Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 02.12.1998, Az.: 2 U 201/98

Anwendung der Grundsätze über die bedingungsgemäße Beweiserleichterungen bei einer Versicherung gegen Beraubung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
02.12.1998
Aktenzeichen
2 U 201/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 28959
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:1202.2U201.98.0A

Fundstellen

  • NVersZ 1999, 488-489
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 71-72
  • VersR 1999, 1490 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Hausratversicherung: Beweismöglichkeiten eines verwirrten Versicherungsnehmers.

Entscheidungsgründe

1

Grundsätzlich kommen dem Versicherungsnehmer auch bei einer Versicherung gegen Beraubung die vom Bundesgerichtshof zum Diebstahl entwickelten bedingungsgemäßen Beweiserleichterungen zum Beweismaß zugute (vgl. BGH, VersR 1991, 924; BGH, VersR 1984, 29). Demgemäß führt der Versicherungsnehmer den ihm obliegenden Beweis dafür, dass der Versicherungsfall eingetreten ist, in aller Regel dadurch, dass er das "äußere Bild" dartut, also ein Mindestmaß an Tatsachen plausibel darlegt und beweist, aus denen nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine bedingungsgemäß versicherte Entwendung durch eine Beraubung - hier i.S.v. § 3 B Nr. 2 VHB 74 - geschlossen werden kann (BGH, VersR 1991, 924; BGH VersR 1997, 102). Dazu gehört die Angabe, dass die als entwendet gemeldeten Sachen vor der behaupteten Beraubung am angegebenen Ort vorhanden und danach nicht mehr aufzufinden waren sowie dass die Sachen unter Anwendung von (Gewalt-) Mitteln i.S.d. vorgenannten Beraubungstatbestandes weggenommen wurden.

2

Den Angaben des Versicherungsnehmers zum Beraubungsgeschehen ist (dann) Glauben zu schenken, sofern er keinen unwahrscheinlichen Sachverhalt behauptet und seine Glaubwürdigkeit nicht auf Grund sonstiger - nicht mit der angeblichen Beraubung zusammenhängender - Tatsachen beeinträchtigt ist; diese Glaubwürdigkeitsvermutung greift - anders als beim Einbruchdiebstahl - auch dann ein, wenn nicht über die Wegnahme gestritten wird, sondern es darum geht, ob nicht nur ein einfacher Diebstahl stattgefunden hat; denn der Versicherungsnehmer hat bei einem solchen Raub in der Regel die maßgeblichen Tatsachen selbst und nicht selten sogar allein wahrgenommen (Baumgärtel-Prölss, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd 5/Versicherungsrecht, § 1 AERB Rdnr. 38 m.w.N.).

3

Ist der vom Versicherungsnehmer geschilderte Sachverhalt nicht unwahrscheinlich, dann ist der Beweis des Raubes gleichwohl nicht geführt, wenn auf Grund bestimmter - ggfls. vom Versicherer zu beweisender - Tatsachen die persönliche Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers beeinträchtigt ist, etwa weil eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass er sich an die Vorgänge nicht zuverlässig erinnert (Baumgärtel, a.a.O., Rdnr. 40). Das Gericht muss bei einer - behaupteten - Beraubung solange von der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers ausgehen, bis sich aus unstreitigen oder - vom Versicherer - bewiesenen Tatsachen ernsthafte Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit ergeben (Prölss-Martin/Kollhosser, VVG, 26. Auflage, § 1 AERB, Rdnr. 16 a.E.; OLG Hamm, VersR 1994, 48[OLG Hamm 02.06.1993 - 20 U 380/92] m.w.N.).

4

Vorliegend war und ist die Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen infolge ihres verwirrten Geisteszustandes zumindest zeitweise und auch hinsichtlich des behaupteten Vorfalls in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit erheblich eingeschränkt; die Berufung greift die Feststellung des Landgerichts, die Klägerin habe - auch nach Einschätzung ihres Prozessbevollmächtigten erster Instanz - keine eigene Erinnerung an das Geschehen, sodass eine Vorladung der Klägerin zum Zwecke ihrer Anhörung als Partei (gem. § 141 Abs. 1 ZPO) durch das Gericht nutzlos sei, nicht an. Deshalb bestehen gegen die Glaubwürdigkeit der Klägerin zwar nicht wegen einer Unredlichkeit, jedoch wegen möglicherweise bestehender wesentlicher geistiger Einschränkungen erhebliche Zweifel. Die Vermutung der Redlichkeit des Versicherungsnehmers kann hier aus Gründen, die (auch) der Versicherer nicht zu vertreten hat, zu Gunsten des Versicherungsnehmers nicht eingreifen.

5

Dafür, die Redlichkeitsvermutung gleichwohl eingreifen zu lassen, spricht nicht, dass der Versicherungsschutz in solchen Fällen unzulässig ausgehöhlt würde, weil es gerade bei einer Beraubung oft - wie auch hier - im Wesentlichen auf die grundsätzlich (gemäß der zu Gunsten des Versicherungsnehmers streitenden Redlichkeitsvermutung) als glaubwürdig geltenden Angaben des Versicherungsnehmers ankommen wird, der jedoch unverschuldet keine Angaben zum Sachverhalt machen kann. Zwar ist im Fall einer Entwendung eine Leistungspflicht des Versicherers auch gegeben, wenn die Widerstandskraft durch Unfall oder andere, jedoch unverschuldete Ursachen aufgehoben war (§ 3 B Nr. 2 S. 2 VHB 74; sog. Ohnmachtsklausel). Kann der Versicherungsnehmer aber beispielsweise auf Grund einer ohne Einfluss des Täters vorliegenden Ohnmacht selbst keine Angaben zum Hergang des angeblichen Raubes machen, kann dieser Sachverhalt schon deshalb einer - bei Bewusstsein erlebten - Beraubung nicht gleichgestellt werden. So ist es auch hier; denn der möglicherweise geistig verwirrte Zustand der Klägerin bestand und besteht nicht auf Grund der behaupteten Tat, sondern ohne Einfluss des/der angeblichen Täter/s.

6

Das nimmt der Klägerin nicht die Möglichkeit, die beschriebenen Beweiserleichterungen in Anspruch zu nehmen, wenn und soweit sie die erforderlichen Tatsachen durch andere Beweismittel, etwa Zeugen, beweisen kann, die trotz ihrer Einschränkungen im Wahrnehmungsvermögen dazu führen, ihr die Behauptung einer Entwendung durch Raub oder ein dem nach den Versicherungsbedingungen gleichgesetztes Geschehen abzunehmen (vgl. dazu Römer/Langheid, VVG, § 49 Rdnr. 29).

7

Die Angaben der vom Landgericht vernommenen Zeuginnen reichen jedoch nicht aus (wird ausgeführt).

8

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Grund des § 3 B Nr. 2 S. 2 VHB 74. Sie hat nämlich nicht die äußeren Umstände dieses - einer Entwendung durch Raub gleichgestellten - Lebenssachverhalts dargelegt und unter Beweis gestellt, wozu sie insoweit gehalten wäre; dazu gehörte der Vortrag, sie sei geistig so verwirrt gewesen, dass ihre Widerstandskraft aufgehoben gewesen sei und es nur dadurch zu einer Entwendung des Schmucks gekommen sei. Vielmehr hat sie sich auf einen Sachverhalt gestützt, der gerade eine gewisse Gegenwehr gegenüber dem behaupteten Überfall umfasste; denn sie hat vortragen lassen, sie sei in die Küche abgedrängt worden; als sie die Küche habe verlassen wollen, sei sie durch einen Schlag ins Gesicht gefügig gemacht worden.