Landgericht Verden
Urt. v. 16.07.2014, Az.: 8 S 69/13

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
16.07.2014
Aktenzeichen
8 S 69/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42419
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 21.10.2013 - AZ: 7 C 454/13 (II)

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. Oktober 2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Walsrode aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Amtsgericht Walsrode zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Unterlassung dahingehend, dass seine Eigenjagd Westenholz im Rahmen von Bewegungsjagden bzw. Ansitzdrückjagden mit weitjagenden Hunden von Jagdhunden der Beklagten mit abgesucht und durchstöbert sowie Wild hochgeschreckt wird.

Der Kläger behauptet, am 12.10.2012 seien im Rahmen einer Bewegungsjagd drei Hunde der Beklagten in sein Eigenjagdgebiet eingedrungen, von denen er einen Hund ergriffen habe. Maßnahmen der Beklagten, ein Überjagen von Hunden am Tag der Bewegungsjagd zu vermeiden bestreitet er mit Nichtwissen.

Die Beklagte bestreitet, dass Jagdhunde die bei ihrer Bewegungsjagd zum Einsatz gekommen seien, in das Revier des Klägers eingedrungen und dort Wild hochgeschreckt hätten. Im Übrigen habe sie alles Zumutbare unternommen, um ein Überjagen von Hunden in das Eigenjagdgebiet des Klägers zu verhindern. Das Jagdgeschehen sei gezielt von der kritischen Grenze weggeführt worden. Sie habe kurzjagende, geführte Hunde eingesetzt sowie bekannte und bewährte Hundeführer, die geeignete Hunde hätten vorweisen können. Hundeführer und Schützen seien zudem über den Grenzverlauf informiert worden. Die Hunde seien über einen Kilometer von der Grenze des Eigenjagdbezirks des Klägers entfernt geschnallt worden. Das wesentliche Jagdgeschehen habe sich dann in einem Bereich von 1,5 - 5 km von der streitbefangenen Grenze entfernt abgespielt. Sie habe Ansitzeinrichtungen gewählt, bei denen davon auszugehen sei, dass die Hunde unweit auf Wild stoßen würden. Sie habe keine Gastschützen, sondern nur ausgebildete forstliche Angestellte beschäftigt. Auf der K 149, die die Grenze zum Eigenjagdbezirk des Klägers darstelle, sei eine Kfz-Einheit im Einsatz gewesen, um das Überjagen von Hunden zu verhindern. Im Übrigen bestreitet die Beklagte das Jagdausübungsrecht des Klägers mit Nichtwissen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, grundsätzlich könne zwar Unterlassung verlangt werden, wenn das Jagdausübungsrecht verletzt würde. Der Kläger habe jedoch leichte Beeinträchtigungen entlang der Jagdgrenze zu dulden. Nachweisbar sei bei der Jagd am 12.10.2012 nach dem Vortrag des Klägers nur ein Hund über die Reviergrenze gelaufen. Die übrigen Hunde habe der Kläger nicht näher beschreiben können, deshalb hätte auch eine Beweisaufnahme nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Gewissheit nachweisen können, dass die Hunde dem Jagdbetrieb der Beklagten zuzuordnen gewesen seien. Das Überjagen eines Hundes habe der Kläger jedoch nach § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden, weil die Beklagte die ihr möglichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen habe, ein Überjagen zu vermeiden. Insoweit sei es nicht ausreichend, dass der Kläger diese Maßnahmen mit Nichtwissen bestritten habe. An dem Tag der Jagd haben im Revier des Klägers ihm vertraute Leute angesessen, um die Jagd zu beobachten. Es habe sich danach um eigene Wahrnehmungen des Klägers gehandelt, in welcher Entfernung ungefähr und in welcher Richtung sich die Jagd abgespielt habe. Schließlich sei das Unterlassungsverlangen des Klägers auch rechtsmissbräuchlich, nachdem die Beklagte erhebliche Anstrengungen unternommen habe, um eine Beeinträchtigung des klägerischen Reviers auszuschließen und der Kläger in der Vergangenheit auf Ansprache durch die Beklagte an einer kooperativen Lösung nicht mitgewirkt habe.

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt. Er rügt einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör, weil ihm auf den von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 16.09.2013 überreichten Schriftsatz keine Schriftsatznachlassfrist gewährt worden sei, obwohl er einen entsprechenden Antrag gestellt habe. Das Amtsgericht habe auch eine Protokollierung dieses Antrages verweigert. Das Amtsgericht habe gegen seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO verstoßen, weil es sein Bestreiten mit Nichtwissen hinsichtlich der von der Beklagten behaupteten Maßnahmen zur Verhinderung des Überjagens als unzulässig erachtet habe, ohne ihn darauf hinzuweisen. Diese Auffassung des Amtsgerichts sei zudem nach § 138 Abs. 4 ZPO rechtsfehlerhaft. Schließlich habe das Amtsgericht die angebotenen Beweise zu Unrecht nicht erhoben. Er habe durch Zeugen Beweis dafür angeboten, dass zwei weitere Jagdhunde der Rasse „Wachtel“ mit entsprechender jagdlicher Halsung im Revier des Klägers am Tag der Jagd der Beklagten gesehen worden seien. Diese Beweise hätte das Amtsgericht erheben müssen. Schließlich müsse der Kläger das Überjagen auch nur eines Hundes nicht dulden. Die Maßnahmen, die die Beklagte ergriffen habe, seien insgesamt untauglich. Ein Mitverschulden könne ihm nicht angelastet werden.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Amtsgerichts Walsrode vom 21.10.2013 aufzuheben,

2. die Beklagte bei Meidung

- eines Ordnungsgeldes von 5,00 € - 250.000,00 €, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit, eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt oder

- einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten

für jeden Fall der Zuwiderhandlung gemäß §§ 935 ff., 890 ZPO zu verurteilen,

es zu unterlassen,

dass in Zukunft im Rahmen von Bewegungsjagden bzw. Ansitzdrückjagden mit weitjagenden Hunden im forstfiskalischen Jagdbezirk - Forstbetrieb Siebensteinhäuser Forst - die angrenzende Eigenjagd des Klägers Westenholz von den Jagdhunden mit abgesucht, durchstöbert und Wild hochgeschreckt wird,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 272,86 € zu zahlen,

4. das Verfahren unter Aufhebung des Urteils an das Amtsgericht Walsrode zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres Sachvortrags.

II.

Die Berufung des Klägers hat - vorläufig - Erfolg und führt auf den Antrag gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Das Amtsgericht hat unter Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers und damit verfahrensfehlerhaft den Beweisantritt auf Vernehmung der Zeugen ..., ... und ... zur Frage eines Überjagens in den Eigenjagdbezirk des Klägers durch insgesamt drei Hunde der Beklagten übergangen. Es hätte darüber hinaus das Bestreiten des Klägers mit Nichtwissen hinsichtlich der von der Beklagten behaupteten Maßnahmen zur Verhinderung eines Überjagens nicht als unzulässig qualifizieren dürfen.

Im Einzelnen:

1. Das Amtsgericht hat unterstellt, dass nur ein Hund der Beklagten die Grenze überschritten habe, nämlich der Hund, der eingefangen worden ist. Damit hat es den Vortrag des Klägers, es seien zwei weitere Hunde der Beklagten jenseits der Grenze zu seinem Eigenjagdbezirk gesehen worden, nebst den dazugehörigen Beweisantritten durch die Zeugen ..., ... und ... übergangen. Das Amtsgericht durfte insoweit auch nicht das Ergebnis der Beweisaufnahme vorwegnehmen, indem es unterstellt, dass selbst bei einer Vernehmung der Zeugen nicht nachgewiesen worden wäre, dass es sich bei den weiteren gesichteten Hunden um Jagdhunde der Beklagten gehandelt hat.

2. Im Hinblick darauf, dass das Amtsgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des Amtsgerichts Bad Hersfeld vom 02.05.2006 (10 C 448/04, zitiert nach Juris, Rd.-Nr. 34) annimmt, dass das Überjagen nur eines Hundes zu dulden sei, bestehen erhebliche Bedenken der Kammer. In dem zitierten Urteil des Amtsgerichts Bad Hersfeld ist hinsichtlich der Beeinträchtigung, die hinzunehmen seien von Hundegebell, Witterung, Jagdbetrieb und Lärm in einem schmalen Bereich entlang der Grenze die Rede, solange die Grenze nicht überschritten wird. Vorliegend geht jedoch das Amtsgericht selbst von einem Überschreiten der Grenze durch zumindest einen Hund aus.

Aber auch das Überschreiten der Grenze durch nur einen Hund, nämlich den Eingefangenen, konnte das Amtsgericht nicht ohne Beweisaufnahme feststellen, denn die Beklagte bestreitet ausdrücklich, dass Jagdhunde die bei ihrer Bewegungsjagd zum Einsatz kamen, in das Revier des Klägers eingedrungen seien. Auch für die Feststellungen des Eindringens eines Hundes wäre daher eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der seitens des Klägers benannten Zeugen sowie der gegenbeweislich benannten Zeugen ..., ..., Dr. ..., ..., ..., ..., ..., ..., ... und ... der Beklagten erforderlich.

3. Des Weiteren durfte das Amtsgericht nicht ohne weiteres eine Duldungspflicht des Klägers annehmen, weil die Beklagte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um ein Überjagen zu verhindern. Das Bestreiten dieser Maßnahmen durch den Kläger mit Nichtwissen war nach § 138 Abs. 4 ZPO zulässig. Es handelte sich im Wesentlichen nicht um Gegenstände der eigenen Wahrnehmung des Klägers. Keine Wahrnehmung hatte der Kläger im Hinblick auf folgende Behauptungen der Beklagten:

- Einsatz bekannter und bewährter Hundeführer, die geeignete Hunde vorweisen konnten,

- Einsatz „kurzjagender“ Hunde,

- Information der Hundeführer und Schützen,

- Ansitzeinrichtung, bei denen Hunde unweit auf Wild stoßen würden,

- keine Gastschützen, sondern ausgebildete forstliche Angestellte,

- Einsatz einer Kfz-Einheit auf der K 149, ‚

- Wegführen des Jagdgeschehens von der Grenze.

Auch zu diesen Maßnahmen wären die dazu von der Beklagten benannten Zeugen zu vernehmen, falls durch die zunächst durchzuführende Beweisaufnahme ein Überjagen in den Eigenjagdbezirk des Klägers durch Hunde der Beklagten festgestellt würde.

4. Schließlich ist die Berufung auch nicht aus anderen Gründen zurückzuweisen.

a) Zwar hat die Beklagte das Jagdausübungsrecht des Klägers mit Nichtwissen bestritten (Bl. 28 d. A.). Das genügt jedoch nicht. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 Bundesjagdgesetz ist in einem Eigenjagdbezirk der Eigentümer jagdausübungsberechtigt (Lorz pp., Jagdrecht, § 3, Rd.-Nr. 6). Dass der Kläger Eigentümer eines an das bejagte Revier der Beklagten grenzenden Eigenjagdbezirks ist, weiß die Beklagte. Sie hat das selbst so vorgetragen. Danach genügt vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung das Bestreiten des Jagdausübungsrechtes des Klägers mit Nichtwissen ohne weiteren Vortrag dazu nicht.

b) Die Klage des Klägers ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Der Kläger macht vorliegend eine Störung des Jagdausübungsrechts, das ein absolutes Recht im Sinne von § 823 BGB darstellt, geltend. Muss er eine solche Störung nicht dulden, ist er grundsätzlich auch nicht verpflichtet, selbst etwas dazu beizutragen, dass es nicht zu der Störung kommt. Das Nichttätigwerden des Klägers auf Anfrage der Beklagten macht die Klage nicht rechtsmissbräuchlich.

5. Die aufgezeigten Verfahrensfehler ziehen eine umfangreiche Beweisaufnahme im Sinne des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nach sich. Das ergibt sich bereits aus der Vielzahl der von beiden Parteien zur Frage eines Überjagens von Hunden benannten Zeugen. Zudem sind die Zeugen - je nach Ergebnis der Beweisaufnahme - zu weiteren umfangreichen Themenkomplexen, nämlich den behaupteten Maßnahmen der Beklagten zur Verhinderung eines Überjagens, zu befragen.

III.

Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO.