Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 16.02.2011, Az.: 11 A 1119/10

Erhebung von Kosten für einen Feuerwehreinsatz zur Bergung einer vermeintlichen Leiche; Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung einer Notstandslage

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
16.02.2011
Aktenzeichen
11 A 1119/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 11593
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2011:0216.11A1119.10.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ob ein Feuerwehreinsatz unter § 1 Abs. 1 NBrandSchG fällt bzw. ob er nach § 26 Abs. 1 NBrandSchG unentgeltlich ist, beurteilt sich aus der ex-ante-Perspektive

  2. 2.

    Die Bergung einer Leiche auf Anorderung durch die Polizei gehört nicht zu den Pflichtaufgaben der Feuerwehr nach § 1 Abs.1 NBrandSchG

  3. 3.

    Da die Bergung einer Leiche weder auf Veranlassung noch aufgrund des mutmaßlichen Willens des Verstorbenen erfolgt, ist sie auch keine für den (vermeintlich) Verstorbenen gebührenpflichtige freiwillige Leistung der Feuerwehr .

Tatbestand

1

Die Beteiligen streiten um die Erhebung von Kosten für einen Einsatz der Feuerwehr der Beklagten vom 13. Januar 2010.

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Am 13. Januar 2010 alarmierte ein besorgter Nachbar des Klägers die Polizei, weil er den Kläger seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Als die Polizeibeamten vor Ort feststellten, dass aus dem Haus des Klägers das Geräusch von fließendem Wasser zu hören war und die Fensterscheiben von Innen vereist waren, riefen sie die Feuerwehr der Beklagten zur Türöffnung zur Hilfe. Beim Öffnen der Tür drang ein großer Schwall Wasser nach außen. Das Erdgeschoss und das Obergeschoss des Hauses standen circa 3 cm hoch unter Wasser, der Keller sogar circa 1,60 m hoch. Grund war ein Frostbruch der Eckventile der Wasserleitungen im Badezimmer des Obergeschosses. Da die Polizeibeamten den Verdacht äußerten, der Kläger könnte sich im Keller das Leben genommen haben, pumpte die Feuerwehr das Wasser aus dem Keller bis zu einer Höhe von circa 5 cm ab. Die Leiche des Klägers wurde jedoch nicht aufgefunden; der Kläger weilte in Wahrheit für einen längeren Urlaub im Ausland. Die Feuerwehr nahm ferner das Wasser im Erdgeschoss und im Obergeschoss mit einem Flächensauger auf; die Stadtwerke sperrten die Wasserzufuhr. Das Ordnungsamt der Beklagten erklärte auf telefonische Nachfrage der Feuerwehrleute, dass keine weiteren Maßnahmen zur Sicherung des Hauses vor Schäden unternommen werden sollten. Die Feuerwehr setzte daher lediglich noch einen neuen Schließzylinder ein und verließ dann zusammen mit den anderen Einsatzkräften das Haus.

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Mit Bescheid vom 26. Januar 2010 setzte die Beklagte wegen des Feuerwehreinsatzes gegen den Kläger Kosten in Höhe von 1.370,60 EUR fest. Auf die hiergegen vom Kläger am 1. März 2010 erhobene Klage hob sie den Bescheid am 23. März 2010 auf; das Gerichtsverfahren wurde nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt (VG Oldenburg, Beschluss vom 29. März 2010 - 11 A 689/10 -).

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Am 30. März 2010 erließ die Beklagte gegen den Kläger einen neuen Bescheid, in dem sie Kosten in Höhe von 1.397,40 EUR festsetzte. Zur Begründung führte sie aus, dass die Feuerwehr zur Türöffnung und zum Abpumpen des Wassers verpflichtet gewesen sei, da der Kläger nicht erreichbar war und die Polizei vermutete, dass er sich noch im Haus befindet und ihm etwas zugestoßen ist. Dies sei eine entgeltliche Pflichtleistung im Sinne von § 2 der Feuerwehrkosten und -gebührensatzung (FKGS) der Beklagten, für die der Kläger als Hauseigentümer nach § 4 FKGS die Kosten zu tragen habe.

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Der Kläger hat am 27. April 2010 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, die Beklagte habe im vorherigen Gerichtsverfahren auf die Geltendmachung des Betrags verzichtet. Die Rechtskraft dieses Verfahrens stehe einer erneuten Kostenerhebung entgegen. Außerdem sei die von der Feuerwehr erbrachte Leistung gemäß § 26 Abs. 1 NBrandSchG unentgeltlich, da der Wassereinbruch durch ein Naturereignis - extremen Frost - verursacht wurde und die Einsatzkräfte überdies glaubten, sie handelten zur Rettung eines Menschen - nämlich des Klägers - aus akuter Lebensgefahr. Die Feuerwehr habe das Wasser im Keller nur bis zur Höhe von 5 cm abgepumpt. Nach seiner Rückkehr aus Mallorca am 11. Februar 2010 habe er im Keller aber einen Wasserstand von 40 cm vorgefunden. Die Wände hätten in dieser Zeit noch weiteres Wasser aufgesaugt, wodurch ihm ein zusätzlicher Schaden in Höhe von 4.000 EUR entstanden sie. Diesen mache er hiermit gegen die Beklagte geltend. Ferner seien die festgesetzten Kosten unangemessen hoch. Es sei nicht erforderlich gewesen, sechs Feuerwehrleute mit zwei Fahrzeugen einzusetzen.

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Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 30. März 2010 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie ist der Auffassung, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 Satz 1 NBrandSchG i.V.m. § 2 Satz 1 lit. a FKGS für eine Kostenerhebung erfüllt sind. Die Feuerwehr sei tätig geworden, ohne dass akute Lebensgefahr für einen Menschen bestanden hat. Es habe ein Unglücksfall und damit eine Pflichtleistung der Feuerwehr nach § 1 Abs. 1 NBrandSchG vorgelegen. Als Gebäudeeigentümer sei der Kläger gem. § 26 Abs. 4 Nr. 2 NBrandSchG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 lit. b FKGS erstattungspflichtig. Sie - die Beklagte - habe im Zusammenhang mit der Aufhebung des Kostenbescheides vom 26. Januar 2010 weder ausdrücklich noch stillschweigend auf eine Neufestsetzung verzichtet. Die Berechnung der Kosten entspreche der Anlage zur FKGS. Es seien ein Löschfahrzeug mit vier Feuerwehrleuten für 3,5 Stunden und ein Kleinalarmfahrzeug mit zwei Feuerwehrleuten für 2,5 Stunden im Einsatz gewesen. Das zweite Fahrzeug sei erforderlich gewesen, um das Wasser mit einer zusätzlichen Pumpe zeitgerecht abpumpen zu können. Die Erhöhung des Wasserstandes im Keller bis zur Rückkehr des Klägers müsse daher rühren, dass noch Restwasser aus den oberen Etagen nachgetropft ist.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Anfechtungsklage ist insoweit begründet, als die festgesetzten Kosten 700 EUR übersteigen. Insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dagegen war die Beklagte berechtigt, Kosten bis zu einer Höhe von 700 EUR zu verlangen, so dass die Klage insoweit abzuweisen war.

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Eine Kostenerhebung aufgrund von § 26 Abs. 2 Satz 1 NBrandschG i.V.m. § 2 Satz 1 lit. a FKGS setzt voraus, dass es sich bei dem abgerechneten Einsatz um eine Leistung handelt, die unter die in § 1 Abs. 1 NBrandSchG gesetzlich festgelegten Aufgaben der Feuerwehr fällt ohne gleichzeitig ein nach § 26 Abs. 1 Satz 1 NBrandSchG unentgeltlicher Pflichteinsatz zu sein (vgl. Spörlein, NBrandSchG, § 26 Ziff. 2.2). Bei der Frage, ob ein Fall des § 1 Abs. 1 NBrandSchG vorliegt ist - wie im Gefahrenabwehrrecht allgemein - auf die ex-ante- Sicht, also den (objektiv zu bewertenden) Kenntnisstand der Einsatzkräfte vor Ort im Zeitpunkt ihres Handelns, abzustellen (vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 16. November 2008 - 4 K 1044/05 - [...] Rn. 17; VG Stade, Urteil vom 25. Juni 2004 - 1 A 2424/03 - [...] Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juli 1999 - 13 K 3600/98 -, NVwZ-RR 2000, 288 <289>). Im vorliegenden Fall umfasste der Einsatz der Feuerwehr drei Teilleistungen, die jeweils getrennt betrachtet werden müssen: (1) Das Öffnen der Tür, (2) das Abpumpen des Wassers aus dem Keller sowie (3) das Aufnehmen des Wassers aus dem Erd- und Obergeschoss mittels eines Flächensaugers.

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Von den in § 1 Abs. 1 NBrandSchG festgelegten Aufgaben kommen hier nur die Hilfeleistung bei einem Notstand oder bei einem Unglücksfall in Betracht.

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Ein Notstand war (auch) aus ex-ante-Sicht in keiner Phase des Einsatzgeschehens anzunehmen. Notstand ist eine Situation, bei der Leben, Gesundheit oder die lebenswichtige Versorgung der Bevölkerung oder erhebliche Sachwerte gefährdet oder beeinträchtigt sind. Um ein Notstand zu sein, muss das Gefahren- oder Schadensereignis die Allgemeinheit, d.h. eine unbestimmte und nicht bestimmbare Zahl von Personen betreffen. Das Vollaufen von Kellern durch das Hochwasser von Flüssen oder andere Naturereignisse ist ein Notstand, nicht aber das Vollaufen eines einzelnen Kellers wegen eines Rohrbruchs (vgl. Spörlein, NBrandSchG, § 1 Ziff. 1.2.2; § 26 Ziff. 1.1.). Es bestand hier zu keinem Zeitpunkt begründeter Anlass zu der Annahme, dass nicht nur Rechtsgüter des Klägers, sondern auch solche einer unbestimmbaren Vielzahl von Personen bedroht sind.

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Es lag aber teilweise ein Unglücksfall vor. Unglückfall ist jedes Ereignis, das mit einer gewissen Plötzlichkeit eintritt und eine erhebliche Gefahr für Menschen oder Sachen mit sich bringt oder zu bringen droht (Spörlein, NBrandSchG, § 1 Ziff. 1.2.2.). Ein Unglücksfall ist also dadurch gekennzeichnet, dass zum Zeitpunkt des Einsatzes (aus der maßgeblichen ex-ante Sicht) noch aktuelle Gefahren bestehen.

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Ein solcher Unglücksfall lag beim Öffnen der Tür aus damaliger Sicht der Einsatzkräfte vor. Ein laut Einsatzbericht "besorgter" Nachbar hatte den Kläger bei der Polizei als seit geraumer Zeit vermisst gemeldet. Die Polizeibeamten hatten aus dem Haus Geräusche von fließendem Wasser und von Innen vereiste Scheiben wahrgenommen. Sie mussten daher bei objektivierter ex-ante-Betrachtung fürchten, dass der Kläger sich hilflos (z.B. verletzt oder krank) im Innern des Hauses befindet und dringend Hilfe benötigt, damit weiterer Schaden von ihm abgewendet wird. Damit liegt aber aus der maßgebliche ex-ante-Sicht zugleich ein Fall einer nach § 26 Abs. 1 Satz 1 NBrandSchG unentgeltlichen Hilfeleistung zur Rettung von Menschen aus akuter Lebensgefahr vor. Aufgrund der im Zeitpunkt des Öffnens der Tür gegebenen Kenntnislage musste man ernsthaft befürchten, dass der Kläger noch lebt, sich aber im Innern des Hauses in einer akut lebensbedrohlichen Situation befindet. Die Tür wurde geöffnet, um dieser Befürchtung nachzugehen und gegebenenfalls helfen zu können.

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Das Abpumpen des Wassers aus dem Keller erfolgte dagegen von vornherein nicht zur Hilfeleistung in einem Unglücksfall. Als man nach Öffnung der Tür feststellte, dass der Kläger sich weder im Ober- noch im Erdgeschoss befindet und der Keller ca. 1,60 m hoch unter Wasser steht, musste den Einsatzkräften klar sein, dass der Kläger entweder tot im Keller oder überhaupt nicht im Haus ist, d.h. also jedenfalls aktuell nicht (mehr) akute Lebensgefahr besteht. Der Kläger war von seinem Nachbarn "seit geraumer Zeit" nicht mehr gesehen worden. Dass er sich diese gesamte Zeit über bei strengem Frost im mannshoch überfluteten Keller aufhält und noch am Leben ist, war praktisch ausgeschlossen. Davon gingen offenbar auch die Einsatzkräfte aus. Im Einsatzbericht der Feuerwehr heißt es: " Da die Polizei den Verdacht äußerte, die vermisste Person könne sich im Keller das Leben genommen haben, wurde eine Tauchpumpe zur Evakuierung des Wassers aus dem Keller eingesetzt." Es ging in diesem Stadium des Einsatzes also nicht mehr darum, den Kläger lebend zu finden und zu retten, sondern nur noch darum, eine mögliche Leiche aus dem Keller zu bergen. Die Bergung von Leichen ist aber keine Aufgabe der Feuerwehr nach § 1 Abs. 1 NBrandSchG. Es liegt hier kein Unglücksfall vor, weil der Betroffene schon tot ist und ihm daher kein weiterer Schaden mehr droht. Es handelt sich vielmehr um eine allgemeine polizei- bzw. ordnungsrechtliche Aufgabe. Die Feuerwehr ist hier daher in Amtshilfe für die Polizei tätig geworden. Dem entspricht auch, dass sie laut Einsatzbericht den Keller gerade auf Bitten der Polizei leergepumpt hat (vgl. zur Bedeutung dieses Umstandes Nds. OVG, Beschluss vom 30. Oktober 2006 - 11 LA 194/06 -, S. 4 des Beschlussabdrucks). Zwar drohte nach wie vor eine Gefahr für Sachen, nämlich das Haus des Klägers und die im Keller abgestellten Gegenstände. Hier konnten noch weitere Schäden eintreten, wenn noch mehr Wasser in den Keller eindringt bzw. das Wasser dort länger stehen bleibt. Unter diesem Aspekt kann man einen Unglücksfall hier durchaus bejahen. Zur Abwehr solcher Sachgefahren ist die Feuerwehr aber ausweislich des Einsatzberichts nicht tätig geworden. Der Einsatzbericht erwähnt allein die Vermutung der Polizei, die Leiche des Klägers könne sich im Keller befinden, als Grund für das Abpumpen des Wassers aus dem Keller. Dafür, dass es nicht um die Abwehr von Gefahren für Sachwerte, sondern ausschließlich um die Bergung des Klägers ging, spricht auch das Vorgehen der Feuerwehr: Das Wasser wurde aus dem Keller nicht vollständig entfernt, sondern nur soweit abgepumpt, bis der Wasserstand ein gefahrloses Betreten des Kellers und damit die Suche nach der Leiche ermöglichte. Als feststand, dass der Kläger dort nicht war, wurde das Haus von den Feuerwehrmännern auf ausdrückliche Anweisung der Beklagten ohne weitere Sicherungsmaßnahmen verlassen, obwohl wegen der immer noch tropfenden Decken und Wände weiterhin Gefahren für das Gebäude und die dort abgestellten Sachen bestanden (vgl. Einsatzbericht, S. 3). Das Nachtropfen von Wasser aus den Decken und Wänden führte nach dem unbestrittenen und nachvollziehbaren Vortrag des Klägers dazu, dass das Wasser bei der Rückkkehr des Klägers bereits wieder 40 cm hoch im Keller stand. In Anbetracht aller Umstände stellt sich das Abpumpen das Wassers aus dem Keller daher nicht als Hilfeleistung im Sinne des § 1 Abs. 1 NBrandSchG zur Rettung von Sachwerten dar, sondern einzig und allein als Amtshilfe für die Polizei beim Bergen einer (vermeintlichen) Leiche.

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Dagegen war das Aufnehmen des Wassers im Ober- und Erdgeschoss mit einem Flächensauger eine Hilfeleistung in einem Unglücksfall nach § 1 Abs. 1 NBrandSchG. Diese Maßnahme muss bei objektiver ex-ante Betrachtung zur Verhütung von weiteren, akut drohenden Sachschäden in diesen Räumen erfolgt sein. Da das Wasser hier nur ca. drei cm hoch stand, ist weder nach allgemeiner Lebenserfahrung anzunehmen noch dem Einsatzbericht zu entnehmen, dass es die Suche nach dem Kläger in diesen Räumen ernsthaft behindert hat. Ein nur drei cm hoch unter Wasser stehender Raum kann von Einsatzkräften in Stiefeln unproblematisch betreten werden; ein lebender oder toter Mensch kann hier trotz der Überschwemmung des Fußbodens ohne weiteres gefunden werden. Diese Maßnahme diente daher auch nicht der Rettung von Menschen aus Lebensgefahr im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 NBrandSchG. Selbst unter dem Aspekt eines "Notstandes durch Naturereignis" ist sie nicht unentgeltlich im Sinne dieser Vorschrift. Zwar mag der extreme Frost, der die Ventile im Badezimmer des Obergeschosses aufgesprengt hat, ein Naturereignis sein. Es resultierte daraus aber, wie oben dargelegt, mangels Gefahr für die Allgemeinheit kein Notstand, sondern nur ein Rechtsgüter des Klägers betreffender Unglücksfall. Damit ist das Aufnehmen von Wasser aus dem Erd- und Obergeschoss kostenpflichtig gem. § 26 Abs. 2 Satz 1 NBrandschG i.V.m. § 2 Satz 1 lit. a FKGS.

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Soweit der Bescheid das Abpumpen des Wassers aus dem Keller betrifft, kann er auch nicht in einen Gebührenbescheid nach § 26 Abs. 2 Satz 1 NBrandSchG i.V.m. § 3 FKGS wegen einer freiwilligen Leistung der Feuerwehr umgedeutet werden. Zwar wird das Auspumpen von überfluteten Räumen in § 3 Satz 3 lit. h FGKS als gebührenpflichtige freiwillige Leistung erwähnt. Die Erhebung von Benutzungsgebühren für freiwillige Leistungen setzt aber grundsätzlich die willentliche Inanspruchnahme der Feuerwehr voraus. Auf die Willentlichkeit der Inanspruchnahme kann nur dann verzichtet werden, wenn die Feuerwehr im Rahmen von § 1 Abs. 1 NBrandschG tätig wird ( vgl. VG Oldenburg, Gerichtsbescheid vom 15. Februar 1988 - 4 A 413/86 -, NVwZ-RR 1989, 429 <430> ; VGH München, Beschluss vom 8. April 1991 - 4 CS 90.3790 -, NVwZ-RR 1992, 103 f.; VG Göttingen, 1 A 1057/95, Nds. VBl. 1997, 139 ff.; OVG Münster, NVwZ 1985, 673; Spörlein, NbrandSchG, § 1 Ziff. 1.2.3), was hier - wie oben dargelegt - beim Leerpumpen des Kellers gerade nicht der Fall war. Auch nach der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts können Gebühren für freiwillige Leistungen der Feuerwehr nur erhoben werden, wenn diese Leistungen auf Veranlassung des in Anspruch Genommenen erbracht wurden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 12. Januar 05 - 11 ME 280/04 -, S. 3 des Beschlussabdrucks). Der Kläger hat die Feuerwehr hier weder alarmiert noch sonst wie das Auspumpen des Kellers veranlasst. Selbst wenn man - analog zu einer entsprechenden Auffassung im Rettungsdienstrecht (vgl. OVG Schleswig, LKV 1999, 513 [OVG Schleswig-Holstein 04.11.1998 - 2 L 41/98]; VG Bremen, Urt. v. 26.2.2002 - 2 K 820/01 - [...]) - in Fällen, in denen der Betroffene sich nicht äußern kann, für eine willentliche Inanspruchnahme ausreichen ließe, dass die Leistung der Feuerwehr nach vernünftiger Einschätzung bei einer ex-ante-Betrachtung im Interesse des Betroffenen geboten war und keine Anhaltspunkte bestanden, dass er sie nicht wünscht, führt dies hier zu keinem anderen Ergebnis. Die vorgenannte Rechtsprechung stellt maßgeblich auf den mutmaßlichen Willen des Gebührenschuldners aus ex-ante-Sicht der Einsatzkräfte ab. Der Kläger war nach den Befürchtungen der Einsatzkräfte im Zeitpunkt des Auspumpens des Kellers aber tot. Als Toter konnte er aber keinen mutmaßlichen Willen und kein eigenes Interesse (vgl. § 26 Abs. 4 Nr. 3 NBrandSchG) mehr an der Maßnahme haben. Das Auspumpen des Kellers erfolgte weder aufgrund des tatsächlichen noch aufgrund eines von den Einsatzkräften angenommenen mutmaßlichen Willens des Klägers, sondern allein aufgrund der Bitte der Polizei, die Feuerwehr möge ihr bei der vermeintlichen Leichenbergung helfen.

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Daher können Kosten hier nur für das Aufnehmen des Wassers aus dem Erd- und Obergeschoss erhoben werden. Insofern ergibt sich die Kostenschuldnerschaft des Klägers unproblematisch aus § 26 Abs. 4 Nr. 2 NBrandSchG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 lit. b FKGS und seiner Stellung als Hauseigentümer. Die Höhe der Kosten, für deren Berechnung § 5 Abs. 1 FKGS i.V.m. der Anlage zur FKGS den Maßstab bildet, muss nun aber auf das reduziert werden, was zum Absaugen des Wassers aus dem Ober- und Erdgeschoss erforderlich war. Dem Einsatzbericht lässt sich nicht entnehmen, welcher Teil des Gesamtaufwandes auf diese Leistung entfiel. Eine Beweisaufnahme hierzu durch Vernehmung der eingesetzten Feuerwehrleute stünde außer Verhältnis zur Höhe des streitigen Betrags. Daher darf das Gericht hier die Höhe der Kostenforderung der Beklagten gem. § 173 VwGO i.V.m. § 287 Abs. 2 ZPO schätzen. Dabei geht das Gericht davon aus, dass grob die Hälfte der Einsatzzeit und der Einsatzmittel auf die Aufnahme des Wassers in Erd- und Obergeschoss verwendet wurde. Somit ist die Kostenforderung der Beklagten bis zu einem Betrag von 700 EUR gerechtfertigt.

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Der Geltendmachung dieser Forderung steht nicht entgegen, dass die Beklagte in derselben Sache bereits einmal einen - etwas abweichend abgefassten - Kostenbescheid erlassen und in einem früheren gerichtlichen Klageverfahren aus eigenem Antrieb aufgehoben hat. Der Einzelrichter vermag nicht zu erkennen, dass die Beklagte in diesem Zusammenhang etwas getan oder geäußert hat, was vom Kläger als endgültiger Verzicht auf die Forderung verstanden werden konnte. Sie hat den Bescheid vielmehr einfach nur kommentarlos aufgehoben. Insofern musste der Kläger mit der Möglichkeit rechnen, dass diese Aufhebung nur formelle Gründe hat und ein neuer Bescheid erlassen werden wird. Ebenso steht die Rechtskraft des im damaligen Gerichtsverfahren (11 A 689/10) nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen ergangenen Einstellungsbeschlusses einer erneuten Kostenfestsetzung nicht entgegen. Ein solcher Einstellungsbeschluss ist - anders als ein Urteil - von vornherein nicht der materiellen Rechtskraft fähig (vgl. Kopp/ Schenke, VwGo, 16. Aufl., § 161 Rn. 9).

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Soweit der Kläger erklärt hat, er mache "hiermit" den ihm angeblich wegen des nachlässigen Vorgehens der Feuerwehr entstandenen zusätzlichen Schaden von 4.000 EUR geltend, ist dies als (Hilfs-) Aufrechnung der Kostenforderung mit einem Amtshaftungsanspruch gegen die Beklagte zu verstehen. Wegen des insofern bestehenden Entscheidungsmonopols der ordentlichen Gerichte (vgl. Art. 34 S. 3 GG) darf das Verwaltungsgericht die Aufrechnung mit einem Amtshaftungsanspruch aber nur berücksichtigen, wenn dieser bereits rechtkräftig festgestellt ist (vgl. Kopp/ Schenke, a.a.O.., § 40 Rn. 45). Das ist hier noch nicht der Fall. Es ist auch nicht ersichtlich, dass beim Landgericht bereits ein Amtshaftungsprozess anhängig ist, bis zu dessen Abschluss das vorliegende Verfahren gem. § 94 VwGO ausgesetzt werden könnte. Daher kann diese Einwendung des Klägers nicht Erfolg haben.