Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.03.2012, Az.: L 9 U 143/08
Vorliegen eines Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Unfallversicherung bei Pflegetätigkeiten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 27.03.2012
- Aktenzeichen
- L 9 U 143/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 14916
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2012:0327.L9U143.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Lüneburg - 27.05.2008 - AZ: S 2 U 149/04
Rechtsgrundlagen
- § 14 Abs. 1 SGB XI
- § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI
- § 19 SGB XI
- § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII
- § 8 SGB VII
Fundstellen
- Breith. 2012, 935-941
- NZS 2012, 712
Redaktioneller Leitsatz
1. Zu den Pflegetätigkeiten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung zählt auch das Einkaufen von Lebensmitteln.
2. Kommt der Einkauf der gesamten Familie und damit nicht überwiegend der Pflegeperson zugute, was beim Einkauf spezieller für den Pflegebedürftigen erforderlichen Lebensmitteln der Fall sein kann, steht diese Tätigkeit nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 27. Mai 2008 - S 2 U 149/04 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Unfallereignisses vom 07. November 1998 als Arbeitsunfall nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII).
Die am 15. Februar 1943 geborene Klägerin und Berufungsbeklagte ist die Sonderrechtsnachfolgerin ihres am 15. April 2003 verstorbenen Ehemannes, des Herrn D. (nachfolgend: Ehemann), und betreibt das durch ihn ursprünglich eingeleitete Verfahren weiter.
Die Berufungsbeklagte erlitt im Jahre 1978 einen Unfall und ist seitdem querschnittsgelähmt (Tetraplegie). Ausweislich des vorgelegten Schwerbehindertenausweises der Berufungsbeklagten vom 21. Mai 2002 wurde ihr ein Grad der Behinderung von 100 zuerkannt; darüber hinaus wurden die Merkzeichen G, aG, H und RF anerkannt. Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist ausweislich des Schwerbehindertenausweises nachgewiesen. Seit ihrem Unfall wurde die Berufungsbeklagte durch ihren Ehemann ganztägig gepflegt. Seit dem Inkrafttreten des Elften Buches Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) im Jahre 1995 ist die Berufungsbeklagte in die Pflegestufe III eingestuft.
Die Berufungsbeklagte nimmt seit ca. 1981 am Rehabilitationssport teil, wobei sie sich auf die Disziplin Tischtennis spezialisiert hat. Diesen Sport übt sie in einem Integrationssportverein, dem TTSG E., aus. Die Berufungsbeklagte war im Übrigen mehrfach Teilnehmerin der Paralympics und gewann dabei in der Disziplin Tischtennis mehrere Medaillen.
Am 17. Juli 1998 beantragte die Berufungsbeklagte bei der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) die Förderung von Rehabilitationssport. Ihr behandelnder Arzt F. bescheinigte die Notwendigkeit des Rehabilitationssports zur Sicherung des erreichten Rehabilitationsziels wegen Tetraplegie für die Dauer von (weiteren) sechs Monaten, dreimal wöchentlich. Die Anfahrt mit einem Kraftfahrzeug (Kfz) und die Begleitung durch eine Begleitperson hielt er für notwendig. Dieser Antrag wurde durch die DAK am 27. Juli 1998 genehmigt und die Kosten entsprechend der Vereinbarung zur Förderung des Rehabilitationssports nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) übernommen.
Am 07. November 1998 wollte die Berufungsbeklagte im Rahmen des Rehabilitationssports im Gemeinschaftshaus des TTSG G. in H. Tischtennis spielen. Dorthin fuhr sie ihr Ehemann in dem behindertengerecht umgebauten Kfz.
Nachdem der Ehemann die Berufungsbeklagte dort abgesetzt hatte, fuhr er, wie die Berufungsbeklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. März 2012 ausgeführt hat, (alleine) mit dem Kfz Brot kaufen und wollte danach wieder zu dem Gemeinschaftshaus des TTSG G. zurückkehren und mit der Berufungsbeklagten nach dem Rehabilitationssport wieder nach Hause fahren. Hierzu kam es jedoch nicht mehr, da der Ehemann gegen 14:45 Uhr auf dem Rückweg vom Bäcker zum Gemeinschaftshaus des TTSG G. einen Verkehrsunfall mit einer landwirtschaftlichen Zugmaschine erlitt. Der Ehemann, der bei dem Unfall eingeklemmt wurde, erlitt dabei schwere Verletzungen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verkehrsunfallanzeige vom 9. November 1998 und den ärztlichen Bericht der behandelnden Ärzte Dr. I., J. und K. vom 08. September 1999 verwiesen. Der Ehemann befand sich vom 17. November 1998 bis 17. Juli 1999 in der stationären orthopädischen Behandlung des Neuro-Orthopädischen Krankenhauses im Reha-Zentrum L ...
Das berufsgenossenschaftliche Feststellungsverfahren wurde durch die Unfallanzeige der Krankenkasse (DAK) des Ehemanns vom 18. Dezember 1998 eingeleitet, in der diese einen Verkehrs- bzw. Wegeunfall im Rahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung als Pflegeperson geltend machte.
Mit Bescheid vom 18. August 1999 lehnte der Beklagte und Berufungskläger die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Zur Begründung führte er aus, dass der Ehemann bei dem Unfall nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Zwar gehöre er grundsätzlich dem versicherten Personenkreis des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII an. Das Verbringen seiner Frau zum Integrationssport könne jedoch nicht unter den Bereich der Mobilität im Sinne des § 14 Abs. 4 SGB XI subsumiert werden, da hiervon nur solche Aktivitäten erfasst würden, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich seien und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen erforderlich machen würden. Dies sei beim Integrationssport aber nicht der Fall gewesen, weil dieser in erster Linie der Integration in das gesellschaftliche Leben und nur aus diesem Zweck der Aufrechterhaltung der Lebensführung im häuslichen Bereich dienen würde.
Gegen diesen Bescheid legte der Ehemann mit Schreiben vom 17. September 1999 Widerspruch ein, den der Berufungskläger mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2000 zurückwies. Unter Aufrechterhaltung seiner Ausführungen aus dem Bescheid vom 18. August 1999 führte der Berufungskläger ergänzend aus, dass Fahrten zur Freizeitgestaltung nicht zu den pflegerischen Tätigkeiten gehören würden. Dies gelte auch dann, wenn mit der Freizeitgestaltung gleichzeitig ein therapeutischer Zweck, wie die Integration des zu Pflegenden verbunden sei. Es sei somit zutreffend festgestellt, dass die Fahrt am 7. November 1998 zum Behindertensport nicht zu den Tätigkeiten gehöre, die als pflegerische Tätigkeit im Sinne der Pflegeversicherung festgelegt sei.
Gegen den am 16. März 2000 abgesandten Widerspruch hat der Ehemann am 19. April 2000 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben. Am 15. April 2003 verstarb der Ehemann. Mit Schriftsatz ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten vom 15. September 2004 hat die Berufungsbeklagte daraufhin erklärt, dass sie den Rechtsstreit als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes fortführe.
Das SG hat mit Urteil vom 27. Mai 2008 der Klage stattgegeben und den Bescheid des Berufungsklägers vom 18. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2000 aufgehoben, festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 7. November 1998 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat, und den Berufungskläger verurteilt, der Berufungsbeklagten als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen, versicherten Ehemannes Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Gegen das ihm am 7. Juli 2008 zugestellte Urteil hat der Berufungskläger am 25. Juli 2008 Berufung eingelegt. Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass nach den vom Bundessozialgericht (BSG) anerkannten Begutachtungsrichtlinien zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nur solche Wegbegleitungen anerkannt seien, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich seien und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig machen. Gründe, die eine weitergehende Auslegung der zur Ermittlung des Pflegebedarfs zu berücksichtigenden Wegbegleitungen und damit der versicherten Tätigkeit einer Pflegeperson im Unfallversicherungsrecht rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Da der Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII ausdrücklich auf § 14 Abs. 4 SGB XI verweise, könne im Unfallversicherungsrecht nichts anderes als im Pflegeversicherungsrecht gelten.
Der Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 27. Mai 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen des SG im Urteil vom 27. Mai 2008, die sie für zutreffend hält. Bei dem von ihr ausgeübten Rehabilitationssport handele es sich um eine regelmäßig wiederkehrende Verrichtung, die auch zur Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sei. Der Rehabilitationssport diene in erster Linie dem Muskelaufbau. Diesen Rehabilitationssport habe sie wöchentlich drei Mal von Anfang an ausgeübt. Bis Ende der 1990er Jahre sei kaum möglich gewesen, Rehasport in der näheren Umgebung auszuüben, da es keine Vereine gegeben habe, die Rehasport angeboten hätten. Daraufhin habe sie sich einem Integrationssportverein angeschlossen, in dem Behinderte und Nichtbehinderte ihren Sport ausüben könnten. Meistens sei auch ein Arzt anwesend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Berufungsklägers Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht und nach den §§ 143 ff. SGG statthafte Berufung ist zulässig.
Das Rechtsmittel ist auch begründet.
Das SG hat mit Urteil vom 27. Mai 2008 zu Unrecht den Bescheid des Berufungsklägers vom 18. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2000 aufgehoben. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGG zulässig. Die angefochtenen Bescheide beschweren die Berufungsbeklagte nicht, da sie rechtmäßig sind und die Berufungsbeklagte nicht in ihren Rechten verletzen.
Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer dem Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Um einen Versicherungsfall feststellen und dem Versicherten darüber hinaus bestimmte Leistungen zusprechen zu können, muss das Gericht die anspruchsbegründenden Umstände und Ereignisse zur vollen Überzeugung, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, als zutreffend betrachten. Dies setzt eine so hohe Wahrscheinlichkeit voraus, dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überblickender Mensch noch Zweifel hat (vgl. BSG 80, 83; 6, 144; 7, 141; 32, 203; 45, 286). Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich des Unfallereignisses und seiner für die Beurteilung der Schadensursächlichkeit bedeutsamen Einzelheiten, aber auch für das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit. Es bedarf insoweit des Vollbeweises, für den der Versicherte die materielle Beweislast trägt.
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2 RU 60/87; Urteil vom 12.April 2005 - B 2 U 11/04 R -) ist wertend zu ermitteln, in dem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (vgl. BSGE 58, 76, 77 [BSG 30.04.1985 - 2 RU 24/84]; 61, 127, 128; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 10, SozR 4/2700 § 8 Nr. 2).
Gemessen an diesen Voraussetzungen ist der Unfall des Ehemannes vom 7. November 1998 kein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII; denn der Ehemann war zum Zeitpunkt des Unfallereignisses am 07. November 1998 nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII i.V.m. § 14 Abs. 4 SGB XI kraft Gesetzes unfallversichert.
Der Ehemann war zwar Pflegeperson im Sinne des § 19 SGB XI. Das Unfallereignis geschah jedoch entgegen den Feststellungen des SG gerade nicht bei der Pflege eines Pflegebedürftigen, hier der Berufungsbeklagten, im Sinne des § 14 SGB XI, so dass im Unfallzeitpunkt keine versicherte Tätigkeit vorlag.
Entgegen der Auffassung der Berufungsbeklagten geschah der Unfall ihres Ehemannes jedoch nicht bei Ausübung einer Pflegetätigkeit im Bereich der Mobilität.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII sind kraft Gesetzes Pflegepersonen iSd § 19 SGB XI bei der Pflege eines Pflegebedürftigen iSd § 14 SGB XI versichert. Die versicherte Tätigkeit umfasst Pflegetätigkeiten im Bereich der Körperpflege und - soweit diese Tätigkeiten überwiegend Pflegebedürftigen zugute kommen - Pflegetätigkeiten in den Bereichen Ernährung, Mobilität sowie hauswirtschaftliche Versorgung (§ 14 Abs. 4 SGB XI). § 14 Abs. 4 SGB XI stellt insoweit einen Katalog derjenigen Verrichtungen auf, den der Gesetzgeber als regelmäßig wiederkehrend ansieht, ohne zugleich an das Erfordernis eines bestimmten Zeitabstands anzuknüpfen. Dass nur solche Verrichtungen bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit zu berücksichtigen sind, bei denen zumindest ein Mal pro Woche ein Hilfebedarf besteht, ist vielmehr lediglich in § 15 Abs. 3 SGB XI geregelt, auf die aber die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII sachlich begründet keinen Bezug nimmt (vgl. BSG, Urteil vom 09. November 2010 - B 2 U 6/10 R -).
Nach der Gesetzesbegründung zu § 14 SGB XI (vgl. BT-Drucksache 12/5262, S. 97) ist bei der Mobilität des Pflegebedürftigen der Hilfebedarf innerhalb und außerhalb der Wohnung entscheidend. Innerhalb der Wohnung sind alle Hilfeleistungen zu prüfen, die zur Aktivierung des Pflegebedürftigen beitragen. Dazu gehören insbesondere das Verlassen und Wiederaufsuchen des Bettes, Mobilitätshilfen bei bettlägerigen Menschen, das An- und Ausziehen sowie Hilfe beim Gehen, z.B. zur Küche oder zum Badezimmer. Das Leben des Pflegebedürftigen soll aber nicht auf die Wohnung beschränkt bleiben. Der Pflegebedürftige muss vielmehr die Möglichkeit haben, seine Wohnung zu verlassen, um Ärzte, Krankengymnasten, Sprachtherapeuten, Apotheken oder Behörden aufzusuchen. Es sollen nur solche Verrichtungen außerhalb der Wohnung in die Begutachtung einbezogen werden, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig machen. Weitere Hilfen - z.B. bei Spaziergängen oder Besuchen von kulturellen Veranstaltungen - sind zwar wünschenswert, können aber durch die Pflegeversicherung - so die Gesetzesbegründung - nicht finanziert werden. Vorrangig seien insoweit Hilfen durch Angehörige, ehrenamtliche Helfer oder soziale Hilfsdienste notwendig.
Im Rahmen der Mobilität ist das Verlassen und das Wiederaufsuchen der Wohnung nur dann zu berücksichtigen, worauf auch der Berufungskläger zutreffend hingewiesen hat, wenn die Wege für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und bei denen das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig ist (vgl. BSG, SozR 3-300 § 14 Nrn. 5 und 6; Udsching, Soziale Pflegeversicherung, 3. Aufl., Rdz. 29 zu § 14 SGB XI). Hilfe bei der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung ist demnach als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (BSG, Urteil vom 18.09.2008 - B 3 P 5/07 R). Dies wird im Bereich der Pflegeversicherung aus dem Sinn und Zweck des Pflegegeldes und dem Zusammenhang der dafür maßgeblichen Verrichtungen gefolgert, die sämtlich der Aufrechterhaltung der Existenz in der häuslichen Umgebung dienen (BSG, Urteil vom 24.06.1998, B 3 P 4/97 R). Dazu zählen beispielsweise der Weg zum Besuch einer Arztpraxis, auch Wege zur Krankengymnastik, zum Logopäden oder zur Ergotherapie, soweit diese der Behandlung einer Krankheit dienen. Entscheidend ist, dass die Maßnahme - wie hier - zur Behandlung einer Krankheit ärztlich verordnet worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2003 - B 3 P 6/02 R).
Es kann indessen offenbleiben, ob der Ehemann durch die Begleitung der Berufungsbeklagten zu dem Rehabilitationssport eine Pflegetätigkeit im Bereich der Mobilität ausgeübt hat. Denn zumindest zum Zeitpunkt des Unfalls nahm der Ehemann diese Tätigkeit nicht mehr wahr. Vielmehr hatte er die Berufungsbeklagte bereits zu den Örtlichkeiten des TTSG G. in H. begleitet, dort abgesetzt und hat dann, wie die Berufungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung am 27. März 2012 vorgetragen hat, Brot für sich und die Berufungsbeklagte gekauft. Von seiner subjektiven Handlungstendenz her wollte der Ehemann zum Unfallzeitpunkt daher keine Pflegetätigkeit im Bereich der Mobilität im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII vornehmen.
Bei dem Unfallgeschehen übte der Ehemann im Übrigen auch keine Pflegetätigkeit im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII i.V.m. § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI aus. Zwar fällt nach § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI auch das Einkaufen in den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Indessen schränkt § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung jedoch dahingehend ein, dass eine Tätigkeit im Bereich der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung "überwiegend" dem Pflegebedürftigen zugute kommen muss. Uneingeschränkter Versicherungsschutz besteht nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 Halbsatz 1 SGB VII lediglich im Bereich der Körperpflege. Begrenzter Versicherungsschutz wird durch § 2 Abs. 1 Nr.17 Halbsatz 2 SGB VII demgegenüber in den Bereichen der Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftlichen Versorgung nur in dem Umfang gewährt, soweit diese Tätigkeiten überwiegend Pflegebedürftigen zugute kommen. Diese Tätigkeiten können allerdings nach ihrer Eigenart auch anderen Haushaltsangehörigen zugute kommen, wie zum Beispiel der Einkauf von Lebensmitteln oder die Essenszubereitung für die ganze Familie. Vom Versicherungsschutz ausgenommen sind jedoch Tätigkeiten, die überwiegend oder lediglich auch gleichzeitig und gleichberechtigt der gesamten Wohngemeinschaft dienen, unabhängig davon, ob sie gleichermaßen auch dem Pflegebedürftigen nutzen, wie zum Beispiel das Essenkochen für eine mehrköpfige Familie, deren Mitglied der Hilfebedürftige ist (vgl. BT-Drucks. 12/5262, 162). Bei der Subsumtion des Merkmals "überwiegend" kommt es auf eine Gesamtschau der besonderen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls an (vgl. Franke in: Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 3. Auflage 2010, § 2 Rn. 207). So kann es zum Beispiel bei einem Zwei-Personen-Haushalt für den Bereich Ernährung maßgeblich sein, ob die jeweils verarbeitete Speise nach den besonderen Verhältnissen des Pflegebedürftigen zubereitet wird. Das Überwiegen ist im Einzelfall wertend nach der Dauer der pflegebezogenen im Verhältnis zur gesamten Tätigkeit sowie nach Zweck, Art und Zeitpunkt der Verrichtungen einzuschätzen (vgl. Franke, aaO.).
Gemessen an diesen Anforderungen kam die Tätigkeit des Ehemannes, das Brotkaufen für sich und die Berufungsbeklagte, nicht überwiegend der Berufungsbeklagten, sondern in gleichem Maße auch ihm, dem Ehemann zugute, selbst, da - wie die Berufungsbeklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. März 2012 ausgeführt hat - ihr Ehemann hat Brot kaufen müssen, da zu Hause kein Brot mehr vorrätig gewesen sei. Eine solche Tätigkeit ist nach der Einschränkung in § 2 Abs. 1 Nr. 17 Halbsatz 2 SGB VII keine versicherte Tätigkeit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Tätigkeit des Broteinkaufs stand auch nicht als Wegeunfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII sind alle Tätigkeiten versichert, die in einem inneren Zusammenhang mit den in § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII bezeichneten Pflegetätigkeiten stehen, einschließlich der in § 8 Abs. 2 SGB VII aufgeführten Wege (vgl. hierzu etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.09.2010 - L 4 U 57/09). Danach ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versichert auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Wie bereits in der Vorgängervorschrift des § 550 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung ist in dieser Vorschrift als End- bzw. Ausgangspunkt des Weges nur der Ort der Tätigkeit festgelegt. Wo der Weg nach dem Ort der Tätigkeit beginnt und wo der Weg von dem Ort der Tätigkeit endet, ist nicht umschrieben. Begründet wird dieser Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit damit, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R m.w.N.). Wesentlich ist dabei die finale Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 SGB VII, Rn. 12.1 m.w.N.). Dient das Zurücklegen des Weges sowohl privaten als auch betrieblichen Zwecken, ist zunächst zu prüfen, ob sich der zurückgelegte Weg in zwei Teile zerlegen lässt, von denen der eine betrieblichen Zwecken und der andere privaten Zwecken gedient hat. Ist eine Trennung nicht möglich, handelt es sich um eine sog. gemischte Tätigkeit. Versicherungsschutz ist danach zu bejahen, wenn die gemischte Tätigkeit auch wesentlich der versicherten Tätigkeit zu dienen bestimmt ist. Die Tätigkeit braucht den betrieblichen Interessen nicht überwiegend gedient zu haben; es genügt, wenn das Handeln im Interesse der versicherten Tätigkeit nicht lediglich Nebenzweck ist.
Unter Beachtung dieser Vorgaben stand die Tätigkeit des Ehemannes, das Einkaufen des Brotes, auch nicht als Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Zwar hat die Berufungsbeklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. März 2012 ausgeführt, dass der Ehemann ihr auch während und nach Ausübung des Rehabilitationssports umfassend geholfen habe, etwa beim An- und Auskleiden, beim Waschen, beim Umsetzen in einen anderen Rollstuhl etc. Insoweit umfasst der Versicherungs-schutz grundsätzlich auch Verrichtungen im unmittelbaren Zusammenhang mit den in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Tätigkeiten, z.B. das Zureichen von Kleidungsstücken (vgl. Richter in: Franke/Molkentin, SGB VII, 2. Auflage 2007, § 2 Rn. 205). Allerdings ereignete sich der Unfall des Ehemannes gerade nicht bei einer derartigen Tätigkeit, sondern vielmehr, als er allein zum Broteinkauf unterwegs war. Diese Tätigkeit war jedoch - wie bereits ausgeführt - keine versicherte Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII, so dass auch der Weg zur Bäckerei und zurück als Abweg - und nicht als Wegeunfall - nach der Handlungstendenz des Ehemannes nicht im Zusammenhang mit der Ausübung einer versicherten Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII stand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gesetzliche Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG haben nicht vorgelegen.