Oberlandesgericht Oldenburg
v. 18.02.1997, Az.: 5 U 126/96

Fortsetzung eines Aktivprozesses einer niederländischen Klägerin nach Ermächtigung des Konkursverwalters ; Begründung einer Massenschuld durch Bereitstellung eines Betriebsmittelkredits für den Sequestor; Abschluss eines Vertrags über die Gewährung eines Betriebsmittelkredites; Übergang des Prozessführungsrechts auf den Konkursverwalter bei Abtretung einer streitbefangenen Forderung und nachfolgender Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Zedenten; Vorliegen einer Freigabe der Rückzahlungsforderung durch den Konkursverwalter; Rechtswirkungen des Sequesterhandelns; Aufnahme von Betriebsmitteldarlehen als zu den vom Sicherungszweck umfassten Aufgaben eines Sequesters gehörend ; Qualifizierung von Sequesterverbindlichkeiten als Masseschulden

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
18.02.1997
Aktenzeichen
5 U 126/96
Entscheidungsform
Entscheidung
Referenz
WKRS 1997, 21764
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:0218.5U126.96.0A

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 1998, 233-236

Amtlicher Leitsatz

Fortsetzung eines Aktivprozesses einer niederländischen Klägerin nach Ermächtigung des Konkursverwalters - Betriebsmittelkredit an Sequestor begründet keine Masseschuld.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Rückzahlung eines Darlehens.

2

Der Beklagte ist Konkursverwalter der drei im Rubrum auf Beklagtenseite aufgeführten Firmen. Vor der Konkurseröffnung am 31.10.1991 war er - mit den Aufgaben eines vorläufigen Konkursverwalters betraut - als Sequester bestellt worden. Am 14.10.1991 schloss er mit der Klägerin, die am Erwerb der drei Unternehmen interessiert war, einen Vertrag über die Gewährung eines Betriebsmittelkredites in Höhe von 550.000,-- DM. Darin heißt es u.a.: ...

III

B

stellt dem Sequester einem Massekredit in Höhe von 500 TDM - in Worten: Fünfhunderttausend Deutsche Mark - zur Verfügung. Diese Massekredit unterliegt deutschem Recht. Er ist dementsprechend zur Begleichung aller anderen Verpflichtungen aus der Sequestration zurückzuzahlen.

Sollte es nicht zu einem Verkauf des Unternehmens an B kommen, ist der Massekredit mit 10 % p. a. zu verzinsen.

Kommt es zu dem beabsichtigten Vertrag, verzichtet B auf die Zinsen für den Massekredit.

...

3

Durch weitere Vereinbarungen vom 18. und 24.10.1991 erfolgte eine Aufstockung des Kredits auf insgesamt 1.050.000,-- DM; die Vertragslaufzeit wurde bis zum 30.10.1991 verlängert.

4

Mit Vertrag vom 31.10.1991 - UR.-Nr. ... des Notars T - kaufte die Klägerin Grund-, bewegliches Anlage- und Umlaufvermögen, Warenzeichen und sonstige Immaterialgüterrechte der vorgenannten Firmen. Der Kaufpreis betrug 15.275.000,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer.

5

...

6

Da der Beklagte anschließend keine Abrechnung vorlegte, erstritt die Klägerin durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 11.08.1993 - 2 U 64/93 - seine Verurteilung zur entsprechenden Rechnungslegung.

7

Am 08./21.12.1993 trat die Klägerin ihre Ansprüche gegen den Beklagten an die im Klageantrag aufgeführten Gläubiger ab.

8

Im Hinblick auf die inzwischen eingetretene Konkurseröffnung über das Vermögen der Klägerin erkannte deren Konkursverwalter mit Schreiben vom 10.05.1995 diese Abtretung an und erklärte mit Fax vom 08.02.1996, dass die Vertreter der Klägerin bevollmächtigt seien, den Rechtsstreit im Namen der Gemeinschuldnerin zu führen, nachdem er zuvor die nach niederländischem Recht dazu erforderliche Zustimmung des Konkursgerichtes eingeholt hatte.

9

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, bei der Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens handele es sich um eine Masseschuld.

10

Daraus und aus der vertraglichen Verpflichtung, den Kredit vor Begleichung aller anderen Verpflichtungen aus der Sequestration zurückzuzahlen, begehrt sie Zahlung in Höhe von 775.000,-- DM, wobei sie im Hinblick auf die Aufrechnungsbefugnis des Beklagten aus dem Kaufvertrag 275.000,-- DM von der Darlehenssumme in Abzug bringt.

11

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, bei den Ansprüchen der Klägerin handele es sich um einfache Konkursforderungen.

12

...

13

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die über den Sequester gegen die späteren Gemeinschuldnerinnen begründeten Rückzahlungsverpflichtungen keine Masseschulden seien.

14

Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

15

...

Entscheidungsgründe

16

Die Berufung ist zulässig.

17

Dabei kommt es auf die mit der Berufungserwiderung weiter verfolgte Frage, welchen Einfluss der Konkurs der Klägerin auf das Verfahren hat, insbesondere, ob er es gemäß § 240 ZPO unterbricht (generell verneinend BGH NJW 1988, 3096 = MDR 1989, 41; u.a. für die Niederlande bejahend OLG Düsseldorf OLGR 1994, 305; siehe zum Streitstand in Rechtsprechung und Literatur Zöller/Greger, ZPO, 20. Aufl., § 240 Rdrn. 1 b und Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., §§ 237, 238 Rdnr. 77) nicht an. Wird eine streitbefangene Forderung abgetreten und dann über das Vermögen des Zedenten der Konkurs eröffnet, so geht das Prozessführungsrecht auf den Konkursverwalter über (vgl. BGH NJW 1969, 48). Danach hat hier der Konkursverwalter der Klägerin mit Zustimmung des niederländischen Konkursgerichtes "die Vertreter der Klägerin bevollmächtigt", den Prozess "im eigenen Namen der Gemeinschuldnerin" zu führen.

18

Soweit darin eine (echte) Freigabe der Rückzahlungsforderung durch den Konkursverwalter liegt, lebt dadurch die Prozessführungsbefugnis der Gemeinschuldnerin wieder so auf, wie sie vor dem Konkurs bestanden hatte (BGHZ 46, 249 = MDR 1967, 298 f). Soweit damit aber nur eine Prozessfreigabe ohne gleichzeitige Freigabe des streitbefangenen Gegenstandes erfolgt ist (vgl. BGH NJW 1973, 2065; Jäger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 6 Rdnr. 20; Kuhn/Uhlenbruck a.a.O., § 1 Rdnr. 5 f), ist die Klägerin jedenfalls wirksam ermächtigt worden, das weiterhin konkursbefangene Recht (wieder) in eigenem Namen geltend zu machen. Das schutzwürdige Interesse darin haben Konkursverwalter und Konkursgericht anerkannt. Es besteht kein Anlass, die Wirksamkeit dieser Prozessstandschaft in Frage zu stellen. Insbesondere fehlt jeglicher Anhalt, dass der Ermächtigung beachtenswerte Interessen anderer entgegenstehen könnten. Die Klägerin hat das Verfahren berechtigterweise fortgesetzt. Damit ist den im Hinblick auf die Vertretungsbefugnis, Prozessbevollmächtigung und konkursbedingte etwaige Unterbrechung geäußerten Bedenken an der Zulässigkeit des (Berufungs-)Verfahrens die Grundlage entzogen.

19

In der Sache hat die Berufung aber keinen Erfolg.

20

Der Senat ist mit dem Landgericht der Auffassung, dass der Klägerin gegen den Beklagten keine bevorrechtigte Forderung auf Rückzahlung der vollen Darlehenssumme vor den nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern zusteht. Insoweit kann gemäß § 543 Abs. 1 2.Hs ZPO auf die überzeugenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung (LGU 6 letzter Absatz bis LGU 10 1. Absatz) verwiesen werden.

21

Dem vermag die Berufung nichts entgegenzusetzen.

22

Entgegen ihrer Auffassung ist durch das vorangegangene Auskunftsverfahren in der Sache nicht bereits rechtskräftig entschieden worden. Der 2. Senat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat lediglich die Verpflichtung des Konkursverwalters aus den vor Konkurseröffnung begründeten Darlehensverträgen abschließend anerkannt, der Klägerin Abrechnung zu schulden. Welcher Anspruch, in welcher Höhe und gegen wen ihr daraus zusteht, ist nicht Gegentand des Verfahrens in dieser Stufe gewesen und auch nicht ausgeurteilt worden. Die Berufung verkennt, dass die Auskunftspflicht unabhängig davon besteht, ob sie ein Massegläubiger oder einfacher Konkursgläubiger geltend macht und ob der Anspruch gegen den Konkursverwalter persönlich oder über diesen gegen die Masse gerichtet werden soll.

23

Unklar bleibt die Rüge der Berufung, das Landgericht habe den Inhalt der Darlehensverträge verkannt und, dass diese unmittelbar zwischen den Parteien des Rechtsstreits geschlossen worden seien und daraus nicht etwa die Gemeinschuldnerinnen verpflichtet sein sollten.

24

Die Klägerin hat nach wechselndem Vortrag erstinstanzlich schließlich klargestellt, dass sich der Anspruch gegen die Masse richtet und nicht gegen den Beklagten aus § 82 KO selbst. Darauf bezieht sich die mit der Berufung angegriffene Entscheidung des Landgerichts. Die Erwägungen der Berufung, es handele sich um eigenständige Verträge zwischen den Prozessparteien, bleiben nach dem Sachvortrag unverständlich und sind rechtlich nicht nachvollziehbar.

25

Ein Sequester auch mit dem Aufgabenbereich eines vorläufigen Konkursverwalters will in aller Regel nur das von ihm zu sichernde Vermögen bzw. den Schuldner, dem es rechtlich zugeordnet ist, verpflichten. Er handelt mit Wirkung für und gegen den Schuldner, § 164 BGB. Die Rechtswirkungen des Sequesterhandelns treffen unmittelbar den Schuldner bzw. das Sequestrationsvermögen (vgl. zum ganzen Kuhn/Uhlenbruck a.a.O., § 106 Rdnr. 14). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der frühere Sequester sich ausnahmsweise daneben oder gar allein persönlich verpflichten wollte. Im Gegenteil sollte es sich um Betriebsmittelkredite handeln. Das verdeutlicht, dass auch die Betriebe, d. h. die dahinterstehenden Rechtsträger, verpflichtet sein sollten. Ein Grund, warum der Sequester eine persönliche Pflicht eingegangen sein sollte, ist nicht zu erkennen. Die Vertragsgestaltung ist diesbezüglich eindeutig. Das Handeln des Sequesters, so wie es in dem Vorspann aller 3 Darlehensvereinbarungen festgelegt und in dem Ausgangsvertrag vom 14.10.1991 im Einzelnen näher ausgestaltet ist, diente allein dem Interesse des der Sequestration unterliegenden Vermögens. Die dieses Vermögen ausmachenden Unternehmen sollten gerade auch im Interesse der Belegschaft aber ebenso für den Erwerb durch die Klägerin als tätige Produktionsbetriebe fortgeführt und erhalten bleiben. Den Beklagten trafen die entsprechenden Pflichten nicht in seiner Person, sondern als Sequester zuständig für diese Betriebe.

26

Aus diesem Grunde richtet sich die Klage - wie ausgeführt - auch gegen den Konkursverwalter des konkursbefangenen Vermögens und nicht gegen ihn persönlich über die grundsätzlich auch für frühere Sequestrationstätigkeiten heranzuziehende Haftungsnorm des § 82 KO.

27

Die Aufnahme von Betriebsmitteldarlehen gehört zu den vom Sicherungszweck umfassten Aufgaben eines Sequesters (vgl. statt aller nur Henckel JZ 1986, 694, 697 und Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 106 Rdnr. 13 m.w.N.). Solche Darlehen sind nach späterer Konkurseröffnung nicht als Masseschulden gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO privilegiert; sie sind lediglich als einfache Konkursforderungen zur Konkurstabelle anzumelden. Welche Forderungen vorrangig als Masseschulden zu begleichen sind, richtet sich nach dem Gesetz. Das sieht für derartige Darlehen eine Privilegierung nicht vor. Durch bloße Vereinbarung zwischen Gläubiger und Sequester - wie es der Berufung möglicherweise vorschwebt - können Massenschulden zulasten aller Konkursgläubiger nicht begründet werden.

28

Die Qualifizierung von Sequesterverbindlichkeiten als Masseschulden lässt sich auch nicht über eine analoge Heranziehung von § 224 Abs. 1 Nr. 5 KO oder § 106 VglO begründen. Das und den dazu in Literatur und Rechtsprechung bestehenden Streit hat das Landgericht bereits umfänglich dargelegt (vgl. zusätzlich nur Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 106 Rdnr. 13 m). Entscheidend ist die für den normalen Konkurs in den §§ 59, 3 KO gesetzlich festgelegte Schranke der Konkurseröffnung und die dadurch bedingte Konkursbefangenheit, wodurch erst die Masse als Sondervermögen konkretisiert wird ( so ganz überzeugend Henckel JZ 1986, 697). Dem Sequestrationsvermögen kommt diese Qualität nicht zu. Die vorgenannten Bestimmungen des Nachlasskonkurses bzw. des Vergleichsverfahrens beziehen sich auf die Besonderheiten dieser Verfahren und können nicht im Wege des Richterrechts im Vorgriff auf den künftigen § 64 Abs. 2 Satz 1 Insolvenzordnung unter Durchbrechung der bestehenden gesetzlichen Grenzziehung ausgedehnt werden.

29

Das gilt nach Ansicht des erkennenden Senats auch im Hinblick auf die Erwägung Henckels (a.a.O. S. 697), Geldkreditgeber wie Sequester würden darauf achten, dass der Geldkredit nur aufgenommen und gewährt werden wird, wenn seine massemehrende oder zumindest masseerhaltende Verwendung zu erwarten sei. Die bloße Erwartung auf eine massegünstige Verwendung vermag einen ausreichenden Schutz der Konkursgläubiger vor möglicher Benachteiligung nicht zu errichten. Das gilt umsomehr, wenn - wie hier - der Kreditgeber selbst das Vermögen zu erwerben beabsichtigt und schließlich auch aus der Konkursmasse erwirbt, nachdem er durch seine Mitarbeiter mehr oder weniger allein die Geschäfte geführt hat. Auch der Einfluss des Kredites auf den Kaufpreis bleibt im Dunkeln. Die Möglichkeit der Sicherstellung von Interessen des Kreditgebers zulasten der übrigen Konkursgläubiger bleibt. Eine solche Bevorzugung eines Gläubigers über die gesetzlich gezogenen Grenzen hinaus lässt sich über die analoge Heranziehung einer Regelung für das Vergleichsverfahren nicht rechtfertigen. Vergleich- und Sequestrationsverfahren haben eine unterschiedliche Zielsetzung. Die Sequestration - auch wenn es sich um eine weitestgehende Verwaltungssequestration handelt - bleibt ein für die Frage der Konkurseröffnung und damit der Durchführung des Konkurses vorangeschaltetes Verfahren, während das Vergleichsverfahren gerade der Abwendung des Konkurses dient. Ohne eine gesetzliche Grundlage gebietet es das insoweit allein maßgebliche Interesse an einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung auch Betriebsmittelkreditgeber entsprechend zu behandeln und die mit der Konkurseröffnung in § 59 Abs. 1 Satz 1 KO festgelegte Grenze auf sie wie auf alle anderen Gläubiger anzuwenden.

30

Da durch die Darlehensvergabe im Sequestrationsverfahren nach Konkurseröffnung keine Masseschulden entstanden sind, war die Berufung mit den Nebenentscheidungen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 546 ZPO zurückzuweisen.