Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 11.02.1997, Az.: 5 U 164/96

Pflicht zur Mitwirkung an einer zahnprotetischen Korrekturbehandlung; Erste Anpassung eines Zahnersatzes als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit; Zahnprothetische Versorgung als Körperverletzung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
11.02.1997
Aktenzeichen
5 U 164/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 21733
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:0211.5U164.96.0A

Fundstellen

  • MDR 1997, 841 (Volltext mit red. LS)
  • VersR 1997, 1493 (amtl. Leitsatz)

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt materiellen und immateriellen Schadensausgleich wegen einer unzureichenden zahnprothetischen Versorgung.

2

Der Kläger begab sich 1992 wegen seines erheblich sanierungsbedürftigen Gebisses in die Behandlung des Beklagten. Der Aufnahmebefund vom 15.04.1992 (27 Zähne, davon 9 mit Wurzelfüllungen und 13 (Karies) bedingte eine umfangreiche prothetische Versorgung. Bei der Eingliederung von u.a. 8 Einzelkronen und 2 Brücken am 29.12.1992 stellte sich im Bereich der Zähne 43 bis 47 eine Nonokklusion mit Funktionsuntüchtigkeit der Brücke im 4. Quadranten heraus. 1993 suchte der Kläger die Praxis des Beklagten zwischen März und Juni wegen anderer Behandlungsmaßnahmen noch weitere 4 Mal auf.

3

Der Kläger hält den Beklagten gestützt auf die für seine Krankenkasse - die AOK von ... - erstatteten Gutachten für schadensersatzpflichtig. Er berechnet seinen materiellen Schaden auf der Grundlage des Heil- und Kostenplanes der nachfolgend behandelnden Zahnärztin , der eine Neuvornahme im Umfang der Behandlung des Beklagten umfasst, unter Abzug des von dem Beklagten der AOK zurückerstatteten Honorares in Höhe von 7.593,85 DM mit 8.173,37 DM. Seine Schmerzensgeldvorstellung gibt er wegen der jahrelangen Schmerzen mit 10.000,00 DM an.

4

Er behauptet, die Prothetik des Beklagten sei nach Planung und Durchführung insbesondere wegen unterextendierter Wurzelstumpfaufbauten fehlerhaft gewesen und habe zu Wurzelfrakturen, Kronenlockerungen und Kronenverluste und einer Bisssenkung geführt, was jetzt die umfangreichen Revisionsmaßnahmen erforderte.

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Das Landgericht hat nach Vernehmung von zwei Arzthelferinnen des Beklagten und des Beklagten als Partei die Klage abgewiesen.

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7

Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen sein Klagebegehren, das er ausdrücklich auf deliktische Ansprüche beschränkt, insgesamt weiter.

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Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

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11

Die Auffassung der Berufung, in jeder fehlerhaften prothetischen Versorgung mit den daraus resultierenden Folgen sei eine Körperverletzung durch den behandelnden Zahnarzt zu sehen, trifft so nicht zu. Die bloße (erste) Anpassung eines Zahnersatzes, bei der sich Mängel insbesondere im Sitz herausstellen, bedeutet allein noch keinen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Patienten, sondern belegt lediglich, dass das geschuldete prothetische Werkstück mit seiner Eingliederung noch nicht frei von Mängeln ist. dass dem Beklagten insoweit eine körperliche Schädigung anzulasten sein könnte - beispielsweise durch einen fehlerhaft zu starken Abschliff der Zahnstümpfe oder eine Verletzung von Schleimhaut oder Kiefer bei dem Anpassungsversuch - wird nicht einmal vom Kläger behauptet. Dafür besteht auch im Übrigen keinerlei Anhalt. Die für eine Nachbesserung bzw. Neuherstellung anfallenden Kosten stellen insoweit allenfalls einen Vermögensschaden dar, der über § 823 Abs.1 BGB nicht ersetzt verlangt werden kann.

12

Soweit sich der Kläger auf spätere Beschwerden auch in anderen Quadranten des Gebisses bezieht und diese in Zusammenhang mit der Protheseneingliederung sieht, hat der Beklagte -nach dieser Behauptung des Klägers - zwar eine Ursache dafür gesetzt. Der Zurechnungszusammenhang ist jedoch durch die bewusst vom Beklagten verhinderte Nachbearbeitung unterbrochen. Auf den Streit über den Umfang der erforderlichen Nachbesserung kommt es dafür nicht an. Nach der Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) fest, dass der Beklagte den Kläger sofort nach der Eingliederung und auch danach dazu angehalten hat. Erhebliche Angriffe werden dagegen nicht vorgetragen. Das bewusste Unterlassen des Klägers hat die sich erst nach der Eingliederung entwickelnden Beschwerden zur Entstehung gebracht. Der Kläger war auch verpflichtet, bei dieser Korrekturbehandlung mitzuwirken, die für sich genommen keinen wesentlichen Eingriff am Körper, sondern nur die (Neu-) Bearbeitung der Prothetik beträfe (vgl. BGH VersR 87, 408;  89, 512;  89, 701betreffend operative Nachbehandlungen einfacher, gefahrloser und nicht besonders schmerzhafter Art).

13

Dass dem Beklagten die Behebung der fehlenden 100%-igen Okklusion nicht möglich gewesen sein sollte, hat der Kläger nicht substantiiert vortragen oder gar unter Beweis stellen können. Dagegen spricht sogar sein eigenes Ersatzbegehren, das auf eine Herstellung im Umfang der Versorgung durch den Beklagten Jahre nach dessen Behandlung gerichtet ist.

14

Selbst bei unterstelltem wenigstens teilweisen Fortbestand des Ursachenzusammenhanges zwischen der Eingliederung und dem danach beklagten Beschwerdebild ergäbe sich für den Kläger nichts Günstigeres. Der Verursachungsbeitrag des beklagten Zahnarztes träte hinter den des Klägers durch dessen bewusste Untätigkeit nach der Eingliederung bei der gebotenen wertenden Betrachtungsweise völlig zurück, § 254 BGB.

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