Landgericht Verden
Urt. v. 12.11.2014, Az.: 7 O 231/14
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 12.11.2014
- Aktenzeichen
- 7 O 231/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 42497
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Erstattung von aufgrund von Preiserhöhungen für Gaslieferungen in der Zeit vom 01.10.2010 bis 31.03.2013 an die Beklagte geleisteter Zahlungen.
Die Parteien sind über einen Erdgasliefervertrag vom 11.01./27.01.2003 miteinander verbunden. § 4 Abs. 3 a) beinhaltet eine Preisänderungsklausel. Diese lautet:
„AP = 2,6747 + 0,08494 (HEL - 33,234 €) - wenn HEL > 20,452 €“
mit einer anschließenden Erläuterung zur Bedeutung des Formelinhalts. § 6 Ziffer 2 sieht eine sechswöchige Kündigungsfrist zum Quartalsende vor. Wegen des weiteren Inhaltes des Vertrages wird auf die Anlage K 1 (Bl. 30 f.) verwiesen.
Im streitgegenständlichen Zeitraum berechnete die Beklagte der Klägerin folgende Arbeitspreise (ohne Berücksichtigung von Steuern und Nachlässen):
4. Quartal 2010 4,1193 Ct/kWh |
---|
1. Quartal 2011 4,2374 Ct/kWh |
2. Quartal 2011 4,5612 Ct/kWh |
3. Quartal 2011 5,0494 Ct/kWh |
4. Quartal 2011 5,2873 Ct/kWh |
1. Quartal 2012 5,6134 Ct/kWh |
2. Quartal 2012 5,4609 Ct/kWh |
3. Quartal 2012 5,5368 Ct/kWh |
4. Quartal 2012 5,7196 Ct/kWh |
1. Quartal 2013 6,0220 Ct/kWh |
Mit Schreiben vom 22.08.2013 widersprach die Klägerin den Gaspreiserhöhungen der Beklagten auf der Basis der Preisänderungsformel unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 24.03.2010 (VII ZR 304/08).
Die Klägerin behauptet, Vertrag und Preisänderungsklausel seien von der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert worden. Die Preisänderungsklausel sei zwischen den Parteien nicht im Einzelnen ausgehandelt worden. Die Beklagte hätte diese nicht zur Disposition gestellt.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Preisänderungsklausel in § 4 des Vertrages sei unwirksam. Hierauf beruhende Preiserhöhungen seien ohne Rechtsgrund erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte über die im Mahnantrag geltend gemachte Forderung in Höhe von 3.637,56 € hinaus zu verurteilen, an die Klägerin weitere 162.751,72 €, insgesamt mithin 166.389,28 € nebst 8 Prozent Zinsen auf 166.389,28 € ab dem 21.09.2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, der Vertrag sei in dieser Form nur einmal geschlossen worden, und zwar aufgrund der Besonderheit, dass die betreffende Liegenschaft alternativ mit Gas oder Öl beheizt werden könne. Die einzelnen Vertragsbestandteile, wie etwa auch die Kündigungsfrist, seien individuell ausgehandelt worden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu Gericht gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung gezahlter Beträge gemäß § 812 Abs. 1 BGB, der vorliegend einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage.
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei § 4 des Vertrages bereits nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von §§ 305 ff. BGB (AGB).
Vielmehr steht fest, dass die Klägerin die Möglichkeit hatte, etwaige Änderungen an dem Vertragsentwurf der Beklagten vorzunehmen und dass die Parteien letztlich über den Inhalt des Vertrages verhandelten.
Die Klägerin wäre als Teil der öffentlichen Hand auch gar nicht berechtigt gewesen, sich Verträge oder Vertragsklauseln - ohne eigene Prüfung und Möglichkeit der Einflussnahme - stellen zu lassen. Vielmehr schließt die Klägerin - sofern sie nicht ohnehin, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, im Rahmen von Ausschreibungen bestimmte Vorgaben zum Inhalt der Verträge macht - ihre Verträge nur nach vorheriger Prüfung der ihr offerierten Vertragstexte.
Hierzu ist die Klägerin auch von Gesetzes wegen verpflichtet. Die Verpflichtung zu wirtschaftlichen Handeln folgt aus Art. 63 ff. der Niedersächsischen Verfassung vom 19. Mai 1993, die in Art. 70 eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Ordnungsgemäßheit der Haushalts- und Wirtschaftsführung durch den unabhängigen Landesrechnungshof vorsehen. Zudem ergeben sich aus § 7 der Niedersächsischen Landeshaushaltsordnung vom 30. April 2001 ein Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie die Pflicht zu angemessenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei Maßnahmen von finanzieller Bedeutung, wozu auch der Abschluss langfristiger Energielieferverträge zu zählen ist.
Dementsprechend hat die Klägerin auch eine Prüfung des streitgegenständlichen Vertrages vorgenommen, wie sich aus dem Schreiben der Oberfinanzdirektion Hannover (OFD) an das Staatliche Baumanagement Munster vom 15.11.2002 (Bl. 168) ergibt. Dabei erfolgte auch eine umfassende Prüfung des Vertrages der Parteien einschließlich der hier streitgegenständlichen Klauseln. Denn es heißt in dem Schreiben wörtlich:
„Den mit Bezugsbericht vorgelegten Gasliefervertrag der SW Bö für die o.g. Liegenschaft habe ich fachtechnisch geprüft. Gegen den Abschluss des Vertrages habe ich unter Beachtung folgender Punkte keine Bedenken:
…“
Im Folgenden wird die Berechnung des Mittelwertes beanstandet, auf die Besonderheit der Preisanpassung hingewiesen und die Notwendigkeit eines Wechsel von Gas zu Heizöl angesprochen. Hierdurch wird deutlich, dass die Klägerin selbst gerade die Flexibilität und Sicherheit haben wollte, kurzfristig auf günstigeres Heizöl umsteigen zu können. Auch war nach ihrem Willen ein Bezug zum Preis des Heizöls gegeben.
Weiter folgt aus dem zitierten Schreiben, dass für die Klägerin ohne weiteres die Möglichkeit bestand, über Klauseln des Vertrages zu verhandeln. Dass bei den Verhandlungen einzelne Klauseln ausgespart wurden, macht diese nicht zu AGB. Vielmehr war es der Klägerin unbenommen, nach erfolgter Prüfung auch Teile des Vertrages unverändert gelten zu lassen. Dies ist ein üblicher Vorgang zwischen Vertragsschließenden, wenn von einer Seite der Vertrag entworfen wurde.
Schließlich blieb der Klägerin noch, auf das Angebot der Beklagten mit Schreiben vom 17.09.2002 gar nicht einzugehen.
2. Ungeachtet des Vorstehenden wäre die Preisänderungsklausel auch nicht unwirksam, wenn es sich vorliegend um AGB handeln würde. Insoweit verweist die Beklagte zu Recht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom 14.05.2014 (Anlage K12). Hiernach ist eine vom Preis für leichtes Heizöl abhängige Gaspreisanpassungsklausel im unternehmerischen Bereich wirksam.
Zu diesem ist auch die Klägerin zu zählen, die sich der Erwartungen und Strukturen eines Unternehmens bedient und - anders als ein Verbraucher - dementsprechend am Markt auftritt. Auf die Frage, ob die Klägerin in der Praxis eine wirtschaftlich vernünftige Kostenkalkulation vornimmt oder generell nach marktwirtschaftlichen Prinzipien handelt, kommt es nicht an. Verpflichtet hierzu ist sie jedenfalls wenn es um den Abschluss langfristiger Energieverträge geht (vgl. oben). Demgemäß erfolgte auch eine Prüfung des Vertragsangebotes der Beklagten durch die OFD.
3. Letztlich spricht auch die Vergabepraxis der Klägerin für die Wirksamkeit der im Streit stehenden vertraglichen Regelung. Denn wenn die Klägerin selbst die Erwartung hat, dass ihr Angebote mit einer Regelung der Preisanpassung in Abhängigkeit vom Preis für leichtes Heizöl unterbreitet werden (vgl. Bl. 178 RS), kann sie sich nicht darauf berufen, dass derartige Regelungen im Vertrag unwirksam sind.
4. Nach obigen Feststellungen kann offen bleiben, ob sich die Klägerin, die sich in ihrem Schreiben an die Beklagte vom 22.08.2013 auf eine etwa dreieinhalb Jahre alte Entscheidung des Bundesgerichtshofes bezieht, durch Weiterbezug des Gases konkludent auf die jeweils erhöhten Preise eingelassen hat, hatte sie doch wiederholt die Möglichkeit, von einer kurzfristigen Kündigung Gebrauch zu machen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.