Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 13.06.2008, Az.: 5 B 13/08
Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus ; Erfordernis einer Erlaubnis des Trägers der Straßenbaulast bei Sondernutzung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 13.06.2008
- Aktenzeichen
- 5 B 13/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 37246
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2008:0613.5B13.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 18 Abs. 1 S. 1 NStrG
- Art. 9 Abs. 1 GG
Verfahrensgegenstand
Streitgegenstand: Sondernutzungserlaubnis
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 5. Kammer -
am 13. Juni 2008
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
- 2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
Der sinngemäße Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die am 9. Mai 2008 beantragte Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung eines Informationsstandes mit Mitgliederwerbung in der Fußgängerzone C. (D.) für den Zeitraum 16.-18. Juni 2008 zu erteilen, ist nicht begründet.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Gemäß §123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß §123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
Ein Anordnungsgrund liegt vor. Der Antragsteller hat die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren glaubhaft gemacht. Vor der für den 16.-18. Juni 2008 geplanten Veranstaltung ist gerichtlicher Rechtsschutz in der Hauptsache nicht zu erlangen.
Ein Anordnungsanspruch ist jedoch nicht glaubhaft gemacht. Nach summarischer Prüfung ist nicht in dem für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen Maße wahrscheinlich, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen eines Informationsstandes auch für Zwecke der Mitgliederwerbung in der Fußgängerzone der Antragsgegnerin zusteht.
Gemäß §18 Abs. 1 Satz 1 NStrG ist die Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus Sondernutzung. Sie bedarf der Erlaubnis des Trägers der Straßenbaulast (§18 Abs. 1 Satz 1 NStrG). Das von dem Antragsteller beabsichtigte Aufstellen eines Informationsstandes stellt eine Sondernutzung dar. Die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis steht im Ermessen der Behörde. Nach summarischer Prüfung ist das der Antragsgegnerin zustehende Ermessen nicht in der Weise reduziert, dass sich vorliegend allein die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis als rechtmäßig erwiese. Vielmehr hat die Antragsgegnerin bei der Ablehnung des Antrags des Antragstellers auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen eines Informationsstandes auch für Zwecke der Mitgliederwerbung ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt.
Ein Ermessensfehlgebrauch liegt nicht vor. Die Antragsgegnerin hat von §18 Abs. 1 NStrG in einer zweckentsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Das straßenrechtliche Erlaubnisverfahren dient dazu, von vornherein erkennbare Störungen zu verhindern oder in zumutbaren Grenzen zu halten und bei Kollisionen von Rechtsgütern verschiedener Rechtsträger einen Interessenausgleich zu schaffen. Dabei ist eine Abwägung der gegenläufigen Belange vorzunehmen, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Zu diesen zählen insbesondere die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßennutzer und Straßenanlieger und Belange des Straßen- und Stadtbildes (Nds. OVG, Urteil vom 13.11.1995 - 12 L 2141/93 -; OVG NW, Beschluss vom 2.8.2006 - 11 A 2642/04 - jeweils zitiert nach [...]; vgl. auch §3 Abs. 2 der Sondernutzungssatzung der Hansestadt Lüneburg in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 25.2.1993). Die Antragsgegnerin hat ihre Entscheidung, die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis auch zur Mitgliederwerbung und das Ansprechen von Passanten abzulehnen, damit begründet, in jüngster Vergangenheit habe nach Erteilung entsprechender Erlaubnisse zur Kenntnis genommen werden müssen, dass es sich in vielen Fällen um aggressive Mitgliederwerbung gehandelt habe, die bei den Bürgern der Stadt Befremden hervorgerufen und zu Beschwerden geführt habe. Das öffentliche Interesse sowie das Recht der Allgemeinheit, eine Straße ungehindert nutzen zu können, hätten Vorrang vor Einzelinteressen. Derartigen Anträgen könne deswegen nicht entsprochen werden. Diese Ausführungen lassen sachwidrige Erwägungen nicht erkennen. Die Antragsgegnerin hat das Interesse des Antragstellers an der Durchführung des beabsichtigten Vorhabens berücksichtigt und darauf hingewiesen, dass Erlaubnisse für das Aufstellen von Informationsständen nur für Informationszwecke generell erteilt würden. Das weitergehende Interesse des Antragstellers, auch Mitgliederwerbung zu betreiben, hat die Antragstellerin mit dem vom Normzweck des §18 NStrG umfassten öffentlichen Interesse und dem Recht der Allgemeinheit, eine Straße ungehindert nutzen zu können, abgewogen.
Dass die Antragsgegnerin letztgenannten Belangen höheres Gewicht eingeräumt hat als dem Interesse des Antragstellers an der Durchführung von Mitgliederwerbung, führt nicht zu einer Ermessensüberschreitung. Die Ablehnung einer Sondernutzungserlaubnis auch zur Mitgliederwerbung und für das Ansprechen von Passanten ist geeignet und erforderlich. Ein milderes, gleich wirksames Mittel zum Schutz der übrigen Straßennutzer vor aufdringlichem bzw. aggressivem Werben von Mitgliedern ist nicht ersichtlich. Dies gilt zumal eine Unterscheidung zwischen aggressivem und nicht aggressivem Werben theoretisch kaum möglich und deswegen auch nicht praktikabel sein dürfte (vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 30.6.2005 - 7 K 2425/04 - [...] Rdn. 34; VG Freiburg, Urteil vom 28.2.2008 - 4 K 1702/07 - [...] Rdn. 34).
Die Ablehnung der Sondernutzungserlaubnis auch für Zwecke der Mitgliederwerbung führt nicht zu einem unangemessenen Ergebnis. Selbst wenn die Beschränkung der Werbemöglichkeiten des Antragstellers auf öffentlichem Straßengrund einen Eingriff in Art. 9 Abs. 1 GG beinhalten würde, wäre dieser verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Art. 9 Abs. 1 GG, der einer Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber bedarf, findet seine Grenze in den Gesetzen, die die freien Zusammenschlüsse und ihr Wirken in die allgemeine Rechtsordnung einfügen, die Rechte der Mitglieder sichern und den schutzbedürftigen Belangen Dritter oder auch öffentlicher Interessen Rechnung tragen (BVerfGESO, 290, 354; Jarass/Pieroth, GG, Kommentar, 9. Aufl., Art. 9 Rdn. 13 ff.). Dazu zählt auch das NStrG. Dessen Anwendung führt vorliegend nicht zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Schutzgehalts des Art. 9 Abs. 1 GG. Wie bereits erwähnt werden nach der Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin Erlaubnisse für das Aufstellen von Informationsständen für Informationszwecke generell erteilt. Dem Antragsteller bleibt es also unbenommen, einen Informationsstand für alle in seinem Antrag vom 9. Mai 2008 angeführten Themen bis auf das der Mitgliederwerbung zu errichten. Auf gerichtliche Anfrage hat der Antragsteller ausdrücklich mitgeteilt, an einem Informationsstand ohne Möglichkeit der Mitgliedergewinnung kein Interesse zu haben.
Ungeachtet dessen steht nach summarischer Prüfung das Maß der den Antragsteller infolge der Ablehnung seines Antrages treffenden Belastung noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen. Zu bedenken ist, dass eine Mitgliederwerbung zu einem wesentlich stärkeren Einwirken auf die Straßennutzer führt als das Aufstellen nur eines Informationsstandes. Die Angesprochenen werden unmittelbar in die Lage gebracht, sich mehr oder weniger unvorbereitet mit einem bestimmten Angebot zu befassen. Dies kann sich unmittelbar auf ihr Verhalten und das Verhalten der weiteren Straßennutzer auszuwirken, indem es etwa zu einem längeren Verweilen der Angesprochenen oder zu Versuchen anderer Passanten kommt, den Werbern aus dem Weg zu gehen. Die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und das Interesse der Straßennutzer an einer ungehinderten Straßennutzung werden also im Falle einer auch werbenden Tätigkeit wesentlich weitergehend beeinträchtigt als bei einem Aufstellen nur eines Informationsstandes. Das Interesse der Allgemeinheit sowie der übrigen Straßennutzer an einer ungehinderten Straßennutzung überwiegt das Interesse des Antragstellers, dort auch werbend tätig zu werden (s. auch VG Arnsberg, Urteil vom 30.6.2005 - 7 K 2425/04 -; VG Freiburg, Urteil vom 28.2.2008 - 4 K 1702/07 - jeweils zitiert nach [...]).
Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.
von Seebach
Sandgaard