Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 08.09.1999, Az.: 21 UF 6/99
Gefährdung der künftigen Ausgleichsforderungen durch Vermögensverfügungen (hier: Barabhebungen von einem gemeinsamen Girokonto) unmittelbar nach der Trennung; Beeinflussung der Entstehung, des Umfangs oder der Durchsetzung der Ausgleichsforderung zum Nachteil des klageberechtigten Ehegatten; Objektiv begründbare Besorgnis
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 08.09.1999
- Aktenzeichen
- 21 UF 6/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 30339
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1999:0908.21UF6.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Burgwedel - 12.02.1999 - AZ: 42 F 144/98
Rechtsgrundlagen
- § 1353 BGB
- § 1375 Abs. 2 Nr. 3 BGB
- § 1379 Abs. 1 BGB
- § 1386 BGB
- § 1387 BGB
- § 1388 BGB
- § 543 Abs. 1 ZPO
- § 623 ZPO
Verfahrensgegenstand
Vorzeitiger Ausgleich des Zugewinns und Auskunft
In der Familiensache
hat der 21. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Amtsgericht ...
auf die mündliche Verhandlung vom 4. August 1999
für Recht erkannt:
Tenor:
- I.
Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Burgwedel vom 12. Februar 1999 wird zurückgewiesen.
- II.
Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Teil urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Burgwedel vom 12. Februar 1999 teilweise geändert (zu Ziffer 2 des Tenors) und der Beklagte verurteilt, der Klägerin über die Höhe seines Endvermögens zum 4. August 1998 Auskunft zu erteilen durch Vorlage eines vollständigen und geordneten Bestandsverzeichnisses über alle Aktiva und Passiva seines Endvermögens.
- III.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
- IV.
Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer II. Und III. des Tenors vorläufig vollstreckbar.
- V.
Der Wert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 30.000 DM.
Gründe
(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)
Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Die Anschlussberufung der Klägerin ist dagegen begründet.
I.
Auf Antrag der Klägerin ist auszusprechen, dass der Zugewinn zwischen den Parteien vorzeitig auszugleichen ist. Die Voraussetzungen des § 1386 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegen vor.
Der Beklagte hat Handlungen vorgenommen, die den Tatbestand des § 1375 Abs. 2 Nr. 3 BGB erfüllen. Unstreitig hat der Beklagte unmittelbar nach der Trennung der Parteien am 22. März 1998 folgende Vermögensverfügungen getätigt:
Im März 1998 belieh er zwei auf seinen Namen lautende Lebensversicherungen bei der 4HHHV Lebensversicherungs-AG zu den Nummern ... und ... auf die bereits erhebliche Beträge gezahlt worden waren. Die Darlehenssummen von 43.050,00 DM und 16.600,00 DM ließ er sich auf sein Girokonto überweisen. Nach erfolgter Gutschrift auf dem Girokonto ließ er sich sodann die Darlehenssummen in bar auszahlen.
Im April 1998 verfügte der Beklagte über 15.242,00 DM. Dieses Geld war auf gemeinsamen Sparkonten der Parteien bei der ... angelegt.
Im März 1998 tätigte der Beklagte weitere Barabhebungen von dem gemeinsamen Girokonto der Parteien. Dabei wurde über eine Summe von ca. 15.500,00 DM verfügt. Hierdurch entstand auf dem Girokonto ein Soll von 8.500,00 DM.
Insgesamt verfügte der Beklagte somit über 90.392,00 DM.
Die Erklärung des Beklagten, er habe mit diesem Geld notwendige Ausgaben getätigt, kann Barabhebungen in diesem Umfange nicht rechtfertigen.
Von den von dem Beklagten benannten Ausgaben in Höhe von 42.791,12 DM können nur die Verfügungen berücksichtigt werden, die zeitnah zu den genannten Abhebungen stehen. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass der geschäftserfahrene Beklagte im März 1998 einen Kredit aufnimmt bzw. Geld von Sparkonten abhebt, um z.B. Rechnungen aus Mai oder August 1998 zu bezahlen. Um Zinsaufwendungen zu sparen, hätte es auf der Hand gelegen, einen eventuell erforderlichen Kredit erst im Mai oder August 1998 aufzunehmen bzw. sich erst dann die Darlehenssumme auszahlen zu lassen. Zumindest wäre zu erwarten gewesen, dass Geld, welches erst zu einem späteren Zeitpunkt benötigt wird, zinsbringend angelegt wird bzw. angelegt bleibt. Damit entfällt eine Summe von 25.038,12 DM. Der Beklagte hat somit nur den Verbleib von 17.753 DM erklären können. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte über regelmäßige und hohe Einkünfte verfügt und nicht zu erkennen ist, warum laufende Verbindlichkeiten wie Steuervorauszahlungen nicht aus diesen regelmäßigen Einkünften bedient worden sind. Selbst wenn man 20.000 DM für die Reise nach Las Vegas im April 1998 berücksichtigt, bleibt noch ein Restbetrag von ca. 50.000 DM, dessen Verbleib ungeklärt ist. Bei dieser Sachlage ist der Verdacht der Klägerin, dieses Geld sei in die Gründung der GmbH durch den Bruder des Beklagten geflossen, nicht unberechtigt. Wo das Geld letztlich verblieben ist, ist zur Entscheidung dieses Rechtsstreits jedoch unerheblich.
Hinzu kommt, dass der Beklagte der Klägerin die Verfügungsbefugnis über das gemeinsame Girokonto entzogen hat, obwohl auf diesem Konto das Gehalt der Klägerin einging.
Der Beklagte hat die genannten Vermögensverfügungen auch in der Absicht vorgenommen, die Klägerin zu benachteiligen. Diese Absicht ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der zeitlichen Abfolge der Ereignisse. Unmittelbar nach der Ankündigung der Klägerin, sich endgültig von dem Beklagten zu trennen, sind die Vermögensverfügungen vorgenommen worden. Der Beklagte hat auch nicht erklären können, wo das Geld letztlich verblieben -ist. In seinen Erläuterungen sind- die laufenden Einkünfte unberücksichtigt geblieben.
Auch der Vortrag des Beklagten, die Klägerin habe bei ihrem Auszug wertvolles Porzellan im Wert von ca. 100.000 DM aus dem gemeinsamen Haushalt entfernt, kann seine Handlungsweise nicht rechtfertigen. Sollte die Klägerin tatsächlich Sachwerte beiseite geschafft haben, so hätte der Beklagte seinerseits Klage auf vorzeitigen Ausgleich stellen können. Zur "Selbsthilfe" war er nicht berechtigt.
Auf Grund dieser Vermögensverfügungen ist eine erhebliche Gefährdung der künftigen Ausgleichsforderung der Klägerin zu besorgen, § 1386 Abs. 2 BGB a. E.
Eine Gefährdung ist zu besorgen, wenn Entstehung, Umfang oder Durchsetzung der Ausgleichsforderung zum Nachteil des klageberechtigten Ehegatten beeinflusst werden können (Staudinger/ Thiele § 1386 Rn 16). Dabei ist eine objektiv begründbare Besorgnis ausreichend (a.a.O. Rn 17). Die Gefährdung ist schon darin zu sehen, dass die Klägerin die Voraussetzungen von Verfügungen des § 1375 Abs. 2 BGB zu beweisen hat. Erfahrungsgemäß scheitern auf § 1375 Abs. 2 BGB gestützte Ansprüche häufig wegen Beweisschwierigkeiten. Auch die Haftungsmasse des Vermögens des Beklagten hat sich durch die Verfügungen erheblich verschlechtert. Die Aufstellung des Beklagten, wonach er über ein Aktivvermögen von 248.360 DM verfüge, kann diesen Gesichtspunkt nicht zum Fortfall bringen, da die Klägerin im Verfahren über den Arrest (AG Burgwedel 42 F 143/98/ Bl. 23) vorläufig eine Ausgleichsforderung in Höhe von mindestens 221.475 DM errechnet.
II.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen fälligen Anspruch auf Erteilung von Auskunft über sein Endvermögen am 4, August 1998,"§ 1379 Abs. 1-BGB. Stichtag zur Berechnung des Zugewinns ist der 4. August 1998, denn an diesem Tage ist die Klage auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns dem Beklagten zugestellt worden, § 1388 BGB.
Der Auskunftsanspruch kann zusammen mit der Klage auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns geltend gemacht werden. Der Senat folgt nicht der Auffassung, wonach Auskunft erst verlangt werden kann, wenn ein Urteil rechtskräftig auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns erkannt hat.
Auf Grund der Formulierung in § 1379 Abs. 1 BGB , wonach der Auskunftsanspruch erst nach der Beendigung des Güterstandes besteht, wird vertreten, dass eine Verurteilung zur Auskunft erst zulässig sei, wenn der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch ein rechtskräftiges Urteil beendet worden ist (OLG Celle, FamRZ 1983, 171; OLG Nürnberg FamRZ 1998, 685 [OLG Nürnberg 24.11.1997 - 7 WF 3549/97]; MüKO-Gernhuber § 1385 Rn 36; Staudinger/Thiele § 1379 Rn 9, § 1385 Rn 18; Soergel-Lange § 1379 Rn 4, § 1385 Rn 9; RGRK-Finke § 1385 Rn. 11; Ermann-D. Heckelmann § 1379 Rn 5).
Die davon abweichende Ansicht des Senats, wonach eine Klage auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns mit einer Klage auf Auskunft über das Endvermögen verbunden werden kann, ergibt sich aus einer erweiterten Auslegung des *T 1379 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift ist § 1379 Abs. 1 BGB bei Beantragung der Scheidung oder der Aufhebung der Ehe entsprechend anzuwenden.
Dies bedeutet, dass bereits nach Zustellung des Ehescheidungsantrages der Auskunftsanspruch gem. § 1379 Abs. 1 BGB im Wege der Stufenklage geltend gemacht werden kann, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Zugewinngemeinschaft formal noch nicht beendet ist. Grund hierfür ist, dass im Verbund mit dem Ausspruch der Ehescheidung abschließend über Zugewinnausgleichsansprüche entschieden werden soll, § 623 ZPO. Gleichzeitig soll aber auch zeitnah zum Stichtag, der auf den Tag der Zustellung des Ehescheidungsantrages vorverlegt ist (§ 1384 BGB), Auskunft verlangt werden können, um nachträglichen Vermögensverschiebungen entgegen zu wirken (Soergel-Lange § 1379 Rn 4; MüKo-Gernhuber § 1379 Rn 11) .
Die Interessenlage der Parteien, insbesondere des ausgleichsberechtigten Ehegatten, ist bei einer Klage gem. § 1386 BGB die gleiche. Die Aufhebung der Zugewinngemeinschaft steht bevor. Die Vermögensverhältnisse der Eheleute sind zeitnah zu klären, um Ausgleichsansprüche berechnen zu können. Eine Verurteilung zur Auskunft wird nur erfolgen, wenn das Familiengericht die Voraussetzungen für einen vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns bejaht. Die ausgleichsberechtigte Partei hat dann ein berechtigtes Interesse, alsbald Auskunft über den Bestand des Endvermögens des anderen zu erhalten. Gerade bei einer Klage aus § 1386 BGB ist das Interesse, zeitnah zum Stichtag, der Zustellung der Klage auf vorzeitige Ausgleich (§ 1387 BGB), Auskunft zu erhalten, besonders schützenswert. Der vorzeitige Ausgleich des Zugewinns ist gerade auf Handlungen eines Ehepartners gegründet, die eine Gefährdung des Ausgleichsanspruches besorgen lassen. Müsste erst die Rechtskraft des Gestaltungsurteils über den vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns abgewartet werden, bis Klage auf Auskunft erhoben werden könnte, so würde durch die Auskunftsklage wertvolle Zeit vergehen, bis die Vermögensverhältnisse durch Auskunftserteilung aufgeklärt werden können. Je länger das Verfahren dauert, desto größer werden die Beweisprobleme der ausgleichsberechtigten Partei, die Schutz verdient.
Durch eine vorzeitige Auskunftserteilung werden schutzwürdige f; t Interessen des Auskunftspflichtigen nicht verletzt. Sollte auf Grund eines erstinstanzlichen Urteils Auskunft erteilt worden sein und im Rechtsmittelverfahren die Klage auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns und damit zugleich die Auskunftsklage abgewiesen werden, so läge kein schwer wiegender Eingriff in die Rechte des zur Auskunft verpflichteten Ehegatten vor. Ehegatten untereinander sind ohnehin verpflichtet, sich gegenseitig über den Bestand des Vermögens zu unterrichten (§ 1386 Abs. 3 i.V.m. § 1353 BGB). Auch wenn die Unterrichtung im Sinne von § 1386 Abs. 3 BGB nicht so substantiiert sein muss wie eine Auskunft gem. § 1379 Abs. 1 BGB, so würde es sich nicht um eine schwer wiegende Belastung des ausgleichsverpflichteten Ehegatten handeln. Zudem kann im Ehescheidungsverfahren die gleiche Situation eintreten, wenn während des laufenden Scheidungsverfahrens durch Teilurteil ein Ehegatte zur Auskunft über sein Endvermögen verurteilt wird und es schließlich doch nicht zur Scheidung der Ehe kommt.
Auch der ausgleichsverpflichtete Ehegatte ist hinreichend geschützt. Soweit er sich gegen den vorzeitigen Ausgleich verteidigt, kann er Klagabweisung beantragen. Für den Fall, dass insoweit antragsgemäß entschieden wird, kann er den Auskunftsanspruch hilfsweise anerkennen (Zöller-Vollkommer, ZPO, § 307 O Rn 7).
Wegen der gleichgerichteten Interessen ist also § 1379 Abs. 2 BGB auch bei verbundenen Klagen auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns gern-. § 1386 BGB und Auskunft über das Endvermögen entsprechend anzuwenden.
Der Beklagte hat den Auskunftsanspruch nicht erfüllt. Der von ihm eingereichte "Status per .20. August 1998" betrifft nicht den Stichtag 4. August 1998. Zudem fehlen Angaben zu wertbildenen Faktoren. Bei den Lebensversicherungen ist z.B. nicht festzustellen, ob es sich um den Rückkaufswert oder den Zeitwert (BGH, FamRZ 1995, 1270) handelt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 30.000 DM.