Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 06.06.2024, Az.: 1 A 151/21

Ermessen; Feststellungsinteresse; Pflanzenschutzmittel; Substitutionskandidat; Zulassung eines Pflanzenschutzmittels, welches einen Substitutionskandidaten enthält, im Wege der gegenseitigen Anerkennung nach Verordnung (EG) Nr. 1107/2009

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
06.06.2024
Aktenzeichen
1 A 151/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 19053
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2024:0606.1A151.21.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Eine zugunsten der Klägerin in Großbritannien bestehende Zulassung ist nicht mehr geeignet, Grundlage einer gegenseitigen Anerkennung nach Art. 40 Abs. 1 Buchstabe a) i. V. m. Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zu sein, wenn nach dem Brexit eine neue Zulassung erteilt worden ist und damit rechtlich nicht mehr gewährleistet ist, dass auch neuere Entscheidungen und Rechtsvorschriften der Europäischen Union bei Entscheidungen der britischen Zulassungsbehörde Beachtung finden.

  2. 2.

    Im Rahmen des auf die Feststellung gerichteten Antrags, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, der Klägerin für den Zeitraum vor dem Brexit die begehrte Zulassung zu erteilen, mangelt es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse, wenn die ernsthafte Absicht, einen Schadensersatzanspruch bei den ordentlichen Gerichten geltend zu machen, nicht substantiiert dargelegt wird.

  3. 3.

    Die Entscheidung der Beklagten, ob sie ein Pflanzenschutzmittel, welches einen Substitutionskandidaten enthält, im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung zulässt, steht gemäß Art. 41 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in ihrem Ermessen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zulassung ihres Pflanzenschutzmittels "E." im Wege der gegenseitigen Anerkennung der von Großbritannien erteilten Zulassung sowie hilfsweise die Feststellung, dass die Beklagte jedenfalls für den Zeitraum vor dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union verpflichtet gewesen wäre, ihr die begehrte Zulassung zu erteilen.

Die Klägerin ist Inhaberin einer Zulassung für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel "E.". Bei dem streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittel handelt es sich um ein Fungizid. Es enthält den Wirkstoff "H.", der als Substitutionskandidat gemäß Art. 24 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 eingestuft ist. Die Zulassung des Wirkstoffs als Substitutionskandidat war zum Zeitpunkt der Antragstellung gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1796 bis zum 31. August 2020 gültig. Gemäß dem Anhang der Durchführungsverordnung (EU) 2023/2592 ist der Wirkstoff "H." aktuell bis zum 15. März 2026 genehmigt.

Mit Antrag vom 13. August 2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zulassung ihres Pflanzenschutzmittels "E." im Wege der gegenseitigen Anerkennung. Dieser Antrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 11. Dezember 2018 mit der Begründung abgelehnt, die Zulassungsvoraussetzungen seien nicht erfüllt. Mit dem Wirkstoff "H." enthalte das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel einen Substitutionskandidaten im Sinne von Art. 24 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Die Entscheidung über den Antrag stehe damit gemäß Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in ihrem Ermessen, welches dahingehend ausgeübt werde, den Antrag abzulehnen. Aufgrund der ungünstigen Stoffeigenschaften im Hinblick auf die Gesundheit von Mensch und Tier und den Naturhaushalt, die Substitutionskandidaten regelmäßig aufweisen würden, führe ein solcher Antrag nur dann zu einer Zulassung in Deutschland, wenn das beantragte Mittel für die landwirtschaftliche Praxis dringend benötigt werde und damit ein gesteigertes öffentliches Interesse an der Zulassung bestehe, das die Bedenken gegenüber dem Wirkstoff aufwiege. Dies sei vorliegend jedoch nicht gegeben. Für die beantragten Anwendungen existierten in Deutschland bereits diverse Zulassungen, womit eine ausreichende Bekämpfung gewährleistet werden könne. Ein zusätzlicher Nutzen des beantragten Mittels, der für die deutsche Landwirtschaft als dringend zu bezeichnen wäre, werde nicht gesehen. Mit Schreiben vom 20. November 2018 hat das Umweltbundesamt (UBA) der Ablehnung zugestimmt, das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sowie das Julius Kühn-Institut (JKI) haben mit Schreiben vom 27. November 2018 bzw. 26. November 2018 die ablehnende Entscheidung der Beklagten unterstützt.

Gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten legte die Klägerin am 10. Januar 2019 Widerspruch ein und begründete diesen mit Schreiben vom 14. Februar 2019 insbesondere damit, dass die Ablehnung ermessenfehlerhaft sei. Die Beklagte lege nicht dar, wie viele Zulassungen für die beantragten Anwendungen existierten, wann diese erteilt und ggf. verlängert worden sei und ab welcher Zahl von Zulassungen sie eine ausreichende Bekämpfung und ein vernünftiges Resistenz-Management als gegeben ansehe. Hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten, ein zusätzlicher Nutzen des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels für die Landwirtschaft werde nicht gesehen, habe sie außer Acht gelassen, dass es sich um ein generisches Produkt handele, bei welchem die Preise deutlich geringer seien, als bei bereits zugelassenen langjährigen Markenprodukten. Daran habe die deutsche Landwirtschaft ein erhebliches Interesse. Die Begründung der Ablehnungsentscheidung entspreche im Wortlaut exakt der Begründung weiterer Ablehnungsbescheide zu anderen Pflanzenschutzmitteln mit anderen Wirkstoffen (vgl. z. B. "E."). Es werde nicht deutlich, dass die Vorteile des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels im Rahmen der Ermessenserwägungen überhaupt berücksichtigt worden seien. Die Beklagte verhindere mit ihrer Entscheidung einen durch die günstigeren Preise für Generika positiv beeinflussten Wettbewerb. Zudem führe die Beklagte nicht näher aus, über welche ungünstigen Stoffeigenschaften der konkret betroffene Substitutionskandidat verfüge. Die Beklagte habe die Voraussetzungen für die Zulassung von Substitutionskandidaten gemäß Art. 50 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht ausreichend geprüft. Die Ablehnungsentscheidung verletze sie in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß Art. 14 Grundgesetz (GG) sowie ihrer Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 GG. Zudem liege eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes im Vergleich mit anderen Inhabern einer Zulassung mit dem betroffenen Wirkstoff als Substitutionskandidaten in Deutschland vor.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2019 zurück und führt zur Begründung im Wesentlichen aus, die beantragten Anwendungen für das Mittel "E." seien für den deutschen Markt als verzichtbar anzusehen, da ausreichend alternative Zulassungen für die beantragten Anwendungen bestünden. Eine Problematik, die eine Notfallzulassung gemäß Art. 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 notwendig machen würde, bestehe nicht. Die Klägerin habe keine dringende Notwendigkeit der Zulassung aus landwirtschaftlicher Sicht dargelegt. Wirkstoffe, die als Substitutionskandidaten eingestuft werden, könnten erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt haben. Deshalb seien sie als Wirkstoffe eingestuft worden, die ersetzt werden sollten. Der Wirkstoff "H." sei als Substitutionskandidat eingestuft worden, weil er die Kriterien für die Einstufung als persistent und toxisch und damit zwei Kriterien für die Einstufung als PBT-Stoff erfülle. Er sei hinsichtlich seiner Umweltauswirkungen als sehr kritisch anzusehen. Die Halbwertszeiten (DT50) im Wasser und Sediment von über einem Jahr lägen deutlich über den festgelegten Grenzwerten von 40 Tagen für Wasser und 120 Tagen für Sediment. Zudem sei der Wirkstoff gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 als reproduktionstoxisch Kategorie 2 eingestuft. Um die mit solchen Wirkstoffen verbundenen Risiken aufzuwiegen, sei eine Gefahr oder Bedrohung für die Pflanzenerzeugung notwendig. Dieser Maßstab sei angemessen und folge dem Willen des Verordnungsgebers. Die Anerkennung einer Zulassung für Pflanzenschutzmittel mit Substitutionskandidaten werde nicht grundsätzlich ausgeschlossen, die Hürden seien hierfür lediglich höher als die für Pflanzenschutzmittel mit vergleichsweise ungefährlicheren Wirkstoffen. Diesen Willen drücke der Verordnungsgeber durch die von ihm beschlossene Ausnahmeregelung aus. Hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin zur Wettbewerbssituation sei darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung über die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels ausschließlich durch Recht, das im konkreten Kontext keine Berücksichtigung der Marktsituation bei der Entscheidung vorsehe, und Wissenschaft begründet werden dürfe. Andernfalls käme dies einer staatlichen Regulierung des Marktes gleich. Eine Beachtung der Marktsituation könne daher bei dieser Entscheidung nicht erfolgen. Zudem könne nicht beachtet werden, ob es sich bei dem Antragsteller um einen Erstzulassungsinhaber oder um einen Generika-Hersteller handele. Aus Erwägungsgrund 24 der Verordnung Nr. 1107/2009 ergebe sich, dass der Schutz von Gesundheit und Umwelt Vorrang haben solle vor dem Ziel der Verbesserung der Pflanzenproduktion. Vor diesem Hintergrund sei es gerechtfertigt, die wirtschaftlichen Belange von Landwirten und damit mittelbar auch von Unternehmen, die Pflanzenschutzmittel in Verkehr bringen, hinter die Belange des Gesundheits- und Umweltschutzes zurückzustellen.

Die Klägerin hat am 2. August 2019 Klage erhoben und begründet diese unter Bezugnahme auf die Widerspruchsbegründung vom 14. Februar 2019 ergänzend insbesondere wie folgt: Die Anerkennungsfähigkeit scheitere entgegen der Ansicht der Beklagten nicht daran, dass es sich um eine sogenannte Me-Too-Zulassung handele. Me-Too-Zulassungen würden für generische Produkte in zahlreichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemäß Art. 34 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erteilt. Die Zulassung generischer Produkte sei sowohl im Arzneimittel- als auch im Pflanzenschutzmittelrecht seit Jahrzehnten rechtlich anerkannt. Generische Produkte seien nach der Rechtsprechung der Kammer anerkennungsfähig. Daran habe sich auch durch das Urteil des EuGH vom 25. April 2024 in dem Verfahren C-308/22 nichts geändert. Die Beklagte habe das ihr zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da sie eine formelhafte Begründung verwendet habe. Sie habe im Widerspruchsverfahren keine Produkte benannt, die nach ihrer Auffassung eine ausreichende Bekämpfung gewährleisteten, und nicht dargelegt, warum diese ein vernünftiges Resistenz-Management zuließen. Die Beklagte habe nicht erkennen lassen, dass sie den individuellen Sachverhalt richtig und vollständig ermittelt habe. Sie ziehe den Kreis möglicher Zulassungen von Substitutionskandidaten ohne entsprechende gesetzliche Grundlage viel zu eng. Bei Substitutionskandidaten handele es sich um genehmigte Wirkstoffe und es gebe zahlreiche Beispiele dafür, dass Substitutionskandidaten später gerade nicht substituiert worden seien. Zudem berücksichtige die Beklagte nicht, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittel um das einzige generische Produkt mit dem Wirkstoff handele und generische Produkte deutlich preisgünstiger seien. Erwägungsgrund 24 der Verordnung Nr. 1107/2009 werde von der Beklagten nicht zutreffend geprüft. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten dürften die wirtschaftliche Bedeutung einer Zulassung sowie die Marktsituation Berücksichtigung finden. Das Ziel, die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt zu schützen, hätte zwar Vorrang vor dem Ziel, die Pflanzenproduktion zu verbessern. Die Verbesserung der Pflanzenproduktion sei demnach aber in die Ermessenserwägungen miteinzubeziehen und nicht vollständig außer Acht zu lassen. In Bezug auf die Einstufung des Wirkstoffs "H." als Substitutionskandidat erfolge die Auseinandersetzung der Beklagten zu oberflächlich; inwieweit die Grenzwerte überschritten würden, werde beispielsweise nicht dargelegt. Es erscheine fraglich, ob die Beklagte die gleichen Grenzwerte zugrunde lege wie der prüfende Mitgliedstaat. Der Wirkstoff sei in 28 weiteren Mitgliedstaaten zugelassen. Die Beklagte habe nicht dargelegt, warum die von ihr zugrunde gelegten negativen Eigenschaften des Wirkstoffs der positiven Zulassungsentscheidung des prüfenden Mitgliedstaates innerhalb derselben Zone entgegenstünden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die von der Beklagten mit demselben Wirkstoff in Deutschland zugelassenen Produkte eine andere Einschätzung hinsichtlich ihrer Zulassungsfähigkeit rechtfertigten. Es werde nicht deutlich, ob die angenommenen negativen Aspekte des Wirkstoffs nicht in derselben Weise auch bei den anderen von der Beklagten zugelassenen Produkten vorlägen und weshalb das Produkt der Klägerin für nicht zulassungsfähig gehalten werde. Überdies sei zu berücksichtigen, dass sich die Menge der in Deutschland eingesetzten Pflanzenschutzmittel durch eine weitere Zulassung nicht erhöhen würde. Es liege ein Ermessensdefizit vor, da die Beklagte nicht alle relevanten Tatsachen ermittelt und berücksichtigt habe. Zudem verkenne sie, dass sie dem Grundprinzip des zonalen Zulassungsverfahrens verpflichtet sei, wonach Pflanzenschutzmittel, die bereits eine Zulassung erhalten haben, auch wenn sie einen oder mehrere Substitutionskandidaten enthalten generell zulassungsfähig seien. Der Verordnungsgeber habe der Beklagten im Rahmen des Art. 41 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nur einen einschränkten Ermessensspielraum zuerkannt. Auch Art. 41 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sei im Gesamtkontext der Regelung auszulegen. Gemäß Art. 41 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sei die Beklagte grundsätzlich verpflichtet, eine Zulassung im Wege der gegenseitigen Anerkennung unter den gleichen Bedingungen wie der den Antrag prüfende Mitgliedstaat auszusprechen. Ein eigener Entscheidungsspielraum verbleibe der Beklagten insoweit nur hinsichtlich des Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, der auch bei der gegenseitigen Anerkennung Anwendung findet. Danach sei eine von der Beurteilung des Referenzmitgliedstaates abweichende Sachentscheidung nur möglich, wenn der Nachweis unterschiedlicher ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen und dadurch entstehend unannehmbarer Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt geführt werde. Unterschiedliche ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen in Deutschland und in Großbritannien seien von der Beklagten nicht vorgetragen worden. Aus den vom Verordnungsgeber mit Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 für jegliche Abweichung von der Entscheidung des prüfenden Mitgliedstaates im Rahmen des zonalen Zulassungsverfahrens vorgesehenen hohen rechtlichen Hürden sei das Prinzip abzuleiten, dass die Gewährung einer gegenseitigen Anerkennung bei positiver Entscheidung des Referenzmitgliedstaates den Regelfall darstelle und eine Abweichung nur bei unannehmbar Risiken des Betroffenen Pflanzenschutzmittels für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt möglich sei. So liege es auch hier. Die Darlegungs- und Beweislast für etwaige abweichende Faktoren und Ausnahmevoraussetzungen liege bei der Zulassungsbehörde. "Kann-Vorschriften" würden nicht zwingend der Behörde ein Ermessen einräumen. Der der Beklagten im vorliegenden Fall eingeräumte Ermessensspielraum sei auf Null reduziert, denn die Abwägung führe zu dem Ergebnis, dass die herangezogenen Gründe sich als nicht stichhaltig erwiesen hätten und lediglich Aspekte zugunsten der Antragstellerin übrigblieben. Zudem habe die Beklagte mit ihrer Entscheidung gegen Art. 50 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verstoßen, da sie eine vergleichende Bewertung nicht vorgenommen habe. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass ein bereits zugelassenes Pflanzenschutzmittel eine deutlich höhere Sicherheit für die Umwelt biete als das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel. Darüber hinaus fordere die Verordnung als weitere Voraussetzung für die Verweigerung einer Zulassung eines Pflanzenschutzmittels mit Substitutionskandidaten, dass die Substitution durch bereits zugelassene Pflanzenschutzmittel oder eine nicht chemische Bekämpfungs- oder Präventionsmethode keine wesentlichen wirtschaftlichen oder praktischen Nachteile aufweise. Dies habe die Beklagte in Abrede gestellt, indem sie in ihrem Widerspruchsbescheid darauf hingewiesen habe, dass wirtschaftliche Aspekte bei ihrer Entscheidung keine Rolle gespielt hätten. Ihr würde ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil entstehen, wenn sie von ihrem bereits in Großbritannien zugelassenen Pflanzenschutzmittel nicht gleichzeitig auch in Deutschland durch eine entsprechende Gewährung und Anerkennung dieser im prüfenden Mitgliedstaat bereits bestehenden Zulassung ebenfalls Gebrauch machen könne. Die ihr gewährte Referenzzulassung würde durch die ab Ablehnung der gegenseitigen Anerkennung entwertet. Denn sie dürfe auch bei Pflanzenschutzmittel mit Substitutionskandidaten darauf vertrauen, dass die innerhalb derselben Zone gewährte Zulassung auch in anderen Mitgliedstaaten anerkennungsfähig sei. Durch die Ablehnung werde sie in ihren Eigentumspositionen, ihrer Dispositionsfreiheit sowie ihrer Wettbewerbsfähigkeit ungerechtfertigt benachteiligt. Jedenfalls vor dem Brexit habe sie einen Anspruch auf gegenseitige Anerkennung des Produktes in Deutschland gemäß ihrem Zulassungsantrag vom 13. August 2018 gehabt. Die ursprünglich maßgebliche Zulassung sei von Großbritannien am 15. August 2018 und damit vor dem Brexit erteilt worden. Nach der Rechtsprechung der Kammer sei eine vor dem Brexit erteilte Zulassung grundsätzlich anerkennungsfähig. Die letzte Zulassungsentscheidung Großbritanniens sei zwar am 4. April 2022 erfolgt, entscheidend sei jedoch der "statische Zulassungszeitpunkt", also die vor dem Brexit getroffene Zulassungsentscheidung. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Pflanzenschutzmittel inhaltlich nicht verändert worden sei. Die Beklagte habe dadurch, dass sie nicht innerhalb der Frist von 120 Tagen die begehrte gegenseitige Anerkennung erteilt habe, verfahrensfehlerhaft gehandelt. Wäre ihr Antrag innerhalb der Frist positiv beschieden worden, hätte sich die aufgrund des Brexit entstandene Problematik nicht gestellt. Aus dem rechtswidrigen Verhalten der Beklagten dürfe ihr ebenso wenig ein Nachteil entstehen wie aus dem zwischenzeitlichen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Ihr sei durch die nicht mögliche Vermarktung ihres Produktes in den Jahren 2019 und 2020 infolge der rechtswidrigen Ablehnungsentscheidung der Beklagten ein Schaden entstanden. Die dadurch entgangenen finanziellen Gewinne seien gegebenenfalls im Wege einer Schadensersatzklage geltend zu machen.

Die Klägerin beantragt wörtlich,

  1. 1.

    die Beklagte zu verpflichten, ihr die am 13. August 2018 beantragte gegenseitige Anerkennung des Pflanzenschutzmittels "E." gemäß Art. 41 Abs. 2 lit. b) der Verordnung Nr. 1107/2009 zu erteilen;

    hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über ihren vorbezeichneten Zulassungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts erneut zu entscheiden;

  2. 2.

    weiter hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen ist, ihr die vorbezeichnete Zulassung für die Jahre 2019 und 2020 und damit vor dem Austritt des prüfenden Mitgliedstaates Vereinigtes Königreich aus der Europäischen Union zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

und führt zur Begründung insbesondere aus, dass die Zulassung vom 15. August 2018 aufgrund des zwischenzeitlich erfolgten Brexit nicht anerkennungsfähig sei. Der Brexit hätte der Anerkennungsfähigkeit zwar nicht im Wege gestanden. Die nunmehr bestehende Zulassung sei jedoch im April 2022 erteilt worden. Dabei handele es sich um eine Neuerteilung, wie sich neben dem Wortlaut ("Authorisation") auch dem zeitlich vorgelagerten Ablauf der vorhergehenden Zulassung entnehmen lasse. Bei Erlass der nunmehr maßgeblichen Zulassung im April 2022 sei Großbritannien nicht mehr Mitglied der Europäischen Union gewesen, so dass es sich nicht mehr um eine Zulassung nach Art. 29 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 handele. Rechtsgrundlage für die Verlängerung sei nicht mehr die auf europäischer Ebene geltende Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, sondern die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, soweit sie in Großbritannien Geltung entfalte als Bestandteil nationalen Rechts. Zudem handele es sich um eine sogenannte Me-Too-Zulassung. Im Verfahren zur Erteilung einer solchen Zulassung erfolge lediglich ein Abgleich zwischen dem beantragten Pflanzenschutzmittel und einem bereits zugelassenen Referenzmittel hinsichtlich der physikalisch-chemischen Daten und der Zusammensetzung und es würden weder weitergehende Studien eingereicht, noch erfolge eine aktuelle Bewertung des Pflanzenschutzmittels. Art. 34 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sei keine Rechtsgrundlage für eine eigene Antragsart; vielmehr kenne die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 keine Me-Too-Zulassungen. Aus den Urteilen des EuGH vom 25. April 2024 in den Rechtssachen C-308/22 sowie den verbundenen Rechtssachen C-309/22 und C-310/22 folge, dass Me-Too-Zulassungen nicht anerkennungsfähig sein könnten, weil wesentliche Vorgaben des Verfahrensrechts (Bewertung nach neuestem Stand von Wissenschaft und Technik, Erstellung eines Bewertungsberichts im abgestimmten Format, Durchführung einer Kommentierung) bei ihnen gerade nicht eingehalten würden. Überdies stünde die gegenseitige Anerkennung vorliegend gemäß Art. 40 i. V. m. Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in ihrem Ermessen. Im Rahmen ihrer Ermessensausübung habe sie sich unter anderem davon leiten lassen, dass der Wirkstoff "H." als Substitutionskandidat eingestuft worden sei. Gemäß Art. 24 i. V. m. Anhang 2 Nr. 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 würden als Substitutionskandidaten nur solche Wirkstoffe eingestuft, die hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit und/oder die Umwelt als kritisch einzustufen seien und zwar insbesondere im Vergleich mit anderen Wirkstoffen, die vergleichbaren Zwecken dienten. Es sei erklärtes Ziel des Verordnungsgebers, Pflanzenschutzmittel, die solche Wirkstoffe enthalten, durch weniger gefährliche Wirkstoffe/Pflanzenschutzmittel bzw. auch durch nicht chemische Bekämpfungsmethoden zu ersetzen (vgl. Erwägungsgrund 19 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009). Ausdruck dieser Ersetzungsstrategie sei unter anderem, dass Substitutionskandidaten nur für einen Zeitraum von 7 Jahren genehmigt würden im Vergleich zu der üblichen Genehmigungsdauer von 10 Jahren (Art. 5 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009) bzw. 15 Jahren (Art. 14 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009). Das Ermessen im Sinne des Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sei nach ihrer Auffassung im Sinne des Substitutionsgedankens auszuüben. Diese Auffassung werde durch die Einschätzung des EuGH (Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-309/22 und C-310/22) bestätigt, wonach bei der Erteilung pflanzenschutzrechtlicher Zulassungen das Ziel, die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt zu schützen, Vorrang habe vor dem Ziel, die Pflanzenproduktion zu verbessern. Während der Gesetzgeber im Rahmen der gegenseitigen Anerkennung innerhalb einer Zone grundsätzlich von einer Verpflichtung zur Übernahme ausgehe, wolle er im Falle eines Substitutionskandidaten diesen Grundsatz nicht gelten lassen. Das Ermessen habe sich an den Zielsetzungen der vergleichenden Bewertung zu orientieren. Abzuwägen seien daher die Belange der landwirtschaftlichen Erzeugung gegen das Interesse der Allgemeinheit am weitgehenden Verzicht auf Pflanzenschutzmittel mit den entsprechenden kritischen Wirkstoffen. Nach der Verordnung solle eine Ersetzung entsprechender Pflanzenschutzmittel erfolgen, so dass nicht jeder, sondern nur ein gesteigerter Nutzen eine Zulassung rechtfertigen würde. Ein gesteigerter Bedarf an der Zulassung bestünde beispielsweise, wenn die reguläre Zulassung eines Mittels mit einem Substitutionskandidaten die Beantragung von Notfallzulassungen gemäß Art. 53 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 entbehrlich machen würde. Eine detaillierte vergleichende Bewertung, wie sie Art. 50 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorsehe, sei bei der gegenseitigen Anerkennung nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht erforderlich. Andernfalls hätte Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 schlicht auf Art. 50 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verweisen können. Zudem sei die kurze Bearbeitungsfrist von 120 Tagen im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung zu beachten. Für die vorliegend beantragten Anwendungen existierten in Deutschland bereits diverse Zulassungen für Fungizide mit demselben oder anderen Wirkstoffen, womit eine ausreichende Bekämpfung gewährleistet sei und auch ein ausreichendes Resistenz-Management durchgeführt werden könne. Die Einstufung des Wirkstoffs gehe zurück auf den Eintrag in der von der Kommission bereitgestellten und fortlaufend aktualisierten Datenbank. Laut Erwägungsgrund 6 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/408 erfülle der Wirkstoff die Kriterien für die Einstufung als persistenter und toxischer Stoff (PBT-Stoff) und wurde aus diesem Grund nach Anhang II, Nr. 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in die Liste der Substitutionskandidaten aufgenommen. Der Wirkstoff erfülle die Kriterien nach Anhang II, Nr. 3.7.2.1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 für das Kriterium Persistenz im Wasser (Halbwertszeit > 40 Tage) und das Kriterium der Toxizität für die Reproduktion (Nr. 3.7.2.3). Entsprechende der "Conclusion on the peer review oft he pesticide risk assessment oft he active substance difenoconazole" (EFSA Journal 2011; 9 (1):1967) betrage die Halbwertszeit im Wasser, die zur Errechnung der Wasserkonzentration genutzt worden sei, 365 Tage. Dieser Werte läge deutlich über dem oben genannten Grenzwert von 40 Tagen. Hinsichtlich des Kriteriums Toxizität für die Reproduktion habe der Wirkstoff eine Legal-Einstufung bei der European Chemicals Agency (ECHA) gemäß der ATP07 mit Repr. 2 und erfülle damit auch dieses Kriterium eindeutig. Den Risiken des Pflanzenschutzmittels stehe daher keine Erforderlichkeit des Pflanzenschutzmittels seitens der Praxis gegenüber. Die Entbehrlichkeit einer Notfallzulassung sei ein Kriterium, dass sie eigenständig im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens entwickelt habe und als verwaltungsinterne "Richtlinie" für die Bearbeitung einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle heranziehe. Seit 2003 sei lediglich einmal eine Notfallzulassung für ein Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff "H." erteilt worden, welche auf die Kultur Sommerraps beschränkt gewesen sei. Weitere Notfallzulassungen seien nicht erforderlich, da hier zwischenzeitlich Zulassungen bestehen würden. Sie habe sich entgegen der Ansicht der Klägerin mit den wirtschaftlichen Aspekten ihrer Entscheidung auseinandergesetzt. Bei der Ermessensentscheidung spiele jedoch keine Rolle, ob die Zulassung zu mehr Wettbewerb und sinkenden Preisen führen würde. Die Substitution diene nicht der Gewährleistung von Wettbewerb und trete auch nicht zu Gunsten des Wettbewerbs zurück. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass jedes zusätzliche (auch nicht generische) Produkt am Markt tendenziell den Wettbewerb erhöhen und zu sinkenden Preisen führen könne. Wäre dieser Umstand abwägungsrelevant, würde er nahezu immer dazu führen, dass die Zulassung anerkannt werden müsste und die Substitutionsprüfung damit weitgehend ins Leere liefe. Das Ziel der Substitution nach dem Willen des Verordnungsgebers sei erreicht, wenn sich auch bei quantitativ gleichbleibendem Verbrauch die Qualität der zur Verfügung stehenden Produktpalette verbessern würde. Sämtliche von der Klägerin genannten Umstände seien bei der Entscheidungsfindung von ihr berücksichtigt, im Ergebnis aber unterschiedlich rechtlich bewertet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist hinsichtlich des Antrages zu 1. als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat die Klage jedoch sowohl mit ihrem Haupt- als auch mit ihrem Hilfsantrag keinen Erfolg.

Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2018 und der Widerspruchbescheid vom 26. Juni 2019 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, soweit darin für sie die Erteilung der beantragten Zulassung abgelehnt worden ist (§ 113 Abs. 5 VwGO). Denn die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Zulassung für ihr Pflanzenschutzmittel "E." im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung noch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung ihres Zulassungsantrags, da die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.

Es handelt sich vorliegend um ein Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach Art. 40 ff. Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, wobei sich die Anspruchsgrundlage für die Erteilung der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung im Wege der gegenseitigen Anerkennung einer Zulassung mit Substitutionskandidaten in Art. 40 Abs. 1 Buchstabe a) i. V. m. Art. 41 Abs. 1 und Abs. 2 Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 findet. Art. 40 Abs. 1 Buchstabe a) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sieht vor, dass der Inhaber einer nach Art. 29 der Verordnung gewährten Zulassung eine Zulassung für dasselbe Pflanzenschutzmittel, für dieselben Verwendungen und unter vergleichbaren landwirtschaftlichen Bedingungen in einem anderen Mitgliedstaat im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung u. a. dann beantragen kann, wenn die Zulassung von einem Mitgliedstaat (Referenzmitgliedstaat), der zur selben Zone gehört, erteilt wurde.

Unabhängig davon, ob das Pflanzenschutzmittel einen Substitutionskandidaten enthält, ist grundlegende Voraussetzung für die Erteilung der Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel im Wege der gegenseitigen Anerkennung, dass eine nach Art. 29 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gewährte Zulassung vorliegt, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erteilt worden ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Vor dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union hat das erkennende Gericht in diesem Zusammenhang entschieden, dass eine von Großbritannien vor dem Austritt aus der Europäischen Union in Anwendung der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erteilte Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel diese Voraussetzungen erfüllt, auch wenn es zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Austritt kommen sollte. Denn im Zeitpunkt der Erteilung der Zulassung ist Großbritannien in dieser Konstellation noch Mitgliedstaat der Europäischen Union gewesen und hat die Zulassung in Anwendung des in diesem Zeitpunkt auch für sein Hoheitsgebiet unmittelbar geltenden europäischen Rechts der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erteilt. Es ist damit gewährleistet, dass die Zulassung nach den einheitlichen rechtlichen Regelungen erteilt wurde, die nach einem etwaigen Austritt Großbritanniens für die in der Europäischen Union verbleibenden Mitgliedstaaten fortgelten (Beschl. d. Gerichts v. 03.04.2019 - 9 B 23/19 -, V. n. b.). Dieser Rechtsprechung hat sich das Nds. Oberverwaltungsgericht angeschlossen und ausgeführt, dass anders als bei der Frage der Zulässigkeit des Parallelhandels von Pflanzenschutzmitteln, der ein dynamisches Verfahren mit fortdauernden Mitwirkungspflichten des Ursprungsmitgliedstaates zum Inhalt hat und daher eine fortbestehende Genehmigung in dem Ursprungsmitgliedstaat erfordert, im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung einer von dem betreffenden Mitgliedstaat (Großbritannien) erteilten Zulassung des Pflanzenschutzmittels lediglich erforderlich ist, dass die Zulassung nach den einheitlichen rechtlichen Regelungen im Zulassungszeitpunkt im prüfenden Mitgliedstaat erteilt worden ist. Maßgeblich ist dabei der statische Zulassungszeitpunkt (Nds. OVG, Beschl. v. 06.12.2019 - 10 ME 225/19 -, juris, Rn. 29).

Die in dem für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Zulassung kann allerdings nicht (mehr) als eine von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nach den im Gemeinschaftsgebiet einheitlich geltenden rechtlichen Regelungen erteilte Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel betrachtet werden und stellt deshalb keine geeignete Grundlage für eine gegenseitige Anerkennung nach Art. 40 Abs. 1 Buchstabe a) i. V. m. Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 dar.

Zwar hat Großbritannien die Zulassung des Pflanzenschutzmittels "E." ursprünglich mit Bescheid vom 15. August 2018 als Mitgliedstaat der Europäischen Union unter der unmittelbaren Geltung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erteilt. Zuletzt hat Großbritannien mit Bescheid vom 4. April 2022 (Authorisation for a plant protection product) die Zulassung jedoch neu erteilt. Dabei handelt es sich um eine neue Zulassung für das Pflanzenschutzmittel "E." (vgl. Kopfzeile des Bescheides: "Authorisation for a Plant Protection Product") mit einer neuen Authorisation Number.

Bei Erlass des nunmehr maßgeblichen Zulassungsbescheides vom 4. April 2022 war Großbritannien nicht mehr Mitgliedstaat der Europäischen Union. Großbritannien hat die Europäische Union mit Wirkung zum 1. Januar 2021 verlassen. Die Erteilung der Zulassung ist in Großbritannien nicht in Anwendung unmittelbar geltenden Gemeinschaftsrechts erfolgt. Der Bescheid vom 4. April 2022 verweist zwar auf die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. In den erläuternden Anmerkungen (Explanatory Notes) wird aber klargestellt, dass die Bezugnahme auf die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in Bezug auf Großbritannien (nur in dem Umfang) auf die Verordnung verweist, soweit sie für Großbritannien Wirkung entfaltet (vgl. Ziff. 5 S. 1 und 2 der Explanatory Notes: "In this notice Regulation [EC] No 1107/2009 means: In relation to Great Britain, Regulation [EC] No 1107/2009 as it has effect in Great Britain"). Ein solcher Hinweis findet sich in dem Zulassungsbescheid Großbritanniens vom 15. August 2018 dagegen nicht. Hintergrund ist, dass die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Großbritannien seit dem 1. Januar 2021 nach einem eigenständigen regulatorischen Regime erfolgt. In seinem Internetauftritt führt die britische Zulassungsbehörde Health and Safety Executive (HSE) aus, dass ab dem 1. Januar 2021 in Großbritannien (England, Schottland und Wales) ein unabhängiges Regulierungssystem für Pflanzenschutzmittel gilt ("From 1 January 2021, an independent pesticides regulatory regime is in operation in Great Britain [England, Scotland and Wales]"; abzurufen unter https://www.hse.gov.uk/pesticides/brexit.htm). Neue Entscheidungen, die im Rahmen des Regelwerks der Europäischen Union getroffen werden, gelten danach nicht in Großbritannien. Dazu gehören Entscheidungen zu Wirkstoffen und Rückstandshöchstgehalten und alle neuen EU-Rechtsvorschriften für Pflanzenschutzmittel ("New decisions taken under the EU regime will not apply in Great Britain. This includes active substances and maximum residue level [MRL] decisions and any new EU plant protection product [PPP] legislation."). Zudem weist die britische Zulassungsbehörde darauf hin, dass das gesamte einschlägige EU-Recht in Bezug auf die Regulierung von Pflanzenschutzmitteln, das am 31. Dezember 2020 in Kraft war, in das britische Recht übernommen wurde. ("All relevant EU law in relation to the regulation of plant protection products in force on 31 December 2020 was retained in GB law."). Die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 bedeutet in Bezug auf Großbritannien die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, wie sie in Großbritannien in Kraft ist ("Regulation (EC) 1107/2009 means: In relation to Great Britain, Regulation (EC) 1107/2009 as it has effect in Great Britain."). Die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erfolgt dementsprechend in Großbritannien ausschließlich als Bestandteil des nationalen Rechts und nicht kraft unmittelbarer Geltung. Nach dem Austritt aus der Europäischen Union besteht keinerlei Bindung Großbritanniens an das europäische Recht betreffend die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln mehr. Abweichungen sind nach nationalen Maßgaben jederzeit möglich und rechtlich zulässig. Dies kommt auch in dem Hinweis der britischen Zulassungsbehörde zum Ausdruck, dass neue Entscheidungen und Rechtsvorschriften der Europäischen Union in Großbritannien nicht zur Geltung kommen, womit zugleich deutlich wird, dass die Gewähr für die Erteilung der Referenzzulassung nach einheitlichen, harmonisierten europäischen Maßgaben unter diesen Bedingungen nicht mehr gegeben ist. Diese Gewähr bildet jedoch die Grundlage für das System der gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (vgl. Urt. d. Gerichts v. 17.03.2022 - 1 A 104/21 -, juris).

Die zugunsten der Klägerin in Großbritannien bestehende Zulassung für das Pflanzenschutzmittel "E." ist deshalb im Ergebnis nicht mehr geeignet, Grundlage einer gegenseitigen Anerkennung nach Art. 40 Abs. 1 Buchstabe a) i. V. m. Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zu sein. Fehlt es damit bereits im Ausgangspunkt an einer für die gegenseitige Anerkennung geeigneten Zulassung, kommt es auf die Frage, nach welchen Grundsätzen über die Erteilung einer Zulassung im Wege der gegenseitigen Anerkennung zu entscheiden ist, wenn das Pflanzenschutzmittel einen Substitutionskandidaten enthält, und die Frage, ob die Beklagte das ihr insoweit in Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, nicht mehr an.

Der Hilfsantrag hat demnach ebenfalls keinen Erfolg.

Der Klageantrag zu 2., mit dem die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet gewesen ist, der Klägerin die begehrte Zulassung für die Jahre 2019 und 2020 und damit für den Zeitraum vor dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union zu erteilen, bleibt ohne Erfolg.

Der Feststellungsantrag der Klägerin umfasst sowohl eine Forstsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als auch eine Feststellungklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO. Ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren hat die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des im Klageverfahren eingetretenen erledigenden Ereignisses bzw. unmittelbar vor Eintritt dieses Ereignisses zum Gegenstand. Soweit sich die begehrte Feststellung auch auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum vor Eintritt des erledigenden Ereignisses bezieht, beinhaltet der Klageantrag eine Feststellungsklage im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO (vgl. allg.: BVerwG, Urt. v. 28.04.1999 - 4 C 4/98 -, juris; Nds. OVG, Urt. v. 15.05.2009 - 12 LC 51/07 -, juris; Urt. d. Gerichts vom 28.05.2020 - 9 A 495/17 -, V.n.b. und vom 04.09.2019 - 9 A 489/17 und 9 A 383/17 -, V.n.b.).

Sowohl die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als auch die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO, die zumindest insoweit einschlägig ist, als es der Klägerin um die Feststellung in der Vergangenheit liegender Zeiträume vor Eintritt des erledigenden Ereignisses geht, sind vorliegend unzulässig und unbegründet.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO geregelt. Die Vorschrift bezieht sich nach Wortlaut und Systematik nur auf den Fall einer Anfechtungsklage, die unzulässig geworden ist, weil sich der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung erledigt hat und damit die mit der Anfechtungsklage bekämpfte beschwerende Regelung weggefallen ist. Die Fortsetzungsfeststellungsklage soll verhindern, dass ein Kläger, der infolge eines erledigenden Ereignisses seinen ursprünglichen Antrag nicht weiter verfolgen kann, um die "Früchte" der bisherigen Prozessführung gebracht wird, insbesondere dann, wenn das Verfahren unter entsprechendem Aufwand einen bestimmten Stand erreicht hat und sich mit der Erledigung des ursprünglichen Antrags die Frage stellt, ob dieser Aufwand nutzlos gewesen sein soll und der Kläger wegen der (häufig nicht auf sein Verhalten zurückgehenden) Erledigung in diesem Verfahren leer ausgehen muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.01.1992 - 7 C 24/91 -, juris; Urt. v. 18.04.1986 - 8 C 84/84 -, juris). Auf die Verpflichtungsklage ist die Vorschrift entsprechend anzuwenden (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.04.1999 - 4 C 4/98 -, juris; OVG Schl.-Holst, Urt. v. 03.11.2022 - 1 LB 11/16 -, juris). Hat sich der Verwaltungsakt erledigt, so spricht das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage setzt voraus, dass der Klägerin das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der von ihr begehrten Feststellung zur Seite steht. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein und sich insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch ergeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.02.2023 - 1 C 19/21 -, juris Rn. 15 f.; Urt. v. 16.05.2013 - 8 C 14/12 -, juris Rn. 20; Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: März 2023 § 113 Rn. 123).

Vorliegend ist die Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig, weil die Klägerin das für die Zulässigkeit erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung nicht hinreichend dargelegt hat. Das erforderliche berechtigte Feststellungsinteresse folgt insbesondere nicht aus einem Präjudizinteresse wegen der Absicht der Erhebung einer Schadensersatz- bzw. Amtshaftungsklage gegen die Beklagte.

Soll eine Fortsetzungsfeststellungsklage der Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses vor den Zivilgerichten dienen, ist ein berechtigtes Feststellungsinteresse gegeben, wenn die Erledigung erst nach Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten ist, die Schadensersatzklage entweder schon anhängig oder ihre alsbaldige Erhebung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten und die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.02.2019 - 1 WB 5/18 -, juris; Beschl. v. 21.01.2015 - 4 B 42/14 -, juris; Beschl. v. 09.03.2005 - 2 B 111/04 -, juris; Nds. OVG, Beschl. v. 16.04.2024 - 14 LA 41/24 -, juris). Die unsubstantiierte oder nur aus prozesstaktischen Gründen aufgestellte Behauptung, einen Schadensersatzprozess führen zu wollen, genügt hierfür nicht (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 29.08.2007 - 10 LA 31/06 und v. 16.04.2024 - 14 LA 41/24 -, juris). Vielmehr muss der Kläger substantiiert darlegen, was er konkret anstrebt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.11.2007 - 2 LA 423/07 -, juris Rn. 7; Decker, in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK, Stand: Januar 2024, § 113 VwGO Rn. 87.3). Die Weiterführung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens soll dazu dienen, einen Staatshaftungsprozess vor den Zivilgerichten vorzubereiten und sich auf diese Weise die bisherigen Ergebnisse des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über § 121 VwGO für den nachfolgenden Schadensersatzprozess vor dem Zivilgericht nutzbar zu machen bzw. die Rechtsposition im Zivilrechtsstreit zu verbessern (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.12.2018 - 6 B 133/18 -, juris; Beschl. v. 18.12.2014 - 8 B 47/14 -, juris; Urt. v. 12.07.2000 - 7 C 3/00 -, juris; Bamberger in: Wysk, VwGO, 3. Aufl., § 113 Rn. 84).

Nach diesen Maßgaben ist ein berechtigtes Präjudizinteresse der Klägerin nicht zu erkennen. Die Klägerin macht geltend, dass ihr durch die nicht mögliche Vermarktung ihres Produktes in den Jahren 2019 und 2020 ein Schaden entstanden sei. Ihr seien finanzielle Gewinne entgangen, welche sie gegebenenfalls im Wege einer Schadensersatzklage geltend machen wolle. In der mündlichen Verhandlung hat sie vorgetragen, dass das Produkt mindestens zwei Jahre nicht hätte vermarktet werden können und ihr dadurch ein Schaden entstanden sei, dessen Größenordnung jedoch in diesem Klageverfahren keine Rolle spiele. Für den Fall, dass die Entscheidung zulasten der Beklagten ausgehen würde, würde sie möglicherweise eine Schadensersatzklage erheben. Das Vorbringen der Klägerin ist unsubstantiiert. Sie macht weder konkrete Angaben zu dem behaupteten Schaden noch wird dieser zumindest grob beziffert. Insbesondere das Vorbringen, dass lediglich "gegebenenfalls" eine Schadensersatzklage erhoben werden soll, genügt den Anforderungen, die an das Vorliegen eines berechtigten Präjudizinteresses zu stellen sind, nicht. Denn die Klägerin müsste hinreichend konkrete Angaben zu dem behaupteten Schaden bzw. zu dessen Höhe machen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.11.2007 - 2 LA 423/07 -, juris Rn. 7; OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 23.09.2015 - 12 A 1787/15 -, BeckRS, 55098; Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: März 2023, § 113 VwGO Rn. 129). Es ist die ernsthafte Absicht, einen Schadensersatzanspruch bei den ordentlichen Gerichten geltend zu machen, erforderlich (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.11.2007 - 2 LA 423/07 und v. 16.04.2024 - 14 LA 41/24 -, juris). Nicht ausreichend ist, eine Schadensersatzklage nur in Erwägung zu ziehen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 29.08.2007 - 10 LA 31/06 -, juris). Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss der Kläger von sich aus substantiiert darlegen (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urt. v. 17.04.2018 - 2 A 1387/15 -, juris).

Die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO ist ebenfalls unzulässig.

Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Feststellung kann jedoch gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.

Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist hier gegeben. Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht jedoch der rechtswegübergreifend und damit auch im Verhältnis zu einer Schadensersatzklage vor dem Zivilgericht geltende Grundsatz der Subsidiarität gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen bzw. fehlt es an dem erforderlichen berechtigten Feststellungsinteresse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO, welches jedes nach vernünftigen Erwägungen anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur umfasst.

Für eine Feststellungklage zur Vorbereitung der Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs oder eines sonstigen Schadensersatz- bzw. Entschädigungsanspruchs besteht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO regelmäßig kein Bedürfnis, weil die aufgeworfene Rechtsfrage im beabsichtigten Zivilprozess als Vorfrage geklärt werden kann. Insoweit steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage der rechtswegübergreifend und damit auch im Verhältnis zu einer Schadensersatz- bzw. Entschädigungsklage vor dem Zivilgericht geltende Grundsatz der Subsidiarität gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen. Die Klägerin hat die Möglichkeit, ihre Rechte unmittelbar mit einer Leistungsklage, nämlich einer Schadensersatz- bzw. Entschädigungsklage zu verfolgen. § 43 Abs. 2 VwGO will unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere - unmittelbarere und wirksamere - Klageart zur Verfügung steht. Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden. Wegen der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Rechtswege gilt diese Zielsetzung "rechtswegübergreifend", d. h. auch dann, wenn die mit der Feststellungsklage konkurrierende Klage - wie hier - vor dem Zivilgericht im ordentlichen Rechtsweg zu erheben ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.07.2000 - 7 C 3/00 -, juris; Urt. v. 18.10.1985 - 4 C 21/80 -, juris; OVG Berl.-Brandenb., Urt. v. 18.12.2008 - OVG 1 B 13.08 -, juris; Marsch in: Schoch/Schneider, VwGO, Sand: März 2023, § 43 Rn. 53; Wysk in: Wysk, VwGO 3. Aufl. 2020, § 43 Rn. 43). Ein Anspruch auf den (vermeintlich) sachnäheren Richter besteht nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.01.1989 - 8 C 30/87 -, juris). Die vorliegende Feststellungklage ist damit subsidiär gegenüber einer Schadensersatzklage vor dem Zivilgericht. Ihr kommen nicht die erleichterten Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage zu Gute (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.04.1999 - 4 C 4/98 -, juris Rn. 20). Denn die Fortsetzungsfeststellungsklage ist vorliegend aufgrund des fehlenden Feststellungsinteresses bereits unzulässig (s.o.).

Sonstige Gründe, die das Vorliegen eines berechtigten Feststellungsinteresses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO begründen könnten, sind weder vorgetragen worden noch von Amts wegen erkennbar.

Überdies sind die Fortsetzungsfeststellungsklage und die Feststellungsklage unbegründet. Die Beklagte war nicht verpflichtet, der Klägerin die begehrte Zulassung für die Jahre 2019 und 2020 und damit für den Zeitraum vor dem Austritt des Referenzmitgliedstaates Großbritannien aus der Europäischen Union zu erteilen.

Dabei kann es dahinstehen, ob die Klägerin vor dem Brexit Inhaberin einer nach Art. 29 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gewährten Zulassung war oder ob ein Anspruch daran scheitern könnte, dass es sich, wie von der Beklagten vorgetragen, um eine sog. Me-Too-Zulassung handelt. Denn die Beklagte hat das ihr gemäß Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt soweit sie den Antrag der Klägerin auf Zulassung des Pflanzenschutzmittels "E." im Wege der gegenseitigen Anerkennung der in Großbritannien erteilten Zulassung ablehnte.

Die Anspruchsgrundlage für die Erteilung der begehrten Zulassung eines Pflanzenschutzmittels, welches einen Substitutionskandidaten enthält, im Wege der gegenseitigen Anerkennung einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung aus derselben Zone findet sich in Art. 40 Abs. 1 Buchstabe a) i. V. m. Art. 41 Abs. 1 und Abs. 2 Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Art. 40 Abs. 1 Buchstabe a) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sieht vor, dass der Inhaber einer nach Art. 29 der Verordnung gewährten Zulassung eine Zulassung für dasselbe Pflanzenschutzmittel, für dieselben Verwendungen und unter vergleichbaren landwirtschaftlichen Bedingungen in einem anderen Mitgliedstaat im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung dann beantragen kann, wenn die Zulassung von einem Mitgliedstaat (Referenzmitgliedstaat), der zur selben Zone gehört, erteilt wurde. Gemäß Art. 41 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erteilt der Mitgliedstaat, dem ein Antrag nach Art. 40 der Verordnung vorgelegt wird, nach Prüfung des Antrags und gegebenenfalls der in Art. 42 Abs. 1 der Verordnung genannten Begleitdokumente im Hinblick auf die Bedingungen in seinem Hoheitsgebiet für das betreffende Pflanzenschutzmittel eine Zulassung unter den gleichen Bedingungen wie der den Antrag prüfende Mitgliedstaat; hiervon ausgenommen sind die Fälle, in denen Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 Anwendung findet. Der Mitgliedstaat kann das Pflanzenschutzmittel gemäß Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 abweichend von Absatz 1 zulassen, wenn es einen Substitutionskandidaten enthält.

Die Entscheidung der Beklagten, ob sie ein Pflanzenschutzmittel, welches einen Substitutionskandidaten enthält, im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung zulässt, steht gemäß Art. 41 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in ihrem Ermessen.

Für dieses Auslegungsergebnis spricht zunächst der ausdrückliche Gesetzeswortlaut des Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 ("kann") sowie der Wille des europäischen Verordnungsgebers, der sich in der Entstehungsgeschichte der Norm widerspiegelt. Nach dem geänderten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaft über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vom 11. März 2008 (2006/0136 [COD]) war ein wesentliches Element die obligatorische gegenseitige Anerkennung von Zulassungen in den Mitgliedstaaten derselben Zone (S. 7). Gemäß Art. 39 Nr. 2 des Entwurfs sollte die gegenseitige Anerkennung nicht für Pflanzenschutzmittel gelten, die einen zu ersetzenden Stoff enthalten (S. 46). In dem vom Rat der Europäischen Union am 15. September 2008 festgelegten gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 25/2008 (2008/C 266 E/01) wurde die Bestimmung dahingehend abgeändert, dass ein Pflanzenschutzmittel, welches einen Substitutionskandidaten enthält, im Wege der gegenseitigen Anerkennung zugelassen werden kann (Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b)). Aus der Gesetzgebungshistorie ist somit erkennbar, dass der Verordnungsgeber keine weitreichenden Zulassungsmöglichkeiten für Pflanzenschutzmittel, die einen Substitutionskandidaten enthalten, schaffen wollte. Vielmehr spricht die ursprüngliche vollständige Ablehnung der gegenseitigen Anerkennung von Pflanzenschutzmitteln mit Substitutionskandidaten dagegen, dass die Wertungen zum begrenzten Prüfungsspielraum bei gegenseitigen Anerkennung nach Art. 41 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 auf Art. 41 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 110772009 übertragbar sind.

Vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der Norm ist deshalb die Regelung in Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 als eine Klarstellung des Willens des europäischen Verordnungsgebers dahingehend zu verstehen, dass in den Fällen des Art. 41 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 keine Bindungswirkung von der vom Referenzmitgliedstaat erteilten Zulassung ausgeht und die Zulassung des Pflanzenschutzmittels im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung ausschließlich im Ermessen des Mitgliedstaats, dem ein Antrag gemäß Art. 40 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorgelegt wird, steht. Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch die Formulierung in Art. 41 Abs. 2 der Verordnung, dass der Mitgliedstaat "abweichend von Absatz 1" das Pflanzenschutzmittel zulassen kann. Insoweit verdeutlicht sowohl der Gesetzeswortlaut als auch der systematische Zusammenhang zwischen den Absätzen 1 und 2 des Art. 41 der Verordnung, dass es sich bei den in Absatz 2 genannten Fällen um Ausnahmen von der in Art. 41 Abs. 1 der Verordnung angeordneten Bindungswirkung handelt.

Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich eine Einschränkung des Ermessensspielraums der Beklagten weder dem Gesetzeswortlaut des Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, noch dem Sinn und Zweck der Verordnung (EG) Nr. 110/2009 entnehmen.

Der Ermessenausübung steht insbesondere nicht das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens als einer der Grundgedanken der Verordnung entgegen. Danach vertraut ein Mitgliedstaat darauf, dass andere Mitgliedstaaten bei der Zulassung die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 beachten und ein hohes Schutzniveau gewährleisten. Diese Wertungen lassen sich jedoch nicht vollständig auf Pflanzenschutzmittel, die einen Substitutionskandidaten enthalten, übertragen. Gemäß Art. 50 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 ist eine vergleichende Bewertung von den Mitgliedstaaten durchzuführen, wenn sie einen Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels prüfen, das einen Wirkstoff enthält, der als Substitutionskandidat zugelassen ist. Schon aus dem Wortlaut der Norm folgt, dass die vergleichende Bewertung von den Mitgliedstaaten und damit allein bezogen auf ihr jeweiliges Hoheitsgebiet vorzunehmen ist. Dieses Verständnis liegt auch dem "Guidance Document on Comparative Assessment and Substitution of Plant Protection Products in accordance with Regulation (EC) No 1107/2009" zugrunde, wonach die vergleichende Bewertung von Pflanzenschutzmitteln, die einen Substitutionskandidaten enthalten, gemäß Art. 50 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 auf Ebene der Mitgliedstaaten und nicht auf zonaler Ebene erfolgen soll (vgl. Guidance document der Europäischen Kommission v. 10.10.2014, SANCO/11507/2013 rev. 12, S. 4). Eine Bewertung des Pflanzenschutzmittels hinsichtlich einer Zulassung in Deutschland ist dementsprechend durch Großbritannien noch nicht erfolgt. Somit steht auch das Harmonisierungsbestreben des Verordnungsgebers nicht entgegen. Dem entspricht auch der Erwägungsgrund 19 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Danach sollten Wirkstoffe mit bestimmten Eigenschaften auf Gemeinschaftsebene als Substitutionskandidaten identifiziert werden. Die Mitgliedstaaten sollten Pflanzenschutzmittel, die solche Wirkstoffe enthalten, mit dem Ziel prüfen, sie durch andere Pflanzenschutzmittel, die Wirkstoffe enthalten, die weniger Risikominderung erfordern oder durch nichtchemische Methoden der Bekämpfung oder Prävention, zu ersetzen. Die Einstufung eines Wirkstoffs als Substitutionskandidat soll demzufolge auf Gemeinschaftsebene erfolgen, während die weitergehende Prüfung hinsichtlich einer Substitution des Wirkstoffs auf Ebene des jeweiligen Mitgliedstaates erfolgen soll. Dies entspricht dem Wortlaut des Art. 50 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, wonach unter anderem zu prüfen ist, ob für die im Antrag genannten Verwendungen bereits ein zugelassenes Pflanzenschutzmittel oder eine nichtchemische Bekämpfungs- oder Präventionsmethode besteht, das/die für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt deutlich sicherer ist, und die Substitution durch die Pflanzenschutzmittel bzw. die nichtchemischen Bekämpfungs- oder Präventionsmethoden keine wesentlichen wirtschaftlichen oder praktischen Nachteile aufweist, und gegebenenfalls die chemische Vielfalt der Wirkstoffe oder die Methoden und Verfahren der Kulturführung und der Schädlingsprävention ausreichend sind, um das Entstehen einer Resistenz beim Zielorganismus zu minimieren. Diese Prüfung erfolgt auf Ebene des einzelnen Mitgliedstaates. Die von der Klägerin vertretene Auffassung, dass der Beklagten nur ein eingeschränkter Ermessensspielraum zukomme und sie auch in den Fällen von Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zur gegenseitigen Anerkennung der Zulassung verpflichtet sei, liefe diesen Erwägungen des Verordnungsgebers zuwider.

Hätte der Verordnungsgeber eine grundsätzliche Verpflichtung zur Übernahme einer bestehenden Zulassung auch bei Mitteln, die einen Substitutionskandidaten enthalten, gewollt, hätte er mit Art. 41 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 keinen Ermessenstatbestand geschaffen.

Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere liegt weder ein Ermessensdefizit noch ein Ermessenfehlgebrauch oder eine Ermessensüberschreitung vor.

Ein Ermessensdefizit ist anzunehmen, wenn die Behörde nicht alle Belange in ihre Ermessensentscheidung einstellt. Dies ist der Fall, wenn die Behörde den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt hat oder wenn die Behörde zwar alle wesentlichen Gesichtspunkte ermittelt hat, diese aber falsch gewichtet bzw. den Ausgleich der unterschiedlichen betroffenen Belange in einer Weise vorgenommen hat, die zu ihrer jeweiligen objektiven Gewichtigkeit erkennbar außer Verhältnis stehen (vgl. Decker, in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK, Stand: Januar 2024, § 114 VwGO Rn. 21 ff.; Bamberger in: Wysk, VwGO, 3. Aufl., § 114 Rn. 20). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist kein Ermessendefizit erkennbar. Insbesondere kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte nicht darlegt hat, inwieweit die für die Einstufung des Wirkstoffs "H." als Substitutionskandidat maßgeblichen Grenzwerte überschritten würden. Denn die Einstufung eines Wirkstoffs als Substitutionskandidat erfolgt durch den europäischen Verordnungsgeber und nicht durch die Beklagte.

Ein Substitutionskandidat (Candidate for Substitution, CfS) ist ein Wirkstoff, der gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genehmigt ist und eines oder mehrere der Kriterien des Anhangs II Nummer 4 der genannten Verordnung erfüllt (vgl. Art. 24 der Verordnung). Nach der Übergangsbestimmung des Art. 80 Abs. 7 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 hatte die Kommission bis zum 14. Dezember 2013 eine Liste der Substitutionskandidaten zu erstellen, auf welche Art. 50 der Verordnung Anwendung findet. Zu diesem Zweck erließ die Kommission am 11. März 2015 die Durchführungsverordnung (EU) 2015/408, in deren Anhang die als Substitutionskandidaten eingestuften Wirkstoffe aufgelistet sind. Nach deren Art. 2 gilt die Durchführungsverordnung (EU) 2015/408 für Anträge auf Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die ab dem 1. August 2015 gestellt wurden. Vorliegend ist der im Pflanzenschutzmittel "E." enthaltene Wirkstoff "H." im Anhang der Durchführungsverordnung (EU) 2015/408 aufgelistet und damit als Substitutionskandidat eingestuft.

Ebenso liegt weder ein Ermessensfehlgebrauch noch eine Ermessensüberschreitung vor. Von einem Ermessensfehlgebrauch ist auszugehen, wenn sich die Behörde von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder wenn Belange willkürlich falsch gewichtet werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.10.1965 - II C 3.63 -, juris; Decker, in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK, Stand: Januar 2024, § 114 VwGO Rn. 24; Bamberger in: Wysk, VwGO, 3. Aufl., § 114 Rn. 15). Als rechtliche Grenze ihrer Ermessensausübung muss die Behörde höherrangiges Recht, vor allem Grundrechte des Adressaten sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.2011 - 3 C 40/10 -, NJW 2012, 1608; Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: März 2023, § 114 VwGO Rn. 68 f.).

Die Beklagte hat in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise von dem ihr gemäß Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zustehenden Ermessen Gebrauch gemacht. Die Beklagte hat ihre Entscheidung insbesondere am Substitutionsgedanken, der der Regelung in Art. 50 der Verordnung zugrunde liegt, orientiert. Die Mitgliedstaaten erteilen gemäß Art. 50 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 keine Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel oder beschränken die Verwendung eines Pflanzenschutzmittels, das einen Substitutionskandidaten enthält, auf eine bestimmte Kulturpflanze, wenn die vergleichende Bewertung der Risiken und des Nutzens gemäß Anhang IV ergibt, dass für (Buchstabe a)) die im Antrag genannten Verwendungen bereits ein zugelassenes Pflanzenschutzmittel oder eine nichtchemische Bekämpfungs- oder Präventionsmethode besteht, das/die für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt deutlich sicherer ist, und (Buchstabe b)) die Substitution durch die Pflanzenschutzmittel bzw. die nichtchemischen Bekämpfungs- oder Präventionsmethoden keine wesentlichen wirtschaftlichen oder praktischen Nachteile aufweist, und (Buchstabe c)) ggf. die chemische Vielfalt der Wirkstoffe oder die Methoden und Verfahren der Kulturführung und der Schädlingsprävention ausreichend sind, um das Entstehen einer Resistenz beim Zielorganismus zu minimieren, und (Buchstabe d)) die Auswirkungen auf die Zulassungen für geringfügige Verwendungen berücksichtigt werden. Das Ziel der vergleichenden Bewertung und der Substitution besteht darin, die Risiken für Gesundheit oder Umwelt zu verringern, indem Pflanzenschutzmittel, die Substitutionskandidaten enthalten, schrittweise durch weniger bedenkliche Methoden und Produkte ersetzt werden bei gleichzeitiger Minimierung der wirtschaftlichen und praktischen Nachteile für die Landwirtschaft (vgl. Guidance document v. 10.10.2014, SANCO/11507/2013 rev. 12, S. 3). Dadurch, dass die Beklagte die Einstufung des Wirkstoffs als Substitutionskandidat in ihre Ermessenserwägungen miteinbezogen hat, hat sie keine sachfremden Erwägungen angestellt. Denn ihr steht gerade aufgrund der Einstufung des Wirkstoffs als Substitutionskandidat gemäß Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 Ermessen zu. Die Beklagte hat die in die Ermessenserwägungen einzustellenden Belange auch nicht dadurch willkürlich falsch gewichtet, dass sie keine vergleichende Bewertung gemäß Art. 50 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorgenommen, sondern ihre Ermessensausübung lediglich an den Zielsetzungen der vergleichenden Bewertung orientiert hat. Denn eine solche wird vom Gesetzeswortlaut des Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht gefordert und es ist auch nicht ersichtlich, woraus sich die Verpflichtung zur Vornahme einer vergleichenden Bewertung im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung ergeben sollte. Dagegen spricht vielmehr, dass die vergleichende Bewertung gemäß Art. 50 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in einem anderen Abschnitt geregelt ist als die gegenseitige Anerkennung, welcher mit "Sonderfälle" überschrieben ist. Somit lässt sich auch aus systematischen Erwägungen keine Verpflichtung erkennen, im Rahmen des Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 eine vergleichende Bewertung vorzunehmen.

Die Beklagte hat die Belange der landwirtschaftlichen Erzeugung gegen das Interesse der Allgemeinheit am weitgehenden Verzicht auf Pflanzenschutzmittel mit den entsprechenden kritischen Wirkstoffen abgewogen. Um festzustellen, ob ein gesteigerter Nutzen eine Zulassung rechtfertigt, unter anderem die Entbehrlichkeit einer Notfallzulassung als Kriterium heranzuziehen, stellt keine sachfremde Erwägung dar. Insbesondere hat die Beklagte dadurch nicht die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten, denn bei einer erteilten Notfallzulassung fehlt es unter Berücksichtigung von Art. 53 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 an einem regulär zugelassenen Pflanzenschutzmittel, so dass es weniger risikobehaftet erscheinen kann, statt des Einsatzes eines Pflanzenschutzmittels mit bloßer Notfallzulassung den Einsatz eines zu ersetzenden Wirkstoffs als Substitutionskandidaten in einem Pflanzenschutzmittel zu ermöglichen. Zudem hat die Beklagte in ihre Ermessensentscheidung eingestellt, dass für die beantragten Anwendungen in Deutschland diverse Fungizide mit demselben oder anderen Wirkstoffen existieren und unter Hinweis auf ihre Zulassungsdatenbank dargelegt, dass dadurch eine ausreichende Bekämpfung gewährleistet ist und ein ausreichendes Resistenz-Management durchgeführt werden kann. Dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Auch diese Erwägungen sind nicht als sachfremd zu qualifizieren. Die Beklagte hat den Schutz der Umwelt und Natur sowie der Gesundheit von Mensch und Tier im Rahmen ihrer Ermessensausübung höher gewichtet als die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin und die von der Klägerin vorgetragenen Interessen der Landwirte an günstigeren generischen Produkten. Gemäß Erwägungsgrund 24 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 müssen die Bestimmungen für eine Zulassung ein hohes Schutzniveau gewährleisten und insbesondere sollte bei Erteilung einer Zulassung für Pflanzenschutzmittel das Ziel, die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt zu schützen, Vorrang haben vor dem Ziel, die Pflanzenproduktion zu verbessern. Insoweit ist nicht von einer willkürlich falschen Gewichtung der Belange durch die Beklagte auszugehen.

Eine Ermessensüberschreitung liegt ebenfalls nicht vor. Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG vermag das Gericht durch die Ablehnung der Zulassung nicht erkennen. Die Klägerin ist durch die Ablehnung ihres Antrags auf gegenseitige Anerkennung nicht in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit verletzt. Der Klägerin steht es offen, für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel einen Antrag auf Erteilung einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung im zonalen Zulassungsverfahren in Deutschland zu stellen. Dass die Klägerin das kostenintensivere und aufwendigere Verfahren nach Art. 29 i. V. m. Art. 50 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zu durchlaufen hätte, verletzt die Rechte der Klägerin nicht. Entgegen des Vorbringens der Klägerin besteht auch bei einem Pflanzenschutzmittel, welches einen Substitutionskandidaten enthält, kein Vertrauensschutz dahingehend, dass sie davon ausgehen durfte, die innerhalb einer Zone gewährte Zulassung sei auch in einem anderen Mitgliedstaat anerkennungsfähig. Dem steht - wie ausgeführt - die ausdrückliche Regelung des Art. 41 Abs. 2 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 entgegen, wonach die Entscheidung im Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaates steht. Die Beklagte hat mit dem Verweis auf ausreichend andere Mittel, mit denen ein ausreichender Pflanzenschutz und ein Resistenz-Management möglich sind, sowie mit dem Gesichtspunkt der Entbehrlichkeit einer Notfallzulassung sachgerechte Ermessenserwägungen angestellt.

Folglich hat die Klage sowohl mit ihrem Haupt- als auch mit ihren Hilfsanträgen keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO), die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).