Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 13.04.2005, Az.: 11 A 1252/04

Anspruch einer syrischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit auf Feststellung des Vorliegens eines Abschiebeverbots; Furcht vor politischer Verfolgung im Heimatland; Glaubwürdigkeit der Aussagen der Asylsuchenden; Gruppenverfolgung wegen kurdischer Volkszugehörigkeit; Gefährdung durch exilpolitische Tätigkeiten

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
13.04.2005
Aktenzeichen
11 A 1252/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 32668
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2005:0413.11A1252.04.0A

Verfahrensgegenstand

Asylrecht, Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung,

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Eine politische Verfolgung erfordert, dass neben der Zugehörigkeit zu einer Minderheitenvolksgruppe und der Verbindung zu einer systemkritischen Oppositionspartei oder entsprechenden Vereinigung im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten müssen. Solche Umstände liegen vor, wenn es sich um regimefeindliche Aktivitäten handelt, durch die sich das syrische Regime in seinem Bestand bedroht fühlt und diese Aktivitäten sich deutlich von den exilpolitischen Betätigungen zahlreicher anderer syrischer Staatsangehöriger abheben und damit in besonderer Weise aus dem Kreis der üblichen exilpolitischen Betätigungen herausragen.

  2. 2.

    Kurden sind in Syrien nur dann staatlichen Repressionen ausgesetzt, wenn sie sich konkret gegen den syrischen Staat betätigen. Diese Einschätzung gilt auch unter Berücksichtigung der Ereignisse, die sich Mitte März 2004 in Kamishli, Damaskus, Hassake, Derik, Afrin und Aleppo zugetragen haben.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 11. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 13. April 2005
durch
den Richter am Verwaltungsgericht Braatz als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist syrische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit und muslimischen Glaubens aus Aleppo/Syrien. Sie reiste nach ihrem Vorbringen am 23. Februar 2004 zusammen mit ihrer Cousine, der Zeugin F. (vgl. 11 A 1838/04), auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein, wo sie am 2. März 2004 ihre Anerkennung als Asylberechtigte beantragte.

2

Anlässlich ihrer Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) am 4. März 2004 gab sie im Wesentlichen an, wegen ihrer Unterstützung der PKK in Syrien inhaftiert, geschlagen sowie sexuell misshandelt und auch nach ihrer Freilassung weiter verfolgt worden zu sein. Im Einzelnen ließ sie sich wie folgt ein:

3

Sie habe bis zu ihrer Ausreise zusammen mit den Eltern und fünf Geschwistern in einem Stadtteil von Aleppo gewohnt. Ihr Vater sei Händler und betreibe zusammen mit einem Onkel ein Lager für medizinische Produkte. Nach dem Abitur habe sie 1997 ihre Ausbildung zur Hebamme abgeschlossen. Mit finanzieller Unterstützung ihrer Angehörigen habe sie eine eigene Hebammenpraxis in einem anderen Stadtteil Aleppos eröffnet und bis Anfang 2004 betrieben. Seit Jahren habe sie mit der PKK zusammengearbeitet. 1996 habe sie begonnen Zeitungen, Flugblätter und alle anderen Druckerzeugnisse, die sie bekommen habe, unter die Leute zu bringen. Auch nach Eröffnung ihrer Praxis habe sie der Partei gedient, ob es nun Frauen der Märtyrer oder die Frauen der Parteigenossen waren. Sie habe auch Geld und Kleider gesammelt und der Partei gespendet. Auf Versammlungen, auch in ihrer Praxis, habe sie kurdische Frauen informiert, um ihnen bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu helfen. Sie habe dies tun müssen, weil Cousinen und Cousins von ihr als Märtyrer gefallen seien. Bis zum Jahr 2000, als Bashar Al Assad die Macht übernommen habe, sei die Situation immer schlechter geworden. Sie hätten unter Beobachtung gestanden und sich nicht mehr frei bewegen können. Am 10. März 2003 sei sie in ihrer Praxis vor den Augen ihrer Patientinnen festgenommen und 15 Tage lang inhaftiert worden. Gleichzeitig sei ihre Cousine R. festgenommen worden. Sie sei nach ihren Aktivitäten befragt und aufgefordert worden, diese zu unterlassen. Man habe sie beschimpft, geschlagen und sexuell belästigt. Während der Befragung habe ein Sicherheitsdienstler sie plötzlich angegriffen und am Hals geküsst, sodass alles blau geworden sei. Auch sei sie an den Haaren gezogen worden. Ihre Familienmitglieder hätten sehr viel Geld gesammelt und an die Vermittler und Bedienstete gegeben, damit sie freigelassen werde. Nach ihrer Freilassung sei sie nicht zu einem Arzt gegangen, sondern habe ihren Schock und ihre Kopfschmerzen mit Paracetamol behandelt und Schutz innerhalb der Familie gesucht. Sie sei nicht sofort nach der Freilassung ausgereist, weil sie zunächst erhofft habe, Schutz und Ruhe bei ihrer Familie zu finden. Zwar habe sie keine Versammlungen mehr in der Praxis abgehalten, aber weiterhin Spendengelder und Kleider gesammelt. Auch nach der Freilassung sei sie weiterhin von Sicherheitskräften aufgesucht worden. Immer wieder habe sie Bestechungsgelder zahlen müssen. Weil ihre Inhaftierung bekannt geworden sei, habe sie immer mehr Patienten verloren und ihre Hebammenpraxis Anfang 2004 aufgeben müssen. Sie habe gewusst, dass die Nachrichtendienstler sie auch weiterhin bedrängen würden. Ihre seelische Belastung sei immer stärker geworden. Am 31. Januar 2004 habe sie Aleppo verlassen und am 2. Februar 2004 illegal die syrisch-türkische Grenze überquert.

4

Das Bundesamt lehnte den Asylantrag durch am 11. März 2004 zugestellten Bescheid vom 9. März 2004 ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und drohte der Klägerin unter Ausreiseaufforderung und Fristsetzung die Abschiebung nach Syrien an. Der ebenfalls ablehnende Bescheid betreffend ihre Cousine vom 8. April 2004 wurde nach Klagerücknahme angesichts Versäumung der Klagefrist bestandskräftig.

5

Die Klägerin hat am 18. März 2004 unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen vor dem Bundesamt Klage erhoben. Ergänzend trägt sie vor: Das Anhörungsprotokoll sei in mehrfacher Hinsicht zu korrigieren: Sie sei nicht PKK-Mitglied gewesen, aber dafür, wie sich diese Partei für die Befreiung der Frauen einsetze. Dies werde durch die Bescheinigung der Demokratischen Einheitspartei - PYD - Sektion in Europa vom 5. Juli 2004 belegt. Ihre Festnahme am 10. März 2003 sei auch deshalb erfolgt, weil sie am Frauentag politische Lieder gesungen habe, was die Sicherheitskräfte beobachtet hätten. Zuvor sei sie mehrfach vernommen worden, weil so viele Frauen in ihrer Praxis verkehrt hätten. Ihre Cousine, mit der sie gemeinsam politische Lieder gesungen habe, sei mit ihr zusammen in der Praxis von fünf bis sechs in Zivil gekleideten Männern verhaftet worden. Kurz zuvor sei ihre Cousine durch einen Anruf ihrer Eltern gewarnt worden, dass die Geheimpolizei sie suchen würde. Sie habe nicht sofort ihre behandlungsbedürftige Patientin verlassen können, sodass ihnen nicht rechtzeitig eine Flucht gelungen sei. Sie sei durch Schmiergeldzahlungen ihrer Familie nach 15 Tagen Haft freigekommen und habe durch monatliche Schmiergeldzahlungen weitere Festnahmen vermeiden können. Infolge des monatlichen Erscheinens der Sicherheitskräfte sei der Druck der Verwandtschaft auf ihre Familie immer größer geworden. Da die Familienehre sowie ihre berufliche und persönliche Zukunft ruiniert gewesen seien, habe sie nur den Ausweg der Flucht gesehen. Aus Scham habe sie in der Anhörung keine detaillierten Angaben zu den sexuellen Belästigungen machen können. In der - im Ergebnis erfolglosen - Hoffnung, die Ereignisse so verdrängen zu können, habe sie bislang geschwiegen. Im Vernehmungszimmer des Gefängnisses hätten sich ein Offizier und ein Soldat befunden. Der Soldat habe sie geschlagen, um sie zum Sprechen zu bringen, und ihr ins Gesicht gespuckt. Nach der Vernehmung sei sie mit verbundenen Augen in einen Kellerraum gebracht worden. Dieser sei sehr dreckig gewesen und habe sehr schlecht gerochen. Sie habe geschrieen, dann sei die Tür von innen abgeschlossen worden. Plötzlich habe sie jemand gestreichelt und am Hals geküsst. Als sie versucht habe, den Mann wegzustoßen, habe er sie geschlagen und ihre Bluse zerrissen. Er habe ihre Brust geküsst und versucht, ihr die Hose runterzuziehen. Sie habe sich mit allen Kräften gewehrt und ihn so kräftig in den Oberarm gebissen, dass er schließlich von ihr ließ. Er habe wütend auf sie eingeschlagen und sie aufs Schlimmste beleidigt. Dieses Erlebnis sei für sie wie ein Weltuntergang gewesen. Einen Tag später sei sie zusammen mit ihrer Cousine mit verbundene Augen und Handschellen in ein anderes Gefängnis verbracht worden, wo sie bis zu ihrer Freilassung verblieb. Auch hier sei sie mehrfach sexuell belästigt worden. Beispielsweise habe sie den Toilettengang zusammen mit dem Aufseher machen müssen. Der habe dann die Tür von innen abgeschlossen, sie geküsst und ihren ganzen Körper berührt. Er habe masturbiert und ihr ins Gesicht und auf den Körper ejakuliert. Ohne sich reinigen zu dürfen, sei sie in ihre Zelle gebracht worden. Ihre Verhaftung sei in der Zeit vom 10. bis 11. März 2003 im Gebäude des politischen Sicherheitsdienstes Amen al Siasi und danach im Zentralgefängnis Al Missilmija gewesen. Nach ihrer Freilassung sei ein Arzt zu ihr gekommen. Sie habe sich sehr geschämt und sich zuerst nicht mehr aus dem Haus getraut, da man ihr die Verletzungen noch angesehen habe.

6

Wegen ihrer umfangreichen exilpolitischen Betätigung sei sie bei einer Rückkehr nach Syrien erheblich gefährdet. Dies gelte insbesondere angesichts der verschlechterten Lage seit den Unruhen im Frühjahr 2004 in den Kurdengebieten Syriens. Durch Ferngespräche mit ihren Eltern und auch durch syrische Landsleute habe sie erfahren, dass ihr Vater mehrere Male von der Geheimpolizei mitgenommen und u.a. zu ihrem Verbleib verhört worden sei. Er habe sie auffordern sollen, sich umgehend bei den Sicherheitskräften zu melden. Durch Bezahlung von Bestechungsgeldern sei er jeweils wieder freigekommen. Nach Veröffentlichung von Fotos im Internet, auf denen sie als Teilnehmerin der Demonstration vom 11. März 2005 in Brüssel zu sehen sei, sei ihr Vater verhaftet worden und habe ihre Mutter einen Zusammenbruch erlebt. Durch Zahlung von Bestechungsgeldern sei er wieder freigekommen. Sie leide an Gewichtsverlust, Schlafproblemen und innerer Unruhe wegen der nach wie vor unverarbeiteten Erlebnissen im Gefängnis. Seit Oktober 2004 nehme sie das Medikament Doxepin neuraxpharm 25. Trotz mehrfacher Bitten wegen ihres schlechten psychischen Zustandes sei wegen fehlender Kostenübernahme eine Therapie abgelehnt worden.

7

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. März 2004 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich Syrien vorliegen,

8

Hilfsweise

die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG hinsichtlich Syrien bestehen.

9

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Sie bezieht sich auf den angefochtenen Bescheid und erwidert ergänzend, auch nach den Unruhen in den Kurdengebieten Syriens im Frühjahr 2004 sei eine Gruppenverfolgung von Kurden und eine Rückkehrgefährdung der Klägerin auch angesichts ihrer exilpolitischen Betätigungen nicht anzunehmen.

11

Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten stellte keinen Antrag.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte 11 A 1838/04, der Ausländerakte des Landkreises P. und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Weiter wird verwiesen auf Auskünfte, Gutachten, Stellungnahmen und Presseberichte, die auf Bl. 43 ff der GA aufgeführt und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

13

Das Gericht hat durch Vernehmung der Zeugin F. Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 oder § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG nicht zu. Daher ist auch die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes rechtlich nicht zu beanstanden.

15

1.

Die Klägerin hat nicht glaubhaft machen können, dass sie ihr Heimatland aus Furcht vor einer politischen Verfolgung verlassen hat oder dass ihr eine derartige Verfolgung oder Maßnahmen im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG im Fall ihrer Rückkehr drohen.

16

Nach Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung und Vernehmung der Zeugin F. teilt das Gericht die Einschätzung des Bundesamtes in dem angefochtenen Bescheid, dass das Vorbringen der Klägerin insgesamt unglaubhaft ist. Die aus gesellschaftlich sehr guten Verhältnissen stammende Klägerin trägt ein konstruiertes, nicht selbst erlebtes Flüchtlingsschicksal vor, bei dem sie sich nach vagen und eher unbedeutenden politischen Betätigungen durch syrische Sicherheitsbehörden als in besonderem Maße gefährdet darstellt, sodass ihr als Ausweg nur die Flucht ins Ausland verblieben sei. Diese Einschätzung ergibt sich aus folgenden - jeweils selbstständig entscheidungstragenden -Widersprüchen, Ungereimtheiten und Steigerungen:

17

Bereits hinsichtlich des Anlasses für ihre angebliche Festnahme am 10. März 2003 trägt sie in mehrfacher Hinsicht widersprüchlich und gesteigert vor. Während die Zeugin diesbezüglich einen gemeinsamen Auftritt bei dem Frauenfest vom 8. März 2003 erwähnt hat, ist in der zeitnah zur Einreise erfolgten Anhörung der Klägerin hiervon nicht ansatzweise die Rede. Erstmals im anwaltlichen Schriftsatz vom 10. Mai 2004 holt sie dies nach. Warum sie dieses Detail nicht ebenso wie andere Ergänzungen nach Rückübersetzung ihrer Anhörung zu Protokoll gegeben hat, ist nicht recht nachvollziehbar. Gesteigert ist auch die Behauptung in der mündlichen Verhandlung, sie habe bei dem Frauenfest auch eine Rede gehalten, wovon in den Schriftsätzen vom 10. Mai 2004 und 6. April 2005 nicht die Rede war. In der Anhörung vor dem Bundesamt gab sich die Klägerin als eine Kurdin aus, die die PKK jahrelang durch Weitergabe von Publikationen, kostenlose bzw. günstige Behandlung kurdischer Frauen sowie Geld- und Kleiderspenden unterstützt habe. Dies passt auch zu der Einlassung der Zeugin vor dem Bundesamt und zu der eingereichten Bescheinigung der der PKK nahe stehenden Demokratischen Einheitspartei - PYD - vom 5. Juli 2004, wonach die Klägerin Sympathisantin dieser Partei sei. In dem Schriftsatz vom 6. April 2005 und auch in der mündlichen Verhandlung relativierte sie diese Angaben dahingehend, sie habe lediglich die Auffassung der PKK insoweit übernommen, als sich diese für die Rechte und Befreiung der Frauen einsetze. Trotz mehrfacher Vorhalte in der mündlichen Verhandlung leugnete sie vor dem Bundesamt angegeben zu haben, die PKK durch Geld- und Kleiderspenden unterstütz zu haben. Dies steht nicht nur im Widerspruch zu entsprechenden Behauptungen der Zeugin, sondern auch zu den mehrfach protokollierten Aussagen vor dem Bundesamt. Ebenso widersprüchlich sind ihre Einlassungen zu der Frage, ob und inwieweit sie sich auch nach ihrer Freilassung noch weiterhin politisch in Syrien betätigt habe. Sprachliche Missverständnisse sind angesichts der gerichtsbekannten Fähigkeiten des regelmäßig auch hier eingesetzten Dolmetschers wenig glaubhaft.

18

Hinsichtlich der angeblich erlittenen sexuellen Übergriffe anlässlich der Inhaftierung im März 2003 trägt die Klägerin ebenfalls widersprüchlich und gesteigert vor. Zunächst fällt auf, dass vor dem Bundesamt von sexuellen Übergriffen erst nach Rückübersetzung des Protokolls die Rede war, was für sich genommen noch unschädlich wäre. Trotz mehrfacher Kontakte zu ihrem Bevollmächtigten, die zu den Schriftsätzen vom 10. Mai 2004, 7. Juli 2004 und 10. März 2005 geführt haben, werden aber insoweit erstmals mit Schriftsatz vom 6. April 2005 Details von einem angeblich erlittenen Vergewaltigungsversuch (im ersten Gefängnis) und gravierenden sexuellen Belästigungen und Beleidigungen (im zweiten Gefängnis) erwähnt. Das Gericht nimmt ihr nicht ab, dass sie aus Scham und in der Hoffnung, die Ereignisse so verdrängen zu können, bislang geschwiegen hat. Im Gegenteil hat es die Einschätzung gewonnen, dass die Klägerin in Absprache mit der Zeugin versucht, durch nunmehr offenbarte dramatische Details ihre Chancen in den jeweiligen Asylverfahren zu erhöhen. Auffällig ist bereits, dass in zwei Verfahren vor dem Bundesamt versäumt worden sein soll, den Asylbewerberinnen Formblätter mit den Hinweisen darauf auszuhändigen, dass sie im Fall von Verfolgungsschicksalen mit sexuellen Hintergrund den Einsatz einer Dolmetscherin beantragen können. Eine Einschüchterung der Klägerin und auch der Zeugin durch den männlichen Dolmetscher erscheint zweifelhaft, zumal die Anhörungen von einer Einzelentscheiderin durchgeführt wurden, die zum Anhörungszeitpunkt immerhin stellvertretende Verantwortliche für frauenspezifische Verfolgung gewesen ist. Dass die Klägerin den Eindruck eines Desinteresses der Einzelentscheiderin gewonnen haben könnte, weil diese einen Lippenstift aufgelegt habe, erscheint angesichts der protokollierten detailreichen Fragen und Antworten einschließlich der Ergänzungen der Klägerin als wenig plausibel. Vor allem aber nimmt der Einzelrichter der Klägerin wegen verschiedener Besonderheiten nicht die behauptete Scham und Verdrängung ab. Anders als typische Frauen aus dem islamischen Kulturkreis ist die Klägerin in dem weltoffenen Aleppo aufgewachsen und nach dem Abitur zur Hebamme ausgebildet worden, einem zwangsläufig mit Sexualität zusammenhängenden Beruf, den sie vor ihrer Ausreise über sieben Jahre lang ausgeübt haben will. Vor diesem professionellen Hintergrund ist erstaunlich, dass die Klägerin lange Zeit in ihrer Artikulation gehemmt gewesen sein will. Hinzu kommt, dass sie sich nicht auf ein singuläres Schicksal beruft, sondern die mit ihr zusammen ausgereiste Zeugin vergleichbare sexuelle Übergriffe erlebt haben soll. Es wäre nahe liegend, dass die verwandtschaftlich verbundenen angeblichen Leidensgenossinnen eher in der Lage sein müssten, ihre Erlebnisse offen zu legen. Dies gilt umso mehr, als sie angeblich während des monatelangen weiteren Verbleibs im Heimatland zunehmend unter inneren und äußeren Druck geraten sein wollen. In diesem Zusammenhang ist auch widersprüchlich, dass sowohl die Klägerin als auch die Zeugin vor dem Bundesamt auf Nachfrage bestimmte Einzelheiten zu den sexuellen Übergriffen erwähnt haben, die allerdings auf Behelligungen geringerer Intensität hindeuteten. Diese Angaben sprechen zudem gegen die behaupteten Hürden, über die Vorfälle sprechen zu können. Warum die Klägerin dann nicht zeitnah - zumindest nach Beratung mit dem gewählten Anwalt ihres Vertrauens - weitere Einzelheiten ergänzt hat, ist schwer nachzuvollziehen.

19

Der Einzelrichter sieht auch weitere bedeutsame Widersprüche und Ungereimtheiten im Vortrag der Klägerin, die nicht die sexuellen Übergriffe betreffen. Soweit die Zeugin in ihrer Vernehmung berichtet hat, ihre Festnahme sei während einer von der Klägerin durchgeführten Entbindung erfolgt, erscheint diese selbst angesichts eines bekanntermaßen rüden Vorgehens syrischer Sicherheitskräfte als fragwürdig. Jedenfalls aber hätte nahe gelegen, dass die Klägerin von einem solchen Geschehensdetail berichtet, was aber nicht ansatzweise der Fall ist. Unstimmig ist ferner, dass die Klägerin die Farbe des Autos bei ihrer Festnahme mit weiß beschreiben konnte, obwohl die Zeugin in ihrer Anhörung vor dem Bundesamt erklärte, ihnen seien anlässlich der Festnahme die Augen verbunden worden. Das nur einer Frau die Augen verbunden worden sein sollen, erscheint nicht plausibel. Soweit die Zeugin in der Vernehmung durch das Gericht ebenfalls ein weißes Auto erwähnt und erläutert, ihnen seien die Augen erst später verbunden worden, ist wahrscheinlich, dass beide Frauen zwischenzeitlich ihr Verfolgungsschicksal abgestimmt haben. Entsprechendes gilt hinsichtlich des erst im gerichtlichen Verfahrens ergänzten Vortrages, sie seien in zwei verschiedenen Gefängnissen gewesen. Dieses - mit den sexuellen Übergriffen nicht unmittelbar im Zusammenhang stehende - Detail findet in beiden Anhörungen vor dem Bundesamt keine Erwähnung. Auch in dem Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 10. Mai 2004 heißt es, dass sie nach der Festnahme in das Gefängnis Mislemiye gebracht wurden, ohne dass von einem Gebäudewechsel die Rede war. Im Übrigen haben Klägerin und Zeugin die Zellen, in denen sie untergebracht worden sein sollen, unterschiedlich beschrieben. Das Gericht wertet es ebenfalls als gesteigerten Vortrag, wenn die Klägerin erstmals kurz vor der mündlichen Verhandlung erwähnt, nach ihrer Freilassung sei ein Arzt zu ihr gerufen worden. Vor dem Bundesamt hatte sie hingegen angegeben, sie habe einen Arzt nicht aufgesucht, sondern ihren Schock und ihre Kopfschmerzen mit Paracetamol behandelt. Offenbar passt sie nachträglich ihre Einlassung derjenigen der Zeugin an. Hierfür spricht etwa, dass sie vor dem Bundesamt auch keine speziellen eingenommenen Medikamente benennen konnte. Schließlich ergeben sich Unstimmigkeiten im Vorbringen der Klägerin dazu, inwieweit sie sich nach ihrer Freilassung weiter in der Praxis beruflich betätigt und auch politisch engagiert hat. Ihre Einlassung in der mündlichen Verhandlung, sie habe lediglich im Monat Oktober 2003 nochmals kurzfristig ihre Berufstätigkeit aufgenommen, widerspricht nicht nur ihren früheren Angaben. Sie lässt auch fragwürdig werden, wann und wie es zu den behaupteten monatlichen Erpressungen durch Sicherheitsdienstler gekommen sein soll.

20

Die behauptete Haft und die dabei angeblich erlittenen Misshandlungen und sexuellen Übergriffe sind auch deshalb unglaubhaft, weil die Klägerin nicht zeitnah zu diesem Geschehen, sondern erst mehr als 11 Monate später ausgereist ist. Objektive Hinderungsgründe für eine frühere Ausreise sind angesichts der guten wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Familie nicht ersichtlich. Die geltend gemachten subjektiven Schwierigkeiten, sich von der Familie, der gewohnten Umgebung und dem Arbeitsplatz dauerhaft zu trennen und als Frau ins Ausland zu gehen, überzeugen schon deshalb nicht, weil die Klägerin dieses Schwierigkeiten immerhin zusammen mit ihrer Cousine der Zeugin lösen konnte. Auch diese stammt aus guten wirtschaftlichen Verhältnissen und war objektiv nicht an einer früheren Ausreise gehindert. Von einem konkret fluchtbegründenden Ereignis zeitnah zur erfolgten Ausreise war weder bei der Klägerin noch bei der Zeugin die Rede. Die von der Klägerin behaupteten monatlichen Geldforderungen der Sicherheitsbediensteten sind nicht nur - wie oben angegebenen - wenig plausibel. Außerdem hätte die Klägerin bereits nach den ersten derartigen Forderungen einsehen müssen, dass ihre Erwartung, künftig wieder in Ruhe gelassen zu werden, illusorisch ist. Folglich hätte sie erheblich früher nach einem Ausweg aus ihrer Lage suchen müssen. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die Klägerin mit Hilfe ihrer wirtschaftlich gut gestellten Familie nicht andere nahe liegende Schutzmöglichkeiten in der Heimat - etwa einen Tätigkeits-, Berufs- oder ggf. Ortswechsel, der ihr ohne wirtschaftliche Existenzgefährdung möglich gewesen wäre -erwogen hat.

21

Die Würdigung der Aussage der Zeugin F. rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht. Zwar decken sich ihre Einlassungen im Wesentlichen mit den jüngsten Angaben der Klägerin zum Ablauf der Inhaftierung und den dort angeblich erlittenen Misshandlungen. Gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben spricht aber bereits, dass sie ein hohes eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens der Klägerin hat, zumal sie sich mit einem parallel gelagerten Verfolgungsschicksal selbst um asylrechtlichen Schutz bemüht. Nach Rücknahme ihres Klageverfahrens 11 A 1838/04 angesichts Versäumung der Klagefrist hat sie kürzlich einen Göttinger Anwalt beauftragt, weitere rechtliche Möglichkeiten zu prüfen. Vor allem erweisen sich aber ihre Darstellungen im Vergleich zu ihrer Einlassung vor dem Bundesamt als widersprüchlich und gesteigert. Beispielsweise ist nicht plausibel, dass sie trotz einer fernmündlichen Warnung ihres Vaters nicht allein vor einer bevorstehenden Festnahme durch Sicherheitsbedienstete aus der Praxis der Klägerin geflüchtet ist. Während sie vor Gericht angab, sie seien anlässlich der Festnahme zu einem weißen Auto geführt worden, hatte sie vor dem Bundesamt erklärt, ihnen seien anlässlich der Festnahme die Augen verbunden worden. Ihr Hinweis auf ein Übersetzungsproblem erscheint angesichts der gerichtsbekannten Qualitäten des eingesetzten Dolmetschers als Schutzbehauptung. Auffällig ist zudem, dass die Zeugin vor dem Bundesamt keine detaillierte Beschreibung des Weges von ihrer Zelle zur Toilette liefern konnte. Die behauptete Inhaftierung in zwei Gefängnissen und in den beschriebenen Zellen passt nicht zu früheren eigenen Beschreibungen durch sie selbst und die Klägerin. Auch im Falle der Zeugin fehlt es an einem ausreisenahem Verfolgungsgeschehen und an einem plausiblen Grund dafür, dass sie nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt geflüchtet ist. Bei ihr fällt ebenso auf, dass sie nicht mit Hilfe ihrer wirtschaftlich gut gestellten Familie nach Möglichkeiten gesucht hat, sich in Syrien vor weiteren Behelligungen und Geldforderungen von Sicherheitsdiensten zu schützen oder ihnen auszuweichen.

22

3.

Eine Rückkehrgefährdung der unverfolgt ausgereisten Klägerin lässt sich auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unter dem Gesichtspunkt der Gruppenverfolgung wegen der kurdischen Volkszugehörigkeit annehmen. Das syrische Regime gewährt den Kurden wie anderen ethnischen Minderheiten ein relativ großes Maß an kultureller Eigenständigkeit. Kurden sind in Syrien nur dann staatlichen Repressionen ausgesetzt, wenn sie sich konkret gegen den syrischen Staat betätigen (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 13. Dezember 2004, S. 9 ff.; Nds. OVG, Urteile vom 22. Juni 1999 - 2 L 670/99-, 14. Juli 1999 -2 L 4943/97 - , 27. März 2001 - 2 L 5117/97 bzw. 2 L 2505/98 -, 12. Dezember 2001 - 2 L 5428/97 - und 27. Mai 2003 - 2 L 2040/02 -). Diese Einschätzung gilt auch unter Berücksichtigung der Ereignisse, die sich Mitte März 2004 in Kamishli, Damaskus, Hassake, Derik, Afrin und Aleppo zugetragen haben (vgl. auch Nds. OVG, Urteile vom 22. Juni 2004 -2 L 6129/96, 2 L 6130/96 u. 2 LB 86/03 -; Beschlüsse vom 20. Juli 2004 - 2 LA 963, 964, 965, 966 u. 967/04 -; Urteil vom 30. September 2004 - 2 L 986/99 -).

23

4.

Das Engagement der Klägerin für kurdische Belange in Deutschland und ihre Sympathie für die der PKK nahe stehende Parti Yekiti Demokrat (PYD - Demokratische Einheitspartei) führen ebenfalls bei einer potentieller Rückkehr nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu politischer Verfolgung oder den in § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG erwähnten Nachteilen.

24

Der in diesem Zusammenhang bedeutsame Maßstab, nach dem die Beachtlichkeit von exilpolitischen Aktivitäten syrischer Asylbewerber für die Annahme einer Rückkehrgefährdung beurteilt wird, ist hinreichend geklärt. In der Rechtsprechung ist nach umfassender Würdigung der Erkenntnismittel anerkannt, dass neben der Zugehörigkeit zu einer Minderheitenvolksgruppe und der Verbindung zu einer systemkritischen Oppositionspartei oder entsprechenden Vereinigung im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten müssen. Solche Umstände liegen vor, wenn es sich um regimefeindliche Aktivitäten handelt, durch die sich das syrische Regime in seinem Bestand bedroht fühlt und diese Aktivitäten sich deutlich von den exilpolitischen Betätigungen zahlreicher anderer syrischer Staatsangehöriger abheben und damit in besonderer Weise aus dem Kreis der üblichen exilpolitischen Betätigungen herausragen (st. Rechtsprechung auch der Obergerichte in Verfahren syrischer Asylbewerber, vgl. z.B. Urteile des Nds. OVG vom 27. März 2001 - 2 L 5117/97 -und 22. Oktober 2002 - 2 L 2583/00 - m.w.N.; Beschluss vom 2. Juli 2003 - 2 LA 172/02 -; Urteil vom 30. September 2004 - 2 L 986/99 -; OVG Bremen, Urteil vom 12. April 2000 - 2 A 467/99.A - S. 9ff. UA; OVG Münster, Beschlüsse vom 3. Juni 1998 - 9 A 6252/95.A -und vom 20. Mai 1998 - 9 A 3486/95.A -; OVG Saarlouis, Beschlüsse vom 6. Mai 2002 - 3 Q 51/02 - und 4. Juli 2003 - 3 Q 56/02 -). Dies gilt auch für exilpolitische Betätigungen im Internet (Nds. OVG, Beschluss vom 2. Juli 2003 - 2 LA 172/02 -) oder exilpolitische Betätigungen, die über dieses Medium Verbreitung finden.

25

An dem genannten Maßstab vermag auch das Gutachten von Hajo/Savelsberg für das VG Magdeburg vom 3. November 2004 nichts zu ändern. Dass die syrischen Stellen in Deutschland die Aktivitäten der hier tätigen Exilgruppierungen beobachten, ist bei der bisherigen Rechtsprechung bereits berücksichtigt worden. Daher ist den syrischen Stellen auch bekannt, dass die Tätigkeit der Exilopposition in beachtlichem Umfang auch der Schaffung von Nachfluchtgründen und damit Aufenthaltsrechten in der Bundesrepublik Deutschland dient. Die in dem Gutachten erwähnten Referenzfälle von Inhaftierungen auf Grund exilpolitischer Aktivitäten in den Jahren seit 2001 sind nicht so dicht gestreut, dass sie die Annahme einer generellen Gefährdung auch bei nicht-exponierten Tätigkeiten rechtfertigen könnten. Einige der geschilderten Befragungen haben auch nicht die erforderliche asylerhebliche Intensität erreicht. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Dezember 2004 (S. 21) konnte lediglich ein Fall verifiziert werden, in dem ein abgelehnter Asylbewerber wegen politischer Aktivitäten bei der Einreise verhaftet und für zwei Jahre inhaftiert worden ist. Dabei soll es sich jedoch nach den dort vorliegenden Erkenntnissen um ein Einzelereignis handeln.

26

Soweit in dem Gutachten von Hajo/Savelsberg vom 3. November 2004 auf eine verschärfte Haltung der syrischen Behörden gegenüber exilpolitischem Engagement seit den Unruhen im März 2004 und erfolgreichen Störungen von Veranstaltungen syrischer Stellen in Deutschland im April 2004 hingewiesen wird, überzeugt dies das Gericht ebenfalls nicht. Das Auswärtige Amt (a.a.O., S. 18) geht weiter davon aus, dass bei diesen Rückkehrern zwischen Führungspersönlichkeiten, Aktivisten, einfachen Sympathisanten und Mitläufern unterschieden wird. Mit Repressionen sei erst dann zu rechnen, wenn die Aktivitäten in erheblichem Umfang öffentlichkeitswirksam bekannt geworden seien.

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Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Bei Würdigung sämtlicher Aktivitäten (Teilnahme am Frauentag vom 8. März 2004 in Hamburg, am Newroz-Fest vom 20. März in Hannover, am kurdischen Muttertag vom 9. April 2004 in Bremen als Ordnerin, an der Gedenkveranstaltung der PYD vom 16. Mai 2004 in Berlin als Ordnerin, der Gedenkveranstaltung vom 23. Mai 2004 in Bonn als Verkäuferin von Büchern und Parteizeitschriften, am Hungerstreik vom 25. bis 27. Mai 2004 in Hannover wegen der drohenden Abschiebung eines Kurden in die Türkei, der Demonstration verschiedener kurdischer Organisationen vom 31. Oktober 2004 in den Haag für mehr Rechte und Freiheiten der Frauen und gegen die geplante Abschiebung einer Kurdin in die Türkei, der Versammlung der Partei "Demokratie und modernisiertes Syrien" vom 19. Februar 2005 in Hannover als mit organisatorischen Aufgaben Betraute, am Frauentag vom 6. März 2005 in P. als Verkäuferin von Parteipublikationen, an der Demonstration verschiedener Parteien und Organisationen vom 11. März 2005 in Brüssel anlässlich der Ereignisse vom 12. März 2004 in Kamischli [mit im Internet von ihr veröffentlichten Bildern], am Newroz-Fest vom 21. März in Hannover und am Newroz-Fest vom 26. März 2005 in Hamburg, bei der sie eine Märtyrerfahne in der Hand gehalten habe) kann nicht von einer bedeutsamen exponierten exilpolitischen Betätigung ausgegangen werden kann. Die Teilnahme an Demonstrationen, Seminaren oder Newroz-Festen, Flugblattverteilungen und selbst das Halten von Reden im Kreise exilpolitischer Veranstaltungen insbesondere unter Anwesenheit zahlreicher Asylbewerber etc. halten sich im Rahmen üblicher exilpolitischer Aktivitäten. Folglich sind die Betätigungen der Klägerin - auch aus Sicht syrischer Sicherheitsorgane - als teil weise kulturelles Engagement und im Übrigen als bloße Mitläuferhandlungen, untergeordnete Mitwirkungen und asyltaktisches Verhalten zu werten. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände wird nämlich nicht erkennbar, dass sie eine "Schlüsselposition" als Hauptorganisator, Hauptverantwortlicher oder Hauptredner anlässlich im Bundesgebiet veranstalteter Treffen, Seminare oder Demonstrationen eingenommen hat, was sie im Übrigen auch selbst nicht behauptet. Ebenso wenig wird ein bestimmtes Konzept der regimekritischen Betätigung unter Engagement für feststehende Belange oder politische Ziele deutlich. Insgesamt tritt sie daher als eine Mitwirkende bzw. Teilnehmerin unter Vielen auf, nicht aber als eine Person, von der maßgebliche Initiativen oder Impulse ausgehen.

28

Die behaupteten mehrfachen Festnahmen ihres Vaters in Syrien wegen ihrer exilpolitischen Betätigungen rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht. Objektive Belege hierfür wurden nicht unterbreitet. Außerdem ist in diesem Zusammenhang widersprüchlich, dass die Klägerin trotz längerer Kenntnis der behaupteten Festnahmen nicht ansatzweise ihre Betätigungen ausgesetzt oder reduziert hat, um dem Vater weitere Behelligungen zu ersparen. Im Übrigen zeigt der ebenfalls behauptete Umstand, dem Vater sei es immer wieder gelungen, gegen Geldzahlungen frei zu kommen, dass bedeutsame Vorwürfe nicht erhoben worden sein können.

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5.

Die beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung oder sonst menschenrechtswidriger Behandlung der Klägerin besteht auch nicht im Hinblick darauf, dass sie in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt und in diesem Verfahren nachteilig über die Verhältnisse in Syrien berichtet hat sowie allgemein wegen ihres Auslandaufenthaltes (vgl. Nds. OVG, Urteile vom 27. März 2001 - 2 L 5117/97 und 2 L 2505/98 -, 12. Dezember 2001 - 2 L 5428/97 - und 22. Oktober 2002 - 2 L 2583/00 - m.w.N.; Urteil vom 30. September 2004 - 2 L 986/99 -).

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6.

Im Hinblick auf die erwähnten Erkrankungen der Klägerin - nicht näher durch ärztliche Unterlagen belegte psychische Beschwerden mit Gewichtsverlust, Schlafproblemen und innerer Unruhe - sind die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt. Zwar wird von der Vorschrift auch die konkrete Gefahr einer alsbaldigen erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes infolge fehlender Behandlungsmöglichkeiten einer Krankheit im Heimatland erfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 - BVerwGE 105, 383 <387>[BVerwG 25.11.1997 - 9 C 58/96]; Urteil vom 29. Oktober 2002 -1 C 1.02 - NVwZ-Beil. 2003, 53). Eine solche Verschlechterung des Gesundheitszustandes wird aber weder von der Klägerin substantiiert behauptet noch ist sie sonst ersichtlich. Denn die medizinische Versorgung ist in Syrien im Grundsatz flächendeckend und kostenfrei. Außerdem lebt die Familie der Klägerin nach eigenen Angaben in guten finanziellen Verhältnissen. Überlebensnotwendige Behandlungen werden durchgeführt. Zwar entspricht der Standard der öffentlichen Kliniken nicht überall westlichen Maßstäben. In den größeren Städten, die Klägerin stammt aus Aleppo, kann das medizinische Versorgungssystem aber teilweise mit europäischem Standard verglichen werden. So sind etwa in mehreren medizinischen Zentren sogar neurochirurgische Eingriffe möglich (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes a.a.O., S. 22; Auskunft der Deutschen Botschaft in Damaskus an das VG Wiesbaden vom 8. März 2004). Jedenfalls die Versorgung mit Antidepressiva ist auch in Syrien möglich (vgl. Deutsche Botschaft Damaskus, Stellungnahme vom 22. Oktober 2003 an VG Göttingen zu psychischen Erkrankungen). Eine Therapie, die dort wohl eher in ihrer Muttersprache erfolgen könnte als im Bundesgebiet, ist in größeren Orten gegen gesonderte - wenn auch hohe - Zahlung zu erlangen (Hajo/Savelsberg, Stellungnahme vom 22. Februar 2004 an einen Rechtsanwalt in Minden).

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7.

Schließlich ist die auf §§ 34, 38 Abs. 1 AsylVfG, § 59 AufenthG beruhende Abschiebungsandrohung rechtlich nicht zu beanstanden.

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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO, 83 b AsylVfG.

Braatz