Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.01.1996, Az.: 18 W 22/95
Eintragungsfähigkeit eines Doppelnamens im Geburtenbuch; Familienname eines Kindes von Eltern, die keinen Ehenamen führen; Verfassungsrechtliche Relevanz der Namensgebung; Unechte Rückwirkung des Gesetzes zur Neuordnung des Familienrechts
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.01.1996
- Aktenzeichen
- 18 W 22/95
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1996, 22802
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1996:0116.18W22.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - 16.11.1995 - AZ: 6 T 224/95
Rechtsgrundlagen
- Art. 6 Abs. 1 GG
- Art. 2 Abs. 1 GG
- § 45 Abs. 1 PStG
- § 48 Abs. 1 PStG
- § 49 Abs. 1 S. 2 PStG
- § 27 Abs. 1 FGG
- § 29 Abs. 1 FGG
- § 550 ZPO
- § 1355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F.
- § 1355 Abs. 3 BGB
- § 1616 Abs. 2 BGB n.F.
- § 1616 Abs. 3 BGB
- § 21a PStG
- § 46a FGG
- § 270 Abs. 4 Nr. 1 DA
Fundstelle
- FamRZ 1996, 815 (amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Geburtseintrag des Kindes V., geboren am ... Juni 1995
Prozessführer
1. Eheleute Dr. R. M. Sch. und Dr. J. A. S. N. N.
Sonstige Beteiligte
2. Stadt Göttingen - Rechtsamt - als Standesamtsaufsichtsbehörde, Hiroshimaplatz 1-4, 37083 Göttingen,
3. Standesamt der Stadt Göttingen, 37070 Göttingen
Eheleute Dr. R. M. Sch. und Dr. J. A. S. N. N.
Der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K. sowie
die Richter am Oberlandesgericht V. und B.
am 16. Januar 1996
beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen vom 16. November 1995 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 1 tragen die Gerichtskosten; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 5.000 DM.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1 haben am 18. Oktober 1991 miteinander die Ehe geschlossen, ohne allerdings einen gemeinsamen Familiennamen zu führen. Jeder Ehepartner hat seinen Geburtsnamen behalten. Die Beteiligten zu 1 haben beim Standesamt in der Geburtsanzeige die Erklärung abgegeben, daß für ihre am 24. Juni 1995 geborene Tochter V. I. der Familienname Sch. S. im Geburtenbuch eingetragen werden soll.
Der Standesbeamte hat aufgrund des am 1. April 1994 in Kraft getretenen Familiennamensrecht den gewünschten Doppelnamen für nicht eintragungsfähig gehalten und gemäß § 45 Abs. 1 PStG eine Entscheidung des Amtsgerichts beantragt. Dieses hat es nach Anhörung der Beteiligten zu 1 durch Beschluß vom 21. August 1995 abgelehnt, dem Standesbeamtren anzuweisen, als Familiennamen des Kindes den Doppelnamen Sch. S. einzutragen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht zurückgewiesen.
Mit der weiteren Beschwerde erstreben die Beteiligten zu 1 weiterhin die Einträgung des Doppelnamens im Geburtenbuch. Sie vertreten die Auffassung, daß die gesetzliche Entscheidung, die Namenswahl darauf zu beschränken, daß nur der Name eines der Elternteile als Familienname für das Kind ausgewählt werden könne, sie in ihren Grundrechten des Art. 6 GG sowie des Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) verletze.
II.
1.
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist zulässig. Die Beschwerdebefugnis ergibt sich schon aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde. Die Beschwerde ist nach den §§ 49 Abs. 1 Satz 2, 48 Abs. 1 PStG i.V.m. den §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG statthaft und formgerecht eingelegt worden.
2.
Die somit zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 bleibt in der Sache selbst jedoch ohne Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung hält der dem Senat allein möglichen rechtlichen Nachprüfung (§§ 27 FGG, 550 ZPO) stand. Das Landgericht hat mit sehr sorgfältiger und ausführlicher Begründung der Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Amtsgerichts nicht stattgegeben. Der Senat tritt den Gründen der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich bei. Im einzelnen ist noch auf folgendes hinzuweisen:
a)
Da das Kind V. I. nach dem Inkrafttreten (1. April 1994) des FamNamRG vom ... Dezember 1993 (BGBl. I 2054) geboren wurde, erhält es den Familiennamen nach der Regelung des § 1616 BGB n.F. Da die Eltern keinen Ehenamen i.S. von § 1616 Abs. 1 BGB führen, gilt § 1616 Abs. 2 BGB, wonach die Eltern als Familiennamen den Namen des Vaters oder den Namen der Mutter bestimmen können. Die im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 1991 (FamRZ 1991, 535) vorgesehene Übergangsregelung und die auch im ursprünglichen Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Familiennamensrechts vorgesehene Möglichkeit der Wahl eines Doppelnamens für das Kind in dem Fall, in dem - wie hier - die Eltern keinen gemeinsamen Familiennamen führen, ist bei der abschließenden Beratung im Bundestag gestrichen worden; das beruht also auf einer ausdrücklich so gewollten Entscheidung im Gesetzgebungsverfahren (Beschluß des Rechtsausschusses des Bundestags, BT-Drucksache 12/5982, abgedruckt bei Wagenitz/Bornhofen, Familienrechtsnamensgesetz, Teil B, S. 317). Die ab 1. April 1994 geltende Regelung ist also fortan verbindlich (vgl. auch Coester, FuR 1994, S. 1, 5; Palandt-Diedrichsen BGB 54. Aufl. Einführung vor § 1616 Rdnr. 4). Dies entspricht auch der übereinstimmend in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (OLG Hamm StAZ 1995, 141 ff = NJW 1995, 1908 - MDR 1995, 498; OLG Oldenburg FamRZ 1995, 688[OLG Oldenburg 24.10.1994 - 5 W 145/94] = StAZ 1995, 13 = NJW 1995, 537 = Rpfl. 1995, 211; OLG Stuttgart FamRZ 1995, 1601[OLG Stuttgart 21.08.1995 - 8 W 177/95]; BayObLG StAZ 1995, 368). Dieser Grundsatz gilt selbst dann, wenn die Eltern - was hier nicht gegeben ist - für ein vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung geborenes Kind entsprechend der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 84, 9 = FamRZ 1991, 535) einen Doppelnamen als Familiennamen gewählt haben (vgl. dazu die vorgenannten Entscheidungen). Erst recht muß deshalb § 1616 BGB abgesehen von den gesetzlich eingeräumten Wahlmöglichkeiten im vorliegenden Fall als zwingendes Recht angesehen werden.
b)
Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht.
aa)
Der Senat hat bereits in einem - auch den Beteiligten zu 1 vom Landgericht zugänglich gemachten - Beschluß vom 5. September 1995 - 18 W 13/95 - verfassungsrechtliche Bedenken als nicht durchgreifend erachtet. Zwar stellt das Grundgesetz Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung des Art. 6 Abs. 1 GG, indes gebietet Art. 6 Abs. 1 eine Namenseinheit nicht (BVerfG FamRZ 1988, 587, 589 = StAZ 1988, 164; MüKo-Wacke BGB 3. Aufl. § 1355 Rdnr. 7; MüKo-Hinz BGB a.a.O. § 1616 Rdnr. 1; BT-Drucksache 12/3163. S. 11). Da die namensrechtliche Bezeichnung einer Familie entscheidend vom Ehenamen geprägt wird, ist die Namenseinheit in der Familie in Fällen - wie hier - nur in eingeschränktem Maße möglich. Gesichtspunkten des Kindeswohls, die es grundsätzlich gebieten, daß ein heranwachsendes Kind die Möglichkeit erhält, sich über den Namen mit seiner Familie zu identifizieren, hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, daß den Eltern die Möglichkeit eingeräumt worden ist, nachträglich einen Familiennamen gemäß § 1355 Abs. 3 BGB herbeizuführen. Durch diese Regelung ist gleichzeitig der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet, den der Gesetzgeber bei einem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht zu beachten hat (vgl. dazu Senat a.a.O.).
bb)
Soweit die Beschwerdeführer die Auffassung vertreten, eine Grundrechtsverletzung liege deshalb vor, weil das am 1. April 1994 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Familienrechts eine unechte Rückwirkung entfalte, vermag der Senat diese. Auffassung nicht zu teilen. Die Beteiligten zu 1 haben die Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen, zu dem die vom Bundesverfassungsgericht geschaffene Übergangsregelung galt. Ob die Beteiligten zu 1 - hätten sie die spätere gesetzliche Regelung gekannt - möglicherweise anders gehandelt hätten, ist hier ohne Bedeutung. Da es sich bei der Möglichkeit eines Doppelnamens nur um eine vom Bundesverfassungsgericht getroffene Übergangsregelung handelte, die also erkennbar nur vorläufigen Charakter hatte, bestand kein Vertrauensschutz auf eine Endgültigkeit der Regelung. Ebensowenig waren verbindliche Prognosen möglich, der Gesetzgeber war vielmehr aufgerufen worden, das Ehenamensrecht und ausgehend davon auch Familiennamensrecht unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf § 1355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. neu zu regeln. Diesem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber mit der am 1. April 1994 in Kraft getretenen Neuregelung Rechnung getragen. Daß es innerhalb derselben Familie - wie vorliegend - zu einer Namensverschiedenheit kommt, beruht nicht allein auf der geänderten Rechtslage, sondern entscheidend auch darauf, daß die Eltern von der gesetzlichen Möglichkeit, eine Namenseinheit in der Familie herbeizuführen, keinen Gebrauch gemacht haben.
c)
Für das weitere Verfahren ist auf folgendes hinzuweisen: Da die Eltern einen nach geltendem Recht ausgeschlossenen Doppelnamen als Geburtsnamen bestimmt haben, ist die Bestimmung rechtlich unbeachtlich und ein vormundschaftsgerichtliches Verfahren einzuleiten (§§ 1616 Abs. 3 BGB, 21 a PStG, 46 a FGG, 270 Abs. 4 Nr. 1 DA), falls es nicht doch noch zu einer zulässigen Namensbestimmung durch die Eltern kommt.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 127 Abs. 2, 131 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO, 13 a Abs. 1 FGG.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 5.000 DM.