Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 23.02.2011, Az.: 5 A 1001/10

Grabgestaltung; Abdeckung; Vollabdeckung; Ruhezeit; Verwesungsdauer; Bodenverhältnisse; Wachsleiche; allgemeiner Friedhofszweck; Friedhofszweck

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
23.02.2011
Aktenzeichen
5 A 1001/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45208
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Frage der Gewährleistung einer vollständigen Leichenverwesung innerhalb der nach der Friedhofssatzung maßgeblichen Ruhezeit.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit einer vollständigen Grababdeckung durch steinerne Grabplatten für eine Erdgrabstätte auf dem Friedhof E..

Die am 4. August 2009 verstorbene Ehefrau des Klägers wurde am 10. August 2009 auf dem Friedhof der Beklagten in E. beigesetzt, nachdem der Kläger dort das Nutzungsrecht für 30 Jahre an dem Wahlgrab bevorzugte Lage Nr. 93 a-b der Reihe 39 in Feld G erworben hatte. Die Verstorbene war ursprünglich katholischen Glaubens und später konfessionslos.

Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 12. November 2009 die Genehmigung zur Aufstellung eines Gedenkzeichens einschließlich Sockel und einer Einfassung (240 x 250 cm, Indisch-black, dunkel-grau poliert) für die Grabstätte. Diese bezieht sich auf eine mit dem Antrag eingereichte Skizze des Steinbildhauers K., die das Gedenkzeichen, den Sockel und eine Einfassung darstellt.

Der Steinbildhauer K. errichtete das genehmigte Gedenkzeichen nebst Sockel und Einfassung, bedeckte aber zusätzlich das Doppelgrab vollständig mit zwei steinernen Grabplatten. Diese weisen nach Angaben des Klägers mindestens 6 unterschiedlich große Öffnungen auf.

Nachdem die Beklagte die Vollabdeckung des Wahlgrabs entdeckt hatte, gab sie dem Kläger mit Verfügung vom 8. Februar/24. März 2010 die Beseitigung der steinernen Grabplatten auf und drohte ihm die Ersatzvornahme an. Unter dem 20. April 2010 ordnete sie die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung an.

Der Kläger hat sich erfolglos im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen diese Beseitigungsverfügung gewandt (Beschluss der Kammer vom 17. Mai 2010 - 5 B 965/10 - und Beschluss des Nds. OVG vom 9. Juni 2010 - 8 ME 125/10 -). Seine Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse im vorläufigen Rechtsschutzverfahren wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 1560/10 -). Zwischenzeitlich ließ die Beklagte die Steinplatten im Wege der Ersatzvornahme beseitigen.

Mit seiner bereits am 6. April 2010 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die im November 2009 errichtete Vollabdeckung der Grabstätte mit Steinplatten entspreche dem Willen seiner verstorbenen Ehefrau, den sie in den letzten Lebensstunden geäußert habe. Auch habe sie unbedingt auf dem Friedhof T. und am besten in unmittelbarer Nähe zu einer früheren Freundin beigesetzt werden wollen. An diese Wünsche fühle er sich moralisch gebunden. Das eigene bzw. das postmortale Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen erlaube eine solche Gestaltung und könne nicht durch die Friedhofssatzung der Beklagten eingeschränkt werden. Folglich sei die Beseitigungsverfügung rechtswidrig, zumal er die Genehmigung der Vollabdeckung verlangen könne. Für das in § 20 Abs. 7 Satz 1 der Friedhofssatzung geregelte Verbot von Abdeckungen für Erdgrabstätten fehle eine gesetzliche Grundlage. Zudem sei es weder zur Verwirklichung allgemeiner Friedhofszwecke noch sonst gerechtfertigt. Insbesondere sei es nicht zur Gewährleistung einer ungehinderten Leichenverwesung innerhalb der Ruhezeiten erforderlich. Die gewählte zweigeteilte und mit Löchern versehene Grababdeckung ermögliche hinreichend eine Leichenverwesung innerhalb der maßgeblichen Ruhezeiten von 30 Jahren (einzuholendes Sachverständigengutachten, Blatt 42 GA). Die gegenteilige gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen Dr. A. vom 22. April 2010 sei nicht hinreichend belastbar. Der von der Beklagten beauftragte und bezahlte Gutachter sei nicht objektiv. Teile seiner Ausführungen seien sachwidrig. Die seiner Stellungnahme zugrunde liegende Graböffnung sei nicht an einer repräsentativen Stelle ("bevorzugte Lage") und in der Nähe der streitigen Grabstätte erfolgt. Auch habe der Gutachter die Zweiteilung und die mindestens 6 unterschiedlichen großen Öffnungen nicht berücksichtigt. Folglich seien dessen Annahmen zur vollständigen Bodenversiegelung, zur Beeinträchtigung des Gasaustausches, zur Verringerung der Bodenverdunstung, zur eingeschränkten mikrobiellen Aktivität und zur Beeinflussung des Wärmehaushaltes nicht belastbar. Im Übrigen müssten nach § 14 Satz 2 des Nds. BestattG wegen der besonderen Umstände die maßgeblichen Ruhezeiten - etwa auf 40 Jahre - verlängert werden. Insoweit sei er auch bereit, gegen entsprechende Gebühren die Nutzungszeiten zu verlängern. Das generelle Verbot von Vollabdeckungen sei auch deshalb rechtswidrig, weil der Friedhof T. selbst keine anderen Flächen für entsprechende Gestaltungswünsche bereitstelle. Auf andere städtische und konfessionelle Friedhöfe im Bereich der Stadt E. könne er insoweit nicht verwiesen werden. Dies widerspreche schon dem explizit geäußerten letzten Willen der Verstorbenen. Im Übrigen ermögliche kein Friedhof im Stadtgebiet die gewünschte Vollabdeckung, sondern allenfalls Teilabdeckungen. Ebenso wenig sei gesichert, dass es entsprechend frei Plätze, noch dazu für "Ortsfremde" gebe. Dem Schreiben des evangelisch-lutherischen Kirchenamtes L., Dienststelle E., vom 28. September 2010 sei zu entnehmen, dass die Genehmigung von Vollabdeckungen keineswegs selbstverständlich sei. Das Landeskirchenamt der evangelisch-reformierten Kirche L. habe diesbezüglich eine Stellungnahme nicht abgeben wollen (E-Mail vom 17. November 2010). Folglich habe der Friedhof T. Monopolcharakter und dürfe keine überstrengen Gestaltungsvorschriften ohne Ausweichmöglichkeit regeln. Die Mustersatzungen des Deutschen Städtetages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sowie zahlreiche kommunale Friedhofssatzungen sähen Abteilungen mit unterschiedlich strengen Gestaltungsvorschriften auf dem jeweiligen Friedhof vor und ermöglichten ein Wahlrecht der Nutzer.

Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Beklagten vom 8. Februar/24. März 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm für das Wahlgrab bevorzugte Lage Nr. 93 a-b der Reihe 39 im Feld G des Friedhofs T. eine vollständige Grababdeckung mit zwei Steinplatten (Indisch-black, poliert) zu genehmigen und

hilfsweise für den Fall der Klageabweisung, einen unabhängigen, vom Gericht zu bestellenden Sachverständigen zur gutachterlichen Stellungnahme zu beauftragen, zur Verwendung von Grababdeckungen auf dem Friedhof T. in E. und zur Verwesungsdauer in einem Erdgrab mit Abdeckung einer Grabplatte und zwar in der Ausprägung, wie sie von dem Kläger gewählt worden ist, zweigeteilt und mit Löchern versehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Verfügung und die gerichtlichen Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutz.

Das Gericht hat gemäß Beschluss vom 23. Februar 2011 Beweis durch Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. A. zur Erläuterung und Ergänzung dessen sachverständigen Stellungnahme vom 22. April 2010 erhoben. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte 5 B 985/10 und vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die nach den gerichtlichen Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutz im Wege der Ersatzvornahme vollzogene Beseitigungsverfügung der Beklagten vom 8. Februar/24. März 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; eine Genehmigung der Vollabdeckung der in dem Tenor näher bezeichneten Wahlgrabstätte mit zwei Steinplatten kann er nicht verlangen (§ 113 Abs. 1 und 4 VwGO).

Auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung, ergänzender Beweiserhebung und nochmaliger Abwägung ist die Kammer der Überzeugung, dass die Beseitigungsverfügung im Einklang mit dem Satzungsrecht der Beklagten sowie höherrangigem Recht steht und die begehrte Grabgestaltung am gewählten Ort nicht genehmigungsfähig ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die Kammer zunächst auf ihren Beschluss vom 17. Mai 2010 - 5 B 985/10 - und den Beschluss des Nds. OVG vom 9. Juni 2010 - 8 ME 125/10 - Nds. VBl. 2010, 300. Dort ist ausgeführt, dass die Beseitigungsverfügung ihre Rechtsgrundlage in § 30 Abs. 1 Satz 1 der Friedhofssatzung - FS - der Beklagten vom 29. Juni 2002 (Amtsblatt Bezirksregierung Weser-Ems Nr. 28 vom 14. Juli 2000, S. 617) in der Fassung vom 5. Dezember 2007 (Amtsblatt Landkreis A. Nr. 46 vom 14. Dezember 2007, S. 172) findet. Danach durfte die Beklagte die Beseitigung der Vollabdeckung durch zwei Steinplatten anordnen, weil diese im Widerspruch zu den Gestaltungsvorschriften der FS errichtet worden sind. Der Einbau von Grabplatten auf der Grabstätte war formell und materiell rechtswidrig. Die am 12. November 2009 erteilte Genehmigung der Beklagten berechtigte den Kläger nur zur Aufstellung eines Gedenkzeichens einschließlich Sockel und Einfassung; mehr ist seinerzeit auch nicht beantragt worden.

Das Verbot von vollständigen Grababdeckungen für Erdgrabstätten auf dem Friedhof T. in § 20 Abs. 7 Satz 1 FS steht auch einem Anspruch auf nachträgliche Genehmigung entgegen. Seine gesetzliche Grundlage findet das Verbot in der Satzungsautonomie der Beklagten als Friedhofsträgerin, die Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit der öffentlichen Einrichtung/Anstalt "Städtische Friedhöfe" regeln zu dürfen. Es ist zudem mit höherrangigem Recht vereinbar. Der damit verbundene Eingriff in das Recht des Klägers auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG, das den Wunsch naher Angehöriger eines Verstorbenen umfasst, des Toten nach eigenen Vorstellungen zu gedenken und hierzu auch Grabmale nach eigener Gestaltung zu errichten, ist gerechtfertigt. Denn die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Gestaltungsfreiheit der Friedhofsbenutzer findet ihre Grenze u.a. in der verfassungsmäßigen Ordnung. Hierzu gehören auch Regelungen in einer Friedhofssatzung betreffend die Gestaltung von Grabmalen, die der Verwirklichung allgemeiner Friedhofszwecke dienen. Zu den allgemeinen Friedhofszwecken zählen u.a. die geordnete und würdige Bestattung der Toten, ein ungestörtes Totengedenken sowie die Gewährleistung einer ungehinderten Leichenverwesung innerhalb der Ruhezeiten (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 9. Juni 2010 - 8 ME 125/10 - a.a.O. und Urteil vom 15. Juni 2010 - 8 LB 115/09 - m.w.N.). Im Übrigen ließe sich ein nicht schon allgemein gerechtfertigtes Verbot von Vollabdeckungen - als zusätzliche Anforderung an die Gestaltung der Grabmale - mit dem Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit derart vereinbaren, dass für verschiedene Friedhofsteile des selben Friedhofs unterschiedliche Gestaltungsregelungen getroffen werden oder entsprechende Flächen in zumutbarer Entfernung auf einem anderen Friedhof im selben Gebiet zur Verfügung stehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. November 2007 - 7 BN 5.07 -; Nds. OVG, Beschluss vom 26. April 2005 - 8 LA 296/04 - Nds. VBl. 2005, 221; Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 10. Auflage 2010, S. 203 f., Fußnote 25).

Hiervon ausgehend hat die Kammer die Überzeugung gewonnen, dass das Verbot vollständiger Grababdeckungen in § 20 Abs. 7 FS der Gewährleistung einer ungehinderten Leichenverwesung dient. Dies ergibt sich aus der gutachterlichen Stellungnahme des sachverständigen Zeugen Dr. A. vom 22. April 2010 (Blatt 109 ff. GA 5 B 965/10) und seinen ergänzenden Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung. Beides hat das Gericht nach den Regeln des Sachverständigenbeweises zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemacht. Die Ausführungen Dr. A. belegen hinreichend, dass die Verwendung von Grabplatten für eine Sarg-Erdgrabstätte in dem untersuchten Bereich des Friedhofs T. zu einer deutlichen Verlängerung der Verwesungsdauer führt. Unter Berücksichtigung der besonderen Bodenverhältnisse und der durch die Grabplatte verringerten Sauerstoffzufuhr verzögert sich der Verwesungsprozess. Eine verringerte Sauerstoffzufuhr erhöht zudem das Risiko der sogenannten Wachsleichenbildung. Die sachverständig prognostizierte Verwesungsdauer von 40,8 Jahren überschreitet die in der FS festgelegte Ruhefrist von 30 Jahren deutlich.

Die Einwendungen des Klägers erschüttern die plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters nicht, so dass es der hilfsweise beantragten Beauftragung eines anderen Sachverständigen nicht bedurfte (zum Maßstab vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Oktober 2010 - 6 B 26.10 - juris Rn. 5 und vom 29. Mai 2009 - 2 B 3.09 - juris). Hinsichtlich des Beweisantrags des Klägers übt das Gericht das ihm zustehende Ermessen (§ 98 VwGO i.V.m. §§ 404, 412 ZPO) dahingehend aus, dass ein Beweis in Gestalt eines (weiteren) Sachverständigengutachtens, etwa speziell zur Frage, ob die gewählte zweigeteilte und mit sechs Öffnungsmöglichkeiten (zur Grabbepflanzung) versehene Grababdeckung hinreichend eine Leichenverwesung innerhalb der maßgeblichen Ruhezeiten von 30 Jahren ermöglicht, nicht zu erheben ist. Die Kammer ist bereits aufgrund der in den vorausgegangenen Verfahren unterbreiteten gutachtlichen Stellungnahme sowie der eingehenden Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung, die in dieses Verfahren eingeführt worden sind, hinreichend sachkundig, die tatsächlichen Verhältnisse für die hier maßgeblichen Rechtsfragen zu beurteilen. Die Notwendigkeit der beantragten Beweiserhebung drängt sich nicht auf. Dies ist nach obergerichtlicher Rechtsprechung etwa dann anzunehmen, wenn bereits vorliegende Gutachten/fachliche Einschätzungen auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel enthalten, insbesondere von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen besteht, wenn ein anderer Sachverständiger über bessere Forschungsmittel verfügt oder wenn es sich um besonders schwierige Fachfragen handelt, die umstritten sind oder zu denen einander widersprechende Gutachten vorliegen. Dies ist hier nicht der Fall. Im Übrigen wäre die Beweiserhebung wegen der selbständig tragenden Hilfserwägungen auf Seite 10 des Urteils (Rechtfertigung des Verbots nach den Regeln für besondere Gestaltungsvorschriften) nicht erheblich.

Umstände, die darauf hindeuten, der Sachverständige sei nicht objektiv, liegen nicht vor. Die Tatsache, dass die Beklagte das Gutachten auf eigene Kosten eingeholt und den Gutachter ausgewählt hat, ist hierfür unzureichend. Es war und ist dem Kläger unbenommen, auf seine Kosten ein anderes geologisch-bodenkundliches Gutachten in das Verfahren einzuführen. Zweifel an der Sachkompetenz oder der Vorgehensweise des für das hier interessierende Fachgebiet öffentlich bestellten und vereidigten Gutachters Dr. A. bestehen nicht. Weder seinen allgemeinen Ausführungen zur grundsätzlichen Konfliktlage bei der Wiederbelegung von Grabstätten und nicht vollständig abgeschlossenen Verwesungsprozessen (Seite 4 Abs. 1 letzter Satz des Gutachtens) noch seinen speziellen Ableitungen ist eine sachwidrige oder gar willkürliche Tendenz zu entnehmen. Dem Gutachten und insbesondere dem Lageplan in Anlage 1 (Blatt 125 GA) ist zu entnehmen, dass die Erkenntnisse u.a. aus einer Graböffnung in 25 m Entfernung zur streitigen Grabstelle und einer Bodenuntersuchung im Abstand von 2 m links der streitigen Grabstelle abgeleitet sind. Die Einschätzungen des Sachverständigen sind daher auch für den Bereich der streitigen Grabstätte hinreichend repräsentativ. Nachvollziehbar wies er auf Nachfrage ferner darauf hin, dass belegte Gräber üblicherweise mit dem zuvor dort ausgehoben Boden verfüllt werden und sich Lockerungen des Abdeckmaterials nur unwesentlich auf die Verwesungsdauer auswirken. Zudem verweist der Sachverständige (auf Seite 12 seiner Stellungnahme wie mündlich) auch darauf, dass eigene Untersuchungen anderenorts und dokumentierte Graböffnungen selbst auf Sandstandorten deutliche Beeinträchtigungen des Leichenabbaus durch Grababdeckungen zeigen. Die deutliche Aussage der Sachverständigenstellungnahme vom 22. April 2010 lässt sich auch nicht durch den Einwand erschüttern, die streitigen Grabplatten wiesen mindestens sechs unterschiedlich große Öffnungsmöglichkeiten auf, so dass sich im Hinblick auf Bodenversiegelung, Gasaustausch, Bodenverdunstung, mikrobielle Aktivität, Wärmehaushalt und Bodenverdichtung keine derart negativ angenommenen Wirkungen/Beeinträchtigungen ergeben. Den gegenteiligen generellen Wirkungen von Grababdeckungen liegen nach Darstellung Dr. A. (a.a.O. S. 5, Blatt 114 GA) diverse Untersuchungen verschiedener Fachleute zugrunde. Der Kläger und sein Bevollmächtigter verkennen in diesem Zusammenhang, dass es für die hier interessierende fachliche Rechtfertigung des allgemeinen Verbots von Grababdeckungen auf dem Friedhof T. nicht auf die individuellen Verhältnisse der hier streitigen Grabstätte ankommt. Im Übrigen fällt die - unter den mündlich erläuterten günstigen Bedingungen - prognostizierte Verlängerung der Verwesungsdauer bei Grababdeckungen so hoch aus, dass die Annahme sehr fernliegt, weitere Untersuchungen und ggf. die Berücksichtigung von Öffnungsmöglichkeiten der Grabplatten könnten regelmäßig eine vollständige Leichenverwesung im Rahmen der Ruhefrist von 30 Jahren belegen. Dies gilt umso mehr, als die Fläche möglicher Öffnungen nach dem vorliegenden Bildmaterial der Grabplatten im Verhältnis zur Gesamtfläche gering ist.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einwendet, er sei durchaus bereit, gegen weitere Gebühren sein 30-jähriges Nutzungsrecht am Wahlgrab satzungsgemäß zu verlängern, hilft dies nicht weiter. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die unterschiedliche Bedeutung von Ruhezeit (§ 11 FS: hier 30 Jahre, nicht verlängerbar) und Nutzungszeit (§ 15 Abs. 2 lit. b FS: hier 30, 35 oder 40 Jahre). Die Ruhezeit ist der Zeitraum, innerhalb dessen ein Grab nicht erneut belegt werden darf. Diese Frist soll sowohl eine ausreichende Verwesung der Leichen gewährleisten, als auch eine angemessene Totenehrung ermöglichen (vgl. Gaedke, a.a.O., 166 Rn. 31). Die Nutzungszeit ist die Dauer, in der das erworbene Nutzungsrecht an der Grabstätte besteht und die unabhängig von einer tatsächlichen Beerdigung läuft. Sie ist länger bemessen, um einen frühzeitigen Erwerb zu Lebzeiten und die Wahrung der Ruhezeiten bei Doppelgrabstätten zu ermöglichen. Fragen der Verwesungsdauer und möglicher Verzögerungen knüpfen an die Ruhezeit von (hier) 30 Jahren an, wobei eine Verlängerung satzungsmäßig nicht vorgesehen ist. Im Übrigen würde die hier prognostizierte Verwesungsdauer bei einer Grab-Vollabdeckung von 40,8 Jahren auch die grundsätzlich vorgesehene längste Nutzungszeit übersteigen, und ein Anspruch auf Wiedererwerb besteht nicht (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 4 FS). Anhaltspunkte dafür, dass die Ruhezeit von hier 30 Jahren generell unvertretbar kurz bemessen ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 9. Juni 2010 - 8 ME 125/10 - a.a.O.; zu den Bemessungskriterien: Gaedke, a.a.O. S. 166 f.), bestehen nicht. Im Vergleich mit der in Niedersachsen geltenden Mindestruhezeit von 20 Jahren (§ 14 Satz 1 des Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen - BestattG - vom 8. Dezember 2005, Nds. GVBl. 2005, S. 381) und in einzelnen Bundesländern gesetzlich vorgegebenen Mindestruhezeiten (15 bis 20 Jahre) liegt die hier (für Leichen von Personen über fünf Jahre) gewählte Ruhezeit von 30 Jahren bereits auf einem hohen Niveau. Anhaltspunkte dafür, dass diese Frist in einer Vielzahl von Fällen unzureichend wäre, um eine ausreichende Verwesung der Leichen und eine angemessene Totenehrung zu ermöglichen, bestehen nicht. Im Gegenteil ermittelt der Sachverständige Dr. A. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 22. April 2010, S. 11 (Blatt 120 GA 5 B 965/10), eine Verwesungsdauer von 28,3 Jahren bei einem Erdgrab ohne Abdeckung. Die Beklagte ist im Rahmen ihrer Satzungsautonomie auch nicht gehalten, die Ruhezeiten allen denkbaren Arten der Bestattung (etwa Hartholz- oder Metallsärge, synthetische Grabgewänder) oder Grabgestaltungswünschen Einzelner anzupassen. Vielmehr darf sie typisieren, generalisieren und neben den Belangen ausreichende Verwesungszeit, angemessene Totenehrung auch die Interessen an einer geordneten Wiederbelegung der Grabstätten (Vermeidung von Platzmangel und finanziellen Schwierigkeiten) berücksichtigen.

Ob das Verbot nach § 20 Abs. 7 FS zugleich erforderlich ist, eine würdige Bestattung der Toten zu gewährleisten, was der Kläger unter Wiedergabe von Teilen des Urteils des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 1988 - 11 UE 218/84 - offenbar in Frage stellen will, kann hier dahinstehen. Denn es genügt, dass eine Grabmalgestaltungsvorschrift der Verwirklichung eines der genannten allgemeinen Friedhofszwecke dient.

Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen wäre das Abdeckungsverbot in § 20 Abs. 7 Satz 1 FS (selbst als besondere Gestaltungsvorschrift) auch deshalb wirksam, weil andere kommunale und auch konfessionelle Friedhöfe im Gebiet der Beklagte weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. In Übereinstimmung mit § 20 Abs. 7 Satz 2 FS sind u.a. auf den städtischen Friedhöfen in H. und in W. Grababdeckungen mit Platten oder anderen undurchlässigen Materialien bis zu einem Anteil von 75 % der Fläche zulässig. Nach den überzeugenden Angaben der Beklagte (Schriftsatz vom 13. April 2010, S. 6, Blatt 49 GA 5 B 965/10) finden sich zusätzlich diverse konfessionelle Friedhöfe in verschiedenen Ortsteilen E. mit entsprechenden Gestaltungsmöglichkeiten, die jedenfalls auf Ausnahmegenehmigung hin großflächige Abdeckungen ermöglichen. Bei einzelnen benannten konfessionellen Friedhöfen gibt es nach Angaben der Beklagte bereits vollständige Grababdeckungen, auf die sich der Kläger im Genehmigungsverfahren hätte berufen können. Dementsprechend räumt die Dienststelle E. des evangelisch-lutherischen Kirchenamtes L. im Schreiben vom 28. September 2010 (Bl. 53 f GA) auch ein, dass sie auf den Friedhöfen an der A. Straße .. in E. und im Vorort P. die Genehmigung einer Vollabdeckung - trotz grundsätzlich strengerer Gestaltungsvorstellungen und -empfehlungen - nicht wird versagen können, falls sich ein Nutzungsberechtigter darauf berufen würde. Einer weiteren Aufklärung des Gerichts bei anderen konfessionellen Friedhöfen bedurfte es nicht mehr. Insoweit hat der Kläger nicht überzeugend darlegen können, dass ihm ein Ausweichen mit seinen Gestaltungsvorstellungen auf einen anderen kommunalen oder ggf. konfessionellen Friedhof nicht möglich oder etwa unzumutbar ist. Sein Verweis darauf, dass nach dem letzten Willen seiner verstorbenen Ehefrau ein anderer als der gewählte Friedhof oder eine andere Gestaltung als die gewählte Vollabdeckung ohnehin nicht in Betracht gekommen wären, rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht. Sowohl das postmortale Persönlichkeitsrecht als auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Angehörigen gelten nicht uneingeschränkt, sondern werden durch verhältnismäßige Vorschriften der verfassungsmäßigen Ordnung und Rechte anderer begrenzt. Mithin war der Kläger nicht davon entbunden abzuwägen, wo und wie sich die Gestaltungswünsche seiner verstorbenen Ehefrau im Rahmen der verschiedenen Friedhofssatzungen annähernd am besten verwirklichen lassen.

Die Beseitigungsverfügung erweist sich auch als verhältnismäßig. Sie ist geeignet, erforderlich, aber insbesondere auch angemessen. Die betroffenen wirtschaftlichen und sonstigen Interessen des Klägers an Verwirklichung der Grababdeckung müssen hinter dem öffentlichen Interesse an Aufrechterhaltung der Friedhofsordnung und der dahinter stehenden berechtigten Belange zurückweichen, weil die gewählte Grabgestaltung nicht genehmigungsfähig ist und der Kläger sie ursprünglich außerhalb des vorgesehenen Genehmigungsverfahrens realisiert hat. Insoweit ist die Kammer überzeugt, dass dem Kläger die klare Verbotslage bekannt war oder ihm zumindest - aus dem Aushang der FS oder den Gesprächen mit der Friedhofsverwaltung, dem Bestattungsunternehmer oder Steinmetzbetrieben - hätte bekannt sein müssen. Sein Vertrauen auf den Erhalt der getätigten Investitionen war daher nicht schützenswert.

Die gleichzeitig angedrohte Ersatzvornahme findet ihre rechtliche Grundlage in §§ 30 Abs. 1 Satz 4, 20 Abs. 8 FS i. V. m. §§ 64 Abs. 4, 70 Nds. SOG. Rechtsfehler sind insoweit weder vom Kläger dargetan noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.