Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.11.1988, Az.: 12 Ta 192/88

Antrag eines Betriebsrates auf Durchführung eines Einigungsstellenbesetzungsverfahrens; Voraussetzungen für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung über ein Prämienlohnsystem; Voraussetzungen einer Beschwerde gegen einen Beschluss über den Gegenstandswert einer anwaltlichen Tätigkeit; Voraussetzungen für den Beginn einer Beschwerdefrist; Anforderungen an die Festsetzung eines Wertes des Gegenstands einer anwaltlichen Tätigkeit

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
03.11.1988
Aktenzeichen
12 Ta 192/88
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1988, 18948
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1988:1103.12TA192.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg - 09.06.1988 - AZ: 2 BV 4/87

Tenor:

wird auf die Beschwerde der Bet. zu 2) der Streitwertbeschluß des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 9. Juni 1988 - 2 BV 4/87 - abgeändert und der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Beschlußverfahren auf 6.000,- DM festgesetzt.

Gründe

1

Der antragstellende Betriebsrat des zugrundeliegenden Beschlußverfahrens (Beteiligter zu 1)) hat beim Arbeitsgericht Oldenburg ein Einigungsstellenbesetzungsverfahren des § 98 ArbGG anhängig gemacht (Bestellung des Vorsitzenden und Bestimmung der Zahl der Beisitzer), um eine Betriebsvereinbarung über ein Prämienlohnsystem mit der Bet. zu 2) - Beschwerdeführerin - abzuschließen.

2

Die Antragsteller (Beschwerdegegner) haben den Bet. zu 1) als Verfahrensbevollmächtigte vor dem Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht in diesem Beschlußverfahren vertreten und anschließend - im vorliegenden Verfahren - begehrt, den Gegenstandswert zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung festzusetzen.

3

Durch den angefochtenen Beschluß vom 9. Juni 1988 (Bl. 64-67 d.A.), welcher der Bet. zu 2) nicht förmlich zugestellt, sondern lediglich zur Kenntnisnahme übersandt worden ist, hat das Arbeitsgericht Oldenburg den Gegenstandswert für den Antrag zu 1. auf 6.000,- DM und für den Antrag zu 2. auf 18.000,- DM festgesetzt. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde vom 16. Juni 1988 (Bl. 70, 71 d.A.), welcher das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat und mit der sie einen Gegenstandswert von 6.000,- DM erstrebt.

4

Die Zulässigkeit der Beschwerde begegnet keinen Bedenken.

5

Die Beschwerde ist gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BRAGO statthaft, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes (Unterschiedsbetrag der Gebühren - einschließlich Umsatzsteuer - unter Zugrundelegung des festgesetzten und des begehrten Gegenstandswertes) übersteigt offensichtlich 100,- DM. Auch die Beschwerdefrist (§ 10 Abs. 3 Satz 3 BRAGO) ist gewahrt, weil sie mangels Zustellung gegenüber der Bet. zu 2) und Beschwerdeführerin überhaupt nicht zu laufen begonnen hatte. Daraus, daß die befristete Beschwerde binnen einer Frist von 2 Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, einzulegen ist, folgt nämlich, daß die Entscheidung stets den Beteiligten zugestellt werden muß. Schließlich ist die Bet. zu 2) auch als erstattungspflichtiger Gegner im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 2 BRAGO beschwerdebefugt (vgl. Beschluß der Kammer vom 5. Oktober 1988 - 12 Ta 259/87 - mit weiteren Nachweisen).

6

Die Beschwerde ist auch begründet, denn der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit beträgt im zugrundeliegenden Beschlußverfahren nicht mehr als 6.000,- DM.

7

Klarzustellen ist vorab, daß das Arbeitsgericht nur einen einzigen Wert für das Beschlußverfahren festsetzen durfte, denn die Wertfestsetzung hat für ein Verfahren insgesamt einheitlich zu erfolgen, was das Arbeitsgericht nicht beachtet hat, indem es für jeden Antrag einen gesonderten Wert festsetzte (was aber lediglich als Einsatzwert für die Bildung des Gesamtwertes des Verfahrens geboten ist), ohne dann diese Werte zu addieren.

8

Wenn das Arbeitsgericht bei seiner Wertfestsetzung auf § 8 Abs. 2 BRAGO abgestellt hat, so ist dieser Ausgangspunkt nicht zu beanstanden, denn der gemäß § 10 BRAGO festzusetzende Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren richtet sich nach § 8 Abs. 2 BRAGO (vgl. Müller-Bauer, Der Anwalt vor den Arbeitsgerichten, 2. Auflage 1985, Seite 249; Vetter, NZA 86, 182; Grunsky, Arbeitsgerichtsgesetz, Kommentar, 5. Auflage 1987, § 80 Randnummer 53). Bei einem Einigungsstellenbesetzungsverfahren - welches Gegenstand des Beschlußverfahrens war - handelt es sich nicht um eine vermögensrechtliche Streitigkeit (vgl. insoweit auch LAG Niedersachsen, Beschluß vom 4. März 1988 - 4 Ta 15/88 - sowie Vetter a.a.O.), so daß der Gegenstandswert nach "billigem Ermessen" (§ 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO) festzusetzen ist.

9

Wird - wie vorliegend - im Verfahren nach § 98 ArbGG nicht über die Zuständigkeit der Einigungsstelle, sondern nur über die Person des Vorsitzenden und die Zahl der Beisitzer gestritten, so ist nach ganz einhelliger Auffassung - von der abzuweichen keine Veranlassung besteht - dieses Verfahren mit dem Regelwert von 6.000,- DM (4.000,- DM vor dem 1. Januar 1987) zu bewerten (vgl. etwa Müller-Bauer, a.a.O., Seite 265 mit weiteren Nachweisen; Tschischgale-Satzky, Das Kostenrecht in Arbeitssachen, 3. Auflage 1982, Seite 68; Vetter, a.a.O., Seite 183; Wenzel, DB 77, 727 sowie LAG Hamm, DB 86, 132; LAG Baden-Württemberg, BB 80, 321 und LAG Niedersachsen, Beschluß vom 4. März 1988 - 4 Ta 15/88 -).

10

Die gegenteilige Auffassung des Arbeitsgerichts, welches im Ergebnis insgesamt den vierfachen Wert des § 8 Abs. 2 BRAGO annimmt, überzeugt nicht. Eine Abweichung vom Regelwert des § 8 Abs. 2 BRAGO kommt nur in Betracht, wenn der Umfang der Sache von dem Leitbild einer nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit der in Betracht kommenden Verfahrensart - hier der Bestellung einer Einigungsstelle gemäß § 98 ArbGG - wesentlich abweicht. Das ist aber nicht der Fall.

11

Daß die Person des Vorsitzenden und die Anzahl der Beisitzer im Streit stehen, ist ja gerade Inhalt des Verfahrens nach § 98 ArbGG. Über die Zuständigkeit der Einigungsstelle bestand kein Streit. Daß die Kammerzuständigkeit beim Arbeitsgericht in erster Instanz in Frage stand, ist ein anhand des Geschäftsverteilungsplanes leicht zu lösendes Randproblem. Auch die Bedeutung des zugrundeliegenden Beschlußverfahrens rechtfertigt nicht die vom Arbeitsgericht vorgenommene Wertfestsetzung. Es handelte sich um eine einfach gelagerte Materie mit einem unstreitigen Tatbestand und ohne besondere rechtliche Schwierigkeiten. Das Mitbestimmungsrecht war als solches gar nicht umstritten und offensichtlich spielten auf Seiten der Arbeitgeberin vor allem taktisch bedingte Verzögerungsbestrebungen eine Rolle (so stellte z.B. die Bet. zu 2) die Existenz des vom Bet. zu 1) vorgeschlagenen Vorsitzenden in Frage und hielt die entscheidende Kammer des Arbeitsgerichts Oldenburg für unzuständig. Lag demnach ein ganz normales Verfahren nach § 98 ArbGG ohne besondere Dimensionen vor, so ist eine Aufwertung des Regelwertes nicht angebracht.

12

Gegen diesen Beschluß, der vom Vorsitzenden allein erlassen werden konnte, findet ein Rechtsmittel nicht statt (§§ 78 ArbGG, 10 Abs. 3 BRAGO).

Röder