Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 10.06.2008, Az.: 1 B 23/08

Beamter; Schiebebeschluss; Dienstherrnfähigkeit; Einrichtung; dienstherrnfähig Dienstposten; Umsetzung; Zuweisung; Beurlaubung; abordnungsähnlich; Suspensiveffekt; aufschiebende Wirkung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
10.06.2008
Aktenzeichen
1 B 23/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 45898
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2008:0610.1B23.08.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Bei Verwendung eines Beamten in einem privatrechtlich organisierten Call-Center (GmbH) scheidet als Instrument der Personalsteuerung das der Umsetzung aus. In Betracht kommt nur eine Zuweisung (§ 123a BRRG).

  2. 2.

    Die Zuweisung ist eine abordnungsähnliche Beurlaubung mit belastendem Charakter und verpflichtet zu einer Tätigkeit bei nicht behördlichen, nicht dienstherrnfähigen Einrichtungen - auch bei einer GmbH.

  3. 3.

    Die Zuweisung ist von der Zustimmung des Beamten abhängig.

Gründe

1

1. Da der Antragsteller nach Teilnahme an der "Einführungsveranstaltung" in Magdeburg vom 2. bis 6. Juni 2008 gemäß der angegriffenen Verfügung vom 15. Mai 2008 nunmehr vom 9. Juni 2008 an für "voraussichtlich drei Monate" an der "Vorbereitungs- und Orientierungsphase am VCS Standort U." teilzunehmen hat, liegt ein dringender Fall iSv § 80 Abs. 8 VwGO vor. Daher entscheidet über den Antrag zunächst einmal der Vorsitzende.

2

2. Der Antrag hat einstweilen gemäß § 8o Abs. 8 VwGO in dem Umfange Erfolg, wie das aus dem Beschlusstenor ersichtlich ist. Denn zur Erhaltung der Entscheidungsfähigkeit - nicht nur des eingeleiteten Verfahrens nach § 80 VwGO, sondern auch des Widerspruchsverfahrens und eines möglicherweise zu erwartenden Klageverfahrens - ist es geboten, die aufschiebende Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs zunächst einmal wiederherzustellen ("Schiebebeschluss" im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG, vergl. dazu BVerfGE 88, 185 = NVwZ 1993, 767 [BVerfG 20.04.1993 - 2 BvQ 14/93] und BVerfG - 1. Kammer des 2. Senats - NVwZ-Beilage 2/1996 A 1). Das ist vor allem im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen Effektivität des Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) erforderlich, um dem rechtsstaatlichen Anspruch auf Überprüfung der Verfügung vom 15. Mai 2008 durch die 3. Gewalt Rechnung zu tragen und diesen Anspruch hinreichend justiziabel zu machen. Hierfür ist die Vorlage der einschlägigen Verwaltungsvorgänge und Unterlagen Voraussetzung, deren Bearbeitung notwendigerweise mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden ist.

3

3. Bei lebensnaher Betrachtung und Bewertung der zweiphasig ausgestalteten Maßnahmen, die seitens der Antragsgegnerin durch die Verfügung vom 15. Mai 2008 eingeleitet worden sind und werden, handelt es sich bei dieser Verfügung um einen regelnden Verwaltungsakt: Die richterrechtlich herausgearbeitete Umsetzung scheidet hier deshalb aus (a.A. Bay. VG Regensburg, Beschl.v. 30.5.2008 - RO 1 E 08 917 -), weil der VCS GmbH in U., einer eigenständigen Tochtergesellschaft der Dt. Telekom AG, die erforderliche Dienstherrnfähigkeit als einem privaten Unternehmen fehlt. Damit kann dem Antragsteller beamtenrechtlich nicht ein konkret-funktionelles Amt (Dienstposten) innerhalb derselben Behörde (vgl. dazu Schnellenbach, NJW-Schriften 40, 5. Aufl. Rdn. 141; § 89 BbgBG) vorübergehend oder dauerhaft übertragen werden, wie es für eine Umsetzung jedoch nun einmal Voraussetzung ist. Auch ist während der "Vorbereitungs- und Orientierungsphase am VCS-Standort U." nicht etwa für den Antragsteller von Anfang an eine Amtstätigkeit garantiert, für die er als Technischer Fernmeldeamtsrat alimentiert werden könnte. Ihm werden lediglich - 3-fach gegliedert - "vertiefte Einarbeitungen angeboten (u.a. zu Produkten, Systemen und Kommunikation)" (so S. 2 d. Verfügung vom 15. Mai 2008). Darauf jedoch bezieht sich seine beamtenrechtliche Dienstleistungspflicht nicht, die von der Antragsgegnerin insoweit zu Unrecht in Anspruch genommen wird (S. 2 oben der angef. Verfügung). Ihm kann auch nicht als langjährigem Beamten des gehobenen Dienstes (A 12) eine Probezeit oder Probephase angesonnen werden, da er nicht mehr Beamter auf Probe ist. In Betracht kommen kann hier somit aufgrund der Umstände nur das Institut der Zuweisung (§ 123a BRRG; vgl. Schnellenbach, NJW-Schriften 40, 5. Aufl., Rdn. 135 ff.; vgl. auch Kotulla, ZBR 1995 S. 168 ff und S. 359 ff), bei dem die Übertragung einer amtsentsprechenden Tätigkeit gerade außerhalb des Geltungsbereichs des BRRG - auch bei privaten Stellen - erfolgen kann. Sie ist eine abordnungsähnliche Beurlaubung mit belastendem Charakter und verpflichtet zu einer Tätigkeit bei nicht behördlichen, nicht dienstherrnfähigen Einrichtungen (Kotulla, aaO.m.w.N.). Allerdings ist eine solche Zuweisung von der Zustimmung des betroffenen Beamten abhängig (vgl. Beschl. der Kammer v. 30.4.2008 - 1 B 9/08 -), an der es hier fehlt.

4

Rechtsschutz ist hier somit nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren (so auch VG Schleswig-Holstein, Beschl.v. 24.04.2008 - 16 B 9/08 -; unzutreffend VG Hamburg, Beschl.v. 14. 04.2008 - 8 E 830/08 -, das den Antrag in einen solchen gem. § 123 VwGO umdeutet).

5

4. Gegenüber Verwaltungsakten erwächst im Bereich von (Anfechtungs-)Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 8o Abs. 1 VwGO ein Suspensiveffekt, der allein dadurch eintritt, dass der vom Verwaltungsakt Betroffene Widerspruch oder Anfechtungsklage erhebt. Da § 126 Abs. 3 Nr. 3 BRRG nur die Fälle der Abordnung und Versetzung erfasst, nicht aber das hier in Rede stehende Rechtsinstitut der Zuweisung, ist § 126 Abs. 3 Nr. 3 BRRG weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar ( OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl.v. 18.07.2006 - 1 B 751/06 - juris), u.zw. auch nicht über § 2 Abs. 3 PostPersRG. Somit kommt hier das Regel-Ausnahmeverhältnis des § 80 VwGO zur Anwendung. Dadurch wird der betroffene Bürger nach dem Willen des Gesetzgebers, wie er in den Regelungen der §§ 8o f. VwGO zum Ausdruck gelangt, vor dem Verwaltungsakt und seinen Auswirkungen - ohne gerichtliche Anordnung - geschützt.

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Da hier eine Vollzugsanordnung gemäß § 8o Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht erlassen worden ist und keiner der gesetzlich geregelten Fälle des § 8o Abs. 2 VwGO vorliegt, kommt dem vom Antragsteller erhobenen Widerspruch mithin kraft Gesetzes die aufschiebende Wirkung des § 8o Abs. 1 VwGO zu, ohne dass es noch gerichtlicher Anordnungen bedarf. Hierauf ist die Antragsgegnerin zwecks Beachtung (feststellend) hinzuweisen ( VGH München, NVwZ-RR 199o, 639; OVG Lüneburg VerwRspr 28 Nr. 119; vgl. Finkelnburg/Jank, NJW-Schriften Bd. 12, 4. Aufl., Rdn. 908 ff.), wobei im demokratischen Rechtsstaat davon ausgegangen werden kann, dass die Antragsgegnerin diesen Hinweis und die Gesetzeslage beachtet.

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Eine Kostenentscheidung bleibt dem Beschluss der 1. Kammer des VG Lüneburg in dieser Sache vorbehalten.

8

Dieser Beschluß ist unanfechtbar, § 146 Abs. 2 VwGO.