die Honorartätigkeit des Klägers für das BNW konnte ohne seine Mitarbeit in der Zeit vom 4. Juni bis 30. September 2007 nicht weiter ausgeübt werden, sodass auch unter dem Gesichtspunkt des § 58 Abs. 2 Satz 2 SGB VI von der Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit des Klägers auszugehen ist.

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d) Den vorhergehenden Ausführungen stehen verwaltungstechnische Probleme der Beklagten, die ggf. dadurch entstehen könnten, dass etwa eine rückschauende Betrachtung und Bewertung des Versicherungsverhältnisses erforderlich sein könnte, im Ergebnis nicht entgegen. Denn zum einen ist es schon nicht zwingend, dass die Dauer der Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit nur rückwirkend festgestellt werden kann. Auch im vorliegenden Fall hat der Kläger bereits im Juni signalisieren können, seine Tätigkeit jedenfalls nicht vor August/September wieder aufnehmen zu werden, und auch im Übrigen erscheint es nicht unmöglich, dass längere Zeiträume des Nichttätigseins bereits im Vorhinein feststehen. Davon abgesehen ist die rückwirkende Beurteilung der Frage der Versicherungspflicht der Rentenversicherung nicht fremd. So werden durch die Rentenversicherungsträger z.B. bei gemäß § 28 p SGB IV durchzuführenden Betriebsprüfungen regelmäßig auch für bis zu vier Jahre zurückliegende Zeiträume Feststellungen zur Versicherungspflicht der bei den Arbeitgebern beschäftigen Personen getroffen. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass eine im vorliegenden Fall notwendige Bewertung der Frage der Versicherungspflicht womöglich für Zeiträume in der Vergangenheit andere unüberwindliche Schwierigkeiten mit sich brächte.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Danach hat die unterliegende Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

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Die Revision ist gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen gewesen.