Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 08.03.2012, Az.: L 13 AS 22/12 B ER
Bedarf für Unterkunft; Leistungsausschluss bei Studenten; Messie-Wohnung; Verwahrlosung; unabweisbarer Bedarf
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 08.03.2012
- Aktenzeichen
- L 13 AS 22/12 B ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 44288
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 27.01.2012 - AZ: S 46 AS 1105/11 ER
Rechtsgrundlagen
- § 21 Abs 6 SGB 2
- § 22 SGB 2
- 24 Abs 1 SGB 2
- § 17 Abs 2 SGB 12
- § 67 SGB 12
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Der Bedarf eines Hilfesuchenden, der aus einem Fehlgebrauch der Wohnung herrührt (Messie), gehört nicht zum Bedarf für Unterkunft und Heizung iSd § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.
2. Ebenso ist eine notwendige Grundreinigung und Renovierung einer Messie - Wohnung
eher nicht auf der Grundlage von §§ 24 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II zu regeln.
3. Als Anspruchsgrundlage für das Aufräumen einer Messie-Wohnung kommt § 67 SGB XII i.V.m. § 4 der Verordnung zu § 69 SGB XII in Betracht, wobei die Entscheidung über Art und Maß der Hilfeleistung im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers steht.
Tenor:
Der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 27. Januar 2012 wird aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin sind zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner die Übernahme von Kosten für die Entrümpelung, Grundreinigung und Renovierung ihrer Wohnung.
Die im April 1957 geborene Antragstellerin ist seit dem Februar 1999 verwitwet. Sie erhält eine Hinterbliebenenrente. Zum 1. April 2004 bezog sie zusammen mit ihrem im Januar 2007 verstorbenen Lebensgefährten eine 3-Zimmer-Wohnung in der K.. Nach dem Tode ihres Lebensgefährten verwahrloste sie zunehmend. Nach einer Stellungnahme des Gesundheitsamtes der Beigeladenen vom 5. Oktober 2010 wurde "noch" die Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin mit drei Stunden täglich bejaht. Auf der Grundlage einer Stellungnahme der selben Dienststelle der Beigeladenen vom 21. September 2011 hat das Amtsgericht C. die Betreuung der Antragstellerin zu Angelegenheiten der "Gesundheit, des Vermögens, der Wohnungsangelegenheiten und der Behörden- und Rechtsangelegenheiten" mit Beschluss vom 11. Oktober 2011 angeordnet und zur Betreuerin Frau D. bestimmt. In einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen vom 23. Januar 2012 wird nach einer Untersuchung der Antragstellerin davon gesprochen, dass bei ihr eine Einschränkung der Alltagskompetenz in erheblichem Maße vorliege und eine Persönlichkeitsstörung mit depressiven Episoden, Selbstversorgungsdefiziten und Verwahrlosung gegeben sei.
Auf den Erstantrag der Antragstellerin vom 18. Januar 2007 hin gewährte der Antragsgegner ihr mit Bewilligungsbescheid vom 12. Februar 2007 laufende Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 22. Januar bis zum 30. Juni 2007 und berücksichtigte dabei auf der Bedarfseite die Unterkunftskosten der Antragstellerin und auf der Einkommensseite ihre Hinterbliebenenrente. Auch in der Folgezeit gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), zuletzt mit Bewilligungsbescheid vom 29. November 2011 für den Bewilligungszeitraum Januar bis einschließlich Juni 2012 i. H. v. monatlich 314,64 €. Bereits früher wies eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes der Beigeladenen in einem Vermerk vom 18. November 2008 den Antragsgegner darauf hin, dass er die Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin zu prüfen habe, zumal die Antragstellerin selbst im Fortzahlungsantrag vom 20. November 2008 angegeben habe, sie sei nicht erwerbsfähig. Ebenso wurde von dieser Mitarbeiterin der Beigeladenen dem Antragsgegner am 19. März 2009 zur Kenntnis ein Vermerk mit einem entsprechenden Antrag zugeleitet, der die Entrümpelung, Grundreinigung und anschließende regelmäßige Haushaltshilfe auf der Grundlage des SGB XII zum Gegenstand hatte. In dem Vermerk der Mitarbeiterin des Fachdienstes 31 der Beigeladenen heißt es unter anderem, dass bei der Antragstellerin eine Persönlichkeitsstörung vorliege, verbunden mit verschiedenen körperlichen Beschwerden (u. a. schwerem Bronchialasthma) und einer eingeschränkten Motorik beider Hände. Auch sei die Antragstellerin der Personengruppe der "Messies" zuzurechnen, da in ihrer Wohnung chaotische Zustände herrschten. Die Antragstellerin sei selbst beschämt über diese Situation, jedoch bereit, Hilfe zuzulassen. Ob und wie dieser Antrag von der Beigeladenen beschieden wurde, ist nicht bekannt.
Während der Dauer ihres Leistungsbezugs von dem Antragsgegner bestand in der Zeit zwischen dem 24. Mai 2011 und dem 02. Februar 2012 kein persönlicher Kontakt zwischen der Antragstellerin und Mitarbeitern des Antragsgegners.
Am 20. Oktober 2011 beantragte die Antragstellerin - vertreten durch ihre Betreuerin - die Übernahme von Kosten einer Entrümpelung ihrer Wohnung sowie einer anschließenden Grundreinigung und Renovierung und wies dabei auf ihre gesundheitlichen Einschränkungen und den Umstand hin, dass der Vermieter eine Kündigung der Wohnung wegen ihres schlechten Zustandes angedroht habe.
Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 09. November 2011 mit der Begründung ab, dass die Regelung in § 22 SGB II keine Möglichkeit vorsehe, Kosten für die Entrümpelung und Grundreinigung einer Wohnung zu übernehmen. Dagegen legte die Antragstellerin am 24. November 2011 Widerspruch ein und legte unter anderem drei Kostenvoranschläge für die Wiederherrichtung der Wohnung der Antragstellerin vor. Der preisgünstigste Kostenvoranschlag über 7.500,00 EURO enthielt im Leistungsumfang Folgendes:
Verpackung des Wohnungsinhalts, Demontage des Mobilars, Transport des kompletten Mobilars in eine Lagerhalle, Einlagerung des Wohnungsinhalts, Abfuhr des verbleibenden Restmülls, Reinigung der Wohnung durch Durchführung von Malerarbeiten, Durchführung der notwendigen Malerarbeiten, Rücktransport des Einlagerungsguts, Montage und Wiederaufstellung des Mobilars, Einräumen des Wohnungsinhalts, sowie sozialpädagogische Betreuung der Antragstellerin während der Einräum- und Abtransportphase.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05. Dezember 2011 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück (AZ: W 1329/11). Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass der Leistungsträger nach dem SGB II nicht als Ausfallbürge in Anspruch genommen werden könne, wenn ein Hilfesuchender seine sozialen Schwierigkeiten nicht aus eigener Kraft überwinden könne. Soweit es um eine Vermeidung von zukünftiger Obdachlosigkeit gehe, sei gegebenenfalls ein entsprechender Antrag nach § 67 SGB XII beim entsprechenden Fachdienst der Beigeladenen zu stellen.
Dagegen hat die Antragstellerin am 13. Dezember 2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben (AZ:S 46 AS 1900/11) und zugleich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung hat die Antragstellerin ihr bisheriges Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft.
Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegen getreten und hat zudem den Antrag der Antragstellerin am 20. Dezember 2011 an die Beigeladene zur Bescheidung weitergeleitet. Die Beigeladene wurde mit Beschluss des SG Oldenburg vom 27. Dezember 2011 in das Verfahren einbezogen. Diese teilte mit, dass zwar der allgemeine Sozialdienst eine Hilfestellung nach § 67 SGB XII empfehle, dass aber in der Sache rechtlich nicht die Voraussetzungen für eine derartige Hilfeleistung gegeben seien, weil die Wohnung der Antragstellerin durchaus noch bewohnbar sei und sie über zahlreiche soziale Kontakte - etwa zum Tagestreff der Diakonie, dem wöchentlichen Treff beim Kirchenkreis, dem Sonntagskaffee einer Betreuungseinrichtung für psychisch beeinträchtigte Menschen - verfüge und außerdem "einen Freund" habe, der ihr z. B. bei Einkäufen helfe.
Mit Beschluss vom 27. Januar 2012 hat das SG Oldenburg den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, zugunsten der Antragstellerin die Kosten der Entrümpelung und Grundreinigung der Wohnung in Höhe von 7.500,00 EURO zu erstatten. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass es im vorliegenden Falle um Kosten gehe, die für das existenzielle Grundbedürfnis "Wohnen" aufgebracht werden müssten, sodass zugunsten der Antragstellerin die Anspruchsnorm nach § 22 SGB II durchgreife. Auch sei ein Anordnungsgrund gegeben, weil durch den hohen Grad an Verschmutzung in der Wohnung eine Gesundheitsgefahr bestehe.
Gegen den ihm am 30. Januar 2012 zugestellten Beschluss führt der Antragsgegner am 01. Februar 2012 Beschwerde. Er macht geltend: Die Kosten, die aus der Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes einer Wohnung herrührten, seien nicht als Teil der Kosten der Unterkunft im Sinne von § 22 SGB II anzusehen, denn es handele sich dabei um Aufwendungen, die aus dem nicht vertragsgemäßen Gebrauch der Unterkunft herrührten. Die vom SG Oldenburg angesprochenen höchstrichterlichen Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. Juni 2010 und 06. Oktober 2011 beträfen andere Sachverhalte und damit andere Rechtsfragen. Auch stünden vorliegend nicht notwendige Instandsetzungsarbeiten in Frage, die aus einer längeren bestimmungsgemäßen Nutzung einer Wohnung herrührten. Hinzu komme, dass das von der Dienstleistungsfirma unterbreitete Festpreisangebot über 7.500,00 EURO unter anderem auch Dienstleistungen beinhalte, die nichts mit der Unterkunft zu tun hätten, wie sich z. B. aus dem dort angegebenen Stichwort "sozialpädagogische Betreuung während der Einräumphase" ergebe. Hinzu komme, dass eine aktuelle Gesundheitsgefährdung der Antragstellerin nicht gegeben sei.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegen getreten und erhebt ihrerseits Anschlussbeschwerde. Sie macht geltend, dass möglicherweise ihr Anspruch auf Übernahme von Hilfeleistungen aus §§ 67 ff SGB XII herzuleiten wäre, sodass richtigerweise Leistungsträger die Beigeladene sein könnte. Deswegen dürfe im Ergebnis die zu ihren Gunsten ergangene einstweilige Anordnung nicht aufgehoben werden.
Die Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert; der Antragsgegner teilt jedoch mit, dass auch nach seinen neuesten Informationen eine Entscheidung der Beigeladenen über den weitergeleiteten Hilfeantrag noch nicht erfolgt sei. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren hatte die Beigeladene mit Schriftsatz vom 25. Januar 2012 eine Stellungnahme ihres allgemeinen Sozialdienstes vom 9. Januar 2012 vorgelegt, in der die tatsächlichen Voraussetzungen des § 67 SGB XII bejaht werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist begründet. Nach dem gegenwärtig bekannt gewordenen Sachstand des Verfahrens hat die Antragstellerin gegen den Antragsgegner keinen Anordnungsanspruch auf Übernahme der Kosten einer Entrümpelung und Grundreinigung ihrer Wohnung (dazu unter 1.), auch ist zur Zeit (noch) nicht ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Beigeladene gegeben (dazu unter 2.). Dazu im Einzelnen:
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch ein Anordnungsanspruch (d. h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden. Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweg genommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten (vgl. Artikel 19 Abs. 4 GG), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gut zu machende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
1. Entgegen der Ansicht des SG Oldenburg ist ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner nicht gegeben.
Es erscheint schon zweifelhaft, ob die Antragstellerin überhaupt zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) gehört. Das SGB II, das vom Grundsatz des Fördern und des Forderns geprägt ist, zieht in seinen Leistungsbereich nur erwerbsfähige Leistungsberechtigte ein (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Dabei wird von Gesetzes wegen die Erwerbsfähigkeit in § 8 Abs. 1 SGB II in dem Sinne definiert, dass nur derjenige erwerbsfähig ist, der nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dabei wird als "absehbare Zeit" im Sinne der Norm ein Zeitraum von etwa sechs Monaten und länger angesehen, der im Wege der Prognose der vorhandener Erkrankungen durch den Leistungsträger zu bestimmen ist (vgl. Armbrost in: LPK-SGB II 4. Auflage, § 8 Rdn 17 und 18). Im vorliegenden Fall war die Antragstellerin ausweislich des Inhalts der Verwaltungsvorgänge in der Zeit vom 24. Mai 2011 bis zum 02. Februar 2012 gehindert, persönlich bei ihrer persönlichen Ansprechpartnerin im Vermittlungsbereich des Antragsgegners vorzusprechen, weil sie erkrankt war. Auch wurde bereits im Fortzahlungsantrag bei der Antragstellerin am 20. November 2008 (Bl. 90 der Verwaltungsvorgänge) darauf hingewiesen, dass eine Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin wegen ihrer psychischen Erkrankung nicht bestehe. Dementsprechend hatte bereits eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes der Beigeladenen in einem Vermerk vom 18. November 2008 an den Antragsgegner darauf hingewiesen, dass eine Überprüfung der Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin von Nöten sei. Hinzu kommt nunmehr, dass die Antragstellerin mit Beschluss des Amtsgerichts C. vom 11. Oktober 2011 unter eine Betreuung gestellt wurde. Dieser Beschluss beruht offensichtlich auf einem Gutachten des Gesundheitsamtes der Beigeladenen vom 21. September 2011, welches in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners nicht enthalten ist. Indessen spricht nach allgemeiner Lebenserfahrung eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass Jemand, der unter Betreuung gestellt wurde, nicht unter den allgemeinen Bedingungen des Arbeitsmarktes erwerbstätig sein kann. Auch wurden die an anderen Stellen der Verwaltungsvorgänge vorhandenen Hinweise von Mitarbeitern des Antragsgegners nicht zum Anlass genommen, das Verfahren zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit nach § 44 a SGB II in Gang zu bringen, obwohl die psychischen Auffälligkeiten der Antragstellerin dazu hätten Anlass geben können, zumal die Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes des Beigeladenen an zahlreichen Stellen Hinweise auf eine gebotene psychosoziale Betreuung der Antragstellerin im Sinne von § 16 a Nr. 3 SGB II gegeben hat. Nach dem bisherigen Erkenntnisstand des Senats ergibt sich für ihn der Eindruck, dass es der Antragsgegner an der gebotenen Zusammenarbeit mit der Beigeladenen im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 SGB II und § 4 Abs. 1 Satz 1 SGB XII hat vermissen lassen, um der Antragstellerin, die wohl zur Gruppe der Leistungsberechtigten gehört, deren Vermittlung in Arbeit an mehr oder minder starken psychischen Beeinträchtigungen scheitert, die gebotene Hilfe zu teil werden lassen. Denn auch hinsichtlich einer Bürgerin, die nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten gehört, für den der Antragsgegner zuständig ist, besteht dessen Pflicht darauf hinzuwirken, dass die Leistungsberechtigte die ihr zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält (vgl. § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Auch bei Empfängern von Leistungen nach dem SGB II besteht für den dafür zuständigen Leistungsträger die Pflicht, es nicht nur bei der Zahlbarmachung von laufenden Geldleistungen zu belassen, sondern den persönlichen Verhältnissen der Berechtigten Rechnung zu tragen (vgl. § 33 SGB I).
Hinzu kommt - und dies stellt eine selbständig tragende Erwägung des Senats dar - dass ein Anspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner auf der Grundlage von § 22 SGB II nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Nach dieser Vorschrift hat der Antragsgegner den Bedarf für Unterkunft und Heizung durch Zahlung der dafür angefallenen Kosten zu übernehmen, soweit die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen angemessen ist. Der Senat vermag nicht der Auffassung des SG Oldenburg beizutreten, dass es sich vorliegend um einen "Bedarf für Unterkunft" im Sinne der Vorschrift handelt. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Bedarf ist davon gekennzeichnet, dass er seine Ursache in einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch der Wohnung hat, der offensichtlich auf einer psychischen Erkrankung der Antragstellerin beruht. Dieser "Fehlgebrauch" der Unterkunft durch die Antragstellerin ist nur anlässlich der Nutzung der Unterkunft angefallen und gehört nicht zum notwendigen Bedarf für die Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Beschädigungen an der Wohnung oder vertragliche oder deliktische Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter wegen eines Fehlgebrauchs der Wohnung sind lediglich aus Anlass der Nutzung der betreffenden Wohnung entstanden, sie sind aber kein Bedarf für "die Unterkunft" (vgl. dazu auch: BVerwG, Urteil vom 03. Juni 1996 - 5 B 24.96 - in: FEVS 47, 289; Pletscher in: Linhart-Adolph, SGB II § 22 Rdn 18; Frank in: Hohm (Hrsg.) GK-SGB II, § 22 Rdn 14). Dementsprechend wurden auch bislang in der Rechtsprechung Ansprüche etwa als Schadensersatz für verlorene Schlüssel (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09. Mai 2007 - L 20 B 32/07 AS ER - in: FEVS 58, 559) oder auch die Schadensersatzforderung eines Autovermieters, die aus einer Beschädigung des Umzugsfahrzeugs anlässlich eines Umzugs herrührt, der vom Leistungsträger veranlasst wurde, als nicht in den Leistungsbereich von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II fallend angesehen (vgl. BSG, Urteil vom 06. Oktober 2011 - B 14 AS 152/10 R - zitiert nach juris).
Auch ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner auf der Grundlage von § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II gegeben. Nach dieser Vorschrift kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf durch den SGB II-Leistungsträger als Sachleistung oder als Geldleistung (diese allerdings als Darlehen) gewährt werden. Der Senat ist der Ansicht, dass eine gebotene Grundreinigung und Renovierung einer Wohnung, die aufgrund einer psychischen Verwahrlosung des Hilfebedürftigen eingetreten ist, nicht ein vom "Regelbedarf" zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster Bedarf ist (a. A.: SG Bremen, Beschluss vom 02. März 2010 - S 23 AS 257/10 ER - zitiert nach juris). Zwar ist es richtig, dass der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 20 Abs. 1 SGB II, der in einem Pauschalbetrag gewährt wird, auch die Aufwendungen abdecken soll, die anlässlich der Reinigung einer Wohnung regelmäßig anfallen. Die Regelleistung umfasst unter anderem auch Aufwendungen für die Instandhaltung und Ergänzung des Hausrats, die Bedarfe des täglichen Lebens und den Erwerb von Reinigungsprodukten. Zwar ist mit Schaffung des SGB II die Unterscheidung zwischen laufenden und einmaligen Leistungen bei der Hilfe zum Lebensunterhalt entfallen (vgl. § 21 BSHG), und der Hilfesuchende ist gehalten, bei der Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen eigenverantwortlich auch unregelmäßig anfallende Bedarfe zu berücksichtigten (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Nach Ansicht des Senats gehört der hier in Streit stehende Bedarf jedoch nicht zu den unregelmäßigen anfallenden Bedarfen, die durch den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts gedeckt werden sollen. Vielmehr steht sowohl hinsichtlich der Ursache, als auch seinem Inhalt nach ein Bedarf in Frage, der ursächlich an der psychischen Erkrankung der Antragstellerin anknüpft und der inhaltlich Kosten für eine Grundreinigung und Renovierung einer Wohnung umfasst, die sonst beim weitaus größeren Teil der Bevölkerung nicht anfallen.
Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass aus diesem Grunde im vorliegenden Fall auch nicht als Anspruchsgrundlage § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II in Betracht kommt.
2. Vielmehr kommt im vorliegenden Falle ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin nach § 67 SGB XII i. V. m. § 4 der Verordnung zu § 69 SGB XII in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind Maßnahmen zur Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung möglich, vor allem kann auch die erforderliche Beratung und persönliche Unterstützung für Personen gegeben werden, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten vorhanden sind, die sie aus eigener Kraft nicht bewältigen können. Dazu kann auch der hier in Streit stehende Bedarf an Grundreinigung und Renovierung einer "Messie-Wohnung" gehören, was durch § 5 Abs. 2 SGB II in der Anwendung nicht gesperrt ist und zu deren Leistung die Beigeladene gemäß § 75 Abs. 5 SGG verurteilt werden kann. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass aus dem Vermerk des allgemeinen Sozialdienstes der Beigeladenen vom 09. Januar 2012 ersichtlich ist, dass auch durch einen erfahrenen Sozialarbeiter die Anwendungsvoraussetzungen des § 67 SGB XII bejaht werden (vgl. Bl. 102 der Gerichtsakte).
Indessen sieht sich der Senat (noch) daran gehindert, die Beigeladene im Wege der einstweiligen Anordnung zur Befriedigung des streitigen Bedarfs zu verpflichten. Denn der Träger der Sozialleistungen hat nicht nur die Besonderheiten des Einzelfalls zu beachten (vgl. § 9 Abs. 1 SGB XII), sondern Art und Maß der zu gewährenden Hilfe stehen gemäß § 17 Abs. 2 SGB XII im pflichtgemäßen Ermessen der Beigeladenen. Nur wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, kann eine Verpflichtung der Beigeladenen durch das Gericht zur Gewährung von Leistungen erfolgen. Eine derartige Ermessensreduzierung auf Null, in dem Sinne dass nur die Verpflichtung zur Erstattung von 7.500,00 EURO für die Maßnahmen des Dienstleistungsunternehmens materiell richtig wäre, ist indessen vorliegend nicht gegeben. Bislang hat die Beigeladene davon ausgehen dürfen, der Antragsgegner sei zur Leistungsgewährung verpflichtet. Nun wird sie sich aber vor Augen halten müssen, dass sie dem Grunde nach zur Leistungsgewährung verpflichtet ist und in Erwägungen einzutreten hat, auf welcher restlichen Grundlage und in welcher Weise die Notlage beseitigt werden soll. Dies ist zuvorderst durch persönliche Hilfen zu veranlassen, da die Antragstellerin offensichtlich sich in einer besonderen Lebenslage befindet. Auch mag es der Beigeladenen möglich sein, durch persönliche Dienstleistungen seiner Mitarbeiter die in Streit stehende Maßnahme vorzunehmen, zumal dabei zu bedenken ist, dass das Dienstleistungsangebot des betreffenden Unternehmens (verständlicherweise) auch einen eigenen Gewinn für die Dienstleistung umfasst. Ob daneben auch Ansprüche auf Eingliederungshilfe in Betracht kommen, kann gegenwärtig offen bleiben.
Allerdings bestehen seitens des Senats Bedenken, dass der vorliegende Verlauf des Streitfalls dazu Anlass bieten könnte, effektiver Rechtschutz für die Antragstellerin wäre nicht zu erreichen. In einer derartigen Konstellation kommt es in Betracht, Maßnahmen durch das Gericht unter Vorwegnahme des Ergebnisses einer Ermessensbetätigung der Verwaltung dann zu bejahen, wenn ansonsten für den jeweiligen Antragsteller die Gefahr bestünde, sein Anspruch auf eine ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung des Leistungsträgers würde im praktischen Ergebnis leer laufen (vgl. Wündrich in: SGb 2009, 267, 269). Im Hinblick darauf, dass sich die beklagenswerten Wohnverhältnisse der Antragstellerin über lange Zeit hinweg aufgebaut haben, hat der Senat (einstweilen) davon abgesehen, selbst in dem vorliegenden Falle (ausnahmsweise) eine Ermessensbetätigung vorzunehmen, da die Beigeladene - soweit ersichtlich - bislang überhaupt noch nicht ihr Ermessen erkannt und betätigt hat. Dies wird die Beigeladene nach Erhalt des Beschlusses nunmehr zeitnah vorzunehmen haben, um dem berechtigten Rechtschutzbedürfnis der Antragstellerin Rechnung tragen zu können.
Aus den dargelegten Gründen hat auch die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin keinen Erfolg.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin sind in beiden Rechtszügen zu erstatten. Denn es entspricht nach Ansicht des Senats der Billigkeit, die einkommens- und vermögenslose Antragstellerin nicht mit den außergerichtlichen Kosten dieses Verfahrens zu belasten, während andererseits der Antragsgegner schon vor langer Zeit das Verfahren nach § 44 a SGB II hätte einleiten können. Hinzu kommt, dass zwar der Beigeladene sich auch saumselig verhalten hat, indessen eine Auferlegung der außergerichtlichen Kosten nach § 197 a Abs. 2 Satz 1 SGG mangels Verpflichtung des Beigeladenen nicht möglich ist.
Der Antrag der Antragstellerin ihr Prozesskostenhilfe zu gewähren, hat sich damit erledigt, weil sie nun über einen leistungsfähigen Kostenschuldner verfügt.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.