Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 24.01.1996, Az.: 6 U 134/95
Vormerkung als Sicherungsmittel eigener Art zur Sicherung schuldrechtlicher Ansprüche; Belastbarkeit der Vormerkung mit Grundpfandrechten; Erfordernis formeller Identität zwischen Besteller und Grundstückseigentümer
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 24.01.1996
- Aktenzeichen
- 6 U 134/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 23846
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1996:0124.6U134.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 05.05.1995 - AZ: 8 O 128/95
Rechtsgrundlagen
- § 648 BGB
- § 648a BGB
- § 848 Abs. 2 S. 2 ZPO
- § 888 ZPO
- § 182 BGB
- § 185 BGB
Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 1996
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 5. Mai 1995 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
Die Berufung der Verfügungsklägerin hat keinen Erfolg.
I.
Ein Anspruch aus § 648 BGB gegenüber der Verfügungsbeklagten zu 1 als Grundstückseigentümerin besteht nicht. Der BGH hat in BGHZ 102, 94 ff. [BGH 22.10.1987 - I ZB 8/86] grundsätzlich am Erfordernis formeller Identität zwischen Besteller und Grundstückseigentümer festgehalten (S. 102). Für eine Ausnahme unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben bestehen vorliegend keine Gründe. Die Verfügungsbeklagte zu 1 als Grundstückseigentümerin steht mangels personeller und/oder wirtschaftlicher Verquickung mit der Verfügungsbeklagten zu 2 nicht "hinter" der Verfügungsbeklagten zu 2. Ansatzpunkte für einen schuldrechtlichen Durchgriff hinsichtlich der Werklohnansprüche der Verfügungsklägerin auf die Verfügungsbeklagte zu 1 gibt es nicht. Daß jemand, der sein Grundstück an einen Dritten zum Zwecke der Bebauung verkauft, diesem Dritten die Möglichkeit einräumt, das Grundstück - sofern der Kaufpreis auf Anderkonto hinterlegt ist - schon vor Eigentumsumschreibung zu belasten, ist normal und rechtfertigt für sich betrachtet keine Ausnahme von dem Erfordernis der Identität zwischen Besteller und Grundeigentümer. Für eine großzügige Handhabung von Ausnahmeregelungen besteht jetzt auch deshalb kein Anlaß mehr, weil die Bauhandwerker bei Konstellationen der vorliegenden Art die Möglichkeit haben, von ihrem Auftraggeber Sicherungen nach § 648, a BGB zu verlangen. Obwohl der hier in Rede stehende Werkvertrag erst im Oktober 1994 geschlossen wurde und die Verfügungsklägerin mit ihren Arbeiten auch nicht vor August 1994 begonnen hat (die Vorschrift des § 648 a BGB ist seit dem 1. Mai 1993 in Kraft), hat die Verfügungsklägerin von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.
II.
Auch gegenüber der vormerkungsberechtigten Gemeinschuldnerin (und damit gegenüber dem Verfügungsbeklagten zu 2) fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.
1.
Die Vormerkung als solche ist kein dingliches Recht, sondern, nur ein Sicherungsmittel eigener Art zur Sicherung schuldrechtlicher Ansprüche; sie kann deshalb auch nicht mit Grundpfandrechten belastet werden (siehe Gross, Die Bauhandwerker Sicherungshypothek, 1978, S. 56). Auch das Anwartschaftsrecht der Gemeinschuldnerin (verkörpert durch Auflassung und Auflassungsvormerkung) kann lediglich übertragen und (allein oder neben dem Anspruch auf Eigentumsverschaffung) gepfändet (bzw. verpfändet) werden (siehe hierzu, Haegele, Grundbuchrecht, Handbuch der Rechtspraxis, 10. Aufl. 1993, Rdnr. 1589 f; Staudinger/Pfeifer, BGB, 13. Aufl., § 925 Rdnrn. 128 f); die Belastung mit Grundpfandrechten ist auch bei einem Anwartschaftsrecht nicht möglich (Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 14. Aufl. 1987, S. 167). Eine Pfändung des Anwartschaftsrechts oder eine Pfändung des schuldrechtlichen Anspruchs auf Eigentumsverschaffung setzt als Maßnahme der Einzelzwangsvollstreckung aber einen vorherigen vollstreckungsfähigen Titel voraus, den sich die Verfügungsklägerin z.B. durch ein Wechsel-Vorbehaltsurteil aus den zwischen dem 15. Februar und 15. März 1995 fälligen Wechseln hätte verschaffen können (die Gemeinschuldnerin ist erst am 3. Juli 1995 in Konkurs gefallen). Dieser Weg der vollstreckungsrechtlichen Pfändung, die im Falle des Eigentumsübergangs auf die Gemeinschuldnerin zu einer Sicherungshypothek der Verfügungsklägerin geführt hätte (§ 848 Abs. 2 Satz 2 ZPO), kann durch den vorliegenden Verfügungsantrag (gerichtet auf Eintragung einer Vormerkung für eine Bauhandwerkersicherungshypothek zu Lasten der Gemeinschuldnerin als Auflassungs-Vormerkungsberechtigter) nicht ersetzt werden.
Es bleibt vielmehr dabei, daß die Absicherung von Werklohnforderungen durch Bauhandwerkersicherungshypotheken an Grundstücken des Bestellers erst möglich ist ab Eigentumserwerb des Bestellers, vorher nicht (Staudinger/Peters, BGB, 13. Aufl. 1994, § 648 Rdnr. 19).
2.
Der Antrag gegenüber dem Verfügungsbeklagten zu 2 (der Gemeinschuldnerin) kann deshalb nur das Ziel haben, die dingliche Zustimmung der Gemeinschuldnerin als Vormerkungsberechtigter zur Belastung des Grundstücks zu ersetzen. Würde die Bauhandwerkersicherungshypothek in Fällen der vorliegenden Art ohne eine solche Zustimmung des Vormerkungsberechtigten eingetragen, könnte der Vormerkungsberechtigte nach § 888 ZPO wegen relativer Unwirksamkeit, der Zwischeneintragung vom Dritten (hier der Verfügungsklägerin als Berechtigter aus der Gesamthypothek) die Löschung verlangen. An einem solchen Löschungsverlangen ist der Vormerkungsberechtigte jedoch gehindert, wenn er sich gegenüber dem Dritten verpflichtet hat, die Vormerkung ihm gegenüber nicht geltend zu machen, was auch in Form einer dinglich wirkenden Zustimmung gemäß §§ 182, 185 BGB geschehen kann (siehe hierzu Staudinger/Grunsky, 13. Aufl., § 888, Rdnr. 40 sowie Haegele a.a.O., Rdnr. 1523). Diese Zustimmung ist zwar formlos wirksam; ihre Ersetzung durch einen gerichtlichen Titel (gerichtet auf entsprechende Willenserklärung) und entsprechende Eintragung im Grundbuch dient aber jedenfalls der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Für die Verurteilung des Verfügungsbeklagten zu 2 (für die Gemeinschuldnerin) zu einer solchen Zustimmung, auf die Verfügungsklägerin aus dem Werkvertrag mit der Gemeinschuldnerin Anspruch hätte, besteht aber nur dann ein Bedürfnis, wenn zugunsten der Verfügungsklägerin überhaupt eine Bauhandwerkersicherungshypothek eingetragen wird, der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung gegenüber der Verfügungsbeklagten zu 1 also Erfolg hat. Letzteres ist aber gerade nicht der Fall (s.o.); damit ist auch der Anspruch gegenüber, dem Verfügungsbeklagten zu 2 gegenstandslos.
III.
Aus den vorstehenden Ausführungen zu Ziffer II. 2. ergibt sich, daß der geltend gemachte Anspruch gegenüber dem Verfügungsbeklagten zu 2 nur ein Annex des Anspruchs gegenüber der Verfügungsbeklagten zu 1 sein kann. Der Antrag gegenüber dem Verfügungsbeklagten zu 2 kann nur Erfolg haben, wenn der Verfügungsanspruch gegenüber der Verfügungsbeklagten zu 1 gegeben wäre; wird aber der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegenüber der Verfügungsbeklagten zu 1 abgewiesen, muß auch der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung gegenüber dem Verfügungsbeklagten zu 2 abgewiesen werden. Dieser Zwang zu einer insoweit einheitlichen Sachentscheidung führt zur Annahme einer notwendigen Streitgenossenschaft. Bei einer notwendigen Streitgenossenschaft vertritt ein Streitgenosse den anderen; das Landgericht hat deshalb zu Recht durch Endurteil auch gegenüber der (damals noch nicht in Konkurs gefallenen) Gemeinschuldnerin entschieden, obwohl die Gemeinschuldnerin im Termin vor dem Landgericht säumig geblieben war. Mit Rücksicht auf das Bestehen einer notwendigen Streitgenossenschaft bleibt auch der Konkurs der Gemeinschuldnerin auf den Fortgang des Verfahrens ohne Einfluß. Der Senat folgt für das vorliegende Verfügungsverfahren der (allerdings bestrittenen) Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, wonach auch bei Tod (oder anderen Unterbrechungs- und Aussetzungsgründen) des einen der notwendigen Streitgenossen in entsprechender Anwendung des § 62 ZPO eine fiktive Vertretung durch den anderen notwendigen Streitgenossen angenommen wird (SAG NJW 1972, 1388).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; weitere Nebenentscheidungen entfallen, weil der Rechtsmittelzug beendet ist (§ 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO).