Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 23.06.2008, Az.: 3 B 44/08

Ausgestaltung des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Änderung der Route bei einem versammlungsrechtlichen Aufzug

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
23.06.2008
Aktenzeichen
3 B 44/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 38002
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2008:0623.3B44.08.0A

Verfahrensgegenstand

Versammlungsrechtliche Auflage

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 3. Kammer -
am 23. Juni 2008
durch
den Vorsitzenden
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

    Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

  2. 2.

    Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Änderung der Route bei einem versammlungsrechtlichen Aufzug.

2

Der Antragsteller meldete für den 24.06.2008 eine Versammlung bei der Antragsgegnerin an. Es ist ein Aufzug geplant, zu der rund 500 Teilnehmer erwartet werden. Der Aufzug soll sich vom Universitätscampus bis zum Markt ziehen und unter dem Motto stehen "Universität Lüneburg - nicht umsonst!".

3

Die Antragsgegnerin bestätigte die Versammlung, verfügte jedoch eine Änderung der Route. Sie untersagte die Nutzung der Lindenstraße, Grapengießerstraße, Kuhstraße, Schröderstraße und der Straße an der Münze hin zum Markt. Stattdessen regelte sie, das der Aufzug folgende Route nehmen müsse: Schamhorststraße, Uelzener Straße, Goethestraße, Volgerstraße, Lessingstraße, Barkhausenstraße, Handwerkerplatz, Rote Straße, Clamartpark (Zwischenkundgebung), Rote Straße, Am Sande (Zwischenkundgebung), Am Berge, Rosenstraße, An den Brotbänken, Am Markt.

4

Gegen diese Modifizierung hat der Kläger Klage erhoben und vorläufigen Rechtsschutz begehrt.

5

II.

Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist nach §80 VwGO zulässig, aber unbegründet. Die geänderte Routenführung in der Verfügung der Antragsgegnerin ist offensichtlich rechtmäßig, und der Sofortvollzug der geänderten Routenführung ist im besonderen öffentlichen Interesse von der Antragsgegnerin fehlerfrei angeordnet worden.

6

Die geänderte Routenführung ist nach §15 Abs. 1 Versammlungsgesetz inhaltlich gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ohne die Auflagen unmittelbar gefährdet ist. Durch diese Vorschrift wird das Grundrecht des Art. 8 GG, wonach alle Deutschen das Recht haben, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, beschränkt. Die Möglichkeit der Beschränkung der Versammlungsfreiheit ist in Art. 8 GG ausdrücklich vorgesehen.

7

Bei einer Routenführung entsprechend den Wünschen des Antragstellers wäre die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet. Allerdings sind Verkehrsbehinderungen, die mit einer Versammlung oder einem Demonstrationszug unvermeidlich verbunden sind, grundsätzlich hinzunehmen. Die bloße "Leichtigkeit des Verkehrs" hat keinen Vorrang vor dem Versammlungsrecht. Anders ist es, wenn es nicht um die bloße "Leichtigkeit" des Verkehrs geht sondern um die "Sicherheit" des Verkehrs. So ist etwa stets zu gewährleisten, dass Notfallfahrten durch Polizei, Rettungsdienste und Feuerwehr möglich bleiben.

8

Hiervon ausgehend ist bei verständiger Würdigung der erkennbaren Umstände bei Durchführung des Aufzuges auf der vom Antragsteller geplanten Strecke mit Wahrscheinlichkeit mit einer auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht mehr hinnehmbaren unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu rechnen.

9

Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Lindenstraße: Die Lindenstraße ist verkehrlich hoch belastet, sie ist eine der Hauptstrecken für Krankentransporte zum städtischen Klinikum in der Bögelstraße. Diese Straße muss für Notfalltransporte zur Verfügung stehen. Die Nutzbarkeit der Lindenstraße für Notfallfahrten von Krankenfahrzeugen ist aber nicht gewährleistet bei einem Aufzug von 500 Personen, die diese Straße zu Demonstrationszwecken nutzen. Dabei ist es unerheblich, ob die Aufzugsteilnehmer die gesamte Fahrbahn benötigen oder sich auf nur einem Fahrstreifen bewegen. Selbst wenn sich die Aufzugsteilnehmer auf nur eine Fahrspur beschränken können, müsste der Aufzug seitlich gesichert werden, um den Aufzug vom übrigen Verkehr abzugrenzen und allen Verkehrsteilnehmern die erforderliche Sicherheit beim Begegnungsverkehr zu geben. Selbst wenn dann noch - gleichsam "die andere" - Fahrbahnseite für den Fahrverkehr zur Verfügung stünde, wäre die Straße für den Fahrverkehr allenfalls nur - wenn überhaupt - als "Einbahnstraße" nutzbar. Der eine Fahrstreifen wäre von dem Aufzug belegt, und auf der verbleibenden Fahrspur könnte ein Begegnungsverkehr durch Kraftfahrzeuge nicht mehr stattfinden. Dies hätte die Folge, dass Krankentransporte entweder auf der Fahrt vom Krankenhaus zum Einsatzort oder zurück vom Einsatzort vom Krankenhaus Umwege fahren müssten, weil sie die Lindenstraße nicht passieren könnten. Dies aber wäre angesichts der Rechtsgüter Leib und Leben von Notfallpatienten so nicht verantwortbar. Ein behinderungsfreier Notfalldienst wäre damit im Ergebnis nicht gewährleistet, wenn der Aufzug durch die Lindenstraße ginge. Dies wird letztlich bestätigt durch die polizeiliche Stellungnahme vom 23. Juni, die die Antragsgegnerin zusammen mit den übrigen Unterlagen übersandt hat.

10

Die Kuhstraße hat ebenso wie die Schröderstraße eine begehbare Breite von nur 3,50 Meter, weil in beiden Straßen die Breite durch Sondemutzungen eingeschränkt ist. In der Kuhstraße sind Warenauslagen direkt vor den Gebäuden genehmigt worden. In der Schröderstraße gibt es verschiedene Restaurationsbetriebe, die Tische und Stühle vor den Wirtschaften aufgestellt haben. Ein Aufzug von 500 Personen, begleitet mit einem Lautsprecherwagen, könnte diese Straßen nicht durchqueren, ohne dass ernsthaft zu befürchten wäre, dass es zu einem Stillstand des übrigen individuellen Verkehrs kommt.

11

Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Aufzug von rund 500 Menschen der übrige Verkehr in den engen Fußgängerzonen mehr als nur kurzfristig blockiert wird, so dass dann die Sicherheit des Verkehrs gefährdet wäre.

12

Die geänderte Routenführung ist auch nicht unverhältnismäßig. Denn der Antragsteller und die erwarteten 500 Teilnehmer können ihr Anliegen auf anderen Straßen im Herzen von Lüneburg vorbringen. Zwischenkundgebungen sind im Clamartpark ebenso wie am Sande zugelassen, und auf dem Marktplatz kann die Abschlusskundgebung stattfinden. Das kommunikative Anliegen wird damit nicht unzumutbar eingeschränkt.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

14

Rechtsmittelbelehrung

15

Gegen den Beschluss zu 1) ist die Beschwerde statthaft.

16

[...]

Siebert