Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 09.02.2011, Az.: 11 A 3042/09
Reiseausweis für Ausländer; Wehrpflicht; Unzumutbarkeit im Heimatland
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 09.02.2011
- Aktenzeichen
- 11 A 3042/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 45213
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 5 AufenthV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur ausnahmsweisen Unzumutbarkeit der Ableistung des Wehrdienstes bei einem Türken, der sich seit 37 Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhält.
Tatbestand:
Der am 29. Juni 1966 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste am 5. September 1973 im Rahmen des Familiennachzugs zu seinen Eltern nach Deutschland ein. Zunächst war er nach damaligem Recht wegen seines Alters vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Im Jahre 1982 wurde ihm erstmals ein befristeter Aufenthaltstitel erteilt, der später verlängert wurde. Seit dem 13. Juli 1989 besaß er eine Aufenthaltsberechtigung, die seit dem 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis nach dem AufenthG fortgilt. Der Kläger ist mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet, die 1993 im Wege des Familiennachzugs nach Deutschland kam und ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis besitzt. Ihre 1997 und 1999 geborenen Kinder sind türkische Staatsangehörige und im Besitz von Aufenthaltserlaubnissen.
Am 13. April 2007 lief der türkische Reisepass des Klägers ab. Das Generalkonsulat der Türkischen Republik verweigerte die Verlängerung des Passes, da der Kläger seine Wehrdienstangelegenheiten in der Türkei nicht geregelt habe. Er müsse entweder seinen fünfzehnmonatigen Wehrdienst leisten oder aber eine Ablösesumme bezahlen und einen verkürzten Wehrdienst von 21 Tagen leisten.
Am 21. November 2007, 14. August 2008 und 10. Februar 2009 erließ die Beklagte gegen den Kläger Bußgeldbescheide, weil er sich fahrlässig ohne gültigen Pass in Deutschland aufhalte.
Am 2. April 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer. Er ist der Ansicht, dass ihm das Ableisten des Wehrdienstes in der Türkei im Hinblick auf sein Alter, die lange Aufenthaltsdauer in Deutschland und die familiäre Situation nicht zumutbar sei. Würde sich im Rahmen eines Einbürgerungsverfahrens die Frage stellen, ob die Ableistung des Wehrdienstes als Voraussetzung für die Entlassung aus der alten Staatsangehörigkeit unzumutbar sei, wäre dies in seinem Fall gem. Ziff. 12.1.3.2.2 der VAH-StAG zu bejahen. Dies müsse aber auch analog bei der Beantragung eines Reiseausweises gelten, denn es wäre schwer verständlich, würde der Begriff der Unzumutbarkeit der Passbeschaffung nach § 5 AufenthV anders ausgelegt als der Begriff der Unzumutbarkeit der Entlassung aus der Staatsangehörigkeit in § 12 StAG. Wegen seiner Berufstätigkeit falle er außerdem unter den Schutz des Art. 7 ARB 1/80. Im Übrigen würde er bei Ableistung des Wehrdienstes in der Türkei nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG seine Niederlassungserlaubnis verlieren.
Der Kläger hat am 20. November 2009 Klage erhoben.
Mit Bescheid vom 8. Oktober 2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer ab. Zur Begründung führte sie aus, dass nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV die Erfüllung der Wehrpflicht im Heimatland grundsätzlich keine unzumutbare Bedingung für die Beschaffung eines Nationalpasses sei. Unter die in Ziff. 3.3.1.2 der AVV-AufenthG geregelten Ausnahmen falle der Kläger nicht. Andere Gründe, die die Erfüllung der Wehrpflicht ausnahmsweise unzumutbar machten, gebe es ebenfalls nicht. Der Kläger habe wissen müssen, dass er spätestens nach dem 38. Lebensjahr Probleme bei der Verlängerung des Passes bekomme, wenn seine Wehrdienstangelegenheit ungeklärt sei. Dennoch habe er weder seinen Wehrdienst geleistet noch sich darum bemüht, dem durch Einbürgerung in den deutschen Staatsverband zu entgehen. Er könne auch jetzt noch durch Zahlung von 7.668 EUR eine Verkürzung des Wehrdienstes auf 21 Tage erreichen, so dass die Trennung von der Familie auf die Dauer einer üblichen Urlaubsreise reduziert würde. Die Niederlassungserlaubnis würde gem. § 51 Abs. 3 AufenthG selbst bei vollständiger Erfüllung der Wehrpflicht nicht erlöschen. Das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht des Klägers spiele im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Ebenso spiele es keine Rolle, dass dem Kläger die Erfüllung der Wehrpflicht nach den VAH-StAG unzumutbar wäre. Denn es gehe hier nicht um eine Einbürgerung, sondern um die Ausstellung eines Reiseausweises, so dass allein die AVV-AufenthG einschlägig sei. Eine Ermessensentscheidung komme nicht in Frage, weil bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 AufenthV nicht vorlägen.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Die VAH zum StAG, nach denen ihm die Ableistung des Wehrdienstes nicht zuzumuten sei, müssten auf seinen Fall analog angewandt werden. Denn die Regelung in der AVV-AufenthG bleibe insofern hinter dem Schutzbereich von Art. 6 GG zurück, als sie nur Beziehungen zu deutschen Angehörigen berücksichtige, nicht aber familiäre Beziehungen zu Ausländern mit gesichertem Aufenthaltsstatus. Die Zahlung einer Ablösesumme von 7.668 EUR sei angesichts seiner Einkommensverhältnisse unzumutbar.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seinen Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den angefochtenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage, über die die Kammer mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 8. Oktober 2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte war daher antragsgemäß zur Neubescheidung zu verpflichten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Der Kläger erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer. Gemäß § 5 Abs. 1 AufenthV kann einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden.
Der Kläger ist als türkischer Staatsangehöriger ein Ausländer (vgl. auch § 2 Abs. 1 AufenthG). Er besitzt auch nachweislich keinen gültigen Pass oder Passersatz.
Der Kläger kann einen gültigen Pass oder Passersatz auch nicht auf zumutbare Weise erlangen. Aus der Bescheinigung des türkischen Generalkonsulats vom 17. Juli 2009 (Bl. 198 des Verwaltungsvorgangs der Beklagten) ergibt sich, dass sein Pass nur verlängert würde, wenn er entweder den fünfzehnmonatigen Wehrdienst in der Türkei ableistete oder eine Ablösungssumme bezahlte und einen verkürzten 21-tägigen Wehrdienst leistete. Die Ablösesumme betrüge beim derzeitigen Lebensalter der Klägers 7.668,--- EUR (vgl. InfAuslR 2008, Heft 10 unter "Aktuelles", vom Kläger in Kopie der Beklagten vorgelegt, Bl. 204 des Verwaltungsvorgangs).
Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV ist die Erfüllung der Wehrpflicht grundsätzlich zumutbar, sofern sie nicht ausnahmsweise aus zwingenden Gründen unzumutbar ist. Welche Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen sind, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Je gewichtiger die vom Ausländer vorgebrachten Umstände sind, desto geringer sind die Anforderungen an das Vorliegen einer daraus resultierenden Unzumutbarkeit (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17. Februar 2005 - 11 PA 345/04 -, juris Rn. 14).
Bei der Prüfung der Unzumutbarkeit steht der Beklagten weder ein Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum zu. Es handelt sich vielmehr um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff (VGH München, Beschluss vom 18. März 2008 - 19 ZB 07.483 -, juris Rn. 5). Ermessen besteht erst auf der Rechtsfolgenseite, wenn das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit erfüllt ist.
Für das Gericht grundsätzlich ohne Bedeutung ist daher, ob der Kläger unter eine der in Ziff. 3.3.1.2 AVV-AufenthG genannten Fallgruppen fällt. Verwaltungsvorschriften sind keine Rechtsnormen, die die Gerichte bei der Auslegung gesetzlicher Tatbestandsmerkmale binden. Das Gericht hat die Auffassung der Verwaltung über die Auslegung von § 5 AufenthV, die in Ziff. 3.3.1.2 AVV-AufenthG zum Ausdruck kommt, nicht nachzuvollziehen, sondern im Gegenteil auf ihre Richtigkeit zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1988 - 1 BvR 520/83 -, BVerfGE 78, 214 <227>). Nur wenn und soweit es die in einer bestimmten Verwaltungsvorschrift vertretene Normauslegung aus eigener Überzeugung für richtig hält, darf es sich ihr anschließen (vgl. BVerfG, aaO.). In keinem Fall dürfen Verwaltungsvorschriften dazu führen, dass den Umständen des Einzelfalls nicht mehr ausreichend Rechnung getragen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 1996 - 1 C 34/93 -, NWvZ-RR 1997, 317 <318>). Deshalb sind die in der Verwaltungsvorschrift aufgeführten Fallgruppen nicht als abschließende Aufzählung zu betrachten.
Im besonderen Einzelfall des Klägers erscheint bei einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Faktoren die Ableistung des Wehrdienstes in der Türkei als ausnahmsweise unzumutbar.
Gesichtspunkte, die zur Unzumutbarkeit der Wehrpflichterfüllung führen können, sind auch nach Auffassung der Kammer insbesondere das Alter des Ausländers, die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, seine familiären Beziehungen und seine sonstige soziale Verwurzelung in Deutschland. Da nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV die Unzumutbarkeit des Wehrdienstes die Ausnahme und dessen Zumutbarkeit die Regel ist, müssen die oben genannten Gesichtspunkte aber von erheblichem Gewicht sein, um die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer rechtfertigen zu können.
Der Kläger wird in diesem Jahr sein fünfundvierzigstes Lebensjahr vollenden. Damit ist er alsbald in einem Alter, in dem Deutschen nach § 3 Abs. 3 WPflG kein Wehrdienst mehr zugemutet wird. Diese Wertung des deutschen Gesetzgebers muss bei der Auslegung des Begriffs der "Unzumutbarkeit" nach § 5 AufenthV berücksichtigt werden (vgl. OLG München, Urteil vom 16. November 2010, - 4 St RR 157/10 -, InfAuslR 2011, 87), auch wenn sie für sich allein noch nicht zwingend zur Bejahung dieses Merkmals führt. Beim Kläger kommen aber weitere sehr gewichtige Umstände hinzu, die gegen eine Zumutbarkeit des Wehrdienstes sprechen: Er ist im Alter von 7 Jahren nach Deutschland eingereist und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt seither - also seit mehr als 37 Jahren - ununterbrochen im Bundesgebiet. Er hat circa fünf Sechstel seines bisherigen Lebens in Deutschland verbracht, darunter die besonders prägenden Schul- und Jugendjahre sowie seine gesamte Zeit als Erwachsener und sein gesamtes Berufsleben. Er ist in Deutschland seit vielen Jahren berufstätig. Auch aktuell verfügt er über einen Arbeitsplatz. Sein Aufenthalt war durchweg rechtmäßig. Seit mehr als einundzwanzig Jahren besitzt er sogar einen unbefristeten Aufenthaltstitel; daher ist damit zu rechnen, dass er auch den Rest seines Lebens in Deutschland verbringen wird. Hinzu kommen seine familiären Bindungen in Deutschland. Zwar sind seine Ehefrau und seine Kinder türkische Staatsangehörige, aber auch sie halten sich seit vielen Jahren rechtmäßig in Deutschland auf und ihr Aufenthalt erscheint für die Zukunft dauerhaft rechtlich gesichert. Die Ehefrau hat die Türkei vor mehr als siebzehn Jahren verlassen und besitzt eine Niederlassungserlaubnis. Die dreizehn und elf Jahre alten Kinder sind in Deutschland geboren, aufgewachsen und besuchen hier die Schule. Jedenfalls den Kindern dürfte es angesichts der zu befürchtenden Konsequenzen für ihre schulische Entwicklung nicht zuzumuten sein, ihrem Vater für die Dauer eines fünfzehnmonatigen Wehrdienstes in die Türkei zu folgen. Insofern befinden sie sich in einer ähnlichen Situation wie deutsche Kinder, denen das Verlassen des Bundesgebietes ebenfalls nicht zugemutet werden könnte. Die Ableistung des vollen Wehrdienstes würde für den Kläger also eine mehr als einjährige Trennung von seiner Familie, seinem Arbeitsplatz und dem Land, in dem er sich nahezu sein ganzes Leben rechtmäßig aufgehalten hat und wohl auch den Rest seines Lebens aufhalten wird, bedeuten. Unter Berücksichtigung seines Alters erscheint dies unzumutbar.
Und schließlich ist es dem Kläger angesichts dieser Umstände und seiner wirtschaftlichen Verhältnisse jedenfalls derzeit nicht zuzumuten, den Wehrdienst durch Zahlung einer Ablösesumme von 7.668 EUR auf "erträgliche" 21 Tage zu verkürzen. Im Rahmen der Frage, wann ein Ausländer unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit einzubürgern ist, sieht die Exekutive die Grenze der Zumutbarkeit als überschritten an, wenn der Ablösebetrag drei Bruttomonatsgehälter bzw. 5.112,92 EUR übersteigt; Ausländern der zweiten Generation sei ein Freikauf vom Wehrdienst grundsätzlich nicht mehr zuzumuten (vgl. VAH-StAG, Ziff. 12.1.2.3.2.2). Diese Auffassung erscheint der Kammer jedenfalls als grobe Richtlinie auch im Rahmen des § 5 AufenthV nachvollziehbar. Der Kläger dürfte aufgrund des Umstandes, dass er im Alter von nur sieben Jahren zu seinen Eltern ins Bundesgebiet nachzog, ein Ausländer der zweiten Generation sein. Darüber hinaus übersteigt der Ablösebetrag aber auch sein derzeitiges Bruttogehalt von 2.347,66 EUR um mehr als das Dreifache. Angesichts der im PKH-Verfahren offen gelegten wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie, dürfte es dem Kläger kaum möglich sein, kurzfristig ohne Vernachlässigung seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau und den Kindern einen Betrag von 7.668 EUR aufzubringen. Sein derzeitiges Einkommen deckt das Existenzminimum gerade eben ab; die Familie muss daneben sogar ergänzend monatlich 33,--- EUR Wohngeld beziehen.
Zu keinem anderen Ergebnis führt es, dass der Kläger die jetzige Situation vorhersehen und womöglich sogar hätte vermeiden können, wenn er sich frühzeitig um die Regelung seiner Wehrdienstangelegenheit gekümmert bzw. langfristig Geld für eine Ablösung angespart hätte. § 5 Abs. 1 AufenthV stellt nicht auf einen eventuellen Verstoß gegen Sorgfaltspflichten in der Vergangenheit ab, sondern nur auf die aktuelle Unzumutbarkeit der Passerlangung.
Ausschlussgründe nach § 5 Abs. 3 bis 5 AufenthV liegen nicht vor. Der Kläger erfüllt als Inhaber einer Niederlassungserlaubnis die Voraussetzungen des § 6 S. 1 Nr. 1 AufenthV.
Da somit alle gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, hätte die Beklagte gem. § 5 Abs. 1 AufenthV nach Ermessen über die Ausstellung des begehrten Reiseausweises für Ausländer entscheiden müssen. Eine solche Ermessensentscheidung hat sie jedoch im angefochtenen Bescheid ausdrücklich nicht getroffen, weil nach ihrer - unzutreffenden - Auffassung schon die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt waren. Zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten weist die Kammer darauf hin, dass neben der Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer auch die Ausstellung eines Ausweisersatzes nach § 48 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 55 AufenthV in Betracht käme. Damit würde der Kläger ebenfalls seiner Passpflicht genügen und wäre vor straf- und bußgeldrechtlichen Sanktionen geschützt (vgl. §§ 3 Abs. 1 Satz 2, 48 Abs. 2 AufenthG; Grünewald, GK-AufenthG, § 48 Rn. 30). Die Beklagte könnte die Wahl des Dokuments insbesondere auch davon abhängig machen, ob der Kläger nachvollziehbar darlegt, wie er Zukunft (etwa durch Ansprarung oder durch Aufnahme eines Darlehens) die Ablösesumme für die türkischen Behörden zu beschaffen beabsichtigt. Gleichzeitig wären damit - anders als bei der Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer - Interessen des Heimatstaates Türkei nicht berührt (vgl. Grünewald, GK-AufenthG, § 48 Rn. 40). Ferner weist die Kammer darauf hin, dass der Kläger durch Stellung eines Einbürgerungsantrags das Problem möglicherweise dauerhaft lösen könnte (vgl. Ziff. 3.3.1.2. AVV-AufenthG 1. Spiegelstrich).