Landgericht Hildesheim
Beschl. v. 08.12.2006, Az.: 12 Qs 59/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 08.12.2006
- Aktenzeichen
- 12 Qs 59/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 43313
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHILDE:2006:1208.12QS59.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Peine - AZ: 26 Gs 354/06
Fundstelle
- StraFo 2007, 114-115 (Volltext mit red. LS)
In dem Ordnungswidrigkeitenverfahren
............
hat die 1. Kammer für Bußgeldsachen des Landgerichts Hildesheim auf die Beschwerde des Betroffenen vom 31.10.2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Peine vom 01.09.2006 (Az.: 26 Gs 354/06) am 08.12.2006 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Peine vom 01.09.2006 insoweit aufgehoben, als mit ihm die Beschlagnahme der bei der Durchsuchung bei dem Betroffenen aufgefundenen Gegenstände angeordnet wurde.
Die Region Hannover wird angewiesen, die Durchsicht der bei der Durchsuchung bei dem Betroffenen am 28.09.2006 sichergestellten Unterlagen bis spätestens 15.01.2007 abzuschließen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Betroffenen hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse zu tragen.
Gründe
I.
Die Region Hannover führt gegen den Betroffenen Ermittlungen wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung. Der Betroffene wird verdächtigt, andere Personen in erheblichem Umfang mit der Erbringung von Werkleistungen beauftragt zu haben, obwohl für diese eine erforderliche Gewerbeanzeige nicht abgegeben worden war und eine erforderliche Eintragung in die Handwerksrolle nicht vorlag. Auf Antrag der Region Hannover ordnete das Amtsgericht Peine mit Beschluss vom 01.09.2006 (Az.: 26 Gs 354/06) die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Betroffenen in xxx, xxx, seiner Person und der ihm gehörenden Sachen an und begründete die Durchsuchungsanordnung damit, dass zu vermuten sei, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Unterlagen führen werde, aus denen sich ergebe, ob und inwieweit der Betroffene Personen und Unternehmen mit der Erbringung von Dienst- und Werkleistungen des Dachdeckerhandwerkes und anderer Handwerke beauftragt habe, die diese Handwerke unerlaubt ausführten. Zugleich ordnete das Amtsgericht Peine mit diesem Beschluss ohne nähere Konkretisierung die "Beschlagnahme dieser bzw. solcher Gegenstände" gemäß §§ 94, 98 StPO i.V.m. § 46 OWiG an.
Die Durchsuchung wurde am 28.09.2006 durch Mitarbeiter der Region Hannover durchgeführt. Dabei wurden insgesamt acht Aktenordner des Betroffenen (drei Ordner Ausgangsrechnungen, drei Ordner Eingangsrechnungen, ein Ordner Bauvorhaben xxx und ein Ordner Bauvorhaben xxx) sichergestellt und zur Durchsicht mitgenommen. Die Mitnahme wurde auf die Beschlagnahmeanordnung im Beschluss des Amtsgerichts Peine vom 01.09.2006 gestützt. Die Auswertung dieser Unterlagen ist noch nicht abgeschlossen; sie befinden sich weiterhin im Gewahrsam der Region Hannover.
Gegen die Beschlagnahmeanordnung des Beschlusses des Amtsgerichts Peine vom 01.09.2006 hat der Betroffene mit anwaltlichem Schreiben vom 31.10.2006 Beschwerde eingelegt. Er trägt im Wesentlichen vor, die Beschlagnahme sei im Hinblick auf den erhobenen Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit nicht verhältnismäßig. Er habe die ihm zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit nicht begangen. Im Übrigen benötige er die sichergestellten Unterlagen zur Abgabe einer Steuererklärung. Der Beschlagnahmebeschluss sei aufzuheben; die Unterlagen seien an ihn herauszugeben.
II.
1.
Die Beschwerde ist zulässig. Die Beschränkung der Anfechtung des Beschlusses des Amtsgerichts Peine auf die in ihm enthaltene Beschlagnahmeanordnung ist statthaft, da die Beschlagnahmeanordnung gegenüber der nicht angefochtenen Durchsuchungsanordnung insoweit selbstständig ist, als ihre gesonderte Prüfung und Beurteilung möglich ist.
2.
Die Beschwerde ist auch begründet. Zwar ist die Verbindung einer Durchsuchungsanordnung mit einer Beschlagnahmeanordnung grundsätzlich zulässig. Dies gilt aber nur dann, wenn die in Beschlag zu nehmenden Gegenstände bereits im Einzelnen so genau bezeichnet werden können und im Beschluss bezeichnet werden, dass kein Zweifel darüber besteht, ob sie von der Beschlagnahmeanordnung erfasst sind oder nicht. Eine Beschlagnahmeanordnung muss sich auf konkrete und zweifelsfrei individualisierbare Einzelgegenstände beziehen (BVerfG, 2 BvR 1117/06 vom 14.06.2006; BVerfG, 2 BvR 27/04 vom 14.01.2004; BVerfG, NJW 2003, 26692670). Diesen Anforderungen genügt der Beschlagnahmebeschluss des AG Peine nicht. Die Bezeichnung der in Beschlag zu nehmenden Gegenstände als "Unterlagen, aus denen sich ergibt, ob und inwieweit der Betroffene Personen und Unternehmen mit der Erbringung von Dienst- und Werkleistungen des Dachdeckerhandwerkes und anderer Handwerke beauftragt hat, die diese Handwerke unerlaubt ausgeführt haben", stellt eine lediglich gattungsmäßige Umschreibung dar, die so allgemein gehalten ist, dass sie nur die Bedeutung einer Richtlinie für die Durchsuchung hat. Diese allgemein gehaltene Bezeichnung der Gegenstände, zu deren Auffinden die Durchsuchung dienen sollte, reicht zwar als Bezeichnung der Art der gesuchten Beweismittel für den Durchsuchungsbeschluss und für die Wahrung von dessen Begrenzungsfunktion aus, genügt aber nicht für die Wirksamkeit der Beschlagnahmeanordnung (vgl. insofern BVerfG, 2 BvR 27/04 vom 14.01.2004; BVerfG, NStZ 2002, 212213).
3.
Hieraus folgt aber nicht, dass die von der Region Hannover im Rahmen der am 28.09.2006 durchgeführten Durchsuchung sichergestellten Unterlagen unmittelbar an den Betroffenen zurückgegeben werden müssen. Denn die vorläufige Sicherstellung von im Rahmen einer Durchsuchungsmaßnahme aufgefundenen Unterlagen und ihre Mitnahme zur Durchsicht auf ihre potentielle Beweismittelrelevanz stellen keine Beschlagnahme dar, sondern sind vielmehr noch Teil der Durchsuchung. Die Sicherstellung und Mitnahme der bei dem Betroffenen aufgefundenen Aktenordner sind mithin im vorliegenden Fall von dem - vom Beschwerdeführer nicht angegriffenen und rechtlich auch nicht zu beanstandenden - Durchsuchungsbeschluss in Verbindung mit § 110 StPO gedeckt (vgl. BVerfG, NJW 2003, 26692670; BVerfG, NStZ 2002, 377378; BGH, NStZ 2003, 670671). Die Region Hannover ist allerdings gehalten, die Durchsicht der mitgenommenen Unterlagen zügig durchzuführen und zu einem Abschluss zu bringen. Im Hinblick auf den Umfang der zu sichtenden Unterlagen, die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage und die Bedeutung der Unterlagen für den Beschwerdeführer ist eine Frist für die Durchsicht bis zum 15.01.2007 angemessen, aber auch ausreichend. Die Rechte des Betroffenen sind insofern hinreichend geschützt, als gegen den vorläufigen Einbehalt von Unterlagen zur Durchsicht und die Modalitäten der Durchsicht ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 98 Abs. 2 S. 2 StPO statthaft ist (vgl. BVerfG, NStZ 2002, 377378).
Nach Beendigung der Durchsicht wird die Region Hannover hinsichtlich der Unterlagen, denen potentielle Beweismittelrelevanz für das Verfahren zukommt und die deshalb einbehalten werden sollen, einen Beschlagnahmebeschluss nach §§ 94, 98 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG herbeizuführen haben; die übrigen Unterlagen dagegen werden dann an den Beschwerdeführer herauszugeben sein (vgl. BGH, NStZ 2003, 670671).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 467 Abs. 1 StPO analog.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 310 Abs. 2 StPO).