Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.01.1996, Az.: 2 W 80/95

Zwangsvollstreckung wegen einer vertretbaren Handlung ; Verhängung von Zwangsmitteln; Wirksame Durchsetzung eines titulierten Anspruchs

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
02.01.1996
Aktenzeichen
2 W 80/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1996, 23845
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1996:0102.2W80.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 01.11.1995 - AZ: 5 O 102/95

Fundstelle

  • NJW-RR 1996, 585-586 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht G. und
die Richter am Oberlandesgericht R. und W. am 2. Januar 1996
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 1. November 1995 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 50.000 DM.

Gründe

1

Die gemäß §§ 793 I, 577 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

2

Mit Recht hat das Landgericht gegen die Schuldnerin wegen der unstreitigen Nichtvornahme der in dem vollstreckbaren Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 22. Juni 1995 titulierten Verpflichtung der Schuldnerin Zwangsmittel verhängt, das von ihr gewerblich genutzte Ladengeschäft, gelegen im I.-Zentrum, Einheit ... zur Große von 169,10 qm zu den gesetzlichen Ladenöffnungszeiten geöffnet zu halten und zu betreiben.

3

Der Betrieb des streitbefangenen Ladengeschäfts stellt sich als unvertretbare Handlung i.S.v. § 888 I ZPO dar, deren Vornahme ausschließlich vom Willen der Schuldnerin abhängt. Die für die Zwangsvollstreckung wegen einer vertretbaren Handlung geltenden Vorschriften über die Ersatzvornahme sind schon deshalb nicht anzuwenden, weil der Betrieb des Geschäfts durch einen Dritten der Verpflichtung der Gläubigerin zur Gebrauchsüberlassung der Ladenräume an die Schuldnerin gemäß Mietvertrag vom 24./27.07.1989 widerstreiten würde.

4

Die Gläubigerin ist wegen der Nichtvornahme der titulierten Handlung nicht auf eine Ersatzklage nach § 893 ZPO zu verweisen. Zwar ist der Schuldnerin zuzugeben, daß ausnahmsweise die Erfüllung der ausgeurteilten Verpflichtung zum Betrieb eines Ladengeschäfts nicht ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängig sein kann. So hat der Senat (Beschluß vom 03.01.1995 - 2 W 76/94 -) eine auf den Betrieb einer Spielhalle in den angemieteten Räumen gerichtete Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO wegen der fehlenden Konzessionserteilung für den Betreiber als unzulässig angesehen. Auch mag im Einzelfall wegen der zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäftes erforderlichen Lieferantenverträge die Aufrechterhaltung oder Wiedereröffnung des Geschäfts nicht ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängen (vgl. OLG Hamm NJW 1973, 1135 f [OLG Hamm 10.10.1972 - 14 W 72/72]ür den Betrieb eines Lebensmittel- und Milchgeschäfts).

5

Dem Landgericht ist jedoch darin beizutreten, daß die Notwendigkeit der Hinzuziehung Dritter die Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO nicht grundsätzlich ausschließt und daß die Vornahme der titulierten Handlung bis zur Grenze der Unzumutbarkeit erzwungen werden darf.

6

Diese Grenze ist im vorliegenden Fall auch dann nicht überschritten, wenn berücksichtigt wird, daß die titulierte Verpflichtung zum Betrieb des streitbefangenen Ladengeschäfts wegen der in § 2 des Mietvertrages der Parteien vereinbarten Zweckbestimmung auf den Betrieb eines Fachgeschäftes für Parfümerie nebst Accessoires gerichtet ist. Das eigene Vorbringen der Schuldnerin rechtfertigt nicht die Annahme, daß der Betrieb des Ladengeschäftes nicht ausschließlich vom Willen der Schuldnerin abhängig ist. Die von der Schuldnerin geltend gemachte Kündigung von Lieferantenbeziehungen für die streitbefangene Filiale genügt dafür nicht. Soweit einzelne Markenhersteller mit Rücksicht auf zu geringe Umsätze Depotverträge für das streitbefangene Ladengeschäft nicht verlängern wollen, verkennt die Schuldnerin, daß die titulierte Verpflichtung nicht an bestimmte Absatzwege oder Vertriebsformen für die Veräußerung von Waren in dem streitbefangenen Geschäft anknüpft und auch den Sortimentsumfang nicht näher festlegt. Im übrigen weist die Gläubigerin zutreffend darauf hin, daß die D. L. GmbH in ihrem Schreiben vom 04.01.1995 trotz der schlechten Umsatzentwicklung mit Rücksicht auf die Bedeutung der Schuldnerin als Großkundin gerade nicht die weitere Belieferung des Geschäfts aufgekündigt hat. Vor allem aber betreiben die Klägerin und ihre Beteiligungsgesellschaften unstreitig eine der führenden Konsumketten für Parfümarietikel in Deutschland. Das streitbefangene Ladengeschäft ist als Filiale ... eingerichtet worden. Die Schuldnerin hat nicht dargelegt, daß es trotz Ihrer hervorgehobenen Marktstellung nicht möglich ist, für das streitbefangene Ladengeschäft am Markt, ggfs. auch über ihr eigenes Filialnetz, die gängigen Parfümerieartikel und Accessoires zum Zwecke der Weiterveräußerung zu beschaffen. Eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO scheitert nicht schon daran, daß der Schuldnerin möglicherweise besonders kostengünstige Wege der Beschaffung und des Absatzes von Waren,(z.B. Verkauf auf Kommission anstatt Einkauf von Waren) nur bei Umsätzen in einer Größenordnung möglich sind, die in dem streitbefangenen Ladengeschäft nicht ohne weiteres zu erreichen sind. Erst recht sind die Gewinnerwartungen der Schuldnerin kein entscheidendes Kriterium bei der Prüfung der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO.

7

Unerheblich ist auch der Einwand der Schuldnerin, sie selbst verfüge über keine eigenen Lieferantenbeziehungen; der frühere Betreiber des Ladengeschäfts sei lediglich einer ihrer Beteiligungsgesellschaften gewesen, nämlich die Parfümerie D. GmbH. Die Schuldnerin als einzige im Mietvertrag namentlich bezeichnete Mieterin hat nicht vorgetragen, aus welchem Grund es ihr als Holdinggesellschaft der Konsumkette nicht möglich sein soll, den Weiterbetrieb des Ladengeschäfts durch eine ihrer Beteiligungsgesellschaften sicherzustellen. Immerhin hatte die Schuldnerin mit Schreiben vom 06.03.1995 der Gläubigerin zugesagt, für den Fall eines an keine weiteren Bedingungen geknüpften Vertrages über die Aufhebung des Mietverhältnisses zum 31.05.1995 das Ladengeschäft 5 Tage nach Zugang einer entsprechenden Vertragsurkunde neu zu eröffnen.

8

Die Verhängung von Zwangsmitteln war unumgänglich, nachdem der Schuldnerin bereits in dem angefochtenen Urteil Zwangsmittel angedroht worden wären. Die Verhängung des höchst zulässigen Zwangsgeldes und ersatzweise des Höchstmaßes der Zwangshaft ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände nicht unverhältnismäßig. Die Schuldnerin hat durch ihr bisheriges ausweichendes Verhalten gezeigt, daß es eines empfindlichen Beugemittels bedarf, um die Vornahme der titulierten Handlung durchzusetzen. Seit der Zustellung des landgerichtlichen Urteils am 28.06.1995 ist bereits geraume Zeit verstrichen. Der Verstoß gegen eine mietvertragliche Betriebspflicht in einem Einkaufszentrum wirkt sich nach den Erfahrungen des Senats in vergleichbaren Fällen mit zunehmender Dauer für den Gläubiger regelmäßig in erheblicher Weise nachteilig aus. Auch die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin gebietet die Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Zwangsmittel im Interesse einer wirksamen Durchsetzung des titulierten Anspruchs, zumal die Schuldnerin die Beitreibung des Zwangsgeldes jederzeit durch die Erfüllung des Anspruchs abwenden kann. Wegen des fehlenden Strafcharakters der Verhängung von Zwangsmitteln war eine Verschuldensprüfung nicht vorzunehmen, so daß offen bleiben kann, ob sich die Schuldnerin hinsichtlich der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in einem entschuldbaren Irrtum befunden hat.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der § 788 ZPO vorgeht.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 50.000 DM.

Den Beschwerdewert schätzt der Senat nach dem Interesse der Schuldnerin an der Nichtausführung der für sie mit möglichen wirtschaftlichen Verlusten verbundenen titulierten Handlung auf 50.000 DM (§§ 12 I GKG, 3 ZPO).