Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 24.06.2008, Az.: 3 A 89/07
Voraussetzungen des Rehabilitationsinteresse i.R.e. Fortsetzungsfeststellungsklage hinsichtlich einer Demontrationsauflösung; Grundrechtseingriff als Voraussetzung des Feststellungsinteresses i.R.e. Klage gegen die Auflösung einer Demonstration; Klage eines Demonstrationsteilnehmers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auflösung einer Spontandemonstration der NPD; Vorliegen einer Beeinträchtigung des Versammlungsrechts nach Art. 8 GG im Falle einer von den Teilnehmern ignorierten und von der Polizei nicht zwangsweise durchgesetzten Demonstrationsauflösung; Vorliegen einer Wiederholungsgefahr im Falle einer von den Teilnehmern ignorierten und von der Polizei nicht zwangsweise durchgesetzten Auflösung einer Spontandemonstration
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 24.06.2008
- Aktenzeichen
- 3 A 89/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 18381
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2008:0624.3A89.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO
- Art. 2 Abs. 1 GG
- Art. 8 GG
- Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG
Verfahrensgegenstand
Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei Auflösung einer Versammlung
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Rehabilitationsinteresse: Begründungen für Maßnahmen, die das Versammlungsrecht beschränken, können diskriminierend wirken, wenn die Begründungen Ausführungen über die Persönlichkeit des Betroffenen oder zu seinem strafwürdigen Verhalten auf Versammlungen enthalten.
- 2.
Grundrechtseingriff: Ein Feststellungsinteresse ergibt sich nur, wenn es sich um besonders tiefgreifende und folgenschwere Grundrechtsverstöße handelt oder die Grundrechtsbeeinträchtigung faktisch noch fortdauert. Wird die polizeiliche Versammlungsauflösung von den Versammlungsteilnehmern ignoriert, und setzt die Polizei die Auflösung nicht mit Zwangsmitteln durch und unterbindet auch nicht weiteres versammlungstypisches Geschehen, ist eine Beeinträchtigung des Versammlungsrechtes nach Art. 8 GG weder tiefgreifend noch folgenschwer.
- 3.
Widerholungsgefahr: Eine Wiederholungsgefahr besteht nicht, wenn eine Spontandemonstration unter Teilnahme des Klägers aufgelöst wird, die Auflösung durch die Teilnehmer und den Kläger ignoriert worden ist und die Polizei die Auflösung nicht zwangsweise durchgesetzt hat.Die mit dem Feststellungsantrag erstrebte Klärung der Rechtslage kann demzufolge nicht "als Richtschnur für künftiges Verhalten" für den Kläger und die Beklagte von Bedeutung sein.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Auflösung einer Spontandemonstration am 2. Juni 2007 in Lüneburg rechtswidrig gewesen ist.
Der Kläger reiste am 2. Juni 2007 in einem Reisebus mit mehreren anderen Personen nach Schwerin, um an einer Demonstration teilzunehmen. Die NPD-Landtagsfraktion hatte dort gegen den G8-Gipfel eine Versammlung angemeldet. Die Versammlung wurde von der Landeshauptstadt Schwerin verboten. Gerichtlicher Rechtsschutz blieb ohne Erfolg, auch das Bundesverfassungsgericht lehnte es ab, die NPD-Demonstration zu ermöglichen.
Der Bus mit dem Kläger fuhr daraufhin - aus Fahrtrichtung Hannover kommend - nicht nach Schwerin, sondern nach Lüneburg. Insgesamt waren es fünf Busse, die auf der Höhe des Kurparkes hielten. Die Businsassen formierten sich und zogen durch die Innenstadt, es waren rund 300 Menschen. Auf dem Platz Am Sande hielt einer der Teilnehmer eine Ansprache, anschließend hielt der Kläger eine Rede. Am Sande wurde der Polizeibeamte B. nach seiner Darstellung geschlagen und getreten.
Gegen 10.45 Uhr ergingen nach dem Einsatzprotokoll in den Verwaltungsvorgängen insgesamt drei Lautsprecherdurchsagen zur Auflösung der Versammlung. In dem Verlaufsbericht der Beklagten heißt es:
Der Auflösungsverfügung der Versammlung seitens der Polizei wird durch die Teilnehmer keine Folge geleistet.
Der Polizeidirektor B. führte in seiner Stellungnahme vom 14. Juni 2007 aus:
Danach löste ich die Versammlung über die Außenlautsprecheranlage eines etwa 10 m von der Demonstration entfernt stehenden Funkstreifenwagens mittels dreimaliger Ansage auf. Die Versammlung lief dessen ungeachtet weiter, ein weiterer Redner führte seine Ausführungen zu Ende. Etwas später wurde der Aufzug durch die Rote Straße, Lindenstraße bis zum Parkplatz am Kurpark in der Uelzener Straße fortgesetzt. Vor den Bussen wurde das Deutschlandlied in allen drei Strophen gesungen, und um 11.20 Uhr entfernten sich drei der Busse.
Der Kläger hat am 7. Juni 2007 Klage erhoben und trägt vor: Er habe in Schwerin an der von der NPD angemeldeten Demonstration teilnehmen wollen. Wegen des Verbotes seien er und die anderen Demonstrationsteilnehmer übereingekommen, in Lüneburg eine Spontandemonstration zu veranstalten. Auch er - der Kläger - habe eine Ansprache gehalten. Der Polizeidirektor B. habe ihm - dem Kläger - erklärt, die Versammlung sei aufgelöst. Er - der Kläger - habe erklärt, er sei nicht der Versammlungsleiter. Nach einem Wortwechsel habe sich der Zug wieder in Bewegung gesetzt und sei zum Wochenmarkt gekommen. Der Oberbürgermeister C. habe ihm gesagt: "Nehmen Sie Ihre Bande und verschwinden Sie aus meiner Stadt." An den Bussen hätten alle Teilnehmer das Lied der Deutschen in allen drei Strophen gesungen. Er - der Kläger - habe sich in den Bus gesetzt und sei abgefahren.
Die Klage sei zulässig. Denn es bestehe eine Wiederholungsgefahr und ein Rehabilitationsinteresse. Lüneburg sei ein Zentrum radikal rechter politischer Aktivitäten. Es sei nicht auszuschließen, dass auch künftig in Lüneburg Demonstrationen stattfänden, die nicht angemeldet seien. Es sei nicht auszuschließen, dass er - der Kläger - in der Nähe sei und mitdemonstrieren wolle. Ein Rehabilitationsinteresse bestehe deshalb, weil in der Öffentlichkeit davon ausgegangen werden müsste, er habe ordnungswidrig an einer Demonstration teilgenommen. Die Auflösung sei rechtswidrig, weil eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht vorgelegen habe.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Auflösung der Spontanversammlung am 2. Juni 2007 in Lüneburg rechtswidrig gewesen ist,
hilfsweise,
Beweis zu erheben gemäß dem schriftlich formulierten Beweisantrag im Schriftsatz vom 22. August 2007, Seite 4f.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
Beweis zu erheben gemäß dem Schriftsatz vom 24. Juni 2008.
Sie hält die Klage für unzulässig und unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage kann keinen Erfolg haben. Die Klage ist unzulässig.
Die Klage ist nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als sog. Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft. Nach dieser Vorschrift spricht das Gericht, wenn sich der Verwaltungsakt erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
Die Versammlung in Lüneburg ist durch den Polizeidirektor B. unstreitig durch drei aufeinander folgende Lautsprecherdurchsagen aufgelöst worden, und zwar nach übereinstimmender Zeitangabe des Klägers und der Beklagten gegen 10.45 Uhr. Dieser Auflösung kommt die Qualität eines Verwaltungsaktes zu.
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch nicht zulässig, da der Kläger nicht das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der im Klageantrag formulierten Feststellung hat.
Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG enthält ein Grundrecht auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Der Einzelne soll staatliche Eingriffe nicht ohne gerichtliche Prüfung ertragen müssen. Indessen begründet nicht jeder Eingriff durch Akte der öffentlichen Gewalt ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, sondern ein solches Interesse besteht nur dann, wenn die Maßnahme, die Gegenstand der Klage ist, Grundrechte schwer beeinträchtigt, die Gefahr einer Wiederholung besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, DVBl 2004, 822).
Daraus folgt für den vorliegenden Fall des Klägers:
a)
Ein Rehabilitationsinteresse kann nicht angenommen werden.
Ein Rehabilitationsinteresse begründet ein Feststellungsinteresse dann, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzuerkennen ist. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Kläger durch die streitige Maßnahme in seinem Persönlichkeitsrecht objektiv beeinträchtigt ist (BVerwG, Beschl. v. 14.03.1976 - 1 WB 54.74 -, BVerwGE 53, 134, 138) . Eine solche Beeinträchtigung kann sich auch aus der Begründung der streitigen Verwaltungsentscheidung ergeben (BVerwG, Urt. v. 19.03.1992 - 5 C 44.87 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244 S. 86 f.). Begründungen für Maßnahmen, die das Versammlungsrecht beschränken, können diskriminierend wirken, insbesondere wenn die Begründungen Ausführungen über die Persönlichkeit des Betroffenen oder zu seinem strafwürdigen Verhalten auf Versammlungen enthalten (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77, 92) . Erforderlich ist, dass abträgliche Nachwirkungen der diskriminierenden Maßnahme fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Versammlungsverbots wirksam begegnet werden kann (BVerwG, Urt. v. 21.11.1980 - 7 C 18.79 -, BVerwGE 61, 164, 166) . Mit Blick auf das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) und die verfassungsrechtlich verbürgte Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) sind an das Vorliegen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses in versammlungsrechtlichen Streitigkeiten keine überhöhten Anforderungen zu stellen (BVerwG, Beschl. v. 04.10.2006 - 6 B 64/06 -).
Hiervon ausgehend wirkt die Versammlungsauflösung für den Kläger persönlich nicht diskriminierend. Insbesondere enthält die Auflösungsverfügung der Polizei keine Ausführungen über die Persönlichkeit des Klägers oder zu seinem (mutmaßlichen) strafwürdigen Verhalten auf Versammlungen. Die Auflösung enthält auch keine Wertungen darüber, ob sich der Kläger einer Ordnungswidrigkeit schuldig gemacht hat. Die Auflösung ist auch nicht - wie es der Kläger behauptet - für sein "Ansehen in der Öffentlichkeit schädlich". Es ist gerichtsbekannt, dass der Kläger selbst häufig Veranstalter, prominenter Teilnehmer und Mitorganisator von Veranstaltungen sowie Redner ist. Gleichwohl knüpft die Auflösung nicht ansatzweise an dieses Verhalten des Klägers an. Die Auflösung ist nicht "wegen des Klägers" und seiner Persönlichkeit ergangen, sondern aus Gründen, die außerhalb der Persönlichkeit des Klägers liegen. Abträgliche Nachwirkungen einer gerade den Kläger diskriminierenden Maßnahme liegen nicht vor. Bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalles wird der Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht nicht beeinträchtigt - weder damals bei Auflösung der Versammlung, noch heute im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung -. Ein Feststellungsinteresse aus Gründen der Rehabilitation ist nicht gegeben.
b)
Es ist nicht erkennbar geworden, dass durch die Auflösung der Spontanversammlung Grundrechte des Klägers schwer und tiefgreifend beeinträchtigt oder verletzt worden sind. Es ist in diesem Zusammenhang davon auszugehen, dass die bloße Beeinträchtigung von Grundrechten das besondere Feststellungsinteresse nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht zu begründen vermag, da angesichts des umfassenden Schutzes der Rechtssphäre der Bürger durch die Freiheitsrechte, insbesondere durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, das eingrenzende Kriterium eines Grundrechtseingriffes anderenfalls praktisch leer liefe. Ein Feststellungsinteresse aufgrund eines Grundrechtseingriffes kann sich deshalb nur dann ergeben, wenn es sich um besonders tiefgreifende und folgenschwere Grundrechtsverstöße handelt oder die Grundrechtsbeeinträchtigung faktisch noch fortdauert (Nds. OVG, Urt. v. 19.02.1997 - 13 L 4115/95 -, NdsVBl 1997, 285; OVG Greifswald, Beschl. v. 23.02.2006 - 3 O 4/06 -, NordÖR 2006, 200).
Durch die Auflösung der Versammlung in Lüneburg ist das Versammlungsrecht des Klägers nach Art. 8 GG nicht besonders tiefgreifend und folgenschwer tangiert worden. Denn der Auflösungsverfügung der Versammlung seitens der Polizei ist durch die Teilnehmer keine Folge geleistet worden. Die Versammlung ist weiter abgehalten worden. Die Redner haben ihre Ansprachen zu Ende führen können. Der Aufzug hat sich durch die Rote Straße und Lindenstraße bis zum Parkplatz an der Uelzener Straße fortsetzen können. Nennenswerte Beeinträchtigungen von einigem Gewicht im Ablauf des weiteren Umzuges hat der Kläger nicht genannt. Nach der Stellungnahme des Polizeidirektors B. vom 14. Juni 2007 hat sich vielmehr in der Höhe der Kreuzung am SaLü noch ein Lautsprecherwagen in den Aufzug einreihen können. Über den Lautsprecher sind weitere Reden abgehalten worden. An den Bussen wurde das Deutschlandlied in allen drei Strophen gesungen. Der Kläger selbst hat nicht substantiiert dargetan, dass im Anschluss an die Auflösungsverfügung Beeinträchtigungen seiner eigenen subjektiven Rechte hinzunehmen waren, die sein zuvor wahrgenommenes nicht eingegrenztes Versammlungsrecht tiefgreifend und folgenschwer beeinträchtigt hätten. Dies ist auch nicht aus den überreichten Unterlagen der Beklagten hervorgegangen. Wird aber die Versammlungsauflösung durch die Versammlungsteilnehmer ignoriert, und setzt die Polizei die Auflösung nicht mit Zwangsmitteln durch und unterbindet auch nicht weiteres versammlungstypisches Geschehen, ist eine Beeinträchtigung des Versammlungsrechtes nach Art. 8 GG weder tiefgreifend noch folgenschwer. Auch kann unter diesen Voraussetzungen nicht festgestellt werden, dass eine Grundrechtsbeeinträchtigung, will man sie dem Grunde nach gleichwohl annehmen, faktisch jetzt noch fortdauert und eine gegenwärtige Beschwer begründet.
Auch ist nicht deutlich geworden, dass durch die Auflösung der Versammlung etwa die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 GG oder ein anderes Recht des Klägers besonders tiefgreifend und folgenschwer verletzt worden ist oder die Rechtsbeeinträchtigung faktisch noch fortdauert.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, die Auflösungsverfügung habe zu einer "Limitierung" des Aufzuges geführt und sei nicht "tatsachenfolgenfrei", der Aufzug hätte ohne die Auflösung möglicherweise noch länger gedauert, so begründet dies nicht die Zulässigkeit der Klage. Denn von konkreten Planungen im Hinblick auf die Länge der Versammlung hat der Kläger nichts berichtet, sein Vortrag hat keine Hinweise darauf geliefert, welche Aktionen aus der Versammlung heraus infolge der Auflösung abgebrochen werden mussten oder worauf im Tatsächlichen verzichtet werden musste. Substantiierte Anhaltspunkte für einen längeren oder anderen Verlauf der Veranstaltung - wäre sie nicht aufgelöst worden - fehlen. Vor allem ist auch nichts dafür ersichtlich, dass solche Beeinträchtigungen von erheblichem Gewicht - besonders tiefgreifend und folgenschwer - gewesen wären.
c)
Auch das Gebot effektiven Rechtsschutzes begründet ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht.
Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährt grundsätzlich einen Anspruch auf Rechtsschutz in der Hauptsache und nicht nur auf Rechtsschutz in einem Eilverfahren (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004, a.a.O.). Dies kann es gebieten, bei typischerweise kurzfristiger Erledigung von Beeinträchtigungen, die Rechtsschutzmöglichkeiten des Bürgers zu erweitern (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2007, § 113 Rn. 145). Dies kommt namentlich in Betracht bei tiefgreifenden Grundrechtseingriffen und in den Fällen, die unter Richtervorbehalt stehen. Trotz kurzfristiger Erledigung kann daher ein Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses angenommen werden in Fällen der Wohnungsdurchsuchung, des Gewahrsams, bei Unterbringung psychisch auffälliger Personen, in Fällen der Abschiebungshaft oder bei sonstigen Freiheitsrechten der Person (BVerfG, Beschl. v. 05.12.2001 - 2 BvR 527/99 u.a. -, BVerfGE 104, 220, 232 ff).
Ein solcher Fall mit vergleichbarer Interessenlage liegt hier nicht vor. Die Auflösung des Aufzuges berührt kein Freiheitsrecht des Klägers, das Recht zur Auflösung einer Versammlung steht auch nicht unter Richtervorbehalt und ist für den Kläger auch nicht - wie festgestellt - mit einem tief greifenden Grundrechtseingriff verbunden gewesen, der diskriminierenden Charakter hätte.
d)
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Hinblick auf ein Strafverfahren kann nicht angenommen werden (zu diesem Gesichtspunkt vergl. Kopp/ u.a., a.a.O., Rn. 139). Allerdings hat der Kläger vorgetragen, gegen ihn sei - wie gegen eine Reihe seiner Kameraden -, ein Strafverfahren eingeleitet worden, was aber im Ergebnis eingestellt worden sei. Jedoch kann eine wie immer geartete Feststellung zur materiellen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Versammlungsauflösung für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht (mehr) erheblich sein. Die Einstellung des Strafverfahrens belastet den Kläger auch nicht mit einem irgendwie gearteten "Schuldmakel", der vom Verwaltungsgericht durch die Feststellung zur Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Versammlungsauflösung entfernt werden müsste.
e)
Ein Feststellungsinteresse besteht auch nicht aus dem Gesichtspunkt von Schadenersatz- oder Entschädigungsansprüchen des Klägers. Er hat nicht deutlich gemacht, dass ein entsprechender Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist.
f)
Ein schützenswertes Fortsetzungsfeststellungsinteresse aus dem Gesichtspunkt einer Wiederholungsgefahr ist schließlich ebenfalls nicht gegeben.
Ein mit der drohenden Wiederholung eines erledigten Verwaltungsaktes begründetes berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsaktes setzt die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass von der Behörde unter wesentlich unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Regelung getroffen wird (BVerwG, Beschl. v. 16.10.1989 - 7 B 108/89 -, NVwZ 1990, 360; Beschl. v. 09.05.1989 - 1 B 166/88 -, [...]). Dabei ist nicht der Nachweis erforderlich, dass einem zukünftigen behördlichen Handeln in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zugrunde liegen. Zumindest muss aber von einer in den Grundzügen sich wiederholenden Sachlage ausgegangen werden (Nds. OVG, Beschl. v. 19.02.1997, a.a.O.). Die nur vage Möglichkeit einer Wiederholung genügt nicht. Nur wenn der Kläger hinreichend bestimmten Anlass haben muss, mit einer Wiederholung des behördlichen Handelns zu rechnen, kann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bejaht werden.
Eine hinreichend bestimmte Gefahr, dass unter wesentlich vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Umständen von der beklagten Polizeidirektion Lüneburg eine Versammlungsauflösung verfügt wird, von der auch der Kläger - als bloßer Versammlungsteilnehmer - betroffen ist, besteht nicht. Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass sich die Verhältnisse vom Juni 2007 aus Lüneburg hier oder an einem anderen Ort in vergleichbarer Weise in der Zukunft wiederholen werden.
Der Fall im Juni 2007 hatte sein besonderes Gepräge dadurch, dass der Kläger und viele andere Versammlungsteilnehmer auf der Fahrt zu einem Demonstrationsort gewesen sind, die Demonstration aber gleichsam "in letzter Minute" nicht ermöglicht worden ist, und sich die Teilnehmer deshalb zu einer Spontandemonstration in einer anderen Stadt - nämlich in Lüneburg - entschlossen haben. Dass sich ein vergleichbarer Fall der Auflösung einer Spontandemonstration, an der sich der Kläger beteiligt hat, inzwischen nochmals ereignet hätte oder sich überhaupt früher schon einmal so oder ähnlich ereignet hat, hat der Kläger nicht vorgetragen. Von einer "in den Grundzügen sich wiederholenden Sachlage" zur Begründung einer Wiederholungsgefahr (Nds. OVG, Beschl. v. 19.02.1997, a.a.O.) kann deshalb nicht ausgegangen werden. Die mit dem Feststellungsantrag erstrebte Klärung der Rechtslage kann demzufolge auch nicht "als Richtschnur für künftiges Verhalten" für den Kläger und die Beklagte von Bedeutung sein (zu diesem Kriterium vgl. Kopp/u.a., a.a.O., Rn. 141). Es reicht nicht, wenn der Kläger allgemein geklärt haben möchte, ob und unter welchen Voraussetzungen Versammlungsauflösungen rechtmäßig sind. Der Umstand, dass - wie der Kläger vorträgt - "Lüneburg ein Zentrum radikal rechter politischer Aktivitäten im nördlichen Niedersachsen" sein soll, führt ebenfalls nicht zur hinreichend konkreten Wahrscheinlichkeit, dass sich der Sachverhalt, der Gegenstand dieses Verfahrens ist - die Auflösung einer Spontandemonstration unter Teilnahme des Klägers, wobei die Auflösung durch die Teilnehmer ignoriert worden ist und die Polizei die Auflösung nicht zwangsweise durchgesetzt hat -, im Wesentlichen gleich wiederholt.
Auf die Behauptungen des Klägers, die Gegenstand der Hilfsbeweisanträge sind, kommt es wegen der Unzulässigkeit der Klage nicht an. Die Behauptungen betreffen die Frage, ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorgelegen hat, die zu einer Auflösung des Aufzuges berechtigt hat. Da die Klage bereits unzulässig ist, kommt auf die Frage der Gefahr nicht an, da dies (erst) eine Frage zur Begründetheit der Klage ist und nicht (schon) eine Frage der Zulässigkeit der Klage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.