Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.03.1988, Az.: 15 TaBV 61/87
Zuständigkeit einer tariflichen Schlichtungsstelle; Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer an der betrieblichen Lohngestaltung; Nichteinigung der Parteien bei der Lohngestaltung; Ablauf des Verfahrens vor Einigungsstellen
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 04.03.1988
- Aktenzeichen
- 15 TaBV 61/87
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1988, 10664
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1988:0304.15TABV61.87.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Braunschweig - 07.07.1987 - AZ: 5 BV 61/87
- nachfolgend
- LAG Hannover - 04.03.1988 - AZ: 15 TaBV 61/87
- BAG - 04.07.1989 - AZ: 1 ABR 40/88
Rechtsgrundlagen
- § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG
- § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
- § 83 Abs. 3 ArbGG
- § 76 Abs. 8 BetrVG
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Bei der Frage der Zuständigkeit oder Nichtzuständigkeit der tariflichen Schlichtungsstelle geht es um das Bestehen oder Nichtbestehen eines erzwingbaren Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber und damit um ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten. Die Klärung dieser Frage kann neben dem Einigungs- oder Schlichtungsstellenverfahren in einem selbständigen Beschlussverfahren erstrebt werden.
- 2.
Besteht im Rahmen eines Tarifvertrages ein weitergehendes Mitwirkungsrecht der Arbeitnehmer an der betrieblichen Lohngestaltung, so ist im Falle der Nichteinigung der Beteiligten die tarifliche Schlichtungsstelle zur Entscheidung berufen. Diese hat dieselben Befugnisse, wie sie die Beteiligten als Betriebspartner im Rahmen der tarifvertraglichen Regelung haben. Insbesondere hat sie die Kompetenz, über ihre eigene Zuständigkeit als Vorfrage zu befinden.
- 3.
Das Verfahren vor der Einigungsstelle oder vor der an ihre Stelle tretenden tariflichen Schlichtungsstelle ist ein Verfahren der außergerichtlichen Streitentscheidung mit dem Ziel der alsbaldigen Entscheidung. Es duldet keine Aufschiebung bis zur gerichtlichen Klärung der Zuständigkeit. Eine Aussetzung des Verfahrens kann deshalb nicht erzwungen werden.
In dem Beschlußverfahren
...
hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Anhörung der Beteiligten vom 04.03.1988
durch
den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter ...
und ... als Beisitzer
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 07.07.1987 - 5 BV 61/87 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist Mitglied des Verbandes der M. und beschäftigt ca. 190 Arbeitnehmer, davon ca. 150 Arbeitnehmer in der Fertigung. Der Antragsgegner ist der im Betrieb gebildete Betriebsrat.
Die Antragstellerin stellt Mikrochips her. Die WAFER werden aus Japan importiert. Im Betrieb der Antragstellerin findet das Assembling (= Montage) statt. Der Fertigungsgang beginnt mit dem Dicing (= Sägen) der WAFER. setzt sich fort mit dem Mounting (= Auflöten der Chips auf den Lead Frame = Rahmen) über das Bonding (= Anbringen der Golddrahtverbindungen) zunächst bis zum Molding (= Eingießen der Chips in Kunststoff). Nach jedem dieser Arbeitsgänge findet eine Inspektion statt, teils stichprobenartig, teils vollständig. Diese Arbeitsgänge werden im Clean-Raum (= Reinluft-Raum) vorgenommen, die weiteren Arbeitsgänge außerhalb.
Die Beteiligten streiten darüber, ob für die Tätigkeiten im Clean-Raum Belastungszulagen im Sinne des § 12 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der niedersächsischen Metallindustrie in der Fassung vom 18.07.1984 zu zahlen sind. § 12 MTV lautet:
- (1)
Belastungszulagen sind zu zahlen, soweit bei Arbeiten Belastungen der Muskeln, der Sinne und Nerven und aus Umgebungseinflüssen irr, einzelnen oder zusammen vorliegen, die in nennenswertem Maße über die bei Arbeiten nach den Lohngruppen des Lohntarifvertrages normalerweise auftretenden Belastungen hinausgehen.
- (2)
Unter Belastungen sind zu verstehen
- a)
Belastungen der Muskeln
Muskelmäßige Belastungen entstehen durch dynamische, statische und einseitige Muskelarbeit.
Die Muskelbelastung wird durch die bei der Arbeit aufzuwendende Kraftanstrengung sowie durch die wechselnde Belastungsart, durch die Belastungsdauer und die zeitliche Verteilung der Belastung auf die tägliche Arbeitszeit bestimmt.
- b)
Belastungen der Sinne und Nerven
Belastungen der Sinne und Nerven entstehen durch aufmerksames Wahrnehmen (Sehen. Hören, Fühlen, Tasten) und die angespannte Bereitschaft zum notwendigen Eingreifen bei der Beobachtung, Überwachung und Steuerung von Arbeitsabläufen. Derartige Belastungen können beispielsweise auftreten bei Arbeiten, bei denen höchste Konzentration oder eine besondere Beanspruchung der Sehnerven erforderlich ist.
Die Belastung der Sinne und Nerven wird durch die bei der Arbeit auftretende Anspannung, durch die wechselnde oder gleichförmige Belastungsart, durch die Belastungsdauer und die zeitliche Verteilung der Belastung auf die tägliche Arbeitszeit bestimmt.
- c)
Belastungen aus Umgebungseinflüssen
Umgebungseinflüsse sind Einwirkungen durch Verschmutzung, Staub, Öl. Fett, Temperatur, Nässe. Säure. Gase und Dämpfe, Lärm, Erschütterung, Blendung oder Lichtmangel. Erkältungsgefahr, hinderliche Schutzkleidung und Unfallgefährdung.
- (3)
Die Höhe der Zuschläge ist im Betrieb zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat zu vereinbaren.
Die Zuschläge müssen 4 bis 7 % des Zeitlohndurchschnittes (Spalte b) des jeweiligen Lohntarifvertrages derjenigen Lohngruppe betragen, in welche die betreffende Arbeit nach den Merkmalen des Lohntarifvertrages einzugruppieren ist.
Bei hohen Belastungen der Muskeln, der Sinne und Nerven oder besonders starker Belastungen aus Umgebungseinflüssen, die über das in Ziffer (1) genannte Maß erheblich hinausgehen, müssen die Zuschläge mindestens 8 % betragen.
- (4)
Die Zuschlagspflicht ist erfüllt.
- a)
wenn die Belastungen im Sinne dieses Paragraphen bereits in der vorgenannten Höhe durch die Gewährung einer besonderen Zulage abgegolten sind,
oder
- b)
wenn sie bei der Eingruppierung der Arbeit nach den Grundsätzen einer Arbeitsbewertung berücksichtigt worden sind.
Nach vergeblicher Hinzuziehung der Tarifvertragsparteien rief der Antragsgegner aufgrund seines Beschlusses vom 20.01.1987 dieserhalb die tarifliche Schlichtungsstelle gemäß § 14 VI Ziff. 9 MTV an, der lautet:
Die Schlichtungsstelle besteht aus je zwei von den Tarifvertragsparteien zu benennenden Beisitzern und einem unparteiischen Vorsitzenden.
.....
Die Schlichtungsstelle entscheidet durch Beschluß, der der Mehrheit der anwesenden Mitglieder bedarf. Der Spruch der Schlichtungsstelle ist verbindlich gemäß § 76 Abs. 5 BetrVG; er ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
und auf den Bezug genommen wird in § 25 I Ziff. 4 MTV:
Bei Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung in Fällen von Arbeitszeitregelungen (§ 2 MTV) und des § 87 Abs. I Ziff. 10 und 11 BetrVG tritt an die Stelle der Einigungsstelle gemäß § 76 Abs. 8 BetrVG die tarifliche Schlichtungsstelle (§ 14 VI Ziff. (9)).
Die tarifliche Schlichtungsstelle trat zu ihrer ersten Sitzung am 23.03.1987 zusammen. Auf die eingereichte Fotokopie der Sitzungsniederschrift vom 23.03.1987 (Bl. 18 bis 23 d.A.) wird Bezug genommen. Die Schlichtungsstelle faßte auf dieser Sitzung mehrheitlich den Beschluß:
Die Schlichtungsstelle ist zuständig für das Festlegen von Arbeitsplätzen, an denen Belastungszulagen gemäß § 12 Abs. 1 und Abs. 3 MTV zu gewähren sind.
Am 02.04.1987 trat die Schlichtungsstelle zu ihrer zweiten Sitzung zusammen. Auf die eingereichte Fotokopie der Sitzungsniederschrift vom 02.04.1987 (Bl. 24 bis 26 d.A.) wird Bezug genommen. Auf dieser Sitzung lehnte die Schlichtungsstelle mehrheitlich den Antrag ab, das Verfahren bis zur gerichtlichen Klärung der Zuständigkeit gemäß dem Beschluß vom 23.03.1987 auszusetzen. Weiter nahm sie mehrheitlich den Antrag an, zur Überprüfung der von der Arbeitnehmerseite behaupteten Belastungen, wie sie aus den Ausführungen vom 23.03.1987 und 02.04.1987 sich ergeben, ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Antragstellerin greift die Beschlüsse vom 23.03.1987 und 02.04.1987 an, weil sie die tarifliche Schlichtungsstelle für unzuständig hält. In ihrer Antragsschrift vom 01.06.1987 (Bl. 1 bis 12 d.A.), auf die Bezug genommen wird, hat sie die Auffassung vertreten, § 12 MTV regele abschließend, ob ein Anspruch auf eine Zulage wegen Belastungen bestehe, die in nennenswertem Maße oder erheblich über die bei Arbeiten nach den Lohngruppen des Lohntarifvertrages normalerweise auftretenden Belastungen hinausgehen, so daß ein Mitbestimmungsrecht des Antragsgegners nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 oder 11 BetrVG hinsichtlich der Festlegung der zuschlagspflichtigen Arbeitsplätze ausscheide. Es bestehe lediglich eine durch § 12 Ziff. 3 Abs. 1 MTV zugewiesene Regelungsbefugnis für die Höhe der Zulagen, über die im Nichteinigungsfalle die Einigungsstelle zu entscheiden habe. Die tarifliche Schlichtungsstelle sei deshalb zur Klärung der Frage, ob Belastungszulagen zu zahlen seien, nicht befugt, so daß sie zu dieser Frage auch kein Sachverständigengutachten einholen dürfe. Vielmehr sei die Aussetzung des Schlichtungsstellenverfahrens bis zur gerichtlichen Entscheidung geboten.
Die Antragstellerin hat beantragt,
festzustellen, daß die Beschlüsse der tariflichen Schlichtungsstelle vom 23.03.1987 und 02.04.1987 unwirksam sind.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Beschlüsse der tariflichen Schlichtungsstelle verteidigt. Auf seinen Schriftsatz vom 29.06.1987 (Bl. 33 bis 39 d.A.) wird Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluß vom 07.07.1987 das Feststellungsbegehren der Antragstellerin zurückgewiesen, da dem Antragsgegner für die Festlegung der zuschlagspflichtigen Arbeitsplätze ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zustehe, so daß der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle nicht begründet sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf Ziff. II der Gründe des arbeitsgerichtlichen Beschlusses.
Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 15.07.1987 zugestellten Beschluß am Montag, den 17.08.1987 Beschwerde eingelegt, die sie am 11.09.1987 begründet hat.
Die Antragstellerin hält weiterhin dafür, daß die tarifliche Schlichtungsstelle nicht zuständig für die Frage sei, ob und an welchen Arbeitsplätzen eine Belastungszulage zu zahlen sei. Deshalb könne sie auch nicht berechtigt sein, zu dieser Frage ein Sachverständigengutachten einzuholen. Zudem gebe es keine Verfahrensregel, die der Schlichtungsstelle die Einholung eines Sachverständigengutachtens gestatte.
Hilfsweise greift die Antragstellerin den arbeitsgerichtlichen Beschluß an, weil er ihren Antrag insgesamt zurückgewiesen habe, in der Begründung jedoch kein Wort darüber verloren habe, ob und warum das Arbeitsgericht den Beschluß der tariflichen Schlichtungsstelle vom 02.04.1987 für wirksam halte, ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründungsschrift vom 10.09.1987 (Bl. 55 bis 60 d.A.) Bezug genommen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluß des Arbeitsgerichts Braunschweig, Az.: 5 BV 61/87, vom 07.07.1987 aufzuheben und festzustellen, daß die Beschlüsse der tariflichen Schlichtungsstelle vom 23.03.1987 und vom 02.04.1987 unwirksam sind,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Arbeitsgericht Braunschweig zurückzuverweisen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Auf seinen Schriftsatz vom 22.10.1987 (Bl. 62 bis 66 d.A.) wird Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde (§ 87 ArbGG i.V.m. §§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 222 Abs. 2, 518, 519 ZPO analog) ist unbegründet.
1.
Die Kompetenz der tariflichen Schlichtungsstelle umfaßt die Feststellung, ob und an welchen Arbeitsplätzen Belastungszulagen nach § 12 Ziff. 1 und Ziff. 3 MTV zu gewähren sind. Ihr Beschluß vom 23.03.1987 ist durch diese Kompetenz gedeckt. Soweit sich die Antragstellerin gegen diesen Beschluß wendet, ist ihr Antrag zwar zulässig, aber unbegründet.
Es handelt sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit, für die das Beschlußverfahren gegeben ist (§ 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG). Der Antragsgegner berühmt sich eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Frage der Belastungszulagen nach § 12 MTV. Die Antragstellerin stellt dieses in Abrede.
Die Entscheidung dieses Streits betrifft unmittelbar die betriebsverfassungsrechtlichen Rechtspositionen von Antragstellerin und Antragsgegner. Sie sind deshalb Beteiligte des Verfahrens im Sinne des § 83 Abs. 3 ArbGG.
Demgegenüber ist die tarifliche Schlichtungsstelle nicht zu beteiligen. Die gemäß § 76 Abs. 8 BetrVG an die Stelle der Einigungsstelle getretene tarifliche Schlichtungsstelle ist durch eine Entscheidung dieser Frage nicht in einer eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen, denn sie ist eine Einrichtung, die lediglich eine Hilfsfunktion zur Beilegung dieser Streitigkeit zwischen Antragstellerin und Antragsgegner ausübt (BAG, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Vorschlagswesen; AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Urlaub; AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit; AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).
Für den Antrag ist ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Formell greift die Antragstellerin zwar lediglich eine Zwischenentscheidung der tariflichen Schlichtungsstelle an. Materiell wird mit dem Antrag jedoch die Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses begehrt. Die Einigungsstelle oder die an ihre Stelle tretende tarifliche Schlichtungsstelle kann auf einseitigen Antrag nur in den Fällen tätig werden, in denen ihr Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt (§ 76 Abs. 5 Satz 1 BetrVG). Das ist gemäß § 87 Abs. 2 BetrVG in den Fällen der betrieblichen Lohngestaltung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Fall, auf den sich der Antragsgegner beruft. Bei der Frage der Zuständigkeit oder Nichtzuständigkeit der tariflichen Schlichtungsstelle geht es also um das Bestehen oder Nichtbestehen eines erzwingbaren Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber und damit um ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten. Die Klärung dieser Frage kann neben dem Einigungs- oder Schlichtungsstellenverfahren in einem selbständigen Beschlußverfahren erstrebt werden (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, z. B.: AP Nr. 2, 10, 11 zu § 87 BetrVG 1972; AP Nr. 5, 9 zu § 111 BetrVG 1972; AP 3 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit; AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).
In der Sache ist das Arbeitsgericht zu Recht von einem Mitbestimmungsrecht des Antragsgegners nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ausgegangen und hat folgerichtig die Zuständigkeit der tariflichen Schlichtungsstelle gemäß § 25 I Ziff. 4 MTV bejaht.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, soweit die Festlegung abstrakt - genereller Grundsätze der Lohnfindung betroffen ist, nicht aber hinsichtlich der Lohn- und Gehaltshöhe (BAG, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Die Mitbestimmungsrechte des § 87 Abs. 1 BetrVG sind jedoch durch Tarifvertrag erweiterbar (BAG, Beschluß vom 18.08.1987 - 1 ABR 30/86 - Gründe B III 2 b)., so daß das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auch auf die Lohn- und Gehaltshöhe ausgedehnt werden kann. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist nach dem Eingangssatz des § 87 Abs. 1 BetrVG jedoch ausgeschlossen, wenn die betreffende Angelegenheit in einem Tarifvertrag abschließend geregelt ist.
Die Antragstellerin geht davon aus, daß die Gestaltung der Belastungszulagen in § 12 MTV abschließend geregelt sei, so daß kein Raum mehr für die Aufstellung abstrakt-genereller Grundsätze hinsichtlich der Belastungszulagen bestehe. Sie verkennt dabei aber, daß die Tarifvertragsparteien den Betriebspartnern gerade die nähere Ausgestaltung des § 12 MTV für den einzelnen Betrieb zugewiesen haben, so daß das Mitbestimmungsrecht des Antragsgegners nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht ausgeschlossen ist (vgl.: BAG, AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).
Zwar verweist die Antragstellerin zu Recht darauf, daß in § 12 Ziff. 1 und Ziff. 3 Abs. 3 MTV tatbestandsmäßig festgelegt ist, ab welchem Grad der Belastung eine Zulage oder eine erhöhte Zulage zu zahlen ist. Die nähere Ausgestaltung ist in § 12 Ziff. 3 Abs. 1 MTV aber den Betriebspartnern zugewiesen, wenn es dort heißt, die Höhe der Zuschläge ist im Betrieb zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat zu vereinbaren.
Die Betriebspartner müssen für jede Arbeit, die Belastungen mit sich bringt, die in nennenswerten Maße über die bei arbeiten nach der einschlägigen Lohngruppe des Lohntarifvertrages normalerweise auftretenden Belastungen hinausgehen, die Höhe des Zuschlags festlegen. Das ergibt sich aus § 12 Ziff. 3 Abs. 2 MTV, der von der "betreffenden Arbeit" spricht, für die die Zulagenhöhe festzulegen ist. Dabei hat die Zulage zwischen 4 % und 7 % des Zeitlohndurchschnitts der einschlägigen Lohngruppe zu betragen. Das bedeutet, daß es Aufgabe der Betriebspartner ist, einen Katalog derjenigen Arbeiten aufzustellen, bei denen Belastungen auftreten, die in nennenswertem Maße über die mit der Entlohnung nach den einschlägigen Lohngruppen mit abgegoltenen Belastungen hinausgehen. Weiter müssen die Betriebspartner aber innerhalb dieses Katalogs die Höhe der Zulagen festlegen, wobei sich die Zulagenhöhe für die jeweilige Arbeit zwischen 4 % und 7 % bewegen kann. Das heißt, es sind innerhalb des Katalogs der zulagenberechtigten Arbeiten des § 12 Ziff. 3 Abs. 2 MTV Kriterien zu entwickeln, aus denen sich ergibt, ob und gegebenenfalls welche belastende Arbeit mit einer 4%igen, einer 5%igen, einer 6%igen oder einer 7%igen Zulage abzugelten ist. Das ist aber gerade eine Aufgabe der Lohngestaltung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
Gleiches gilt für die erhöhte Zulage nach § 12 Ziff. 3 Abs. 3 MTV. Die Betriebspartner müssen die Höhe der erhöhten Zulage festlegen, die mindestens 8 % des Zeitlohndurchschnitts der einschlägigen Lohngruppe für die betreffende Arbeit betragen muß. Es ist also Aufgabe der Betriebspartner, einen Katalog derjenigen Arbeiten aufzustellen, bei denen Belastungen auftreten, die erheblich über die mit der Entlohnung nach der einschlägigen Lohngruppe mit abgegoltenen Belastungen hinausgehen, um sodann innerhalb dieses Katalogs die Höhe der Zulagen für die jeweilige Arbeit festzulegen. Sie müssen also innerhalb dieses Katalogs zuschlagspflichtiger Arbeiten nach § 12 Ziff. 3 Abs. 3 MTV Kriterien entwickeln, ob und gegebenenfalls welche erheblich belastende Arbeit mit einer 8%igen, einer 9%igen oder mit einer noch höheren Zulage abzugelten ist.
Da es sich somit im Rahmen des § 12 MTV um eine Frage der betrieblichen Lohngestaltung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG handelt, ist vorliegend wegen der Nichteinigung der Beteiligten gemäß § 87 Abs. 2 BetrVG i.V.m. §§ 76 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 und Abs. 8 BetrVG, 25 I Ziff. 4 MTV die tarifliche Schlichtungsstelle zur Entscheidung berufen. Diese hat dieselben Befugnisse, wie die Beteiligten als Betriebspartner nach § 12 Ziff. 3 MTV haben. Insbesondere hat sie die Kompetenz, über ihre eigene Zuständigkeit als Vorfrage zu befinden (herrschende Meinung vgl. Fitting-Auffarth-Kaiser-Heither, BetrVG, 15. Aufl, § 76 Rdnr. 42 a, m.w.N.). Es ist also ihre Aufgabe festzustellen, ob in dem Betrieb überhaupt zulagenpflichtige Arbeiten im Sinne des § 12 Ziff. 1, Ziff. 3 Abs. 2 und im Sinne des § 12 Ziff. 3 Abs. 3 MTV anfallen, bevor sie zu einer Regelung der Zulagenhöhen kommen kann. In diesem Sinne ist der Beschluß der tariflichen Schlichtungsstelle vom 23.03.1987 von ihrer Kompetenz gedeckt.
2.
Der Beschluß der tariflichen Schlichtungsstelle vom 02.04.1987, mit dem sie eine Aussetzung des Schlichtungsstellenverfahrens bis zur gerichtlichen Klärung der Zuständigkeitsfrage abgelehnt hat, ist gerichtlich nicht angreifbar, so daß der dagegen gerichtete Antrag der Antragstellerin der Zurückweisung unterliegen muß.
Das Verfahren vor der Einigungsstelle oder vor der an ihre Stelle tretenden tariflichen Schlichtungsstelle ist ein Verfahren der außergerichtlichen Streitentscheidung mit dem Ziel der alsbaldigen Entscheidung. Es duldet keine Aufschiebung bis zur gerichtlichen Klärung der Zuständigkeit (vgl. BAG, AP Kr. 2 zu § 23 BetrVG 1972, Gründe B II 5 c; Fitting-Auffarth-Kaiser, a.a.O.). Eine Aussetzung des Verfahrens kann deshalb nicht erzwungen werden.
3.
Dem Antrag der Antragstellerin ist auch insoweit kein Erfolg beschieden, als sie mit ihm den Beschluß der tariflichen Schlichtungsstelle vom 02.04.1987 angreift, einen Sachverständigen zur Klärung der von dem Antragsgegner behaupteten Belastungen hinzuzuziehen.
Erstinstanzlich hat die Antragstellerin ihre Ansicht, daß der Beschluß rechtswidrig sei, lediglich darauf gestützt, daß die tarifliche Schlichtungsstelle nicht zuständig für die Feststellung sei, ob und an welchen Arbeitsplätzen Belastungszulagen zu zahlen sind, so daß sie auch keine Befugnis habe, zu der Frage der Belastungen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Da das Arbeitsgericht zutreffend die Zuständigkeit der tariflichen Schlichtungsstelle für die Feststellung bejaht hat, ob und an welchen Arbeitsplätzen eine Belastungszulage zu zahlen ist, hat es folgerichtig den Antrag der Antragstellerin auch insoweit abgewiesen, als sie sich gegen den Beschluß gewendet hat, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Daß das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung dazu keine besonderen Ausführungen gemacht hat, kann nicht als Verfahrensfehler angesehen werden und insbesondere nicht auf den Hilfsantrag der Antragstellerin zu einer Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses und einer Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung führen, abgesehen davon, daß einer solchen Entscheidung die Vorschrift des § 91 Abs. 1 Satz 2 ArbGG entgegenstände.
Nunmehr stellt die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde auch grundsätzlich in Abrede, daß eine betriebliche Einigungsstelle oder eine an ihre Stelle tretende tarifliche Schlichtungsstelle einen Sachverständigen hinzuziehen könne, mit der in der mündlichen Anhörung angesprochenen Folge, daß sie als Arbeitgeberin auch nicht zur Tragung seiner Kosten verpflichtet sei.
Für diese betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit ist das Beschlußverfahren die gegebene Verfahrensart (§ 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG), an dem Antragstellerin und Antragsgegner gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG Beteiligte sind, nicht jedoch die tarifliche Schlichtungsstelle. Diese ist auch in dieser Frage nicht unmittelbar in einer eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen, was aus ihrer Eigenart als Hilfsorgan von Betriebsrat und Arbeitgeber folgt.
Für den Antrag ist ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben, denn er zielt unabhängig vom Ausgang des Schlichtungsstellenverfahrens auf die Klärung der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob die Antragstellerin die Kosten des Hilfsorgans der tariflichen Schlichtungsstelle auch insoweit zu tragen hat, als sie ein Sachverständigengutachten einholen will.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Die tarifliche Schlichtungsstelle kann ebenso, wie die betriebliche Einigungsstelle einen Sachverständigen hinzuziehen, soweit das zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Das ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 80 Abs. 3 BetrVG.
Der MTV enthält für die tarifliche Schlichtungsstelle keine näheren Verfahrensregeln. Es ist deshalb auf die für die Einigungsstelle geltenden Verfahrensregeln des § 76 Abs. 3 BetrVG zurückzugreifen, da die tarifliche Schlichtungsstelle gemäß § 76 Abs. 8 BetrVG an die Stelle der Einigungsstelle getreten ist. § 76 Abs. 3 BetrVG enthält jedoch keine näheren Bestimmungen über die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung. Gleichwohl wird ganz allgemein angenommen, daß die Einigungsstelle Zeugen vernehmen und Sachverständige hinzuziehen könne (z. B.: Fitting-Auffarth-Kaiser-Heither, a.a.O. § 76. Rdnr. 21 a; Dietz-Richardi, BetrVG, 6. Aufl, § 76, Rdnr. 76; Kammann-Hess-Schlochauer, BetrVG, 3. Aufl., § 76, Rdnr. 46). Eine nähere Begründung wird dafür jedoch nicht gegeben.
Die Antragstellerin hält unter Hinweis auf § 109 Satz 3 BetrVG die Einigungsstelle bzw. die tarifliche Schlichtungsstelle grundsätzlich nicht für befugt, einen Sachverständigen hinzuzuziehen. § 109 Satz 3 BetrVG sei als Sondervorschrift für Angelegenheiten des Wirtschaftsausschusses anzusehen, die keinen allgemeinen Rechtsgedanken enthalte und daher auch nicht auf andere Sachverhalte übertragen werden könne. Diesem Argument vermag sich das erkennende Gericht nicht anzuschließen. § 109 Satz 3 BetrVG kann nicht als Ausnahmevorschrift angesehen werden. Vielmehr ergibt sich die grundsätzliche Befugnis der Einigungsstelle, Sachverständige hinzuzuziehen, aus der Systematik des Gesetzes. Die Einigungsstelle bzw. die an ihre Stelle tretende tarifliche Schlichtungsstelle ist ein Hilfsorgan von Betriebsrat und Arbeitgeber zur Beilegung von Mitbestimmungsstreitigkeiten. Diesem Hilfsorgan müssen deshalb dieselben Befugnisse zustehen, wie dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat. Der Betriebsrat kann aber nach Maßgabe des § 80 Abs. 3 BetrVG einen Sachverständigen hinzuziehen. Diese Befugnis steht deshalb auch der Einigungsstelle bzw. der tariflichen Schlichtungsstelle zu (ebenso: Dütz, AuR 1973, 353 ff., 363). Es müssen bei der Heranziehung des § 80 Abs. 3 BetrVG jedoch die Besonderheiten der Einigungsstelle bzw. der Schlichtungsstelle berücksichtigt werden. Der Betriebsrat kann nach § 80 Abs. 3 BetrVG einen Sachverständigen nur nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber hinzuziehen. Im Streitfall hat das Arbeitsgericht zu entscheiden. Da die Einigungsstelle bzw. die Schlichtungsstelle demgegenüber selbst zur Streitentscheidung berufen ist, kann sie selbst die fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen (ebenso: Dütz, a.a.O.). Eine Einschaltung des Arbeitsgerichts vor einer Entscheidung über die Hinzuziehung eines Sachverständigen würde dem oben unter Ziff. 2 bereits aufgezeigten Grundsatz zuwiderlaufen, daß die Einigungsstelle bzw. die Schlichtungsstelle zur alsbaldigen Streitentscheidung berufen ist und ihr Verfahren deshalb keinen Aufschub duldet.
Ist somit der Einigungsstelle bzw. der Schlichtungsstelle die grundsätzliche Befugnis eingeräumt, zur Erfüllung ihrer Aufgabe einen Sachverständigen hinzuzuziehen, muß dem Arbeitgeber jedoch im Hinblick auf seine Kostentragungspflicht die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Erforderlichkeit eingeräumt werden, wobei zu beachten ist, daß im Rahmen des § 80 Abs. 3 BetrVG die Heranziehung eines Sachverständigen erst ins Auge gefaßt werden kann, wenn die betrieblichen Unterrichtungs- und Aufklärungsmöglichkeiten erschöpft sind (BAG, Beschluß vom 04.06.1987 - 6 ABR 63/85).
Die Antragstellerin hat aber nichts dazu vorgetragen, daß die betrieblichen Informationsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft worden seien. Auch fehlt es an jedem Vortrag dazu, warum die Hinzuziehung eines Sachverständigen sachlich nicht geboten sei. Es besteht deshalb keine Möglichkeit für die Feststellung, daß der Beschluß der tariflichen Schlichtungsstelle vom 02.04.1987, einen Sachverständigen hinzuzuziehen, mangels Erforderlichkeit rechtswidrig wäre.