Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 16.12.1998, Az.: 2 U 219/98

Umfang einer Versicherung gegen Einbruchdiebstahlschäden in einer Pauschaldeklaration; Aufladbare Chip-Karten als Teil der technischen und kaufmännischen Betriebseinrichtung eines Sonnenstudios; Einbruchdiebstahlversicherung als Sachversicherung; Ersatz des Materialwertes von aufladbaren Chip-Karten

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
16.12.1998
Aktenzeichen
2 U 219/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 28974
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:1216.2U219.98.0A

Fundstellen

  • NVersZ 1999, 527-528
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 136-137
  • VersR 2000, 177-178 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Einbruchdiebstahlversicherung; aufladbare Chip-Karten als Teil der technischen und kaufmännischen Betriebseinrichtung eines Sonnenstudios, Versicherungswert: Materialwert.

Entscheidungsgründe

1

Der Kläger unterhält - vermutlich auf Grund von den Parteien sonst nicht näher bezeichneter Allgemeiner Versicherungsbedingungen - für ein von ihm betriebenes Sonnenstudio in D bei der Beklagten eine Versicherung für Gewerbe und Verwaltungen, die u.a. auch Einbruchdiebstahlschäden umfasst.

2

Der Umfang der Versicherung ist in der Pauschaldeklaration u.a. wie folgt beschrieben:

I. Versichert werden ......:

1.
- die technische und kaufmännische Betriebseinrichtung einschl. Gebrauchsgegenstände der Betriebsangehörigen zum Neuwert - ohne Geld, Wertpapiere, Kraftfahrzeuge, Automaten/Zeitschalt-Automaten mit Geldeinwurf sowie deren Inhalt;

- die gesamten Vorräte (jedoch ohne Inhalt von Automaten mit Geldeinwurf);

- Vorsorge zum Ausgleich einer etwaigen Unterversicherung.

III. Zusätzliche Einschlüsse

Zusätzlich sind auf Erstes Risiko versichert .....:

Bargeld, Urkunden (z.B. Sparbücher und sonstige Wertpapiere), Brief- und Wertmarken

8.
in Panzergeldschränken .... (höchstens) 10.000 DM

9.
unter anderem Verschluss ....(höchstens) 1.000 DM

3

Bei einem Einbruchdiebstahl in der Nacht vom 27. zum 28.04.1997 sind dem Kläger 300 Chipkarten entwendet worden, die er - zur Benutzung von in seinen Betriebsräumen aufgestellten Geräten durch seine Kunden - hatte herstellen und elektronisch mit Werten von 100,-- oder 200,-- DM aufladen lassen. Mit einer derartigen Karte können auf dem Versicherungsgrundstück und in anderen vom Kläger betriebenen Sonnenstudios Geräteleistungen bis zum aufgespeicherten Wert in Anspruch genommen werden; der Kläger erstattet dem Inhaber einer solchen Karte bei Rückgabe außerdem ein beim Erwerb durch einen Kunden eingesetztes, durch Aufdruck auf der Karte von vornherein ausgewiesenes Pfand von 10,-- DM.

4

Die Herstellungskosten für die entwendeten Karten hat die Beklagte zusammen mit einem anderen Versicherer ersetzt. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger auch hinsichtlich der aufgespeicherten Nutzungswerte und der aufgedruckten Pfandbeträge zu entschädigen ist.

5

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die entwendeten Chipkarten fielen zumindest hinsichtlich der gespeicherten DM-Werte unter den Begriff Wertmarken und seien deshalb nur bis zur - bereits durch entwendetes und entschädigtes Bargeld erreichten - Obergrenze versichert gewesen. Es hat Ziffer III.1. der Deklaration des Versicherungsumfangs als Ausschluss behandelt und ausgeführt, Zweck dieses Ausschlusses sei es, das Risiko des Versicherers zu begrenzen, damit er nicht für den Verlust von anonymen Zahlungsmitteln wie Bargeld oder diesen gleichzusetzenden Brief- und Wertmarken einzustehen habe. Dass die Karten Betriebsabläufe erleichterten (keine Kasse) oder durch Rabatte Kundentreue erzeugen sollten, machten sie nicht zur - vollversicherten - Betriebseinrichtung.

6

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er beruft sich auf ein Urteil des OLG Karlsruhe (r+s 1998, 207), in dem Telefonkarten, die der Versicherungsnehmer zu Werbezwecken angeschafft hatte, als nach der vereinbarten Pauschaldeklaration - mit dem Herstellungswert - zu entschädigende Teile der Betriebseinrichtung bewertet worden sind.

7

Die Berufung hat keinen Erfolg. Dem angefochtenen Urteil ist zwar in seiner Begründung nicht zu folgen. Es erweist sich aber, wie im Senatstermin erörtert worden ist, im Ergebnis als richtig.

8

Das Landgericht hat übersehen, dass in der vorliegend vereinbarten Pauschaldeklaration - anders als in dem vom OLG Karlsruhe (r+s 1998, 207) entschiedenen Fall - der Begriff der Wertmarken nur im Rahmen des zusätzlichen Einschlusses zu Ziffer III.8. Verwendung gefunden hat, nicht aber, damit korrespondierend, bei der Beschreibung des Versicherungsumfangs in Ziffer I.1. ein entsprechender Ausschluss vorgesehen ist. Damit kommt es für den vorliegenden Fall weder darauf an, ob Chipkarten der dem Kläger entwendeten Art "zumindest hinsichtlich des im Chip gespeicherten DM-Werts" als Wertmarken im Sinn der vereinbarten Pauschaldeklaration anzusehen sind, wie das Landgericht gemeint hat, noch auf den Zweck irgendeines "Ausschlusses", wie ihn das Landgericht in Anlehnung an die Ausführungen des OLG Karlsruhe in seine Erwägungen einbezogen hat. Und es muss entgegen der Ansicht der Berufung auch nicht einmal verbindlich entschieden werden, ob die entwendeten Chipkarten ihrer Qualität nach den vom OLG Karlsruhe bewerteten Telefonkarten gleichzustellen sind, was der Senat freilich, wenn es darauf ankäme, bejahen würde. Es kann vielmehr ohne weiteres unterstellt werden, Dass die entwendeten Karten zur versicherten Betriebseinrichtung oder den versicherten Vorräten gehörten, was von der Beklagten zudem vorprozessual wie im Rechtsstreit zu keiner Zeit in Abrede genommen, vielmehr sogar zugestanden worden ist.

9

Denn auch dann ist die Klage nicht begründet. Entscheidend ist hier allein die Antwort auf die Frage nach dem Versicherungswert, und das ist - mangels von den Parteien vorgetragener abweichender Vereinbarungen - nach § 52 VVG der Wert der Sache. Wert der Sache in diesem Sinn ist aber im Zweifel der gemeine Wert (Prölss/Martin/Kollhosser, 26. Aufl., Rdnr. 7 zu § 52 VVG m.w.N.; Römer/Langheid, VVG, Rdnr. 11 zu § 52), hier der Wiederbeschaffungswert. Es kommt danach allein darauf an, welchen Betrag der Kläger aufwenden muss, um sich Chipkarten von gleicher Art und Güte wiederzubeschaffen; und dieser Betrag ist von der Beklagten und dem beteiligten weiteren Versicherer unstreitig durch Erstattung des an den Herstellungskosten neuer Chipkarten ausgerichteten Materialwerts ersetzt worden. Die hier abgeschlossene Einbruchdiebstahlversicherung ist eine Sachversicherung. Der dem Kläger durch die mögliche widerrechtliche Ausnutzung der auf die Chipkarten gespeicherten Nutzungswerte oder der aufgedruckten Pfandwerte an seinen Geräten oder an den Kassen seiner Studios drohende Vermögensschaden ist über Ziffer I.1. der Pauschaldeklaration nicht mitversichert.

10

Ob wegen das zusätzlichen Einschlusses (!) in Ziffer III.8. und 9. der Pauschaldeklaration und des dort verwendeten Begriffs der Wertmarken über die Entschädigung des Versicherungswerts nach Ziffer I.1. hinaus im Rahmen der insoweit vereinbarten Entschädigungsgrenzen etwas anderes gelten könnte, muss nicht entschieden werden, da diese Grenzen unstreitig durch Erstattung anderer Schäden bereits ausgeschöpft sind.