Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.03.2002, Az.: 14 K 369/01

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
14.03.2002
Aktenzeichen
14 K 369/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 36224
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:0314.14K369.01.0A

Fundstellen

  • EFG 2003, 297-298
  • KFR 2003, 196
  • V&S 2003, 7
  • ZEV 2003, 238-239

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    1. Schuldzinsen für die Finanzierung der Erbschaftsteuer können nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden. Denn Zweck der Schuldaufnahme ist es - anders als bei einem Kredit zur Finanzierung von Anschaffungskosten von Vermietungsgrundstücken - nicht, Einkünfte zu erzielen, sondern die Folgen der eingetretenen Bereicherung in Gestalt der Erbschaftsteuer zu finanzieren.

  2. 2.

    2. Auch wenn die Erbschaftsteuer durch den Anfall von Vermietungsgrundstücken ausgelöst wurde, reicht ein solcher Zusammenhang nicht aus, um den Werbungskosten-Abzug zu begründen. Für den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Einkunftsart ist erforderlich, dass die Einkünfteerzielung im Vordergrund steht.

Tatbestand:

1

Streitig ist die Anerkennung von Schuldzinsen für ein Darlehen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

2

Der Kläger erwarb im Wege der Erbfolge zwei vermietete Mehrfamilienhäuser in D. Als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu diesen Objekten wurden in der Einkommensteuererklärung 1999 Schuldzinsen in Höhe von 72. 000 DM geltend gemacht, die für ein Darlehen angefallen waren, das zur Begleichung der Erbschaftsteuer für die geerbten Mehrfamilienhäuser aufgenommen worden war. In dem notariellen Testament der Erblasserin und Eigentümerin der genannten Mehrfamilienhäuser war eine Auflage für den Erben enthalten. Danach durfte der Erbe bis zum Ablauf von zwanzig Jahren nach dem Tode der Erblasserin nicht über die Mehrfamilienhäuser verfügen. Weiterhin schloss die Erblasserin aus, dass der Grundbesitz ganz oder teilweise belastet wird. Jedoch durfte der Grundbesitz mit Grundpfandrechten belastet werden, soweit dies der Finanzierung der Zahlung der Erbschaftsteuer diente. Die Erbschaftsteuer hatte 954.065,- DM betragen. Der Beklagte versagte den Abzug der Aufwendungen für die Schuldzinsen und setzte die Einkommensteuer 1999 durch Bescheid vom 12. Februar 2001 auf 77. 618 DM fest. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein, der jedoch erfolglos blieb. Gegen den Einspruchsbescheid vom 23. April 2001 erhoben die Kläger am 14. Mai 2001 Klage vor dem Finanzgericht.

3

Die Kläger tragen vor, die Rechtsprechung, auf die sich die Finanzverwaltung stütze, werde im Schrifttum nachhaltig bestritten. Es werde insbesondere darauf abgestellt, dass auslösendes Moment für die Schuldzinsen die Tatsache sei, dass die zu erfüllenden Ansprüche auf dem Wert des Einkunftserzielungsvermögens beruhten und hierin der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Schuldzinsen und Einkünfteerzielung liege. Außerdem würde der Sachverhalt des vorliegenden Streitfalles nicht dem Sachverhalt der vom Beklagten herangezogenen Rechtsprechung entsprechen. Entscheidend sei, dass nur durch Aufnahme des Darlehens mit der Folge entsprechender Zinsbelastungen für die Kläger die Möglichkeit eröffnet worden sei, die Erbschaftsteuerschuld zu begleichen. Aus eigenem Vermögen hätten die Kläger die Erbschaftsteuer nicht bezahlen können. Da es den Klägern nur gestattet war, wegen der Erbschaftsteuer die übernommenen Grundstücke zu belasten, hätte das zur Begleichung der Erbschaftsteuer aufgenommene Darlehen sowohl der Sicherung und Erhaltung des Vermögens als auch der hieraus zu erzielenden Einnahmen gedient. Diese Sicherungs- und Erhaltungsverpflichtung ergebe sich aus dem Testament, wonach der Kläger verpflichtet gewesen sei, den Nachlass für die Dauer von zwanzig Jahre seit dem Erbfall unverändert zu erhalten, ohne diesen veräußern oder belasten zu dürfen. Hätte der Kläger nicht die Erbschaftsteuer finanziert, so hätte er die Erbschaft ausschlagen müssen. Die Nichtanerkennung der Abziehbarkeit der Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führe dazu, dass das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verletzt werde. Maßgeblich sei das geltende Nettoprinzip. Danach sei nur der Betrag, der dem Steuerpflichtigen nach Abzug notwendiger Ausgaben netto verbleibe, die geeignete Grundlage zur Bemessung der Steuer. Wegen des weiteren Vortrages wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 21. Juni 2001 verwiesen.

4

Die Kläger beantragen,

  1. den Einkommensteuerbescheid 1999 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 23. April 2001 in der Weise abzuändern, dass Schuldzinsen von 21. 600 DM und 50. 400 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Grundstücke"abgezogen werden.

5

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

6

Der Beklagte trägt vor, die Erbschaftsteuer diene nicht der Erlangung des Einkünfte abwerfenden Vermögens, sondern sei Folge des Erbanfalls. Besteuert werde das durch die Erbschaft unentgeltlich Erworbene, hier der Grundbesitz in D. Die Erbschaftsteuer solle erfolgte Vermögenszuwächse besteuern, und zwar unabhängig davon, ob mit ihnen später Einkünfte zu erzielen wären. Die Behandlung der Erbschaftsteuer als Personensteuer i.S.d. § 12 Nr. 3 EStG entspreche der in Rechtsprechung und Schrifttum ganz einheitlich vertretenen Auffassung. Welche Gründe die Erblasserin für die Anordnung des Veräußerungsverbotes über eine Dauer von 20 Jahren gehabt habe, sei für die Frage der steuerlichen Behandlung nicht maßgebend. Entscheidungserheblich sei allein, dass das Darlehen der Finanzierung der Erbschaftsteuer diene, diese als Personensteuer nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abzugsfähig sei und demgemäß auch die Zinsen, die mit ihrer Finanzierung im Zusammenhang stünden, nicht abzugsfähig seien.

7

Die Parteien haben übereinstimmend den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung erklärt.

Gründe

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I. Die Klage ist unbegründet. Die Schuldzinsen für die Finanzierung der Erbschaftsteuer können nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden.

9

1. Gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EinkommensteuergesetzEStG - sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sind auch Schuldzinsen Werbungskosten, wenn sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Das Vorliegen eines wirtschaftlichen Zusammenhangs ist danach zu beurteilen, ob die Schuldzinsen für eine Verbindlichkeit geleistet worden sind, die durch die Einkunftserzielung veranlaßt ist. Maßgeblich hierfür ist, ob das Darlehen zur Erzielung von Einkünften im vorliegenden Falle aus Vermietung und Verpachtung aufgenommen und tatsächlich verwendet worden ist (BFH-Beschl. v. 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BStBl. II 1990, 817; Urt. v. 11. Mai 1993 IX R 25/89, BStBl. II 1993, 751; Urt. v. 29. Juli 1997 IX R 89/94, BStBl. II 1997, 772 ).

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a) Das zur Zahlung der Erbschaftsteuer aufgenommene und verwendete Darlehen hätte danach nur dann in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung stehen können, wenn die mit diesem Darlehen bezahlte Erbschaftsteuer ihrerseits durch solche Einkünfte des Klägers veranlasst gewesen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.

11

b) Die Erbschaftsteuer selbst ist durch die beim Kläger eingetretene Bereicherung ausgelöst worden. Denn die Erbschaftsteuer ist eine Bereicherungssteuer und keine reine Verkehrsteuer (BFH-Beschl. v. 18. Dezember 1972 II R 87-89/70, BStBl II 1973, 329, 349; Beschl. v. 27. Oktober 1970 II S 2-4/70, BStBl II 1971, 269; Urt. v. 9. August 1983 VIII R 35/80, BStBl. II 1984, 27, 28). Zweck der Schuldaufnahme war es daher - anders als bei einem Kredit zur Finanzierung der Anschaffungskosten von Vermietungsgrundstücken - nicht, Einkünfte zu erzielen, sondern die Folgen der eingetretenen Bereicherung in Gestalt der Erbschaftsteuer zu finanzieren (vgl. BFH-Urt. v. 9. August 1983 VIII R 35/80, BStBl. II 1984, 27, 28).

12

c) Mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stehen die Schuldzinsen allenfalls in einem losen und entfernten Zusammenhang, weil die Erbschaftsteuer durch den Anfall der Vermietungsgrundstücke ausgelöst wurde. Ein derartiger Zusammenhang reicht aber nicht aus, um die Schuldzinsen als Werbungskosten anzusehen; denn für den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Einkunftsart i.S. des § 9 Abs.1 Satz 1 EStG ist es erforderlich, dass die Einkünfteerzielung im Vordergrund steht (BFH-Urt. v. 21.Juli 1981 VIII R 32/80, BStBl II 1982, 41; Urt. v. 9. August 1983 VIII R 35/80, BStBl. II 1984, 27 ).

13

d) Die Abziehbarkeit der strittigen Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung folgt auch nicht aus dem mit der Darlehensaufnahme verfolgten Zweck, eine Ausschlagung der Erbschaft durch Finanzierung der Erbschaftsteuer wie die Kläger vortragen - zu verhindern und damit die Grundstücke zu Vermietungszwecken zu erhalten.

14

Aufwendungen zur Abwehr von Gefahren für das der Einkunftserzielung dienende Vermögen sind nicht allgemein als Werbungskosten "zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen" i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar. Ein Veranlassungszusammenhang mit der Einkunftserzielung ist dann grundsätzlich zu verneinen, wenn die Zugehörigkeit eines der Einkunftserzielung dienenden Wirtschaftsgutes zum Vermögen des Steuerpflichtigen bedroht ist. Denn in einem solchen Falle steht nicht die Absicht der Einkunftserzielung, sondern die Beeinträchtigung des Vermögens des Steuerpflichtigen im Vordergrund. Ein Veranlassungszusammenhang von Abwehrkosten mit der Erzielung von Einkünften setzt voraus, daß die abzuwehrende Gefahr durch die Einkunftserzielung begründet ist, wie z.B. durch die Verwendung eines Wirtschaftsgutes zur Einkunftserzielung (BFH-Urt. v. 29. Juli 1997 IX R 89/94, BStBl. II 1997, 772 m.w.N.).

15

Danach sind die strittigen Aufwendungen auch nicht unter diesem Gesichtspunkt als Werbungskosten anzuerkennen. Denn selbst wenn man dem Vortrag der Kläger folgt, beruhte die Verhinderung der Erbausschlagung nicht auf der Einkünfteerzielung des Klägers, sondern darauf, die Zugehörigkeit der Mietgrundstücke zum Eigentum des Klägers zu erlangen.

16

2. Auch aus § 12 Nr. 3 EStG folgt, dass die Schuldzinsen keine Werbungskosten sind. Danach dürfen Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Zu den "sonstigen Personensteuern" im Sinne des § 12 Nr. 3 EStG zählt nach ganz einheitlicher Meinung im Schrifttum und in der Rechtsprechung auch die Erbschaftsteuer (BFH-Urt. v. 9. August 1983 VIII R 35/80, BStBl. II 1984, 27; Urt. v. 7. Dezember 1990 X R 72/89, BStBl II 1991, 350; Urt. v. 23. Februar 1994 X R 123/92, BStBl II 1994, 690 [BFH 23.02.1994 - X R 123/92]; Urt. v. 4. September 1994 I R 78/94, BStBl. II 1995, 207; Hess. FG Urt. v. 18. März 1981 I 333/76, EFG 1981, 624; Nolde in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar (Loseblatt), § 12 EStG Anm. 100; Schuster in Littmann/Bitz/Pust, EStG, Kommentar (Loseblatt), § 12 Rz. 19; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 20. Aufl. 2002, § 12 Rz. 52; Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar (Loseblatt), § 12 Rdnr. D 8). Damit unterliegen auch Aufwendungen im Zusammenhang mit der Finanzierung gesetzlich ausdrücklich für nicht abziehbar erklärter Aufwendungen ebenfalls dem Abzugsverbot (BFH-Urt. v. 9. August 1983 VIII R 35/80, BStBl. II 1984, 27; Hess. FG, Urt. v. 18. März 1981 I 333/76, EFG 1981, 624). Die Schuldzinsen für den Kredit, der zur Tilgung der Erbschaftsteuerschuld verwandt wurde, sind somit auch nach § 12 Nr. 3 EStG nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen.

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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.