Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 15.02.1995, Az.: SS 31/95

Voraussetzungen der Rüge im Revisionsverfahren; Bestrafung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht; Verbotsirrtum betreffend eine Zahlungsaufforderung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
15.02.1995
Aktenzeichen
SS 31/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 29419
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1995:0215.SS31.95.0A

Gründe

1

Das Amtsgericht hat den Beklagten vom Vorwurf der Verletzung der Unterhaltspflicht freigesprochen, weil er angesichts der genannten Äußerung seines Verfahrensbevollmächtigten einem unvermeidbaren Verbotsirrtum erlegen sei. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht den Angeklagten wegen dieses Delikts verurteilt; es hat die "fälschliche" Erklärung durch den Rechtsanwalt für unbeachtlich gehalten.

2

Die Revision hat mit der Sachrüge Erfolg; der Angeklagte ist freizusprechen.

3

Zwar war die ihm erteilte Rechtsauskunft in ihrer konkreten Form ersichtlich unzutreffend, weil es einer Aufforderung zur Unterhaltszahlung nicht bedurfte. § 170 b StGB stellt nämlich die bloße Vernachlässigung der Unterhaltspflicht unter Strafe (vgl. BayObLG NJW 1952, 438 sowie OLG Düsseldorf, NJW 1953, 1805 [OLG Düsseldorf 22.12.1952 - Ss 527/52 960]). Eine Zahlungsaufforderung ist nicht Voraussetzung für das Entstehen des Unterhaltsanspruchs, sondern - im Sinne des § 1613 Abs. 1 BGB - lediglich für dessen Fälligkeit bzw. Durchsetzbarkeit. § 170 b StGB stellt jedoch die Nichterfüllung der Unterhaltspflicht unter Strafe, d.h., der Angeklagte hat diesen Tatbestand verwirklicht, weil er einen entstandenen Unterhaltsanspruch nicht erfüllt hat, auch wenn dieser (mangels Mahnung) noch nicht fällig gewesen sein mag. Zudem dürfte der Angeklagte auch eine Zahlung ernstlich verweigert haben (vgl. OLG Hamm FamRZ 1980, 916).

4

Da der Angeklagte jedoch der unrichtigen Auskunft seines Verfahrensbevollmächtigten Glauben geschenkt hat, ist er einem Irrtum unterlegen. Das führt zu seinem Freispruch.

5

Soweit bei einem Irrtum über die Unterhaltspflicht ein Tatbestandsirrtum anzunehmen wäre, weil im Gegensatz zu anderen echten Unterlassungsdelikten die Handlungspflicht, nämlich die Pflicht, Unterhalt zu zahlen, Tatbestandsmerkmal ist (so OLG Köln NJW 1981, 63, 64 [OLG Köln 23.04.1980 - 3 Ss 162/80]; OLG Stuttgart NJW 1962, 1631 [OLG Stuttgart 22.06.1962 - 1 Ss 242/62]; OLG Celle Nds. Repfl. 1962, 210; vgl. im Übrigen Dreher/Tröndle, StGB, 46. Aufl., § 170 b Rdn. 11 m.w.N.), läge hier ein vorsätzliches Handeln des Angeklagten nicht vor, § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB. Eine fahrlässige Begehung des § 170 b StGB ist nicht unter Strafe gestellt. Der Senat neigt jedoch, ohne diese Rechtsfrage abschließend entscheiden zu wollen, zu der Auffassung, dass der Angeklagte hier einem Verbotsirrtum (§ 17 StGB) erlegen ist. Er hat sich nicht über das Bestehen der Unterhaltspflicht als solcher geirrt, sondern darüber, ob er trotz bestehender Unterhaltsverpflichtung auch ohne konkrete Aufforderung unter dem Gesichtspunkt der Fälligkeit zur Zahlung verpflichtet ist (vgl. OLG Stuttgart, NJW1960, 2204). Auch dann war der Irrtum für ihn nicht vermeidbar; er durfte sich auf die ihm erteilte Auskunft seines Verfahrensbevollmächtigten, zumal als Spätaussiedler, verlassen (vgl. Dreher/Tröndle, a.a.O., § 17 Rdn. 9 m.w.N.). Die unrichtige Auskunft eines Rechtsanwalts "entschuldigt" zudem nur bei erkennbar sittenwidrigem Verhalten nicht (vgl. BGHZ 74, 281). Davon kann nach den vollständigen Urteilsfeststellungen jedoch nicht ausgegangen werden (§ 354 Abs. 1 StPO). Auch Anhaltspunkte, die Anlass zu der Annahme böten, der Angeklagte habe sich nach der ihm erteilten Auskunft ersichtlich rechtsuntreu verhalten wollen, sind nicht genügend erkennbar (vgl. Dreher/Tröndle, a.a.O., Rdn. 7).

6

Die Möglichkeit, dass in einer neuerlichen Verhandlung dahingehend weitere Feststellungen getroffen werden können, hält der Senat für ausgeschlossen.