Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 23.09.1999, Az.: 1 U 57/99
Anspruch des Konkursverwalters einer GmbH gegen den alleinigen Gesellschafter auf Zahlung von Stammkapital; Umfang der Einlageschuld eines GmbH-Gesellschafters nach der Erhöhung der Stammeinlage; Erfüllung der Einlageschuld durch den Gesellschafter bei einer von ihm von vornherein geplanten anschließenden Rücküberweisung des Betrags; Umgehung der Einlageschuld durch die Veranlassung einer verdeckten Sacheinlage; Aufrechnung des GmbH-Gesellschafters gegen Barleistungsforderung des Konkursverwalters
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 23.09.1999
- Aktenzeichen
- 1 U 57/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 31447
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1999:0923.1U57.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 26.02.1999 - AZ: 13 0 110/98
Rechtsgrundlagen
- § 273 BGB
- § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB
- § 818 BGB
- § 19 Abs. 5 GmbHG
- § 56 GmbHG
- § 43 KO
Fundstellen
- DStZ 2000, 347 (Kurzinformation)
- GmbHR 2000, 776 (amtl. Leitsatz)
- NZG 2000, 316
In dem Rechtsstreit
...
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 09. September 1999
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 26. Februar verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Osnabrück wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 160.000,- DM .abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Volstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000,- DM.
Tatbestand
Der Kläger macht als Verwalter in dem am 10. September 1997 über das Vermögen der B.E.D. (nachf.: Gemeinschuldnerin) eröffneten Konkursverfahren einen Anspruch auf Zahlung von Stammkapital geltend. Der Beklagte ist alleiniger Gesellschafter der Gemeinschuldnerin.
Das Stammkapital der Gemeinschuldnerin betrug ausweislich des Gesellschaftsvertrags vom 10. Dezember 1994 50.000,- DM. Mit Gesellschafterbeschluß vom 15. September 1995 wurde das Stammkapital um 150.000,- DM auf 200.000,- DM erhöht. Der Kläger hatte in erster Instanz die Nachzahlung der gesamten 200.000,- DM gefordert. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch die Zahlung des Kapitalerhöhungsbetrages von 150.000,- DM. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, daß der Beklagte keine ihn von dieser Einlageschuld befreienden Leistungen erbracht habe.
Der Beklagte wollte ursprünglich die Erhöhung seiner Stammeinlage mittels einer Sacheinlage erbringen. Dazu kaufte er persönlich und aus eigenen Mitteln im Juli 1995 von der Deutschen Bank AG für rund 160.000,- DM Maschinen und Geräte, die später ins Eigentum der Gemeinschuldnerin überführt wurden (Bl. 72, 119 Bd. 1 d.A.). Um den eigentlich notwendigen Sachgründungsbericht zu vermeiden, entschloß sich der Beklagte jedoch, eine Barkapitalerhöhung zu beschließen, die Bareinzahlung nominell zu vollziehen und den Betrag anschließend wieder an sich auszukehren. Entsprechend dieser Planung überwies der Beklagte am 17. November 1995 150.000,- DM von seinem Privatkonto auf das Konto der Gemeinschuldnerin (Verwendungszweck: "Kapitaleinlage") und veranlaßte in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin am 20. November 1995 von deren Konto eine Rücküberweisung i.H.v. 150.000,- DM auf sein Privatkonto, wo es unter der Kennzeichnung "Entnahme wegen Sacheinlage" gutgeschrieben wurde.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger 200.000,- DM nebst 4% Zinsen, und zwar auf 50.000,- DM seit dem 28. Juli 1998 und auf weitere 150.000,- DM seit dem 23. November 1998 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der 150.000,- DM hat er gemeint, durch die Zahlung im November 1995 seine Einlageschuld erfüllt zu haben.
Das Landgericht hat mit dem hiermit in Bezug genommenen angefochtenen Urteil unter Abweisung der Klage im übrigen den Beklagten zur Zahlung der Stammeinlageerhöhung von 150.000,- DM verurteilt und dazu im wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe seine Bareinzahlungsschuld durch die Überweisung im November 1995 nicht erfüllt. Das Geld habe der Gemeinschuldnerin zu keinem Zeitpunkt zur freien Verfügung gestanden, weil es sofort wieder an den Beklagten ausgekehrt werden sollte und wurde.
Gegen dieses ihm am 3. März 1999 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 6. April 1999 (Di. nach Ostern) Berufung eingelegt und diese nach entsprechenden Fristverlängerungen am 6. Juli 1999 begründet.
Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Sachvortrags trägt der Beklagte ergänzend vor:
Ihm stehe bei einer unzulässigen "verdeckten" Sachgründung ein Bereicherungsanspruch gegen die Gemeinschuldnerin zu. Dieser sei in erster Linie auf Herausgabe der Maschinen und Geräte gerichtet, soweit diese noch vorhanden seien. Im übrigen bestehe ein Wertausgleichs- Zahlungsanspruch, und zwar zusätzlich im Hinblick auf die von der Gemeinschuldnerin gezogenen Nutzungen. Daraus entnimmt der Beklagte eine Aufrechnungs- bzw. Zurückbehaltungsbefugnis.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage (insgesamt) abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das landgerichtliche Urteil, soweit es vom Beklagten angefochten ist, unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags und tritt den Berufungsangriffen entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet.
Die infolge der Erhöhung der Stammeinlage vom Beklagten geschuldete Bareinlage i.H.v. 150.000,- DM ist mit Erfüllungswirkung weder durch die Übereignung der zuvor vom Beklagten angekauften Maschinen und Geräte noch durch die Überweisung der 150.000,- DM am 17. November 1995 auf das Konto der Gemeinschuldnerin erbracht worden. Die Einlageschuld ist auch weder durch die Aufrechnung mit einem bereicherungsrechtlichen Zahlungsanspruch erloschen noch kann der Beklagte dem Kläger ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB erfolgreich entgegenhalten.
1.
Mit der Zuwendung der Maschinen und Geräte konnte sich der Beklagte nicht von seiner Einlagenschuld befreien, weil eine Kapitalerhöhung mittels Sacheinlagen nicht beschlossen war und die beschlossene Bareinzahlung nicht durch Sachleistungen ersetzt werden konnte (§§ 56 und 19 Abs. 5 GmbHG).
Auch mit der als Bareinzahlung gekennzeichneten Überweisung der 150.000,- DM hat der Beklagte seine Zahlungsverpflichtung nicht erfüllt. Denn unter Berücksichtigung der von vornherein geplanten anschließenden Rücküberweisung stand das Geld zu keiner Zeit der Gemeinschuldnerin zur freien Verfügung. Denn die "Absprache" über die Verwendung der "Bareinlage" war unzulässig, weil der Beklagte auf diesem Wege die Vorschriften über Sacheinlagen umgehen wollte (sog. "verdeckte" Sacheinlage). Von einem solchen Umgehungstatbestand ist "auszugehen, wenn zwar formell eine Bareinlage geleistet wird, der Einlagebetrag materiell jedoch nur der Vergütung einer Sachleistung dient und im Ergebnis wirtschaftlich der Gesellschaft nicht als Barleistung zufließt. Darunter fällt insbesondere die Leistung auf eine Forderung aus der Veräußerung sacheinlagefähiger Gegenstände durch ein sogenanntes 'Hin- und Herzahlen'" von Bareinlage und Kaufpreis (BGH GmbHR 1998, 588, 590).
Diese Umstände liegen hier vor: Der Beklagte hat eine Einlagezahlung erbracht, die ihm dann im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einem Geschäft zur Anschaffung von Anlagevermögen wieder ausgezahlt wurde. Wegen der unstreitig gewollten Kopplung mit der Bareinlagezahlung stellte der Erwerb der Maschinen und Geräte durch die Gemeinschuldnerin auch kein für ihren Geschäftsbetrieb übliches Umsatzgeschäft dar, das sie ebensogut mit einem Dritten hätte schließen können.
2.
Gegen den fortbestehenden Zahlungsanspruch des Klägers kann der Beklagte weder aufrechnen noch sich erfolgreich auf ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB berufen.
Zutreffend geht der Beklagte allerdings davon aus, daß bei einer vorbeschriebenen Verletzung der Sachgründungsvorschriften das der Sachzuwendung zugrundeliegende schuldrechtliche Rechtsgeschäft der Gesellschaft gegenüber unwirksam ist und zu einem bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruch des Gesellschafters nach Maßgabe der §§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2; 818 BGB führen kann (BGH a.a.O., 590, 591).
Soweit ein solcher Anspruch auf Wertersatz gerichtet, also von der Gesellschaft in Geld zu erfüllen ist, kommt jedoch wegen § 19 Abs. 5 GmbHG eine Aufrechnung gegen die Barleistungsforderung nicht in Betracht (BGH a.a.O. S. 591). Besonderheiten des Falles, die gleichwohl eine Aufrechnung zulassen könnten, sind nicht ersichtlich. Als Besonderheiten will der Beklagte offenbar berücksichtigt sehen, daß er es unterlassen hat, die beschlossene Barzahlungsverpflichtung in eine Sacheinlageverpflichtung umzuwandeln und ihm dies nach der Veräußerung von Gegenständen durch ihn selbst (als Geschäftsführer) nicht mehr möglich gewesen sein soll, sowie die Tatsache, daß die Maschinen und Geräte bis zur Konkurseröffnung "rechtlich unberechtigt und unentgeltlich genutzt worden sind". Das sind aber keine Gründe, die eine Durchbrechung des Aufrechnungsverbots rechtfertigen könnten.
Ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB kommt nur hinsichtlich solcher Gegenforderungen in Betracht, die nicht in Geld zu erfüllen sind. Insoweit beruft sich der Beklagte auf einen Anspruch auf Herausgabe der noch im Besitz des Klägers befindlichen Maschinen und Geräte.
Ein solcher Anspruch scheitert zum einen daran, daß der Beklagte Herausgabe dieser konkursbefangenen Gegenstände nicht verlangen kann. Denn dies würde ein Aussonderungsrecht nach § 43 KO voraussetzen. Der hier allein in Betracht kommende Bereicherungsanspruch vermittelt jedoch als ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch kein Aussonderungsrecht. Anders wäre es nur, wenn in Fällen der verdeckten Sacheinlage außer dem Verpflichtungsgeschäft auch das Verfügungsgeschäft unwirksam wäre. Diese Rechtswirkung wird jedoch zu Recht allgemein abgelehnt (Hachenburg - Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 19 Rn. 114 m.w.N.).
Ganz abgesehen davon, ist aber schon grundsätzlich die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts durch den Gesellschafter gegenüber Bareinlagenforderungen wegen seiner der Aufrechnung ähnlichen Wirkung durch das Aufrechnungsverbot ausgeschlossen (RGZ 83, 268).
3.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs.1, 708 Nr.10, 711, 546 Abs.1 und Abs.2 ZPO.